Author: Engels F.  

Tags: geschichte   kommunismus  

Year: 1914

Text
                    Grundsätze des
Kommunismus
Eine gemeinverständliche Darlegung
von Friedrich Engels
Aus dessen Nachlaß
herausgegeben von
Eduard Bernstein
Berlin 1914
Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer G. m. b. Ä.
(Lans Weber, Berlin)


Vorbemerkung. Die Schrift, die hiermit der Öffentlichkeit übergeben wird, fand sich im Nachlaß von Friedrich Engels vor, von seiner Hand auf vergilbtes Papier geschrieben. Daß sie ein erster Entwurf für das Marx-Engelssche „Manifest der Kom¬ munisten" war, lehrte die Durchsicht auf den ersten Blick. Weniger sicher war die Person ihres Verfassers. Sie konnte von Engels allein herrühren, und dafür sprach der Umstand, daß Engels mir, und wohl auch anderen, bei Gelegenheit erzählt hatte, für das Kommunistische Manifest hätten er und Marx zunächst jeder selbständig einen Entwurf aufgesetzt und seien dann erst gemeinsam an dessen endgültige Ab¬ fassung gegangen. Als er mir dies 1884 erzählte, schenkte mir Engels ein Blatt aus dem Marxschen Vorentwurf, das ich seinerzeit in einem Gedenkblatt des „Wahren Jakob" im Faksimile veröffentlicht habe. Davon, daß sein Entwurf noch existiere, schwieg er, und auch auf dem Manuskript findet sich keine Anmerkung, die anzeigte, daß dies der von ihm ver¬ faßte Vorentwurf sei. Dagegen steht im Text bei den Fragen 22 und 23 statt der Antworten jedesmal die Be¬ merkung „bleibt", was unzweideutig erkennen läßt, daß hier eine Umarbeitung eines früher abgefatzten Entwurfs vor- liegt, und der Annahme Raum gibt, daß an dieser Umarbei¬ tung doch schon Marx beteiligt war, sie also als Kollektiv¬ arbeit zu betrachten sei. Im Vorwort zu einer schon vor Jahren geplanten, aber, im Hinblick auf den erst zu ver¬ öffentlichenden Marx-Engelsschen Briefwechsel, vertagten Aus¬ gabe des Schriftchens ist denn auch auf die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme verwiesen worden. Im Briefwechsel Marx-Engels finden wir nun eine Stelle, welche die Frage der Verfasserschaft entscheidend löst. Am 24. November 1847 schreibt Engels aus Paris an Marx ziemlich am Schlüsse eines längeren Briefes: „Dienstag abends. Ueberlege Dir doch das Glaubensbekennt¬ nis etwas. Ich glaube, wir tun am besten» wir lassen die Kate¬ chismusform weg und titulieren das Ding: Kommunistisches l»
Manifest. Da darin mehr oder weniger Geschichte erzählt werden muß, paßt die bisherige Form gar nicht. Ich bringe das hiesige mit, das ich gemacht habe, es ist einfach erzählend, aber miserabel redigiert, in fürchterlicher Eile. Ich fange an: Was ist der Kommunismus? und dann gleich das Proletariat — Ent¬ stehungsgeschichte, Unterschied von früheren Arbeitern, Entwicke¬ lung des Gegensatzes des Proletariats und der Bourgeoisie, Krisen, Folgerungen. Dazwischen allerlei Nebensachen und schlie߬ lich die Parteipolitik der Kommunisten, soweit sie vors Publikum gehört. Das hiesige ist noch nicht ganz zur Bestätigung vor¬ gelegt, aber ich denke, bis auf einige ganz kleine Kleinigkeiten, es so durchzusetzen, daß wenigstens nichts gegen unsere Ansichten drin steht." Das war wenige Tage vor Engels Abreise nach London zur Kommunistenkonferenz, auf der Marx und Engels mit der gemeinsamen Abfassung eines Manifests betraut wurden, an die sie nach ihrer Rückkehr auch sofort herantraten, und zwar auf Grund eines Planes, der von der Disposition, die Engels hier entwickelt, ganz bedeutend abweicht. Wir können danach mit Sicherheit feststellen: Erstens: Engels Angabe, daß Marx und er nach der Londoner Konferenz je einen eigenen Entwurf verfaßt hätten, beruht auf einem Zeitirrtum, wie deren Engels verschiedene unterlaufen sind. Die Einzel¬ entwürfe sind vor der Londoner Konferenz abgefaßt worden. Zweitens: Der hier vorliegende Entwurf ist das Werk von Friedrich Engels. Die in dessen Brief gegebene Inhaltsangabe deckt sich völlig mit dem Inhalt des Manuskriptes. Und als sehr wahrscheinlich können wir sagen: Drittens: Das Manuskript des vorliegenden Entwurfes ist Reinschrift, weil die erste Niederschrift, von der Engels er¬ klärt, sie „in fürchterlicher Eile" erledigt zu haben, von ihm zunächst der Pariser Mitgliedschaft des Kommunistenbundes zur Begutachtung vorgelegt wurde. Wenngleich nicht anzu- nehmen ist, daß sie dort auf Einwände grundsätzlicher Natur gestoßen ist und solche auch von Engels kaum akzeptiert worden wären, spricht nichts gegen die Vermutung, daß nach erfolgter Durchberatung Engels das Schriftstück noch einmal vorgenommen und umredigiert hat, ohne daß, wie wir sehen, der Grundcharakter des Ganzen und die Anordnung des Stoffes Aenderungen erfahren hätten. Hierzu sei noch bemerkt, daß schon zwei Wochen vor Ab¬ fassung des obigen Briefes Engels, wie er am 10. November 1847 Marx mitteilte, sich vom Pariser Kreis des Kommunisten¬
5 bundes den Auftrag erwirkt hatte, an Stelle eines von Moses Heß ausgearbeiteten und von ihm Punkt für Punkt kriti¬ sierten „Glaubensbekenntnisses" ein neues zu entwerfen, das etwa acht Tage darauf in einer Versammlung des Kreises dis¬ kutiert und dann nach London geschickt werden würde. Die Einleitungssätze des Briefes vom 24. November 1847 geben der Vermutung Raum, daß in der Zwischenzeit ein Meinungs¬ austausch zwischen Marx und Engels stattgefunden hat, der zu dem Beschluß der Freunde führte, das Glaubensbekenntnis gemeinsam durchzuarbeiten und als Kollektivarbeit heraus- zugeben. Die Sicherheit über die Verfasserschaft wäre gewiß schon ein hinreichender Grund gewesen, die Schrift herauszugeben. Aber sie ist keineswegs der allein bestimmende Grund. Rein sachliche Gründe sprachen gleichfalls für die Herausgabe. Wohl ist die Schrift weniger umfassend gehalten als das „Kom¬ munistische Manifest", auch führt sie nicht dessen klassische, epigrammatisch gemeißelte Sätze Schlag auf Schlag an¬ einanderreihende Sprache. Aber sie hat doch auch wieder ihre Vorzüge. Sie geht mehr auf bestimmte Einzelheiten ein und wird dadurch sowie durch die Behandlung des Inhalts in Frage und Antwort dem noch nicht in die sozialistische Ideenwelt eingedrungenen Leser leichter verständlich als das, seine gedankenreichen Darlegungen in den knappsten Formen darbietende Manifest, ohne darum weniger wissenschaftlich durchdacht zu sein als dieses. Man könnte sie mit Recht als eine Popularisierung der Kerngedanken des Kom¬ munistischen Manifests bezeichnen, klnd gleichzeitig bietet sie auch wertvolle Ergänzungen dieses Meisterwerkes. Es sei nur auf die schöne Klarstellung der Unterschiede zwischen Sklaven, Leibeigenen und modernen Proletariern verwiesen, ein Muster dafür, wie man Kritik an der modernen Gesellschaft üben kann, ohne damit in roman¬ tisch-reaktionäre Verklärung der Vergangenheit zu ver¬ fallen. Unter zweifachem Gesichtspunkt ist ferner wertvoll die Stelle, wo ein Ausblick gegeben wird auf die mutmaßliche Entwickelung der gesellschaftlichen Verhältnisse unter dem Einfluß des zur politischen Herrschaft gelangten Proletariats — wertvoll als zeitgeschichtliche Urkunde für die Entwickelung der Ideen der Verfasser des Kommunistischen Manifests, wert¬ voll auch dadurch, daß sie in bezug auf die bezeichnete Frage verschiedene Punkte eingehender behandelt als dieses. Mit größter Anschaulichkeit wird hier dargelegt, daß jene Ent-
6 Wickelung nur schrittweise sich vollziehen könne, daß jeder ein¬ zelne größere Schritt, jede zusammenhängende Gruppe von Maßregeln Zeit brauchen werden, um weiter und tiefer greifende nötig und möglich zu machen; daß die volle Durch¬ führung und die Wirkungskraft der zu den letzten Zielen der Bewegung führenden Maßregeln auf jeder Stufe des Weges jedesmal abhängig seien von dem erreichten Stand der allge¬ meinen Entwickelung; daß die einzelnen Phasen dieser Ent¬ wickelung wohl beschleunigt, aber nicht übersprungen werden können, und daß es sich nicht darum handle, die Dinge zu ändern, sondern daß auch mit den Dingen die Menschen selbst sich ändern müßten und ändern würden. Nun haben sich freilich Marx und Engels das Zeitmaß, welches die Entwickelung brauchen werde, um ihren Weg zurück- zulegen, ganz erheblich schneller vorgestellt, als es die Wirklich¬ keit uns gezeigt hat. Engels hat das selbst zugegeben, und die Beweise dafür liegen so klar zutage, daß über die Tatsache selbst kein Wort mehr zu verlieren ist. Sehen wir aber von diesem Punkte ab und wenden wir uns der für die Wissen- schaftlichkeit ihrer Lehre wichtigeren Frage des Verhältnisses ihrer Voraussagen über den sachlichen Gang der gesellschaft¬ lichen Entwickelung zur Wirklichkeit dieser Entwickelung zu, so erhalten wir ein ungleich günstigeres Bild. Es kann sich dabei natürlich nicht um die äußerlichen, politischen Formen der Bewegung, sondern nur um die grundlegenden ökonomi- schen Gestaltungen und Tendenzen handeln. In dieser Hin¬ sicht nun zeigt ein Vergleich selbst derjenigen der von ihnen angedeuteten Maßnahmen, die bei ihnen selbst als fern¬ liegend erscheinen, mit der vor uns liegenden Wirklichkeit eine bemerkenswerte Uebereinstimmung verschiedener davon mit heute schon als notwendig und praktisch in Betracht ge¬ zogenen Reformvorschlägen. Nehmen wir zum Beispiel die auch in dieser Schrift in Aussicht gestellte „Bildung industrieller Armeen, insbesondere für den Ackerbau". Auf den ersten Blick mutet sie fremdartig genug an. Und doch sehen wir gerade in Deutschland die Tat¬ sache vor uns, daß zu gewissen Jahreszeiten regelmäßig ganze Armeen von Arbeitern, teils allerdings aus dein Auslande, teils aber auch aus den Städten des Inlandes, für Zwecke der Landwirtschaft und ihrer Nebenzweige zusammengezogen wer¬ den, um nach Ablauf der „Kampagne" wieder nach allen Windrichtungen hin sich zu zerstreuen. Die vom Staat syste- matisch betriebene Einrichtung ländlicher Arbeiterkolonien ist
7 heute eitle Forderung bürgerlicher Reformer verschiedenster Gattung. In den meisten Fällen ist sie mit reaktionären Tendenzen verknüpft und zielt auf Schaffung neuer Hörig¬ keiten ab. Soweit es sich um die Ansprüche der Produktion selbst handelt, würde aber das Bedürfnis auch bestehen, wenn die Arbeiterklasse zur politischen Herrschaft gelangt wäre oder sobald sie maßgebenden Einfluß im Staat erlangt hat. Es würden und werden nur die Formen unmöglich werden, in denen die Sache heute erstrebt wird. Auf das gleiche Resultat gerichtete Maßregeln würden aber auch dann notwendig wer¬ den, und zwar um so dringender, je mehr die überseeische Lebensmittelversorgung, die lange Zeit diese Seite der Ent¬ wickelung in den Staaten der alten Welt aufgehalten hat, hinter deren zunehmendem Bedarf zurückbleibt — eine Möglichkeit, mit der wir immerhin zu rechnen haben. Die von der großindustriellen Entwickelung bewirkte Zusammenziehung der Bevölkerung in die größeren Städte muß auf einer gewissen Stufe der Entwickelung eine Gegen- bewegung notwendig machen, wofür wir auch wieder heute schon deutliche Anzeichen vor uns sehen. Wo aber die Arbeiter¬ klasse maßgebend geworden ist, kann und wird diese Gegen- bewegung nicht die Form einfachen Zurückwanderns auf die Dörfer annehmen. Denn die früheren Landbewohner oder vielmehr ihre Nachkommen sind inzwischen andere Menschen geworden mit ganz anderen materiellen und geistigen Bedürf¬ nissen als das alte Dorf sie bot. In bezug aus die Herausgeberarbeit sei folgendes be¬ merkt: Als Titel führt die Abhandlung die Bezeichnung, die sie im Engelsschen Manuskript als Ueberschrift trägt. Die Neben- bezeichnung rührt vom Unterzeichneten her. An drei Stellen hat das Manuskript Lücken: bei Frage 9 ist der Raum für die Antwort unausgefüllt geblieben, bei den Fragen 22 und 23 steht, wie schon oben bemerkt, statt der Ant¬ worten das Wort „bleibt". Im Hinblick darauf, daß die Schrift nicht bloß historisches Dokument ist, sondern auch zu propagandistischen Zwecken veröffentlicht wird, schien es mir richtig, diese Lücken nachträglich nach bestem Wissen und Können in dem Sinne auszufüllen, wie Engels es nach meiner Ansicht gegebenenfalls getan hätte. Wo es möglich war, habe ich daher die Ergänzungen dem Kommunistischen Manifest
8 entnommen und auf diese Weise in der Tat Engels oder Marx selbst sprechen lassen, beim übrigen gesucht, mich mög¬ lichst nahe an die Gedanken zu halten, die Engels-Marx in ihren einschlägigen Schriften über die betreffenden Fragen geäußert haben. Neben dieser Ergänzungsarbeit schien mir noch eine zweite geboten. Die Schrift entstammt einer Periode, wo Engels und Marx in bezug auf bestimmte Fragen der Wirtschafts¬ theorie Ansichten hegten, die sie später geändert haben. An denjenigen Stellen, wo solche Ansichten geäußert oder durch die Wahl des Ausdrucks kundgegeben werden, hielt ich es für angezeigt, in Fußnoten auf den Standpunkt hinzuweisen, den Engels und Marx später auf Grund der im „Kapital" von Marx niedergelegten Untersuchungen zu den betreffenden Fragen eingenommen haben, und der daher als für ihre Theorie maßgebend zu betrachten ist. Ich glaube damit im Geiste von Engels selbst gehandelt zu haben, wofür mir sein Vorwort zu der von ihm besorgten Ausgabe von Marx' „Lohnarbeit und Kapital" als Richtschnur gedient hat. Am Text selbst ändern zu wollen, wie Engels es Marx gegenüber tun durfte, jedoch auch nur mit der äußersten Selbstbeschrän¬ kung getan hat, konnte ich mir natürlich nicht beikommen lassen. Ebenso verbot es sich, hier in kritische Betrachtungen über Einzelheiten der Schrift einzutreten. Aber mit Stillschweigen über jene vorerwähnten Stellen Hinwegzugehen, wäre sicherlich nicht im Geiste des Mannes gehandelt, dessen Bestreben und großes Vermögen, strenge Wissenschaftlichkeit und Schärfe des Gedankens mit propagandistischer Gemeinver¬ ständlichkeit zu vereinen, auch in dieser Schrift so leuchtend zum Ausdruck kommt. Berlin-Schöneberg, im November 1913. Ed. Bernstein.
Grundsätze des Kommunismus. 1. Frage: Was ist der Kommunismus? Antwort: Der Kommunismus ist die Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats. 2. Frage: Was ist das Proletariat? Antwort. Das Proletariat ist diejenige Klasse der Gesellschaft, welche ihren Lebensunterhalt einzig und allein aus dem Verkauf ihrer Arbeit und nicht aus dem Profit irgendeines Kapitals zieht; deren Wohl und Wehe, deren Leben und Tod, deren ganze Existenz von der Nachfrage nach Arbeit, also von dem Wechsel der guten und schlechten Ge¬ schäftszeiten, von den Schwankungen einer zügellosen Kon¬ kurrenz abhängt. Das Proletariat oder die Klasse der Pro¬ letarier ist mit einem Worte die arbeitende Klasse des neun¬ zehnten Jahrhunderts. sUnd auch der Gegenwart^ 3. Frage: Es hat also nicht immer Proletarier gegeben? Antwort. Nein. Arme und arbeitende Klassen hat es immer gegeben; auch, waren die arbeitenden Klassen meistens arm. Aber solche Arme, solche Arbeiter, die in den eben angegebenen Umständen lebten, also Proletarier, hat es nicht immer gegeben, ebensowenig wie die Konkurrenz immer frei und zügellos war. 4. Frage: Wie ist das Proletariat entstanden? Antwort. Das Proletariat ist entstanden durch die industrielle Revolution, welche in der letzten Hälfte des vori¬ gen f18Z Jahrhunderts in England vor sich ging, und welche sich seitdem in allen zivilisierten Ländern der Welt wiederholt hat. Diese industrielle Revolution wurde herbeigeführt durch die Erfindungen der Dampfmaschine, der verschiedenen Spinn¬ maschinen, des mechanischen Webstuhls und einer ganzen Reihe anderer mechanischer Vorrichtungen. Diese Maschinen, welche sehr teuer waren, und also nur von großen Kapitalisten an¬ geschafft werden konnten, veränderten die ganze bisherige Weise der Produktion und verdrängten die bisherigen Arbeiter, in¬
10 dem die Maschinen die Warep wohlfeiler und besser lieferten als die Arbeiter sie mit ihren unvollkommenen Spinnrädern und Webstühlen herstellen konnten. Diese Maschinen lieferten da¬ durch die Industrie gänzlich in die Hände der großen Kapi¬ talisten und machten das wenige Eigentum der Arbeiter (Werkzeuge, Webstühle usw.) völlig wertlos, so daß die Kapitalisten bald alles in ihre Hände bekamen und die Ar¬ beiter nichts übrig behielten. Damit war in der Verfertigung von Kleidungsstoffen das Fabriksystem eingeführt. Als der Anstoß zur Einführung der Maschinerie und des Fabrik¬ systems einmal gegeben war, wurde dies System auch sehr bald auf alle übrigen Industriezweige, namentlich auf die Zeug- und Buchdruckerei, die Töpferei, die Metallwaren- industrie angewandt. Die Arbeit wurde immer mehr unter die einzelnen Arbeiter geteilt, so daß der Arbeiter, der früher ein ganzes Stück Arbeit gemacht hatte, jetzt nur einen Teil dieses Stückes machte. Diese Teilung der Arbeit machte es möglich, daß die Produkte schneller und daher wohlfeiler ge¬ liefert werden konnten. Sie reduzierte die Tätigkeit eines jeden Arbeiters auf einen sehr einfachen, jeden Augenblick wiederholten mechanischen Handgriff, der nicht nur ebenso gut, sondern noch viel besser durch eine Maschine gemacht wer¬ den konnte. Auf diese Weise gerieten alle diese Industrie¬ zweige, einer nach dem andern, unter die Herrschaft der Dampfkraft, der Maschinerie und des Fabriksystenrs, gerade wie die Spinnerei und Weberei. Damit gerieten sie aber zu- gleich vollständig in die Hände der großen Kapitalisten, und den Arbeitern wurde auch hier der letzte Rest von Selbständig¬ keit entzogen. Allmählich gerieten außer der eigentlichen Manufaktur auch die Handwerke mehr und mehr unter die Herrschaft des Fabriksystems, indem auch hier große Kapi¬ talisten durch Anlegung großer Ateliers, bei denen viele Kosten gespart werden und die Arbeit ebenfalls sehr geteilt werden kann, die kleinen Meister mehr und mehr verdrängten. So sind wir jetzt dahin gekommen, daß in den zivilisierten Ländern fast alle Arbeitszweige fabrikmäßig betrieben wer¬ den, daß fast in allen Arbeitszweigen das Handwerk und die Manufaktur durch die große Industrie verdrängt worden sind. Dadurch ist der bisherige Mittelstand, besonders die kleinen Handwerksmeister, mehr und mehr ruiniert, die frühere Lage der Arbeiter gänzlich umgewälzt, und (sind) zwei neue, allmählich alle übrigen verschlingenden Klassen geschaffen worden, nämlich:
11 I. Die Klasse der großen Kapitalisten, welche in allen zivilisierten Ländern schon jetzt fast ausschließlich im Besitz aller Lebensmittel und der zur Erzeugung der Lebensmittel nötigen Rohstoffe und Instrumente (Maschinen, Fabriken) sind. Dies ist die Klasse der Bourgeois oder die Bour¬ geoisie. II. Die Klasse der gänzlich Besitzlosen, welche darauf an¬ gewiesen sind, den Bourgeois ihre Arbeit zu verkaufen, um dafür die zu ihrem Unterhalt nötigen Lebensmittel zu er¬ halten. Diese Klasse heißt die Klasse der Proletarier oder das Proletariat. 5. Frage. Unter welchen Bedingungen findet dieser Ver¬ kauf der Arbeit der Proletarier an die Bourgeoisie statt? Antwort. Die Arbeit ist eine Ware wie jede andere, imd ihr Preis wird daher genau nach denselben Gesetzen be¬ stimmt werden wie der jeder anderen Ware. Der Preis einer Ware unter der Herrschaft der großen Industrie oder der freien Konkurrenz, was, wie wir sehen werden, auf eins hinauskommt, ist aber im Durchschnitt immer gleich den Pro¬ duktionskosten dieser Ware. Der Preis der Arbeit*) ist also ebenfalls gleich den Produktionskosten der Arbeit. Die Pro¬ duktionskosten der Arbeit bestehen aber in gerade so viel Lebensmittel als nötig sind, um den Arbeiter instand zu setzen, arbeitsfähig zu bleiben und die Arbeiterklasse nicht *) „Arbeit" steht hier für Arbeitskraft, d. h. für die Fähigkeit zu bestimmten Verrichtungen bei der Produktion von Ge¬ brauchsgegenständen, zur Bedienung der in der Produktion ange¬ wandten Maschinerie oder zu sonst im Wirtschaftsleben benötigten Arbeitsleistungen. Die Ausübung dieser Kraft oder Fähigkeit ver¬ kauft der Arbeiter, sei es auf Zeit oder auf Stück, wobei es scheint, eS werde ihm im Lohn der Wert der im Produkt verkörperten Arbeit oder Dienstleistung bezahlt. Tatsächlich aber wird ihm, wie Marx im „Kapital" darlegt, nur die verausgabte Arbeitskraft bezahlt. So muß eS verstanden werden, wenn hier und im folgen¬ den vom „Verkauf der Arbeit", „Preis der Arbeit" usw. gesprochen wird, eine Ausdrucksweise, die noch.heute üblich ist und die auch in allen wissenschaftlichen Abhandlungen über politische Oekonomie herrschte, bis Karl Marx im „Kapital" nachwies, daß sie eine sinnwidrige Bezeichnung des Verhältnisses bedeute, an der Hand dieses Nachweises die Widersprüche auflöste, zu denen die „popu¬ läre" Ausdrucksweise geführt hatte und „das Geheimnis des Mehr¬ werts" bloßlegte. Zur Zeit, wo das Obige geschrieben wurde, folgte jedoch auch Marx noch in seinen ökonomischen Arbeiten dem alten Gprachgebraluh. D. H.
12 aussterben zu lassen. Der Arbeiter wird also für seine Arbeit nicht mehr erhalten, als zu diesem Zwecke nötig ist. Der Preis der Arbeit oder der Lohn wird also das Niedrigste, das Minimum sein, was zum Lebensunterhalt nötig ist.*) Da die Geschäftszeiten aber bald schlechter, bald besser sind, so wird er bald mehr, bald weniger bekommen, gerade wie der Fabrikant bald mehr, bald weniger für seine Ware bekommt. Aber ebenso wie der Fabrikant im Durchschnitt der guten und schlechten Geschäftszeiten doch nicht mehr und nicht weniger für seine Ware erhält als seine Produktionskosten, ebenso wird der Arbeiter im Durchschnitt auch nicht mehr und nicht weniger als eben dies Minimum erhalten. Dies ökonomische Gesetz des Arbeitslohns wird aber um so strenger durch¬ geführt werden, je mehr die große Industrie sich aller Ar¬ beitszweige bemächtigt. 6. Frage. Welche Arbeiterklassen gab es vor der in¬ dustriellen Revolution? Antwort. Die arbeitenden Klassen haben je nach den verschiedenen Entwickelungsstufen der Gesellschaft in ver- *) Dieser Satz, bzw. die Auffassung, daß der Arbeiter in seinem Lohn nur das mindeste des für seinen Lebensunterhalt Notwen¬ digen erhält, ist von Marx im „Kapital" richtiggestellt worden. Zu den Notwendigkeiten des Arbeiterlebens gehören auch je nach der Kulturhöhe des Landes Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen, die nicht mehr dem Umkreis der Deckung der bloßen NahrungS- notdurft angehören. Sinkt der Lohn des Ar -eiters auf einen Satz, wo letzterer jene Bedürfnisse nicht mehr befriedigen kann, sondern nur das absolut zur Fortsetzung seines Lebensprozesses Notwendige aufbringt, so wird seine Arbeitskraft unter ihrem Wert bezahlt, denn sie kann sich dann nicht mehr in normaler Güte, sondern „nur in verkümmerter Form erhalten und entwickeln" (Marx). Es ist die Tendenz der kapitalistischen Konkurrenzwirtschaft, den Ar¬ beitslohn beständig diesem Mindestsatz entgegenzudrängen, wie sie ja im allgemeinen den Preis der Waren unter ihren jeweiligen Wert herabzudrücken strebt. Aber dieser Tendenz der Herabdrückung des Lohnes auf das absolute Mindestmaß stellen sich andere Fak¬ toren hemmend gegenüber, darunter die Lebensansprüche der Ar¬ beiter selbst, die eben durch die Kulturhöhe des betreffenden Landes, sowie durch die Umstände bestimmt werden, unter denen sich die betreffende Klasse von Arbeitern herangebildet hat und forterhält. „Im Gegensatz zu den anderen Waren," schreibt Marx im „Kapital", „enthält die Wertbestimmung der Arbeitskraft ein historisches und moralisches Element." (Kapitals Bd. I, 4. Kapitel, 3. Unterabschnitt: „Kauf und Verkauf der Arbeitskraft") D/H.
13 schiedenen Verhältnissen gelebt und verschiedene Stellungen zu den besitzenden und herrschenden Klassen gehabt. In« Altertum waren die Arbeitenden dieSklaven der Besitzer, wie sie es in vielen zurückgebliebenen Ländern und selbst in dem südlichen Teil der Vereinigten Staaten noch (d. h. 1847) sind. Im Mittelalter waren sie die Leibeigenen des grundbesitzenden Adels, wie sie es noch jetzt in Ungarn, Polen und Rußland (wie oben) sind. Im Mittelalter und bis zur industriellen Revolution gab es außerdem in den Städten Handwerksgesellen, die im Dienst kleinbürgerlicher Meister arbeiteten, und allmählich kamen auch mit der Entwickelung der Manufaktur Manufakturarbeiter auf, welche schon von größeren Kapitalisten beschäftigt wurden. 7. Frage. Wodurch unterscheidet sich der Proletarier von« Sklaven? Antwort. Der Sklave ist ein für allemal verkauft. Der Proletarier muß sich täglich und stündlich selbst ver¬ kaufen. Der einzelne Sklave, Eigentum eines Herrn, hat schon durch das Interesse dieses Herrn eine gesicherte Existenz, so elend sie sein mag. Der einzelne Proletarier, Eigentum sozusagen der ganzen Bourgeois klasse, dem seine Arbeit nur dann abgekaust wird, wenn jemand ihrer bedarf, hat keine gesicherte Existenz. Diese Existenz ist nur der ganzen Arbeiter klasse gesichert. Der Sklave steht außerhalb der Konkurrenz, der Proletarier steht in ihr und fühlt alle ihre Schwankungen. Der Sklave gilt für eine Sache, nicht für ein Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft; der Proletarier ist als Person, als Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft aner¬ kannt. Der Sklave kann also eine bessere Existenz haben als der Proletarier, aber der Proletarier gehört einer höheren Entwickelungsstufe der Gesellschaft an und steht selbst auf einer höheren Stufe als der Sklave. Der Sklave befreit sich, indem er von allen Privateigentumsverhältnissen nur das Verhältnis der Sklaverei aufhebt und dadurch selbst erst Proletarier wird; der Proletarier kann sich nur dadurch be¬ freien, daß er das Privateigentum überhaupt aufhebt. 8. Frage. Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Leibeigenen? Antwort. Der Leibeigene hat den Besitz und die Be¬ nutzung eines Produktionsinstrumentes, eines Stückes Boden, gegen Abgabe eines Teils des Ertrages oder gegen Leistung
14 von Arbeit. Der Proletarier arbeitet mit Produktionsinstru¬ menten eines anderen für Rechnung dieses andern, gegen Empfang eines Teils des Ertrages. Der Leibeigene gibt ab, dem Proletarier wird abgegeben. Der Leibeigene hat eine gesicherte Existenz, der Proletarier hat sie nicht. Der Leib¬ eigene steht außerhalb der Konkurrenz, der Proletarier steht in ihr. Der Leibeigene befreit sich, entweder indem er in die Städte entläuft und dort Handwerker wird, oder indem er statt Arbeit und Produkten Geld an seinen Gutsherrn gibt und freier Pächter wird, oder indem er seinen Feudalherrn verjagt und selbst Eigentümer wird, kurz, indem er auf eine oder die andere Weise in die besitzende Klasse und in die Kon¬ kurrenz eintritt. Der Proletarier befreit sich, indem er die Konkurrenz, das Privateigentum und alle Klassenunterschiede aufhebt. 9. Frage. Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Handwerker? (Antwort. Im alten Handwerk war der junge Hand¬ werker nach erledigter Lehrzeit in der Regel nur Lohnwerker, um nach einer Reihe von Jahren Lohnherr zu werden, der Proletarier ist fast immer Lohnarbeiter auf Lebenszeit. Der Handwerker, der noch nicht Meister war, war der Geselle seines Meisters, er wohnte in dessen Hause und aß an dessen Tisch, der Proletarier steht zu seinem Lohnherrn in einem reinen Geldverhältnis; der Geselle im Handwerk gehörte der gleichen Gesellschaftsschicht an, wie sein Meister und teilte dessen Lebensgewohnheiten, der Proletarier ist ge¬ sellschaftlich von seinem Arbeitsherrn, dem kapitalistischen Unternehmer, durch eine ganze Welt von Klassenunterschieden getrennt, er lebt in anderer Umgebung auf durchaus andere Weise als jener, ihre Anschauungsweise ist eine durchaus verschiedene. Der Handwerker bediente sich bei der Arbeit eines Werkzeugs, das in der Regel sein Eigentum war und jedenfalls es leicht werden konnte, der Proletarier bedient eine Maschine oder das Teilstück einer ganzen Maschinerie, die nicht sein Eigentum sind, noch jemals solches werden. Der Handwerker verfertigte meist ein ganzes Ver¬ brauchsobjekt und immer war das Geschick, mit dem er sich seines Werkzeugs bediente, entscheidend für die Beschaffenheit des Produkts, der Proletarier verfertigt meist nur einen Teil eines Artikels oder wirkt nur mit an der Ausführung eines Teilprozesses zur Herstellung eines solchen Teils, und seine per¬
15 sönliche Geschicklichkeit tritt zurück gegenüber den Leistungen der Maschinerie, sie ist oft mehr entscheidend für die Menge als für die Beschaffenheit der von ihm verfertigten Teilstücke. Der Handwerksgeselle war, wie sein Meister, ganze Menschen¬ alter hindurch vermittelst Zunftsatzungen oder auf Grund von Handwerksgebräuchen möglichst gegen schädigende Konkurrenz geschützt, der Proletarier muß sich mit seinen Mitgenossen verbinden oder das Gesetz anrufen, um nicht von der Kon¬ kurrenz erdrückt zu werden! Mehrangebot von Arbeitskräften bedrückt ihn, nicht seinen Arbeitsherrn. Der Handwerks¬ geselle war, wie der Handwerksmeister, beschränkt, engherzig, dem Kastengeist ergeben, aller Neuerungen Feind; der Prole¬ tarier wird jeden Augenblick darauf hingestoßen, daß die Interessen seiner Klasse grundverschieden sind von denen der Kapitalistenklasse, an die Stelle des Kastengeistes tritt bei ihm das Klassenbewußtsein und die Erkenntnis, daß die Ver¬ besserung der Lage seiner Klasse nur im Fortschritt der Gesellschaft gesucht werden kann. Der Handwerksgeselle war schließlich, selbst wenn er rebellierte und meist sogar gerade, wo er rebellierte, reaktionär; der Proletarier wird immer mehr dazu genötigt, Revolutionär zu sein. Der erste gesell¬ schaftliche Fortschritt, gegen den das reaktionäre Handwerk sich auflehnte, war die Manufaktur, die Unterwerfung des Handwerks — Meister w i e Geselle — unter das Kaufmanns¬ kapital, das sich später in Handels- und Industriekapital spaltete. D. HZ 10. Frage. Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Manufakturarbetter? Antwort. Der Manufakturarbeiter des sechzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts hatte fast überall noch ein .Pro¬ duktionsinstrument in seinem Besitz, seinen Webstuhl, die Spinnräder für seine Familie, ein kleines Feld, das er in Nebenstunden bebaute. Der Proletarier hat das alles nicht. Der Manufakturarbeiter lebt fast immer auf dem Lande und in mehr oder weniger patriarchalischen Verhältnissen mit seinem Gutsherrn oder Arbeitgeber; der Proletarier lebt meist in großen Städten und steht zu seinem Arbeitgeber in einem reinen Geldverhältnis. Der Manufakturarbeiter wird durch die große Industrie aus seinen patriarchalischen Verhältnissen herausgerissen, verliert den Besitz, den er noch hatte, und wird dadurch selbst erst Proletarier.
16 11. Frage. Was waren die nächsten Folgen der industri¬ ellen Revolution und der Scheidung der Gesellschaft in Bour¬ geois und Proletarier? Antwort. Erstens wurde durch die infolge der Ma¬ schinenarbeit immer wohlfeiler werdenden Preise der Jn- dustrieerzeugnisse in allen Ländern der Welt das alte System der Manufaktur oder auf Handarbeit beruhenden Industrie gänzlich zerstört. Alle halbbarbarischen Länder, welche bisher mehr oder weniger der geschichtlichen Entwickelung fremd ge¬ blieben waren und deren Industrie bisher auf der Manu¬ faktur beruht hatte, wurden hierdurch mit Gewalt aus ihrer Abschließung herausgerissen. Sie kauften die wohlfeileren Waren der Engländer und ließen ihre eigenen Manufaktur¬ arbeiter zugrunde gehen. So sind Länder, welche seit Jahr¬ tausenden keinen Fortschritt gemacht haben, z. B. Indien, durch und durch revolutioniert worden, und selbst Chind geht jetzt einer Revolution entgegen. Es ist dahin gekommen, daß eine neue Maschine, die heute in England erfunden wird, binnen eines Jahres Millionen von Arbeitern in China außer Brot setzt. Auf diese Weise hat die große Industrie alle Völker der Erde miteinander in Verbindung gesetzt, alle kleinen Lokalmärkte zum Weltmarkt zusammengeworfen, überall die Zivilisation und den Fortschritt vorbereitet und es dahin gebracht, daß alles, was in den zivilisierten Ländern geschieht, auf alle anderen Länder zurückwirken muß, so daß, wenn jetzt s1847^ in England oder Frankreich die Arbeiter sich be¬ freien, dies in allen anderen Ländern Revolutionen nach sich ziehen muß, welche früher oder später ebenfalls die Befreiung der dortigen Arbeiter herbeiführen. Zweitens hat sie überall, wo die große Industrie an die Stelle der Manufaktur trat, die Bourgeoisie, ihren Reichtum und ihre Macht im höchsten Grade entwickelt und sie zur ersten Klasse im Lande gemacht. Die Folge davon war, daß überall, wo dies geschah, die Bourgeoisie die politische Macht in ihre Hände bekam und die bisher herrschenden Klassen, die Aristokratie, die Zunftbürger und das beide vertretende abso¬ lute Königtum, verdrängte. Die Bourgeoisie vernichtete die Macht der Aristokratie, des Adels, indem sie die Majorate, oder die Unverkäuflichkeit des Grundbesitzes, und alle Adels- Vorrechte aufhob. Sie zerstörte die Macht der Zunftbürger, indem sie alle Zünfte und Handwerksprivilegien aufhob. An die Stelle beider setzte sie die freie Konkurrenz, d. h. den Zustand der Gesellschaft, worin jeder das Recht hat jeden
17 beliebigen Industriezweig zu betreiben, und worin ihn nichts an dem Betriebe eines solchen hindern kann als der Mangel des dazu nötigen Kapitals. Die Einführung der freien Kon¬ kurrenz ist also die öffentliche Erklärung, daß von nun an die Mitglieder der Gesellschaft nur noch insoweit ungleich sind, als ihre Kapitalien ungleich sind, daß das Kapital die entschei¬ dende Macht (ist^I und damit die Kapitalisten, die Bourgeois, die erste Klasse in der Gesellschaft geworden sind. Die freie Kon¬ kurrenz ist aber für den Anfang der großen Industrie not¬ wendig, weil sie der einzige Gesellschaftszustand ist, in dem die große Industrie aufkommen kann. Die Bourgeoisie, nach¬ dem sie so die gesellschaftliche Macht des Adels und der Zunft¬ bürger vernichtet hatte, vernichtete auch ihre politische Macht. Wie sie sich in der Gesellschaft zur ersten Klasse erhoben hatte, proklamierte sie sich auch in politischer Form als erste Klasse. Sie tat dies durch die Einführung des Repräsentantivsystems, welches auf der bürgerlichen Gleichheit vor dem Gesetz, der gesetzlichen Anerkennung der freien Konkurrenz beruht und in den europäischen Ländern unter der Form der konstitutionellen Monarchie eingeführt wurde. In diesen konstitutionellen Monarchien sind nur diejenigen Wähler, welche ein gewisses Kapital besitzen, also nur die Bourgeois. Diese Bourgeois- wähler wählen die Deputierten, und diese Bourgeoisdeputier¬ ten wählen vermittels des Rechts der Steuvrverweigerung eine Bourgeoisregierung.*) Drittens entwickelte sie überall das Proletariat in dem selben Maße wie sie die Bourgeoisie entwickelt. In demselben Verhältnis, wie die Bourgeois reicher wurden, in demselben *) Dies war das Bild, welches bis zum Jahre 1848 alle Staaten darboten, in denen die Bourgeoisie zur Herrschaft gelangt war. Seitdem hat sich gezeigt, oah die Herrschaft der Bourgeoisie auch mit einem sehr viel erweiterten Wahlrecht — ja, auf lange Zeit hinaus mit dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht ver¬ einbar ist. Es ist dies nämlich solange der Fall, als der Stand der Produktionshöhe und der auf ihr beruhenden allgemeinen gesell¬ schaftlichen Entwickelung die Regelung der gesellschaftlichen Ange¬ legenheiten durch die Bourgeoisie oder wesentlich im Sinne der Bourgeoisie verträgt. Doch bleibt das allgemeine Wahlrecht nichts¬ destoweniger — und dies gibt ihm gerade seine große geschichtliche Bedeutung als Hebel organischer Fortentwickelung der Gesellschaft — im Keime die Verneinung der Bourgeoisieherrschaft, ist es, wie Proudhon einmal sagt, auf die Dauer „unvereinbar mit der Unterordnung der Arbeit unter das Kapital". D. H. Grundsätze des Kommunismus. 2
18 Verhältnis wurden die Proletarier zahlreicher. Denn da die Proletarier nur durch das Kapital beschäftigt werden können und das Kapital sich nur dann vermehrt, wenn es Arbeiter beschäftigt, so hält die Vermehrung des Proletariats genau Schritt mit der Vermehrung des Kapitals. Zu gleicher Zeit zieht sie die Bourgeois so wie die Proletarier in großen Städten zusammen, in denen sich die Industrie am vorteil¬ haftesten betreiben läßt, und gibt durch diese Zusammen- werfung großer Massen auf einen Fleck den Proletariern das Bewußtsein ihrer Stärke. Ferner, je mehr sie sich ent¬ wickelt, je mehr neue Maschinen erfunden werden, welche die Handarbeit verdrängen, desto mehr drückt die große Industrie den Lohn, wie schon gesagt, auf sein Minimum herab und macht dadurch die Lage des Proletariats mehr und mehr uner¬ träglich.*) So bereitet sie einerseits durch die tvachsende Un¬ zufriedenheit, andererseits durch die wachsende Macht des Proletariats eine Revolution der Gesellschaft durch das Prole¬ tariat vor. 12. Frage. Was waren die weiteren Folgen der in¬ dustriellen Revolution? Antwort. Die große Industrie schuf in der Dampf¬ maschine und den übrigen Maschinen die Mittel, die in¬ dustrielle Produktion in kurzer Zeit und mit wenig Kosten ins Unendliche zu vermehren. Die aus dieser großen Industrie notwendig hervorgehende freie Konkurrenz nahm bei dieser Leichtigkeit der Produktion sehr bald einen äußerst heftigen Charakter an; eine Menge Kapitalisten warfen sich auf die Industrie, und in kurzer Zeit wurde mehr produziert als gebraucht werden konnte. Die Folge davon war, daß die fabrizierten Waren nicht verkauft werden konnten, und daß *) Auch wo aus den Gründen, die in der Note auf Seite 12 entwickelt wurden, die Herabdrückung des Lohnes auf seine Mindest¬ höhe nicht möglich ist, fehlt es in der Gesellschaft der kapitalistischen Produktion nicht an Faktoren, die Lage des Arbeiters unerträglich zu machen. Sie ist schon unerträglich durch die Unsicherheit, der der Arbeiter unter dem Walten der kapitalistischen Produktions¬ verhältnisse mit ihren häufigen Marktschwankungen, der beständigen Revolutionierung der Produktionsprozesse, den Wanderungen ganzer Industrien usw. ausgesetzt ist. Und diese Unsicherheit wird gerade um so unerträglicher, je mehr die allgemeine Entwickelung die Lebensansprüche des Arbeiters hebt, die im Grunde nur der be¬ wußte Ausdruck der Ansprüche sind, die das soziale Leben an den Arbeiter stellt. D. H.
1» eine sogenannte Handelskrisis eintrat. Die Fabriken mußten stillstehen, die Fabrikanten machten Bankerott und die Ar¬ beiter kamen außer Brot. Das größte Elend trat überall ein. Nach einiger Zeit waren die überflüssigen Produkte verkauft, die Fabriken fingen wieder an zu arbeiten, der Lohn stieg und allmählich gingen die Geschäfte wieder besser als je. Aber nicht lange, so waren wieder zuviel Waren produziert und eine neue Krisis trat ein, die gerade wieder denselben Verlauf nahm wie die vorige. So hat seit dem Anfänge dieses Jahrhunderts der Zustand der Industrie fortwährend zwischen Epochen der Prosperität und Epochen der Krise ge¬ schwankt, und fast regelmäßig alle fünf bis sieben Jahre ist eine solche Krisis eingetreten, welche jedesmal mit dem größten Elend der Arbeiter, mit allgemeiner revolutionärer Auf¬ regung und mit der größten Gefahr für den ganzen be¬ stehenden Zustand verknüpft war. 13. Frage. Was folgt aus diesen sich regelmäßig wieder¬ holenden Handelskrisen? Antwort. Erstens: Daß die große Industrie, obwohl sie selbst in ihrer ersten Entwickelungsepoche die freie Kon¬ kurrenz erzeugt hat, jetzt dennoch der freien Konkurrenz ent¬ wachsen ist, daß die Konkurrenz und überhaupt der Betrieb der industriellen Produktion durch einzelne für sie eine Fessel ge¬ worden ist, welche sie sprengen muß und wird; daß die große Industrie, so lange sie auf dem jetzigen Fuße betrieben wird, sich nur durch eine von sieben zu sieben Jahren sich wieder¬ holende allgemeine Verwirrung erhalten kann, welche jedesmal die ganze Zivilisation bedroht und nicht nur die Proletarier ins Elend stürzt, sondern auch eine große Anzahl von Bour¬ geois ruiniert; daß also die große Industrie selbst entweder ganz aufgegeben werden muß, was eine absolute Unmöglich¬ keit ist, oder daß sie eine ganz neue Organisation der Gesell¬ schaft durchaus notwendig macht, in welcher nicht mehr ein¬ zelne einander Konkurrenz machende Fabrikanten, sondern die ganze Gesellschaft nach einem festen Plan und nach den Be¬ dürfnissen aller die industrielle Produktion leitet. Zweitens: Daß die große Industrie und die durch sie möglich gemachte Ausdehnung der Produktion ins Unendliche einen Zustand der Gesellschaft möglich machen, in welchem so viel von allen Lebensbedürfnissen produziert wird, daß jedes Mitglied der Gesellschaft dadurch in den Stand gesetzt wird, alle seine Kräfte und Anlagen in vollständiger Freiheit zu
20 entwickeln und zu betätigen, so daß also gerade diejenige Eigenschaft der großen Industrie, welche in der heutigen Ge¬ sellschaft alles Elend und alle Handelskrisen erzeugt, gerade dieselbe ist, welche unter einer anderen gesellschaftlichen Or¬ ganisation eben dieses Elend und diese unglückbereitenden Schwankungen vernichten wird, so daß also aufs klarste be¬ wiesen ist: 1. Daß von jetzt an alle diese Uebel nur der für die Ver¬ hältnisse nicht mehr passenden Gesellschaftsordnung zuzu- schreiben sind, und 2. Laß die Mittel vorhanden sind, um durch eine neue Gesellschaftsordnung diese Uebel gänzlich zu beseitigen.*) 14. Frage. Welcher Art wird diese neue Gesellschafts¬ ordnung sein müssen? Antwort. Sie wird vor allen Dingen den Betrieb der Industrie und aller Produktionszweige überhaupt aus Leu Händen der einzelnen, einander Konkurrenz machenden In¬ dividuen nehmen und dafür alle diese Produktionszweige durch die ganze Gesellschaft, Las heißt für gemeinschaftliche Rechnung, nach gemeinschaftlichem Plan und unter Beteili¬ gung aller Mitglieder der Gesellschaft betreiben lassen müssen. *) Wenn in dieser und früheren Antworten die Resultate einer zwar in ihren Hauptzügen vorliegenden, aber nur erst teilweise zum Durchbruch gelangten wirtschaftlichen Entwickelung vorweg- gcnommen werden, so muß rn<m dies der Jugend zugute halten — der Jugend des Verfassers, wie der Jugend der modernen sozialisti¬ schen Bewegung selbst. Die hier zum Ausdruck gelangende Ueber- schätzung des erreichten Höhepunktes der wirtschaftlichen Entwicke¬ lung war allen Sozialisten der Epoche eigen, in der diese Schrift entstand. „Die Geschichte hat uns und allen denen, die ähnlich dachten, Unrecht gegeben," schreibt Friedrich Engels 48 Jahre später im Vorwort zu Marx' „Klassenkämpfe in Frankreich 1848—1850". „Sie hat klar gemacht, daß der Stand der ökonomischen Entwicke¬ lung auf dem Kontinent damals noch bei weitem nicht reif war für oie Beseitigung der kapitalistischen Produktion." Und Engels weist darauf hin, daß trotz der mittlerweile vor sich gegangenen ge¬ waltigen Umwälzungen die proletarische Armee selbst zurzeit noch „weit entfernt, den Sieg mit einem großen Schlage zu er¬ ringen, in hartem, zähem Kampfe von Position zu Position lang¬ sam Vordringen muß". Ferner mag folgendes hier bemerkt werden, was auch bei den weiteren Antworten zu berücksichtigen ist. Dadurch, daß die kapita¬ listische Entwickelung eine viel größere Zeit in Anspruch genommen hat, als Marx und Engels vorausgesetzt hatten, ist die Ausbildung
21 Sie wird also die Konkurrenz aufheben und die Assoziation an ihre Stelle setzen. Da nun der Betrieb der Industrie durch einzelne das Privateigentum zur notwendigen Folge hatte und die Konkurrenz weiter nichts ist als die Art und Weise des Betriebes der Industrie durch einzelne Privateigentümer, so ist das Privateigentum vom einzelnen Betrieb der Industrie und der Konkurrenz nicht zu trennen. Das Privateigentum wird also ebenfalls abgeschafft werden müssen und an seine Stelle wird die gemeinsame Benutzung aller Produktions¬ instrumente und die Verteilung aller Produkte nach gemein¬ samer Uebereinkunft oder die sogenannte Gütergemeinschaft treten. Die Abschaffung des Privateigentums ist sogar die kürzeste und bezeichnendste Zusammenfassung der aus der Entwickelung der Industrie notwendig hervorgehenden Um¬ gestaltung der gesamten Gesellschaftsordnung und wird daher mit Recht von den Kommunisten als Hauptforderung her¬ vorgehoben. 15. Frkge. Die Abschaffung des Privateigentums war also früher nicht möglich? Antwort. Nein. Jede Veränderung in der gesell¬ schaftlichen Ordnung, jede Umwälzung der Eigentumsverhält¬ von Wirtschaftsschöpfungen — Kartelle, Syndikate, Trusts — er¬ möglicht worden, welche dem wilden Konkurrenzkampf der Kapita¬ listen untereinander für bestimmte Teile dieser einschränken und den Geschäftskrisen einen etwas anderen Charakter gegeben haben als sich auf Grund der Erfahrungen, die Marx und Engels oor- lagen, voraussehen ließ. Ebenso haben die Koalitionen der Ar¬ beiter gegen die lohndrückenden Tendenzen des Kapitals in den modernen Gewerkschaften eine festere Gestalt und damit die Mög¬ lichkeit erhalten, ihren Aufgabenkreis zunehmend zu erweitern und den Wirkungen der Konkurrenz der Arbeiter untereinander Gren¬ zen zu ziehen. An der Seite dieser Kampfesorganisationen haben in neuerer Zeit die Konsumvereine der Arbeiter größere Bedeu¬ tung und schöpferische Kraft erlangt. Auch in anderen Klaffen und Schichten der Gesellschaft hat der Organisationsgedanke zu wirt¬ schaftlichen Verbindungen der verschiedensten Art geführt, und zu¬ gleich haben staatliche Gesetzgebung und staatliche wie kommunale Verwaltung der privatkapitalistischen Wirtschaft eine Reihe von Ausbeutungsgebieten entzogen. So treibt die Entwickelung, wäh¬ rend der Verkehr die großartigste Ausdehnung genommen hat, an¬ scheinend zunächst einem Zustand zu, der die Gemeinschaftlichkeit nur erst auf Teilgebieten und in abgeschwächter Form zur Ver¬ wirklichung bringt, aber gerade deshalb auch Fortdauer der inneren Kämpfe bedeuten wird. D. H.
22 nisse ist die notwendige Folge der Erzeugung neuer Produk¬ tivkräfte gewesen, welche den alten Eigentumsverhältnissen sich nicht mehr fügen wollten. Das Privateigentum selbst ist so entstanden. Denn das Privateigentum hat nicht immer eristiert sondern, als gegen das Ende des Mittelalters in der Manufaktur eine neue Art der Produktion erschaffen wurde, welche sich dem damaligen feudalen und Zunfteigentum nicht unterordnen ließ, da erzeugte diese, den alten Eigentums¬ verhältnissen entwachsene Manufaktur eine neue Eigentums¬ form, das Privateigentum.*) Für die Manufaktur und für die erste Entwickelungsstufe der großen Industrie war aber keine andere Eigentumsform möglich als das Privateigen¬ tum, keine andere Gesellschaftsordnung als die auf dem Privateigentum beruhende. Solange nicht soviel produziert werden kann, daß nicht nur für alle genug vorhanden ist, sondern auch noch ein Ueberschuß von Produkten zur Vermeh¬ rung des gesellschaftlichen Kapitals und zur weiteren Ausbil¬ dung der Produktionskräfte bleibt, solange muß es immer eine herrschende, über die Produktivkräfte der Gesellschaft verfügende und eine arme, unterdrückte Klasse geben. Wie diese Klassen beschaffen sein werden, wird von der Entwicke¬ lungsstufe der Produktion abhängen. Das vom Landbau abhängige Mittelalter gibt uns den Baron und den Leib¬ eigenen, die Städte des späteren Mittelalters zeigen uns den Zunftmeister und den Gesellen und Taglöhner, das siebzehnte Jahrhundert hat den Manusakturisten und den Manufaktur- arbeiter, das neunzehnte Jahrhundert den großen Fabrikanten und den Proletarier. Es ist klar, daß bisher die Produktiv¬ kräfte noch nicht soweit entwickelt waren, daß für alle genug produziert werden konnte, und daß das Privateigentum**) für *) Aus diesem Satz und den ihm folgenden Ausführungen geht hervor, daß es sich bei der „Abschaffung des Privateigentums" um die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums, d. h. des un¬ eingeschränkten persönlichen Eigentums an Produktionsmitteln handelt. D. H. **) Hier scheint ein Schreibfehler unterlaufen oder bei der Ab¬ schrift ein Zwischensatz ausgefallen zu sein. Denn offenbar handelt eS sich an dieser Stelle nicht um das Privateigentum, das eben noch als Produkt der Epoche der Manufaktur geschildert wurde, son¬ dern um das durch feudale Einrichtungen, Zunftrechte usw. ein¬ geschränkte Privateigentum, wie es die Zeit der Manufaktur vorfand. Vielleicht hatte ursprünglich hier ein ähnliches Wort wie „das überlieferte Eigentum" gestanden. D. H.
23 diese Produktivkräfte eine Fessel, eine Schranke geworden war. Jetzt aber, wo durch die Entwickelung der großen In¬ dustrie erstens Kapitalisten und Produktivkräfte in einem nie vorher gekannten Maße erzeugt und die Mittel vor¬ handen sind, diese Produktivkräfte in kurzer Zeit ins Unend¬ liche zu vermehren; wo zweitens diese Produktivkräfte in den Händen weniger Bourgeois zusammengedrängt sind, während die große Masse des Volkes immer mehr zu Prole¬ tariern wird, während ihre Lage in demselben Maße elender und unerträglicher wird, in welchem die Reichtümer der Bourgeois sich vermehren; wo drittens diese gewaltigen und leicht zu vermehrenden Produktivkräfte so sehr dem Privateigentum und den Bourgeois über den Kopf gewachsen sind, daß sie jeden Augenblick die gewaltsamsten Störungen in der gesellschaftlichen Ordnung hervorrufen, jetzt erst ist die Aufhebung des Privateigentums nicht nur möglich, son¬ dern sogar durchaus notwendig geworden. 16. Frage. Wird die Aufhebung des Privateigentums auf friedlichem Wege möglich sein? Antwort. Es wäre zu wünschen, daß dies geschehen könnte, und die Kommunisten wären gewiß die Letzten, die sich dagegen auflehnen würden. Die Kommunisten wissen zu gut, daß alle Verschwörungen nicht nur nutzlos, sondern so¬ gar schädlich sind. Sie wissen zu gut, daß Revolutionen nicht absichtlich und willkürlich gemacht werden, sondern daß sitz überall und zu jeder Zeit die notwendige Folge von Umstän¬ den waren, welche von dem Willen und der Leitung einzelner Parteien und ganzer Klassen durchaus unabhängig sind. Sie sehen aber auch, daß die Entwickelung des Proletariats in fast allen zivilisierten Ländern gewaltsam unterdrückt und daß hierdurch von den Gegnern der Kommunisten auf eine Revo¬ lution mit aller Macht hingearbeitet wird. Wird hierdurch das unterdrückte Proletariat zuletzt in eine Revolution hinein¬ gejagt, so werden wir Kommunisten ebensogut mit der Tat wie jetzt mit dem Wort die Sache der Proletarier verteidigen. 17. Frage. Wird die Abschaffung des Privateigentums mit einem Schlage möglich sein? Antwort. Nein, ebensowenig, wie sich mit einem Schlage die schon bestehenden Produktivkräfte soweit werden vervielfältigen lassen, als zur Herstellung der Gemeinschaft nötig ist. Die aller Wahrscheinlichkeit nach eintretende Revo¬ lution des Proletariats wird also nur allmählich die jetzige
24 Gesellschaft umgestalten und erst dann das Privateigentum abschaffen können, wenn die dazu nötige Masse von Produk¬ tionsmitteln geschaffen ist. 18. Frage. Welchen Entwickelungsgang wird diese Revolution nehmen? Antwor t.*) Sie wird vor allen Dingen eine demo¬ kratische Staatsverfassung und damit direkt oder indirekt die politische Herrschaft des Proletariats Hersteller:. Direkt, in England, wo die Proletarier schon die Majorität des Volkes ausmachen. Indirekt in Frankreich und Deutsch¬ land, wo die Majorität des Volkes nicht nur aus Prole¬ tariern, sondern auch aus kleinen Bauern und Bürgern be¬ steht, welche eben erst im Uebergang ins Proletariat be¬ griffen sind und in allen ihren politischen Interessen mehr und mehr vom Proletariat abhängig werden und sich daher bald den Forderungen des Proletariats fügen müssen. Dies wird vielleicht einen zweiten Kampf kosten, der aber nur mit dem Siege des Proletariats endigen kann. Die Demokratie würde dem Proletariat ganz nutzlos sein, wenn sie nicht sofort als Mittel zur Durchsetzung weiterer, direkt das Privateigentum angreifender und die Existenz des Proletariats sicherstellender Maßregeln benutzt würde. Die hauptsächlichsten dieser Maßregeln, wie sie sich schon jetzt als notwendige Folgen der bestehenden Verhältnisse ergeben, sind folgende: *) Die hier folgenden Darlegungen decken sich dem Inhalte nach ziemlich genau mit dem im, Kommunistischen Manifest ent¬ wickelten Programm der voraussichtlichen Uebergangsmaßregeln der kommunistischen Revolution. Von diesem Programm nun sagten Karl Marx und Friedrich Engels schon 1872 im Vorwort zur da¬ maligen Neuausgabe des Manifests, daß es mittlerweile „st eilen- weise veraltet" sei, nun „in vieler Beziehung an¬ derslauten" müsse, und sie verweisen darauf, daß es im Mani¬ fest selbst schon heiße, die Anwendung der in ihm entwickelten Grundsätze werde „überall und jederzeit von den ge¬ schichtlich vorliegenden Umständen abhängen". Alles das bezieht sich daher auch auf die Einzelheiten dieser Ant¬ wort. Ihr heutiger Wert für den Leser besteht darin, daß sie er¬ kennen lassen, wie Marx und Engels zur Zeit der Abfassung des Manifests sich den Uebergang von der kapitalistischen zur kommu¬ nistischen Revolution vorstellten, und eS bleibt der Prüfung der Nachgekommenen überlassen festzustellen, wieviel davon vor der Kritik der Zeit Bestand gehalten hat und bis zu welchem Umfange sich dieser Teil des Programms fruchtbar wird verwerten lassen. D. H.
25 1. Beschränkung des Privateigentums durch Progressiv¬ steuern, stärke Erbschaftssteuern, Abschaffung der Erbschaft der Seitenlinien (Brüder, Neffen usw.), Zwangsanleihen usw. 2. Allmähliche Expropriation der Grundeigentümer, Fabrikanten, Eisenbahnbesitzer und Schiffsreeder, teils durch Konkurrenz der Staatsindustrie, teils direkt gegen Entschädi¬ gung in Assignaten sStaatliches Papiergeld. D. HZ. 3. Konfiskation der Güter aller Emigranten und Re¬ bellen gegen die Majorität des Volkes. 4. Organisation der Arbeit oder Beschäftigung der Proletarier auf den Nationalgütern, Fabriken und Werk¬ stätten, wodurch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich be¬ seitigt und die Fabrikanten, solange sitz noch bestehen, ge¬ nötigt werden, denselben erhöhten Lohn zu zahlen wie der Staat. 5. Gleicher Arbeitszwang für alle Mitglieder der Gesell¬ schaft bis zur vollständigen Aufhebung des Privateigentums. Bildung industrieller Armeen besonders für die Agrikultur. 6. Zentralisierung des Kreditsystems und Geldhandels in den Händen des Staates durch eine Nationalbank mit Staatskapital und Unterdrückung aller Privatbanken und Bankiers. 7. Vermehrung der Nationalfabriken, Werkstätten, Eisen¬ bahnen und Schiffe, Urbarmachung aller Ländereien und Verbesserung der schon urbar gemachten in demselben Ver¬ hältnis, in welchem sich die der Nation zur Verfügung stehen¬ den Kapitalien und Arbeiter vermehren. 8. Erziehung sämtlicher Kinder von dem Augenblicke an, wo sie der ersten mütterlichen Pflege entbehren können, in Nationalanstalten und auf Nationalkosten.*) 9. Errichtung großer Paläste auf den Nationalgütern als gemeinschaftliche Wohnungen für Gemeinden von Staats¬ *) Hierzu stehen im Manuskript noch abgekürzt die Worte: „Erziehung und Fabrikation zusammen." Es sollte offenbar dem Gedanken Ausdruck gegeben werden, daß mit dem wissenschaftlichen auch der Arbeitsunterricht verbunden, dieser Arbeitsunterricht aber für alle Kinder über einem gewissen Alter darin bestehen sollte, daß produktive Arbeit mit Unterricht und Gymnastik verbunden werde, wie dies Robert Owen und vor ihm schon John BellerS vorgeschlagen hatten und Marx im Kapital, Band I, 13. Kapitel, Unterabschnitt 9 als notwendige Folge der großen In¬ dustrie entwickelt. Bergl. darüber Fr. Engels, „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft", 3. Abschnitt, 5- D. H.
26 bürgern, welche sowohl Industrie wie Ackerbau treiben und die Vorteile sowohl des städtischen wie des Landlebens in sich vereinigen, ohne die Einseitigkeiten und Nachteile beider Lebensweisen zu teilen. 10. Zerstörung aller ungesunden und schlecht gebauten Wohnungen und Stadtviertel. 11. Gleiches Erbrecht für uneheliche wie eheliche Kinder. 12. Konzentration alles Transportwesens in den Händen der Nation. Alle diese Maßregeln können natürlich nicht mit einem Male durchgeführt werden. Aber die eine wird immer die andere nach sich ziehen. Ist einmal der erste radikale Angriff gegen das Privateigentum geschehen, so wird das Proletariat sich gezwungen sehen, immer weiter zu gehen, immer mehr alles Kapital, allen Ackerbau, alle Industrie, allen Transport, allen Austausch in den Händen des Staates zu konzentrieren. Dahin arbeiten alle diese Maßregeln, und sie werden genau in demselben Verhältnis ausführbar werden und ihre zentrali¬ sierenden Konsequenzen entwickeln, in welchem die Produktiv¬ kräfte des Landes durch die Arbeit des Proletariats verviel¬ fältigt werden. Endlich, wenn alles Kapital, alle Produk¬ tion und aller Austausch in den Händen der Nation zu¬ sammengedrängt sind, ist das Privateigentum von selbst weg¬ gefallen, das Geld überflüssig geworden und die Produktion soweit vermehrt und (sinds die Menschen soweit verändert, daß auch die letzten Verkehrsformen der alten Gesellschaft fallen können. 19. Frage. Wird diese Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen können? Antwort. Nein. Die große Industrie hat schon da¬ durch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde und namentlich die zivilisierten in eine solche Verbin¬ dung miteinander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem anderen geschieht. Sie hat ferner in allen zivilisierten Ländern die gesellschaftliche Entwicke¬ lung soweit gleich gemacht, daß in allen diesen Ländern Bourgeoisie und Proletariat die beiden entscheidenden Klassen der Gesellschaft, der Kampf zwischen beiden der Hauptkampf des Tages geworden. Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sitz wird eine in allen zivilisierten Ländern, das heißt wenigstens in England, Amerika, Frank¬
27 reich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein. Sie wird sich in jedem dieser Länder rascher oder lang¬ samer entwickeln, je nachdem das eine oder andere Land eine ausgebildetere Industrie, einen größeren Reichtum, eine be¬ deutendere Masse von Produktivkräften besitzt. Sie wird da¬ her in Deutschland am langsamsten und schwierigsten, in Eng¬ land am raschesten und leichtesten durchzuführen sein. Sie wird auf die übrigen Länder der Welt ebenfalls eine be¬ deutende Rückwirkung ausüben und ihre bisherige Entwicke¬ lungsweise gänzlich verändern und sehr beschleunigen. Sie ist eine universelle Revolution und wird daher auch ein uni¬ verselles Terrain haben. — 20. Frage. Was werden die Folgen der schließlichen Beseitigung des Privateigentums sein? Antwort. Dadurch, daß die Gesellschaft die Benutzung sämtlicher Produktivkräfte und Verkehrsmittel sowie den Aus¬ tausch und die Verteilung der Produkte den Händen der Privatkapitalisten entnimmt und nach einem aus den vor¬ handenen Mitteln und den Bedürfnissen der ganzen Gesell¬ schaft sich ergebenden Plan verwaltet, werden vor allen Dingen alle schlimmen Folgen beseitigt, welche jetzt noch mit dem Betrieb der großen Industrie verknüpft sind. Die Krisen fallen weg; die ausgedehnte Produktion, welche für die jetzige Ordnung der Gesellschaft eine Ueberproduktion und eine so mächtige Ursache des Elends ist, wird dann nicht einmal hin¬ reichen und noch viel weiter ausgedehnt werden müssen. Statt Elend herbeizuführen, wird die Ueberproduktion über die nächsten Bedürfnisse der Gesellschaft hinaus die Befriedigung der Bedürfnisse aller sicherstellen, neue Bedürfnisse und zu¬ gleich die Mittel, sie zu befriedigen, erzeugen. Sie wird die Bedingung und Veranlassung neuer Fortschritte sein, sitz wird diese Fortschritte zustande bringen, ohne daß da¬ durch, wie bisher, jedesmal die Gesellschaftsordnung in Verwirrung gebracht werde. Die große Industrie, be¬ freit von dem Druck des Privateigentums, wird sich in einer Ausdehnung entwickeln, gegen die ihre jetzige Aus¬ bildung ebenso kleinlich erscheint wie die Manufaktur gegen die große Industrie unserer Tage. Diese Entwickelung der Industrie wird der Gesellschaft eine hinreichende Mäste von Produkten zur Verfügung stellen, um damit die Bedürf¬ nisse aller zu befriedigen. Ebenso wird der Ackerball der auch durch den Druck des Privateigentums und der Parzellierung
28 daran verhindert wird, sich die schon gemachten Verbesserungen und wissenschaftlichen Entwickelungen anzueignen, einen ganz neuen Aufschwung nehmen und der Gesellschaft eine voll¬ ständig hinreichende Menge von Produkten zur Verfügung stellen. Auf diese Weise wird die Gesellschaft Produkte genug hervorbringen, um die Verteilung so einrichten zu können, daß die Bedürfnisse aller Mitglieder befriedigt werden. Die Trennung der Gesellschaft in verschiedene, einander entgegen¬ gesetzte Klassen wird hiermit überflüssig. Sie wird aber nicht nur überflüssig, sie ist sogar unverträglich mit der neuen Ge¬ sellschaftsordnung. Die Existenz der Klassen ist hervorge¬ gangen aus der Teilung der Arbeit, und die Teilung der Arbeit in ihrer bisherigen Weise fällt gänzlich weg. Denn um die industrielle und Ackerbau-Produktion auf die geschilderte Höhe zu bringen, genügen die mechanischen und chemischen Hilfsmittel nicht allein. Die Fähigkeiten der diese Hilfsmittel in Bewegung setzenden Menschen müssen ebenfalls in ent¬ sprechendem Maße entwickelt sein. Ebenso wie die Bauern und Manufakturarbeiter des vorigen Jahrhunderts ihre ganze Lebensweise veränderten und selbst ganz andere Menschen wurden, als sie in die große Industrie hineingerissen wurden, ebenso wird der gemeinsame Betrieb der Produktion durch die ganze Gesellschaft und die daraus folgende neue Ent¬ wickelung der Produktion ganz andere Menschen bedürfen und auch erzeugen. Der gemeinsame Betrieb der Produktion kann nicht durch Menschen geschehen wie die heutigen, deren jeder einem einzigen Produktionszweig untergeordnet, an ihn gekettet, von ihm ausgebeutet ist, deren jeder nur Eine seiner Anlagen auf Kosten aller anderen entwickelt hat, nur einen Zweig oder nur den Zweig eines Zweiges der Gesamt¬ produktion kennt. Schon die jetzige Industrie kann solche Menschen immer weniger gebrauchen. Die gemeinsam und Planmäßig von der ganzen Gesellschaft betriebene Industrie setzt vollends Menschen voraus, deren Anlagen nach allen Seiten hin entwickelt sind, die imstande sind, das gesamte System der Produktion zu überschauen. Die durch die Ma¬ schinen schon jetzt untergrabene Teilung der Arbeit, die den einen zum Bauern, den anderen zum Schuster, den Dritten zum Fabrikarbeiter, den Vierten zum Börsenspekulanten macht, wird also gänzlich verschwinden: Die Erziehung wird die jungen Leute das ganze System der Produktion rasch durchwachen lassen können, sitz wird sie instand setzen, der Reihe nach von einem zum anderen Produktionszweig über-
29 zugehcn, je nachdem die Bedürfnisse der Gesellschaft oder ihre eigenen Neigungen sie dazu veranlassen. Sie wird ihnen also den einseitigen Charakter nehmen, den die jetzige Tei¬ lung der Arbeit jedem einzelnen aufdrückt. Auf diese Weise wird die kommunistisch organisierte Gesellschaft ihren Mitgliedern Gelegenheit geben, ihre allseitig entwickelten Anlagen allseitig zu betätigen. Damit aber verschwinden notwendig auch die verschiedenen Klassen. So daß die kommunistisch organisierte Gesellschaft einerseits mit dem Bestand der Klassen unverträg¬ lich ist und andererseits die Herstellung dieser Gesellschaft selbst die Mittel bietet, diese Klassenunterschiede aufzuheben. Es geht hieraus hervor, daß der Gegensatz zwischen Stadt und Land ebenfalls verschwinden Wird. Der Betrieb des Ackerbaues und der Industrie durch dieselben Menschen, statt durch zwei verschiedene Klassen, ist schon aus ganz ma¬ teriellen Ursachen eine notwendige Bedingung der kommu¬ nistischen Association. Die Zersplitterung der ackerbauenden Bevölkerung auf dem Lande neben der Zusammendrängung der industriellen in den großen Städten ist ein Zustand, der nur einer noch unentwickelten Stufe des Ackerbaues und der Industrie entspricht, ein Hindernis aller weiteren Entwicke¬ lung, das schon jetzt sehr fühlbar wird. Die allgemeine Association aller Gesellschaftsmitglieder zur gemeinsamen und planmäßigen Ausbeutung der Produk¬ tionskräfte, die Ausdehnung der Produktion in einem Grade, daß sie die Bedürfnisse aller befriedigen wird, das Aufhören des Zustandes, in dem die Bedürfnisse der einen auf Kosten der anderen befriedigt werden, die gänzliche Vernichtung der Klassen und ihrer Gegensätze, die allseitige Entwickelung der Fähigkeiten aller Gesellschaftsmitglieder durch die Beseitigung der bisherigen Teilung der Arbeit, durch die industrielle Er¬ ziehung, durch den Wechsel der Tätigkeit, durch die Teilnahme aller an den durch alle erzeugten Genüssen, durch die Ver¬ schmelzung von Stadt und Land — das sind die Hauptresultate der Abschaffung des Privateigentums. 21. Frage. Welchen Einfluß wird die kommunistische Gesellschaftsordnung auf die Familie ausüben? Antwort. Sie wird das Verhältnis der beiden Ge¬ schlechter zu einem reinen Privatverhältnis machen, welches nur die beteiligten Personen angeht und worin sich ditz Ge¬ sellschaft nicht zu mischen hat. Sie kann dies, da sie das Privateigentum beseitigt und die Kinder gemeinschaftlich er¬
30 zieht und dadurch die beiden Grundlagen der bisherigen Ehe, die Abhängigkeit des Weibes vom Mann und der Kinder von den Eltern vermittels des Privateigentums, vernichtet. Hierin liegt auch die Antwort auf das Geschrei hochmoralischer Spie߬ bürger gegen kommunistische Weibergemeinschaft. Die Weiber¬ gemeinschaft ist ein Verhältnis, was ganz der bürgerlichen Gesellschaft angehört und heutzutage in der Prostitution voll¬ ständig besteht. Die Prostitution beruht aber auf dem Privat¬ eigentum und fällt mit ihm. Die kommunistische Organisation also, statt die Weibergemeinschaft einzuführen, hebt sie viel¬ mehr auf. 22. Frage. Wie wird die kommunistische Organisation sich zu den bestehenden Nationalitäten verhalten? ^Antwort. „Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker", sagt das „Kommunistische Manifest", „verschwinden mehr und mehr schon mit der Entwickelung der Bourgeoisie, der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleich¬ förmigkeit der industriellen Produktion und der ihr ent¬ sprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Prole¬ tariats wird sie noch mehr verschwinden machen. Vereinigte Aktion wenigstens der zivilisierten Länder ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung. In dem Maße wie die Aus¬ beutung des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Ausbeutung einer Nation durch die andere auf¬ gehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Na¬ tionen fällt die feindliche Stellung der Nationen gegenein¬ ander." D. HZ 23. Frage. Wie wird sie sich zu den bestehenden Religi¬ onen Verhalten? ^Antwort. „Bedarf es tiefer Einsicht, um zu be¬ greifen", lesen wir im „Kommunistischen Manifest" hierüber, „daß mit den Lebensverhältnissen der Menschen, mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Wort auch ihr Bewußtsein sich ändert? — Als die alte Welt im Untergehen begriffen war, wurden die alten Religionen von der christlichen Religion besiegt. Als die christ¬ lichen Ideen im 18. Jahrhundert den Aufklärungsideen unter¬ lagen, rang die feudale Gesellschaft ihren Todeskampf mit der damals revolutionären Bourgeoisie. Die Ideen der Gewissens¬ und Religionsfreiheit sprachen nur die Herrschaft der freien Konkurrenz auf dem Gebiete des Gewissens aus. — Die kom-
81 mumstische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen; kein Wunder, daß in ihrem Entwickelungsgänge am radikalsten mit den überliefer¬ ten Ideen gebrochen wird."*) D. HZ 24. Frage. Wie unterscheiden sich die Kommunisten von den Sozialisten?**) Antwort. Die sogenannten Sozialisten teilen sich in drei Klassen. Die erste Klasse besteht aus Anhängern der feudalen und Patriarchalischen Gesellschaft, welche durch die große Industrie, den Welthandel und die durch beide geschaffene Bourgeois¬ gesellschaft vernichtet worden ist und noch täglich vernichtet wird. Diese Klasse zieht aus den Uebeln der jetzigen Gesell¬ schaft den Schluß, daß die feudale und patriarchalische Gesell- *) Das meint indes nicht, daß etwa die Religion „abgeschnfft" oder „verboten", die Gewissensfreiheit vernichtet werden wird. Es soll vielmehr besagen, daß in dem Maße, wie die kommunistische Revo¬ lution die Abhängigkeit des Menschen von unkontrollierbaren Ein¬ wirkungen auf sein Geschick befreit, wie dem Menschen die gesell¬ schaftlichen Zusammenhänge nicht mehr als fremde, in ihm das Gefühl der Unsicherheit und Abhängigkeit regehaltende Mächte gegenüberstehen, wie er als mitwirkendes Glied der bewußt und planmäßig ihre wirtschaftlichen Beziehungen ordnenden Gesellschaft in Wahrheit „seines Glückes eigener Schmied" wird — nicht mehr bloß denkt, sondern auch lenkt —, daß in dem Maße, wie dies alles sich vollzieht, auch die Reste der Einbildungen von über¬ irdischen Mächten, welche nach Willen oder Laune die Menschen¬ geschicke regeln, anders ausgedrückt, von phantastischen Wider¬ spiegelungen solcher Mächte als Gottheiten aus seinem Gehirn ver¬ schwinden und somit die auf Anbetung oder Anrufung übersinn¬ licher Wesen gerichteten Religionen ab st erben werden. Mit dem Bedürfnis der einzelnen nach Anrufung überirdischer Mächte hört aber auch das gesellschaftliche Bedürfnis nach solchen Religionen auf, weil es keines überirdischen Mittelgliedes mehr bedarf, dem einzelnen Menschen die gesellschaftliche Natur seiner Existenz und die sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen gegen seine Mitmenschen zu vergegenwärtigen, diese sozialen Pflichten ihm vielmehr durch die neuen Lebensverhältnisse jeden Augenblick unmittelbar veranschaulicht werden. D. H. **) Wie aus der Antwort hierzu hervorgeht, sind als „Sozi¬ alisten" hier stets diejenigen Sozialreformer verstanden, die sich in Gegensatz stellten zu denjenigen Gegnern der kapitalistischen Gesell¬ schaftsordnung, welche deren Umwälzung durch die revolutionäre Aktion der Arbeiterklasse erstrebten. D. H.
32 schüft wieder hergestellt werden müsse, weil sie von diesen Uebeln frei war. Alle ihre Vorschläge gehen auf geraden oder krummen Wegen diesem Ziele zu. Diese Klasse reak¬ tionärer Sozialisten wird trotz ihrer angeblichen Teil¬ nahme und heißen Tränen für das Elend des Proletariats dennoch stets von den Kommunisten energisch angegriffen werden, denn 1. erstrebt sie etwas rein Unmögliches; 2. sucht sie die Herrschaft der Aristokratie, der Zunft¬ meister und Manufakturisten mit ihrem Gefolge von absoluten oder feudalen Königen, Beamten, Soldaten und Pfaffen herzu¬ stellen, eine Gesellschaft, die zwar von den Uebelständen der jetzigen Gesellschaft frei war, dafür aber wenigstens ebenso¬ viel andere Uebel mit sich führte und nicht einmal die Aus¬ sicht auf die Befreiung der unterdrückten Arbeiter durch eine kommunistische Organisation darbot; 3. kehrt sie ihre wirklichen Absichten jedesmal heraus, wenn das Proletariat revolutionär und kommunistisch wird, wo sie sich dann sogleich mit der Bourgeoisie gegen die Prole¬ tarier verbündet. Die zweite Klasse besteht aus Anhängern der jetzigen Ge¬ sellschaft, welchen die aus dieser notwendig hervorgehenden Uebel Befürchtungen für den Bestand dieser Gesellschaft er¬ weckt haben. Sie streben also danach, die jetzige Gesellschaft beizubehalten, aber die mit ihr verbundenen Uebel zu besei¬ tigen. Zu diesem Zweck schlagen die einen bloße Wohltätig¬ keitsmatzregeln vor, die anderen grotzartige Reformsysteme, welche unter dem Vorwand, die Gesellschaft zu reorganisieren, die Grundlagen der jetzigen Gesellschaft und damit die jetzige Gesellschaft beibehalten wollen. Diese Bourgeois- Sozi a l i st e n werden ebenfalls von den Kommunisten fort- während bekämpft werden müssen, denn sie arbeiten für die Feinde der Kommunisten und verteidigen die Gesellschaft, welche die Kommunisten gerade stürzen wollen. Die dritte Klasse endlich besteht aus demokratischen So¬ cialisten, welche auf demselben Wege wie die Kommunisten einen Teil der in Frage 18 angegebenen Matzregeln wollen, aber nicht als Uebergangsmittel zum Kommunismus, sondern als Matzregeln, welche hinreichend sind, um das Elend auf- zuheben, die Uebel der jetzigen Gesellschaft verschwinden zu machen. Diese demokratischen Sozialisten sind entweder Proletarier, die über die Bedingungen der Befreiung ihrer Klasse noch nicht hinreichend aufgeklärt sind, oder sie
33 sind Repräsentanten der Kleinbürger, einer Klasse, welche bis zur Erringung der Demokratie und der aus ihr hervorgehen¬ den sozialistischen Maßregeln in vieler Beziehung dasselbe Interesse haben wie die Proletarier. Die Kommunisten wer¬ den deshalb in den Momenten der Handlung sich mit diesen demokratischen Sozialisten zu verständigen und überhaupt mit ihnen für den Augenblick möglichst gemeinsame Politik zu be¬ folgen haben, sofern diese Sozialisten nicht in den Dienst der herrschenden Bourgeoisie treten und die Kommunisten an¬ greifen. Daß diese gemeinsame Handlungsweise die Dis¬ kussion der Differenzen mit ihnen nicht ausschließt, ist klar. 25. Frage. Wie verhalten sich die Kommunisten zu den übrigen politischen Parteien unserer Zeit?*) Antwort. Dies Verhältnis ist verschieden in den ver¬ schiedenen Ländern. — In England, Frankreich und Belgien, wo die Bourgeoisie herrscht, haben die Kommunisten vorder¬ hand noch ein gemeinsames Interesse mit den verschiedenen demokratischen Parteien, und zwar ein um so größeres, je mehr die Demokraten sich in den jetzt überall von ihnen ver¬ tretenen sozialistischen Maßregeln dem Ziele der Kommunisten nähern, d. h. je deutlicher und bestimmter sie die Interessen des Proletariats vertreten und je mehr sie sich auf das Prole¬ tariat stützen. In England z. B. stehen die aus Arbeitern bestehenden Chartisten den Kommunisten unendlich näher, als die demokratischen Kleinbürger oder sogenannten Radikalen. In Amerika, wo die demokratische Verfassung ein¬ geführt ist, werden die Kommunisten sich mit der Partei halten müssen, welche diese Verfassung gegen die Bourgeoisie wenden und im Interesse des Proletariats benützen will, d. h. mit den agrarischen Nationalreformers. In der Schweiz sind die Radikalen, obwohl selbst eine noch sehr gemischte Partei, dennoch die Einzigen, mit welchen die Kommunisten sich einlassen können, und unter diesen Radi¬ kalen sind wieder die waadtländischen und Genfer die am weitesten fortgeschrittenen. In Deutschland endlich steht der entschiedene Kampf zwischen der Bourgeoisie und der absoluten Monarchie erst *) Das heißt also am Vorcübend der Revolution von 1848. Die großen sozialen und politischen Veränderungen, die sich inzwischen vollzogen haben, bedingen natürlich eine entsprechend abgeänderte Anwendung der Grundgedanken der Antwort auf diese Frage. D. H. Brundsütze deS Kommunismus. S
bevor. Da aber die Kommunisten nicht eher auf den entschei¬ denden Kampf zwischen ihnen selbst und der Bourgeoisie rech¬ nen können, als bis die Bourgeoisie herrscht, so ist es das In¬ teresse der Kommunisten, die Bourgeois sobald als möglich an die Herrschaft bringen zu helfen, um sie sobald wie möglich wieder zu stürzen. Die Kommunisten müssen also, gegenüber den Regierungen, stets für die liberalen Bourgeois Partei er¬ greifen, und sich nur davor hüten, die Selbsttäuschungen der Bourgeois zu teilen oder ihren verführerischen Versicherungen von den heilsamen Folgen des Siegs der Bourgeoisie für das Proletariat Glauben zu schenken. Die einzigen Vorteile, welche der Sieg der Bourgeoisie den Kommunisten bieten wird, wer¬ den bestehen: 1. in verschiedenen Konzessionen, welche den Kommunisten die Verteidigung, Diskussion und Verbreitung ihrer Grundsätze und damit die Vereinigung des Proletariats zu einer eng verbündeten, kampfbereiten und organisierten Klasse erleichtern; und 2. in der Gewißheit, daß von dem Tage, wo die absoluten Regierungen fallen, der Kampf zwischen Bourgeois und Proletariern an die Reihe kommt. Von diesem Tage an wird die Parteipolitik der Kommunisten dieselbe sein, wie in den Ländern, wo die Bourgeoisie jetzt schon herrscht.
WlW m M M Wir DaS Kapital. 1. Band: Der Produktionsprozeß des Kapitals. Gebunden Mk. 11,— 2 Band: Der Zirkulationsprozeß des Kapitals. „ „ 10. — 3. Band: Der Gesamtprozeß der kapitalisttschen Produktion. Gebunden , 14,— Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848—1850. Mit einer Einleitung von Friedrich Engels. Mk. 1,—. In dieser Studie wendet der Begründer der materialistischen Geschichtsauffassung zum ersten¬ mal diese Methode an zur Ausheilung der treibenden sozialen Momente der 48er Revolutionsperiode. Die EngelSsche Einleitung gibt eine Ge¬ schichte der Entwickelung der revolutionären proletarischen Taktik vom Barrikadenkampf bis zum allgemeinen Stimmrecht und — zum Umsturz. Lohnarbeit und Kapital. Separatabdruck aus der „Neuen Rheinischen Zeitung" vom Jahre 1849. Mit einer Einleitung von Friedrich Engels. Neu heranSgegeb. v. K. KautSky. Mk. —,75; Vereinsausgabe Mk. —,25. Kautsky schreibt im Vorwort: „So sehr unsere populäre Literatur an- gewachfen ist, sie hat auch heute noch nichts aufzuweise», was sich an Ein¬ fachheit, Klarheit und doch wissenschaftlicher Schälle mit dieser Schrift messen könnte". Das Elend der Philosophie. Antwort auf ProudhonS „Philosophie des Elends". Deutsch von Eduard Bernstein und K. Kautsky. Mit Vorwort und Noten von Fr. Engels. Gebd. Mk. 2,-. Revolution und Konterrevolution in Deutschland. Deutsch von Karl Kautsky. Drosch. Mk. 1,50; gebd. Mk. 2,—. Der 18. Brumaire des LouiS Bonaparte. Mk. i—. Diese Broschüre gegen den Organisator des Lumpenproletariats ist wohl die glänzendste Streitschrift von Marx; sie enthält auch eine ätzende Kritik der politischen Feigheit und Halbheit deS „Bürgertums". Lohn, Preis, Prosit. Vortrag, gehalten im Gcneralrat und über¬ setzt von E. R. Bernstein. Preis Mk. —,20. Die Entwicklung des EoztaliömuS von der Utopie zur Wissenschaft. Bon Friedrich Engels. Neue Auflage mit einem Vorwort von Kautsky. Mk.1,—; gebd. Mk.1,25; BereinSauSgabe Mk.—,40. Eine kurze Geschichte deS SoztaliSmuS bis zur Gegenwart und zu- gleich eine kritische Darlegung der verschiedenen sozial-utopischen Schulen. Der Anhang enthält eine Geschichte der deutschen Mark-Genossenschaft: „Wie das heutige Grund-Eigentum entstanden ist." Der Deutsche Bauernkrieg. Dritter Abdruck. Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Franz Mehring. Mk. 1,50, geb. Mk. 2,—. Die erste Auflage der Schrift ist 1850, in der Zeit ärgster Reaktion erschienen. Quellenstudien für seine Schrift hat Engel- nicht gemacht, wie der Herausgeber in seinen Vorbemerkungen sagt: „eS ist allein die historische Methode, die dieser Arbeit ihren eigentümlichen Wert gibt". Engels hat die ökonomischen Triebkräfte enthüllt, die ein entscheidender Hebel der damaligen Bauernbeivegung waren. IMMIW wnttrli Wl Sinkt s.a.t.s.. ram sw. U
öMoMim vomäkls Wi Singer S. m. d. S., Selili SW. KS kWelmmo u» M« SWien Arbetterprogramm. Ueber den Zusammenhang der gegenwärtigen Ge- schichtsporiode mit der Idee des Arbeiterstandes. Mk. —,75; Bereinsausgabe Mk. —,30 Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Eine Ver¬ teidigungsrede vor dem Königlichen Kammergericht zu Berlin gegen die Anklage: die besitzlosen Klassen zum Haß und zur Verachtung gegen die Besitzenden öffentlich angereizt zu haben. Mk. 1,50; Vereinsausgabe Mk. —,60 Der Lassallesche Kriminalprozeß. II. und III. Zweites Heft: Die münd¬ liche Verhandlung nach dem stenographischen Bericht. Drittes Heft: Das Urteil 1. Instanz mit kritischen Randnoten zum Zwecke der Appellations-Rechtfertigung bearbeitet. Mk. —,50 An die Arbeiter Berlins. Eine Ansprache im Namen der Arbeiter des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. Mk. —,20 Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag. Drei Symp¬ tome des öffentlichen Geistes. Eine Rede, gehalten in den Versamm¬ lungen des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins zu Barmen, Solingen und Düsseldorf. Mk. —,25 Der Hochverratsprozeß wider Ferdinand Lassalle vor dem Staatsgerichts¬ hofe zu Berlin am 12. März 1864. Nach dem stenographischen Bericht. Mk. —,40 Die Agitation des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins und das Ver- prechen des Königs von Preußen. Eine Rede, gehalten am Stiftungs- este des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins zu Ronsdorf am 22. Mai 1864. Mk. —,25 Herr Vastiat Schulze v. Delihsch. der ökonomische Julian, oder Kapital und Arbeit. Mit einem kritischen Vorwort von Ed. Bernstein. - Mk. 1,50; geb. Mk. 2,— Ueber Verfassung—esen. Ein Vortrag, gehalten in einem Berliner Be¬ zirksverein. — Was nun? Zweiter Vortrag über Verfassungswesen. — Wacht und Recht. Ein offenes Sendschreiben. Neue Auflage. Mk. 1,—; Vereinsausgabe Mk. —,50 Offenes Antwortschreiben an das Zentralkomitee zur Berufung eines All¬ gemeinen deutschen Arbeiterkongresses zu Leipzig. Neue Auflage. Mk. 1,—; Vereinsausgabe Mk. —,40 Die Wissenschaft und die Arbeiter. Eine Verteidigungsrede vor dem Ber¬ liner Kriminalgericht gegen die Anklage: die besitzlosen Klassen zum Haß und zur Verachtung gegen die Besitzenden öffentlich angereizt zu haben. Mk. 1,—; Vereinsausgabe Mk. —,40 Herr Zulian Schmidt, der Literarhistoriker. Mk —,75 Das System der erworbenen Rechte. Gebunden Mk 5.— Vorwärts Buchdruckerei und Verlag-anstalt Paul Singer L Eo., Berlin 3^. 68, Lindenstr.