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SCHLESISCHE BERGWACHT
Nr. 9
Wer erinnert sich heute noch?
Eine Reportage über Gaststätten pp. in Schmiedeberg und Umgebung
Eine schöne Erinnerung mit guter Rück­
blende auf vergangene Tage soll der fol­
gende Beitrag von unserer alten schlesischen
Heimat für den Leser dieser Zeilen sein! Er
erhebt nicht den Anspruch etwa auf absolute
Richtigkeit, denn es liegen in dem Falle
ca. 70 Jahre dazwischen. Seither ist vieles
geschehen von 1910 etwa bis jetzt! Ein breit
gefächertes Blickfeld damaliger Zeit soll
in Erinnerung kommen! Heimatliebe hat die
Gedächtnisstütze fundiert und der Rückblick
soll in Dankbarkeit der schönen Heimat ge­
widmet sein!
Denn Heimatliebe soll ja speziell bei uns
Deutschen zu den unwägbaren Dingen dieser
Welt gehören!!
Nun zum Thema! - Zum "Kundendienst"
meines Vaters Geschäfts (Kürschnerei) und
auch zur Anhänglichkeit an die schöne Natur
gehörte es, viel Ausflüge in die Gegend mit
oder ohne Familie zu machen, auch mit Be­
kannten oder Verwandten. Da wäre also als
erstes das in der Niederstadt befindliche
.Feldsdrlößdien ", ein inmitten von Feld und
Wald gelegenes Gartenlokal mit "Kaffeegar­
ten", wo Mutter mit uns Kindern gern weil­
te! Es lag abseits der Straße und für uns
Kinder wie geschaffen! Dann kam direkt an
der Straße Hirschberg - Landeshut gelegen
das Gasthaus .Zum Schlüssel" am Fuße des
gleichnamigen Berges mit einem Steinbruch
dahinter. Nun geht es weiter zum "Land­
häusl". Es lag an einem Feldwege nach Ho­
henwiese, ein kleines Bierlokal und Vater
ging oft, besonders sonntags morgens, dort­
hin zu einem Frühschoppen, oder auch zu ei­
nem Skat. Etwas bewußt abschätzend kam
mit schöner Regelmäßigkeit eine Bemerkung
meiner Mutter: .Jetzt gieht der Voter dohie,
wu das Gesangbuch an Henkel hoat! Was
aber Vater nicht sonderlich beeinflußte! -
Als nächstes geht es zum Kaffee Zeh, Nähe
Bahnhof, an der Ecke Eglitz-Brücke, mit Kon­
ditorei. An der Bahnhofstraße mit großem
Kaffeegarten und Saal lag .Schreibers Ho­
tel"! Im Sommer gab es im Saal Gastspiele
auswärtiger Bühnen oder Konzerte, wozu
mich Mutter immer mitnahm! Die "Waise
aus Loowood" ein Trauerspiel, ist mir noch
in Erinnerung, und dabei kam Mutters
Taschentuch nicht zur Ruhe! - Weiter geht
die Tour zum Gasthaus "Sonne", Inhaber
Familie Schatz, also ein in jeder Weise
freundliches Lokal, nahe der Einfahrt zum
Raabe-Gut, Höppner-Schmiede und Post, für
Reisende und Touristen geeignet. Dann lag
an der Friedrichstraße der "Preußische Hof",
bei dem an der Vorderfront die Firma Milke
aus Hirschberg ein Konfektionshaus mit gro­
ßem Laden einrichtete. Als nächstes Lokal
käme dann das sehr exklusive Hotel "Zum
goldenen Stern", das heute im .Baedecker"
vermutlich mit 3 Sternen bezeichnet stehen
würde!! Hier war auch eine Kutscherstube
mit Ausgespann angegliedert, wie sich das
für ein gutes Lokal gehörte. Inhaber war die
Familie Koring zu meiner Zeit, soweit ich
mich erinnern kann. Der "Spiritus rector"
dieses Betriebes war s. Zt. der Oberkellner,
Herr Sommer, den wir, da in unmittelbarer
Nachbarschaft unseres Geschäftes, sehr gut
kannten, und den ich in einem früheren
'Artikel schon erwähnte. Herr Erhard Krause
hat in Nr. 4/77 der .Bergwacht" dem Lokal
einige ehrende Zeilen gewidmet. Die Hono­
rationen unseres Städtchens, auch andere
prominente Gäste kannten den Kellner, so­
gar Gäste aus dem Ausland. Mit weltmänni­
scher Sicherheit bewegte er sich als vollen­
deter "Grande", sozusagen als Vertreter
unserer Stadt zwischen seinen Gästen. Mit
uns als unmittelbare Nachbarn hatte Herr
Sommer auch guten Kontakt. Als Junge
hatte ich so etwas wie scheue Hochachtung
vor ihm.
In der Gartenstraße war da nicht weit von
uns die Konditorei Griepentrog, mit Kaffee
angegliedert. Da gab es einschlägige Schlek­
kereien aller Art und Güte. Wenn daheim
Besuch war, mußte ich das Passende oder
Fehlende, besonders für die Tanten dort
holen!! Das süße Geschäft war aber auch in
der ganzen Stadt durch gute Ware bekannt!!
- Nun geht es weiter zum Markt! Da war das
Hotel "Schwarzes Roß" der Familie Baum­
gart. Angegliedert war die Kutscherstube
und das Ausgespann. Beides gehörte mei­
nem Onkel, dem Fuhrunternehmer August
Kallinich mit seiner Frau, der Tante Berta,
die bei mir immer einen Stein im Brett hatte,
denn es war immer ein Stückla Kucha oder
a po ar Pfefferminzkichla fier mich auf Lager,
oder Bomborns! Auch zwischen den Gäulen
konnte man sich im Stroh schön verstecken,
aber das wurde vom Onkel nicht gerne ge­
sehen und ein Fuhrmannsdonnerwetter des
Onkels fuhr dazwischen, denn die "Biester"
sein doch monchmool scheu und schloan noch
hinga aus! - Am Markt war auch die Destille
von Herrn Singer. Der Singer-Sicke, sein
ältester Sohn, war eine Weile mein Spielge­
fährte. Er ging dann auf eine andere Schule,
wohl nach "Herschbrich", (Hirschberg!) Ne­
ben dem Rathaus war die Destille von
Hanke, bei der an Wochenenden meist
Hochbetrieb war. Gegenüber vom Rathaus
war das Gasthaus ,,3 Kronen", bei dem einst
das 1. Kino der Stadt in festem Saal im 1.
Stock "stattfand", Ausstattung: Holzbänke
als billigste Plätze, dann Einzelstühle, sogar
Polster, und ein Klavier! - In der Landeshu­
ter Straße lag die Brauerei, in der ich immer
Jungbier holen mußte. Daraus wurde dann
im Winter zum Abend Warmbier gekocht,
was ausgezeichnet schmeckte! In der Ober­
stadt lag gegenüber der Schule der "Hirsch",
im Hintergebäude befand sich meines Wis­
sens als 1. Bad ein kleines Holzhaus mit Um­
kleidezellen und einem "Bassin", etwa 3mal
4 m groß, wo ich und einige wenige andere
Jungens die ersten Schwimmstöße machten,
denn das schöne Inselbad an den Gebauer­
teichen war noch nicht akut!! Gut Naß! Aber
an die Anstalt im "Hirsch" denke ich immer
gern zurück! -
Nun war da auch noch der "Stollen", an
den ich mich aber nicht mehr recht erinnere,
vielmehr lag am Paß an der Straße nach
Landeshut die "Viktoria-Höhe", ein viel be­
suchtes Ausflugslokal, dann auf der Paßhqhe
der Paßkretscham, später die Schillerbaude
als Neubau, mit Blick auf das Schmiedeber­
ger und Landeshuter Gebiet. Beides ware.n
schöne Ausflugslokale. - - Nun wollen w j r
wieder runter ins Städtchen gehen. Da war
das Schützenhaus, von der kath. Kirche aus
nur einige Minuten weit, da wurde auch spä­
ter die Höhnestraße gebaut, die also (Ich
danke Herrn Vielhauer für den Hinweis!)
nach dem Bürgermeister Benno Höhne be­
nannt ist. Von dort in fast ununterbroche­
ner Steigung läuft ein Weg durch Wald zur
damals sehr beliebten Tannenbaude, Aus­
flugsziel vieler Spaziergänger. Die Baude
war gleichzeitig Sitz eines Revi�rförst�rs
und Kaffee- und Bierwirtschaft. Weiter qmq
es durch Hochwald, immer mit Steigung bis
zu den Forstbauden einige wenige Häuser
mit wunderbarem Blick ins Hirschberger Tal.
Eine kleine Schule gab es m. W. auch dort
oben und einen Lehrer, der sich in Form ei­
nes kleinen Alpinums, der Pflege der Ge­
birgsftora verschrieben hatte. Bis zu den
Grenzbauden führte der Waldweg weiter,
mehrere Baudenkomplexe, die damals schon
wegen ihrer hohen Lage gern von Reisenden
besucht wurden. Ich erinnere mich noch der
Hoferbaude. Nun will ich auf der anderen
Seite des Schm. Tales mit der Reise fortfah­
ren. Da käme zuerst Hohenwiese. Hier lag
das Kaffee "Glück. im Winkel" mit Kondito­
rei für die Mütter und Tanten und Spielplät­
zen für die Kinder. Die Schleckerei war für
uns Kinder aber mit einem Wermutstropfen
verbunden. Hier wurde uns, weil es ein "fei­
nes Lokal" war, der gute Benimm zur Pflicht
gemacht!! Der "Grüne Baum" arn gleichen
Orte hatte einen großen Garten mit sehr
altem Baumbestand. Uber den "Hämrich"
ging der Weg zum Kretscham in Oberbuch­
waid, der so schön abseits lag und von dem
aus man die Falkensteine gut sehen konnte.
Es war eine Wirtschaft mit Viehhaltung. In
Hohenwiese war der Onkel Müller als Ober­
gärtner und Förster im Genesungsheim tätig.
Das Heim gehörte m. W. der LV A in Breslau.
Die Nachkommen des Onkels sind jetzt
alle im Westen und ich stehe noch in Ver­
bindung mit ihnen! Der nächste Weg bergan
selbstredend, geht zur Buchenbaude. (Siehe
ein schönes Foto von ihr, in Nr, 2/77 S. 32,
von Herrn S. Raabe aus Rotenburg/W.!) Die
herrliche Buche ist bestimmt noch arn Leben?
Daß die Baude noch steht, bestätigt das Bild!
Und weiter geht die Wanderung zu den Frie­
sensteinen, obwohl zu meiner Zeit bis dorthin
Wald und nichts als Wald zu sehen war. Aber
auch viel, viel Blaubeeren! Weiter geht die
Wanderung nach Buschvorwerk, an der Stra­
ße nach Steinseiffen lag die Brauerei, wo im
Garten im Sommer die Schulfeste stattfan­
den! In Steinseiffen gab es neben Onkel
Keils Kolonialgeschäft den Kretscham (neben
dem Feuerwehrturm) mit einem großen Gast­
raum und viel, viel altem Holze!! Zum Dorf
hinauf geht es weiter zur Kaiser-Friedrich­
Baude, ein schönes Touristenziel mit großer
Glasveranda und Blick zum Kamm!
Der Kretscham in Arnsdorf war ein großes
stattliches Gebäude und lag gegenüber dem
gräflich-Matuschka'schen Schlosse. Zwischen
Straße und Schloß ein prächtiger Park mit
exklusivem Baumbestand! Von da ab in Rich­
tung zu einem dicht bei Arnsdorf befind­
lichem Höhenrücken gelangte man zur Brot­
baude, wieder in freier Höhe gelegen, mit
herrlichem Panorama zum Schmiedeberger
und Hirschberger Tal. Nicht weit weg von
dort das Gasthaus zum "Eisenhammer" in
Birkigt zwischen Arnsdorf und Nieder­
Krummhübel! -
Hier sei auch noch der alten, s. Zt. durch
eine Lawine verschütteten Melzergrund­
Baude, direkt am Fuße des Koppenkegels ge­
dacht. Sie lag am Wege von Wolfshau zum
Melzergrund-Kessel. Jetzt geht es zu einem
kleinen Außenseiter. Ich meine das Lust­
schlößchen in Kaiserswaldau in herrlicher
Lage. Es war Besitz eines Onkels von mir,
des Dest. Hornig aus Hirschberg, der den
Enzian-Likör in Flaschen im Format der En­
zianblüte einführte. In der Drahtziehergasse
in H. besaß er eine gutgehende Brennerei mit
Ausschank.
Auch erinnere ich mich gern an das Hotel
zum Rosengarten am Schloßplatz in Bad
Warmbrunn, wo ich die Gärtnerei erlernte.
Es war durch seine vortreffliche Küche sehr
bekannt und wurde durch unsere Gärtnerei
(Bittner, Zackenaue) im Sommer mit frischem
Gemüse beliefert. Dort wurde aber nicht nur
Essen gekocht, sondern in der Hitze des
hochsommerlichen Betriebes flogen in der
Küche auch manchmal Bratpfannen, Töpfe
und andere Utensilien nach den Stiften
(Kochlehrlingen). Schleunigst suchte ich dann
mit meiner Gemüsekarre das Weite! Zum
Maulaffen-feilhalten schien mir dort nicht die
rechte Atmosphäre.
Zum Schluß möchte ich noch einen kleinen
Ausflugsort erwähnen. Es war der Harte­
Kretscham bei dem kl. Ort Hartau dicht bei
Schmiedeberg. Man ging dorthin durch die
Felder durch die Auen am Schlößchen Ruh­
berg �orbei, wo sich die. Romanze Kais�r
Wilhelms des 1. mit der Prinzessin RadzewIlI
abspielte, s. auch Art. von Herrn Erhard
Krause v. 20. 2. 1977 Nr. 4 in der "Berg­
wacht" . Der Kretscham besaß einen sehr
hübschen, anheimelnden Kaffeegarten, der
an einer kleinen Berglehne lag mit Blick zur
gesamten Kammlinie.
Diese so lange Wanderung will ich nun für
heute beschließen, hoffend, beim Lesen die­
ser Zeilen liebe Erinnerungen an unser schö­
nes Gebirge wieder geweckt zu haben und
verbleibe mit besten Wünsche an alle und
schlesischem Gruß W. Opitz, Bad Salzuflen
Deulschlandlreffen
der Schlesier -
Hirschberg trifft sich
In Essen in
Halle6