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SCHLESISCHE BERGWACHT
I
Nr.l
AGNETENDORF
Wer hat es gegründet, wann wurde es ge­
gründet und woher kam sein Name. Uber
dies alles berichtete eine Chronik, die von
unserem Lehrer Richard 0 t t 0 gewissenhaft
und treu 40 Jahre lang geführt wurde, aber
bei der Vertreibung leider verloren gegan­
gen ist. Nun will ich versuchen, noch Ein­
zelheiten zusammen zu tragen. Ich bitte alle
Agnetendorfer, mir dabei zu helfen.
Als Gerhart Hauptmann sein Haus • Wie­
senstein" erbauen ließ, war dies für Agne­
tendorf der Beginn als Fremdenverkehrsort.
Hotel Baier und Hotel Deutscher Kaiser und
auch Hotel Agnetendorf bestanden damals
wohl für die Gebirgswanderer. Fräulein Eli­
se Höniger gründete ihr Schulheim, ließ das
Haupthaus bauen und kaufte das Berg­
schloß mit den Wirtschaftsgebäuden und un­
ten im Dorf Haus Herzig und Villa Hager.
Im Haus Herzig wurden vorher Spanschach­
teln, wie man sie damals für Pfefferminz­
plätzchen oder Schuhwichse brauchte, her­
gestellt.
Auch die spätere Keil'sche Holzwarenfa­
brik war ein Betrieb von Herrn Herzig. Herr
Hotelbesitzer Paul Baier hatte in der kleinen
Brettschneide schon einen Generator und
eine Batterie stehen, mit denen er abends
und nachts sein Hotel mit Nebengebäuden
beleuchten konnte. Hatte Agnetendorf bis­
her eine einklassige Schule, so baute man
1903 die neue Schule und Herr Hager aus
Villa Hager, ein Geschäftsmann aus Hanno­
ver, stiftete eine Schulbibliothek. Durch
das Schulheim Höniger kamen Eltern der
Kinder als Gäste nach Agnetendorf und nun
begann man, Häuser für die Vermietung an
Sommergäste zu bauen. Es bestand 1904 ein
Männergesangverein. Das Beweisstück hier­
für, ein Programm mit den zu singenden Lie­
dern und Schüttelreimen ist erst bei der Ver­
treibung verloren gegangen. Ich erinnere
mich noch an den Vers: .Ich sehe rüber und
sehe nüber und weiß nicht genau, wer ist
mir lieber, der Meister oder seine Frau." Ge­
meint war Fleischermeister Günther. Agne­
tendorf hatte auch seine eigene Bühnen­
dichterin, Frau Wackermann. Ich erinnere
mich an den .Hirschberger Wochenmarkt"
und "Als Kalkulators zur Baumblüte ka-
men". Mit dem Stück. "Vier Jahreszeiten"
waren die Stücke abgeschlossen. Familie
Wackermann, die auch gleichzeitig die
Spielleitung hatte, verzog nach Hirschberg.
Die Agnetendorfer konnten auch mit großem
Erfolg "Fuhrmann Hentschel" von Gerhart
Hauptmann spielen. Dialekt läßt sich eben
nicht lernen, sondern ist mitgeboren und das
war es eben bei den Agnetendorfer Laien­
spielern.
Doch wieder zurück zur Jahrhundertwen­
de! Der Riesengebirgsverein war gegründet
und Sportler fanden sich ein. Rodeln, Ski­
laufen und Bobfahren wurden große Mode.
Die Pferdeschlitten mit klingendem Geläut
und die Schlangen der Rodler kamen von
Schreib er hau herüber und brachten mehr Le­
ben als im Sommer. Die allwinterliche
Jagd, die Graf Schaffgotsch seinen Gästen
bot, dabei die Förster, die den "Fürsten­
gruß" auf ihren Hörnern bliesen, oder am
Abend das "Jagd aus", die Waldarbeiter,
die die Beute zum Schloß nach Bad Warm­
brunn oder zum Kameralamt in Herrnsdorf
brachten, waren Bestandteile des winterli­
chen Lebens in Agnetendorf. Zum winterli-
chen Leben gehörten auch die vom Pferd
gezogenen Hörnerschlitten, welche Gäste
zur Peterbaude brachten und mit dem Kut­
scher allein wieder zurückkehrten, die Holz-
abfuhr mit Schlitten zum Sägewerk, oder die "Was ist die größte Kunst auf Erden?"
Abfuhr des Feuerholzes. Mit frohem Herzen alt zu werden,
Ein Punkt des Dorflebens soll nicht über- zu ruhn, wo man noch schaffen möchte,
sprungen werden, die Kirmes. Da hatte je- zu schweigen, wo man oft im Rechte,
des Hotel und Gasthaus in der Kirmeswoche zu hoffen, wenn man am Verzagen,
seinen Tag. Am Sonntag war dann überall im Stillesein das Leid zu tragen.
Kirmes und es gab Gäste, die dann auspro- Geduldig, wenri's nicht mehr will qeh'n,
bierten, wo es am gemütlichsten war. der andern Wirken anzusehn,
In jener Zeit waren die Sommer schön und die Hände in den Schoß zu legen
die Winter dauerhafter und durch die un- und sich in Ruhe lassen pflegen,
getrübte Freude leuchten sie noch heute. und wo man sonst gern hilfreich war
Ein Aufstieg, mit dem Rodelschlitten hinter Sich nun in Demut machen klar,
sich, dauerte 90 Minuten und oftmals noch daß uns die Schwachheit überkommen,
länger und bei guter Rodelbahn war man in _ wir nichts mehr sind zu andrer frommen,
10 Minuten wieder unten im Dorf oder man und dabei still und freundlich sein
fuhr gleich bis nach Herrnsdorf. Winterfreu- beim Tragen dieser stillen Pein.
den, die man nie vergißt. "Was könnt uns solchen Frieden geben?!"
Emmy Scholz "Wenn wir des festen Glaubens leben,
daß solche Last von Gott gesandt,
uns bilden soll fürs Heimatland
als letzter Schliff fürs arme Herz,
der los uns machen soll vom Schmerz
und von den Bürden dieser Welt
die uns so fest gefangen hält."
Die Kunst lernt keiner völlig aus,
drum gibfs noch manchen harten Strauß
in alten Tagen durchzukämpfen
bis wir des Herzens Unruh dämpfen
und gänzlich uns ergeben drein: In stiller
Demut nichts zu sein!
einges. Richard Mattern
Dezember
1976
Eine kleine Ergänzung zum ausführlichen Bericht des Herrn Wilhelm Vielhauer, in 8480
Weiden, Wallensteinstraße 24, über Flurnamen aus Schmiedeberg in der .Berqwadit"
Nr. 23, vom 5 .. Dezember 1976.
Die Herr Dr. med Walter Roesch, 8939 Bad Wörishofen, A.-Stifter-Str. 8, uns zusendet.
Vom Laufraus und Ilrebaus bei Schmiedeberg
In Theodor Eisenmängers Geschichte von
Schmiedeberg vom Jahre 1900 (neugedruckt
in den .Schmiedeberger Nachrichten" Nr. 4
vom April 1956, Seite 8) heißt es: .1703, den
24. Juni, welches war der Johannestag, an
einem Sonntage, da hat sich George Klen­
nert, gewesener Müller, in dem sogenann­
ten Lauffaus erhenket, einen Büchsenschuß
weit hinter den Häusern an eine sehr dicke
und fast in demselben Revier größte Tanne.
Den 26. dito ist er abends heruntergenom­
men worden und von dem Stockmeister an
seinem gehörigen Ort auf den Fiebicht be­
graben worden bei Schmiedeberg und ist
ihm der Kopf abgeschlagen worden." So weit
der Bericht über einen Selbstmord durch Er­
hängen im Lauffaus.
_ Ein Selbstmord war in damaliger Zeit ein
besonders schweres Verbrechen. Wer sich in
seinem Hause das Leben genommen hatte,
wurde vom Stockmeister (Scharfrichter), ehe
er auf dem Schinderkarren fortgebracht wur­
de, zum Fenster hinaus geworfen. Der "Fie­
bicht" befand sich in Schmiedeberg auf dem
Wege zur Höhnestraße, wahrscheinlich in
der Nähe des Scharfrichterhauses, zu unse­
rer Zeit war es das Haus der • Wäsche-Lan­
gern· an der unteren Schießhausstraße.
Weiter oben an der Cottbushöhe befand sich
der Galgen, wie auf alten Bildern zu sehen
war. Von der schweren Geisteskrankheit der
Melancholie mit ihren unerträglichen De­
pressionen verstand man damals um 1700
noch nichts, wußte noch nichts, daß diese
krankhaften Angstzustände viel schwerer
zu ertragen waren, wie körperliche Schmer­
zen, so daß Selbstmord bei diesen Depres­
sionen sehr häufig ist.
Wie steht es aber mit dem "sogenannten
Lauffaus", wo der Selbstmord sich zuge­
tragen hat. Eisenmänger konnte noch keine
Erklärung für diese ungewöhnliche Ortsbe­
zeichnung geben. Laufaus bedeutet aber
nichts anderes als die aus Schmiedeberg
herausführende Straße über den Paß in die
Landeshuter Gegend. Auch im nördlichen
Schlesien gab es einen solchen Ort. Statt
Laufaus heißt es aber oft und einleuchten­
der "Auslauf". So findet sich auch für den
Paßkretscham auf dem Paß von Schmiede­
berg früher die Bezeichnung .Auslaufkret­
scharn ". Der Laufaus oder Auslauf war also
nichts anderes wie Ober-Arnsberg im Ge­
gensatz zum unteren Arnsberg im Grunze­
tal. Er erstreckte sich von der Arnsberger
Schule am Gerichtskretscham vorbei bis zum
Paßkretscham.
Eine weitere etwas ungewöhnliche Orts­
bezeichnung ist die .Kolonie Drehaus", wie
sie 1909 in Meyers Reiseführer .Riesenqe­
birge" genannt wird. Dieses Drehaus kann
seinen Namen nicht davon haben, daß die
dortigen wenigen Häuser an einer sich be­
sonders stark windenden Straße liegen.
Auch die vor Zeiten nachweisbare Bezeich­
nung .Drehdichaus" kann da nicht weiter
helfen. Der Name kommt vielmehr von der
ursprünglichen Ortsbezeichnung "die Drei­
häusel". Aus Dreihäusel ist Dreihaus und
Drehaus geworden. M. W. ist Drehaus auch
J.ie lesen. h.e uie :
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Emmy Scholz
Agnetendorf
Erhard Krause
Die Eiszeitlichen Moränen des
Riesengebirges
Deutsch-polnische Geschichte
als Streitobjekt
auf der berühmten, um 1500 entstandenen
Bildkarte des Riesengebirges zu finden, die
Sirnon Hüttel in Trautenau zugeschrieben
wird, in Frankfurt am Main entdeckt und
vom Altertums-Museum in Breslau erworben
wurde. Der "Wanderer im Riesengebirge"
hat sie vor Jahren beschrieben und abge­
bildet. Dr. Roesch
Die größte Kunst
Klassentreffen nach 42 Jahren.
Diesmal ist's schon spät im Jahr
reich ich Euch dies Bildchen dar.
Daß sich zu des Jahres Wende
alles Euch zum Guten wende.
dies wünscht mit herzlichen Neujahrsgrüßen
Eure Else Matthäus (Marpert)
3223 Delligsen 2, Kurhausweg 8