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RICHARD SEMON
Die mnemischen

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Empfindungen

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Erste Fortsetzung der

Mneme

Leipzig

Verlag von Wilhelm Engelmann

1909


;; YERLAG VON WILHELM ENGELMANX IN LEIPZIG ;; Werke von Wilhelm Wundt GrnndzUge der physiologischen Psychologie. Erster Band: Sechste, umgearbeitete Auflage. Mit 161 Abbildungen im Text sowie Sach- und Namenregister, <— Zweiter Band: bildungen im Text. Dritter Band: 76 Abbildungen im —in Leinen geb. Jl 14.50; Halbfranz geb. J( 16. Fünfte, völlig umgearbeitete Auflage. Mit 153 Abin Halbfranz geb. J( 16. gr. 8. J( 13. Fünfte, völlig umgearbeitete Auflage. Mit .•> in Halbfranz geb. J( 17. Text. gr. 8. .£ 14. JK 13. gr. 8. ; in — — — — — völlig umgearbeiteten Auflage J^ 3.— in Halbfranz geb. J/ — ; ; Gesamtregister zur fünften, von "Wilhelm Wirt h. gr. 8. Naturwissenschaft und Psychologie. Sonderausgabe 5. ; der Schlussbetrachtungen Jt 3.—; zur fünften Auflage der physiologischen Psychologie, gr. 8. in Leinen geb. J( 3.50^^^ Grnndriss der Psychologie. Neunt^, verbesserte Auflage. Mit 23 Figureir 8. In Leinen geb. im Text. 8. Translated with the Cooperation of the author by Oatllnes of Psychology. Charles Hubbard Judd, Ph. D. (Leipzig), Professor of Psychology, Yale Third revised English Edition from the seventh revised University. In Leinen geb. J( 8.—. German Edition. 8. Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache; Mythus und Sitte. Erster Band: Die Sprache. Erster Teil. Zweite, umgearbeitete Auflage. Mit 40 Abbildungen im Text. gr. 8. J( 14.— in Halbfranz geb. Ji 17.— Zweiter Teil. (Neue Einteilung: Zweiter Band: Die Sprache, Zweiter Teil.) Zweite, umgearbeitete Auflage. Mit 4 Abbildungen in JSalbfranz geb. J^ 17. J( 14. im Text. gr. 8. Zweiter Band: Mythus und Keligion. Erster Teil. (Neue Einteilung: ^ — . — — ; Die Kunst.) Zweite, neubearbeitete Auflage. Mit Band: in Halbfranz geb. J( 15. Jl 12. 59 Abbildungen im Text. gr. 8. Mythus undReUgion. ZweiterTeil. Mit 8 Abbildungen im Text; 11. in Halbfranz geb. Jf 14. gr. 8. JT 18.— Mythus und Rejligion. Dritter Teil. gr. 8. in Halbfranz geb. J( 21. Dritter — — ^ — — — ; ; . Psychologische Stndien, herausgegeben von Wilhelm Wundt. Neue Folge der Philosophischen Studien. Die Psychologischen Studien erscheinen in Bänden zu je 6 Heften (zu je 4—6 Bogen) zum Preise von etwa 20 Ji für den Band. Psychologische Arbeiten herausgegeben von Emil Kraepelin Die in zwanglosen Bänden Bisher erbis 30 Mark. ausführliches Inhaltsverzeichnis darüber steht gern zu Diensten. »Psychologischen Arbeiten« zu. je 4 Heften. erscheinen Der Preis des Bandes beträgt etwa 20 schienen 4 Bände; Die Entstehung der ersten Wortbedeutungen beim Kinde von Ernst -. Meumann Zweite, vermehrte Auflage gr. 8. J( 2.— ==
Die mnemischen Empfindungen
; Von demselben Die Mneme Verfasser: erhaltendes Prinzip im Wechsel des als organischen Geschehens. Leipzig 1908. Im 8«. Geh. Jl australischen Buscli rallenmeeres. 9.— 2. ; In Leinen geb. Molukken. Auflage, M 10.—. und au den Küsten des Kound Reiseerlebnisse eines Naturforschers in Australien, 2. verbesserte Beobachtungen Neu-Guinea und den verbesserte Auflage, Leipzig 1903. 86 Abbildungen und 4 Karten, In Leinen geb. Ji 16.50. gr. 8. Geh. Ji 15. Mit —
Se ^^ 5w-' DIE MNEMISCHEN EMPFINDUNGEN IX IHREN BEZIEHUNGEN ZU DEN ORIGIMLEMPFINDÜNGEN VON RICHARD SEMON ERSTE FORTSETZUNG DER »MNEME^ LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1909
Alle Hechte, insbesondere das der Übersetzung, sind vorbehalten.
Vorwort. den Schlußbetrachtimgeu der »Mneme« habe ich die in In jenem Buch durchgeführte Arbeit mit dem Neubaus Gertist eines Der eigentliche Ausbau der über weite verglichen. Gebiete der Biologie sich erstreckenden Anlage mußte den Fortsetzungen des Buchs überlassen bleiben. Ursprünglich habe ich beabsichtigt, in der ersten dieser Fortsetzungen die Pathologie der im Eingangswerk nur Mneme flüchtig berührt aber an diese Arbeit ging, erkannte zu bearbeiten, die worden war. ich, Als ich daß zur Verwertung des von der Psychiatrie gesammelten Erfahrungsschatzes und zur Verständigung mit den Vertretern vorherige die Durcharbeitung der dieser Wissenschaft Psychophysiologie des höheren Gedächtnisses nach den in der »Mneme« vorgezeichneten Gesichtspunkten notwendig sei. wies sich ein noch tieferes Eindringen Überhaupt aber in die er- Grundlagen der Homophonie durch Untersuchung von der Empfindungsseite aus als eine unumgängliche Vorbedingung für frucht- bare Weiterarbeit. Diesen Aufgaben sucht die vorliegende erste Fortsetzung gerecht zu werden. Die Darstellung habe ich dabei so eingerichtet, daß dieses Buch auch ohne vorherige Bekanntschaft mit der »Mneme« vollständig verstanden werden kann, obwohl natürlich eine '> < JL I «• a R Ä R V "^1
Vorwort. VI solche Bekanntschaft die Lektüre erleichtern würde. wenige längere alter werden Zitate solchen, die letzteres wohl und Einführungen in Lesern, allen Werk genau kennen, als Einige auch Auffrischungen neue Gedankengänge willkommen sein. Ehe ich in den Gegenstand möchte ich versuchen, eintrete, einen mir hier und da gemachten Vorwurf zurückzuweisen. Manche meiner Kritiker haben ausdrücklich und manche meiner sonstigen Leser haben wahrscheinlich stillschweigend die Einführung einer besonderen Terminologie, die ich in der Mneme beanstandet oder doch für nicht durchgeführt habe, unumgänglich notwendig gehalten. daß dieser Vorwurf gerechtfertigt Ich glaube aber nicht, man den ganzen jenem Werk behan- Will ist. weiten Kreis der Phänomene, die ich in delt habe, unter einem allgemeinen Gesichtspunkt umfassen, so bedarf es dazu einer besonderen Terminologie. Dieselbe darf nichts präjudizieren, sie darf keine anthropomorphischen Züge von den Phänomenen des höheren Gedächtnisses Regulation, tion, hineintragen, der periodischen Vorgänge, kurz Terminologie der die Bewegungen sie Aber selbst des Instinkts muß, wie Francis Darwin Mneme sagt, sich einer Pflanze wie Menschen anwenden in gleicher i von der Weise auf auf die Gedanken eines lassen. im Bereich des höheren Gedächtnisses Ausbildung einer Benennungsweise, die so in mnemischen Abläufe der Keimesentwicklung, Regenera- die ist die zur scharfen Prägung unumgänglich notwendiger zusammenfassender Begriffe dient, 1 mnemische Empfindung, mnemische Erregung, Francis Darwin, Lectures on the Physiology of Plants. 1906. wie I, Associated Stimuli. The new Phytologist. Movement Vol. ö, No. in 9^
Vorwort. Engramm, Ekphorie, Homophonie VII dringendes Bedürfnis. ein Dafür wird, wie ich glaube, die folgende Darstellung Zeugablegen, nis in rung des bereits der übrigens keine nennenswerte Erweitein der Mneme geschaifenen Wortschatzes stattgefunden hat. Ich bin sicher, daß sich für die meisten Leser aus dieser Benenn imgsweise eine Erleichterung des Verständnisses ergeben wird, nachdem man sich einmal mit der kleinen Anstrengung, sich mit ihr bekannt zu machen, abgefunden hat. Überhaupt wird der Leser, der mich durch dieses Buch begleitet, finden, daß die Schwierigkeiten, nachdem die etwas beschwerliche Wegstrecke überwunden mehr zurücktreten, Standpunkt die und sehr große in und einer unerwartet kennen der schließlich erste, mehr und gewonnene Menge der überblickten Tat- einem vorher nicht sachen in daß ist, sichtbaren einfachen Zusammenhang Zusammenordnung läßt. München, Januar 1909. Richard Semou. er-

Inhalt. Eiuleituug. Erstes Kdpitel. Abgrenzung des Themas. Empfindung Erregung. Terminologisches und Stellung der Aufgabe S. 4. Körper und Empfindung S. 5. Erregung etwas Erschlossenes S. 6. Verhältnis einer Erregung zu ihrer Empfinduugsmanifestation S. 8. Parallelismus S. 9, Anm.. Darlegung unserer Auffassung S. 9. Analyse von Bewußtseinsinhalten S. 15. Grundformen psychischer Elemente Gefühle S. 17. Empfindungen und Vorstellungen S. 18. S. 16. Unsere Bezeichnung als originale und muemische Empfindungen S. 20. Erster Teil. Die Originalempflndnngeii. Zweites Kapitel. Die synchrone Phase. Einzelempfindung und Nebeneinander der Empfindungen 25 Synchrone Reizwirknng S. 26. Einzelempfinduug und Empfindungskomplex S. 27. Teilungsprinzip bei der Analyse S. 29. Einteilung nach Empfindungsgebieten S. 31. Einheitlichkeit des simultanen Empfindungskomplexes S. 32. Das Nebeneinander S. 33. Beziehung zwischen Reizpforte und Nebeneinander S. 34. Beim Hautsinu S. 35. Bei den Lage- und Bewegaugsempfinduugen S. 36. Bei den Geschmacksempfindungen Bei den Gesichtsempfindungen S. 37. Bei den GehörsS. 36. empfindungen S. 39. Resonanztheorie S. 39. Beim Geruchssinn Der Geruchssinn der Insekten S. 46. S. 42. Drittes Kapitel. Die Darstellung des Nebeneinanders und der Begrifi' der Empfindungsfelder Das Nebeneinander der Tastempfindungen empfindungen S. 48, 47 Geschmacksder Gesichtsempfindungen S. 49. Kombi- v^O^Ol S.47, der ni.liRARY|::c|
X Inhalt. Seite nation des Tastraums mit dem Sehraum zum Gemeinraum S. 50. Nebeneinander der Tonempfindungen in linearer Anordnung S. 51. Sprachlicher losigkeit Ausdruck; Tonskala S. 52. der Skala inbezug auf den Gemeinraum RichtuugsS. 53. Das Nebeneinander der Tonempfindungen in einem abgesperrten Bezirk S. 56. Empfindungsfelder S. 58. Ihre Beschaffenheit auf den verschiedenen Sinnesgebieten S. 69. Beziehung zur Topographie der Reizpforten S. 60. Viertes Kapitel. Die Empfindungsfeider (Fortsetzung^ . . 63 Übersichtliche Darstellung der bisher über das Nebeneinander gewonnenen Resultate S. 63. Kritik der Bezeichnung >Lokal- Möglichkeit der Einreihung der gesamten BeAuftreten wußtseinsinhalte in die Empfindungsfelder S. 68. zeichen« S. 66, Empfindungen verschiedener Qualität in demselben Empfindungsfeld S. 69. Verschiedene Möglichkeit der Auslösung S. 70. Reizung korrespondierender Stellen S. 71. Auge S. 71. Geruch S. 72. Geschmack S. 74. Empfindungen in aneinanderstoßenden Feldern S. 76. Kontinuität S. 76. Kontinuität Simultane Induktion (simultaner bei Tonempfindungeu S. 77. Kontrast) S. 78. Angaben von Urbantschitsch S. 80. zweier Fünftes Kapitel. Gleiche Empfindungen in denselben Empfindungsfeldern. Homophonie und Empfindungsdifferentiale bei Originalempfindungen Korrespondierende Reizpforten S. 83. Briefmarkenversuch S. 83. Akustischer Versuch S. 84. Riechversuch S. 85. Sherringtons Flimmer experimente beweisen Nicht Verschmelzung der korrespondierenden Erregungen S. 87. Helligkeitsunterschiede zwischen Herings uniokularen und binokularen Gesichtsempfindungen. Ansicht S. 88. Modifikation derselben S. 89. Gegenseitige Beein- flussung der von korrespondierenden Stellen ausgelösten Empfin- dungen S. 89. Bei Dunkeladaptation der Augen S. 90. Übereinstimmende Ergebnisse der Flimmerexperimente S. 91. Korrespondierende Gehörsempfindungen S. 92. Unterscheidung zwischen Intensität im engeren Sinne und Vividität S. 94. Erfahrungen auf dem akutischeu Gebiet S. 95. Zunahme der Vividität beim Zusammentreten von korrespondierenden Geruchsempfindungen S. 96. Empfindungsdeckung oder Homophonie EmpfindungsS. 98. Differenzierende Homophonie S. 100. differentiale S. 101. S. 101. Schallrichtung als Empfindungsdifferential Tiefenwahrnehmung als Empfindungsdifferential S. 103. 82
XI Inhalt. Seite Tiefensehsohärfe S. 108. Unterscheidung der durch das rechte und durch das linke Auge ausgelösten Empfindungen S. 109. Abblendungsempfindung als Empfindungsdifferential S. 110. Sechstes Kapitel. Die akoluthe Phase der Originalempfin- dungen 114 Ansteigen der Erregungen S. 115. Akoluthe Phase; Teilung in zwei Unterphasen S. 117. Akoluthe Wirkungen sehr kurz dauernder Lichtreize S. 118. Oszillationen S. 119. Dauer der Niveauhaltung akustischer Empfindungen. Schwankungen je Angaben von Urbantschitsch über nach Tonhöhe S. 123. die Dauer des völligen Abklingens S. 126. Andersartige Versuchsanordnung S. 128. Akoluthe Tastempfindungen S. 130. Akoluthe Geschmacks- und Gerachsempfindungen S. 131. Bedeutung der akoluthen Phase für unser Empfindungsleben S. 132. Zweiter Teil. Die mnemisclien Empfludnngeii. Siebentes Kapitel. Das versehwinden der Originalerregungen und das Zurückbleiben der Engramme .... 137 Das Engramm als materielle Veränderung S. 138. Auch nicht oberbewußt manifestierte Erregungen können Engramme hinterlassen S. 139. Experimenteller Nachweis S. 140. Mnemische Abläufe, die sich nicht oberbewußt manifestieren S. 141. Unterbewußte Empfindungen S. 142. Das einzelne Engramm und der simultane Engrammkomplex Achtes Kapitel. Der zusammenhängende simultane Empfindungskomplex muß einen zusammenhängenden Engrammkomplex hinterlassen S. 145. Satz der Engraphie (erster mnemischer Hauptsatz) Ausnahmen S. 146. Schein- Fragmentierung des Simultankomplexes bei der mnemischen Reproduktion S. 148. Gründe dafür; AbAssoziation blassung und ihre Folgeerscheinungen S. 148. Dissoziierende Wirkung der Aufmerksamkeit S. 153, S. 152. Einfluß der Homophonie S. 154. Engraphische Wirkung mneInnige Gesellung solcher Ermischer Erregungen S. 155. regungen zu den originalen S. 156. >Assimilation« und »Kombare plikation« S. 157 S. 147. Anm. 144
Inhalt. XII Seite Der individuell erworbene Engramm- Neuntes Kapitel. 159 schatz Einteilung in Simultankomplexe und Engrammkomplexe S. 162. Assoziation von schichten S. 161. Simultane ErregungsChronologische Schichtung S. 160. Komponenten verschiedener Engramm- Einordnung der Neukombinationen S. 164. S. 167. Beispiel der Kakifrucht S. 168. Zehntes Kapitel. Die Ekphorle und die verschiedenen Erscheinungsformen der Assoziation 172 Satz der Ekphorie (zweiter mnemischer Hauptsatz) S. 173. Asso- Sukzessive Assoziation ziation S. 176. S. 177. Anschauungen Münsterbergs betreffend S. 183. Unterscheidung Assoziation S. 186. Kontrastassoziation S. 190. der Ekphorie S. 195. Elftes Kapitel. S. 187. Chronogene Herbarts »freisteigende Vorstellungen« Pliasogene Ekphorie S. 194. die »Ähnlichkeits- zwischen Ekphorie und assoziation« Ekphorie Anmerkung S. 181. S. 193. Übersicht der Erscheinungsfonuen Zusammenfassung S. 196. Die ekphorische Wertigkeit der Kompo- nenten. Nichtumkehrbarkeit mnemischer Abläufe. Zusammenfassendes über den individuellen Engrammschatz Ekphorische Wertigkeit bei 198 simultaner Verknüpfung S. 199. Verschiedenheit der Manifestationschancen S. 201. Ekphorische Wertigkeit bei sukzessiver Verknüpfung S. 203. Erklärung der Ebbinghausschen Resultate 8. 204. Gründe für die Nichtumkehrbarkeit S. 205. Zeitempfindung S. 206. Orientierungsmarke Verschiebung der des präsenten Simultankomplexes S. 207. Marke S. 208. Zyklische Organempfindungen S. 210. GnindS. 212. Homophonie verhindert Zusammensetzung des Engrammschatzes muster des Engrammschatzes Umkehrnng S. 213. S. 216. Zwölftes Kapitel. Die mnemlsche Empfindung und ihre Unterscheidung von der Original empfindung Beispiel leichter Unterscheidbarkeit Vividität S. 220. auf Grund verschiedener Beispiele schwieriger Unterscheidung bei eben- merklichen Empfindungen Verstärkung der Vividität S. 221. mnemischer Empfindung S. 221. Johannes Müller, Cardanus, Goethe S. 224. Zustand des Halbwachens S. 226. Zustand de» 218
: Inhalt. XIII Seite Traums S. 227. S. 229. xVbnorme Bewußtseinszustände Das wesentliche Charakteristikum des Traums die Vividität der Originalempfindungen S. und 231. Wovon hängt mnemischen die der Empfindungen ab? S. 232. Beteiligung der Sinnesorgane als Unterscheidungsmerkmal S. 234. Durchaus nicht immer brauchbar S. 235. Illusionswirkung; Herings »ergänzende Reproduktion« S. 236. Verhältnis der Intensität im engeren Sinne zur Vividität S. 237. Zusammenfassung S. 241. Dreizehntes Kapitel. Das Verhältnis des mnemischen zum originalen Empfindungsablauf. Proportionale Veränderbarkeit 242 Übereinstimmung der mnemischen Empfindung mit nalen Vorgängerin misehe Zutaten S. 242. S. 243. Abschwächung der ihrer origi- Vividität; Übereinstimmung der Abläufe mne- S. 244. Relative Werte S. 245. S. 246. Veränderbarkeit der absoluten Werte Engraphische Merkzeichen für die absoluten Werte S. 248. Intensitätsskala S. 249. Schwierigkeit der proportio- nalen Veränderung über ein gewisses Maß hinaus S. 251. Drei zusammenfassende Sätze S. 252. Angebliche Flüchtigkeit mnemischer Empfindungen S. 253. Richtiger: Vorbestimmtheit der Dauer der mnemischen Empfindungen S. 254. Schweifen der Gedanken S. 255. Ideenflucht S. 256. Tempo der Abläufe S. 256. Allgemeines über die Homophonie Vierzehntes Kapitel. der mnemischen Empfindungen 258 Bedingungen des Zustandekommens von ranemischer Homophonie S. 259. Beispiel des Rembraudtschen Gemäldes S. 261. Nicht differenzierende phonie S. 266. Homophonie S. 265. Akustisches Beispiel Differenzierende S. 266. Homo- Höffdings Schreib- weise und Auffassung S. 267. Meine entgegengesetzte Ansicht Beweise für die Nichtverschmelzuug S. 270. Fünfzehntes Kapitel. Die Wiederholung der Erregungen als Schöpferin der Vorbedingung für mnemische Ho- mophonie .Jede Wiederholung 272 schaftY ein neues selbständiges Engramm Experimenteller Beweis ^Karton-Glasröhre) S. 274. Zurückweisung der Auffassung des Engramms als bloßer >Umlagerungserleichterung« S. 280. Chronogene Lokalisation S. 282. Retrograde Amnesie S. 284. S. 273.
Inhalt. XIV Seite Sechzehntes Kapitel. Manifestation der nicht differenzierenden Homophonie. Abstraktion durch Homophonie 086 Steigerung der Vividität durch Homophonie, also bedingt durch die Häufigkeit der Wiederholungen S. 286. Korrelate der Empfindungsvividität und -Intensität auf der Erregungsseite S. 290. Beziehung der »Assoziationsfestigkeitc zu den Wiederholungen Methoden der experimentellen Gedächtnisforschung S. 292. S. 293. Verteilung der Wiederholungen S. 295. Schluß auf die engraphische Empfänglichkeit )S. 296. Ehythmus S. 297. LiteUnbewußtwevden häufig wiederholter Abläufe ratur S. 297. Verwischung des Ungleichartigen bei Homophonie S. S. 299. 301. Briefmarkenexperimente S. 302. Konturen S. 303. Binokulare Farbenmischung S. 303. Abstraktion durch Homophonie Priorität Huxleys S. 308. S. 304. Siebzehntes Kapitel. Das Empfindungsdiflferential als Manifestation der differenzierenden Homophonie. Die beiden Modalitäten des Vergleichens. Engraphische Wir- kung homophoner Komponenten 310 Empfindungsdifferential als Resultat des Antagonismus zwischen zwei Komponentengruppen S. 311. Klassifizierung S. 311. Beispiel des Böcklinbildes der Empfindungsdifferentiale S. 312. Bekanntheitsempfindung S. 313. Zeitliche Beziehung S. 314. Wiedererkennen einer mnemischen Empfindung S. 315. Auffassungen Höffdings S. 316 und Lehmanns S. 317. Entspannung Unterschiedsempfinden S. 320. beim Wiedererkennen S. 319. Unterscheidung im Nebeneinander S. 321. Homophone Vergleichung S. 322. Simultanvergleich S. 324. Drei Modalitäten der Vergleichung S. 325. Überlegenheit der homophonen Vergleichung S. 327. Vergleichung im Kontrast S. 329. Vergleichung von Intensitäten S. 331. Verstellbarkeit der Empfindungen in der Metaphase S. 332. Deckung der kongruenten Komponenten S. 333. Wiedererkennen und Unterschiedsempfinden bei Tieren S. 334. Erregungsdifferential S. 335. Engraphische Wirkung von homophonen Erregungen und Erregungsdifferentialen S. 336. Engraphisch wirkt die energetische Resultante S. 337. Wettstreit originaler und mnemlscher Empfindungen innerhalb der gemeinsamen Empfin- Achtzehntes Kapitel dungsfelder. . Alternativen Unbedingte Alternativen S. 339. Fakultative Exklusion S. 340. Wirkung der Aufmerksamkeit S. 341. Mitbewerb um die Vi vi- 339
XV Inhalt. Seite Bedingungsloser Wettstreit S. 343. BinokuWettstreit zwischen originalen und innemischen Empfindungen und zwischen mnemischen unter sich S. 346. Experimentelle Prüfung S. 347. Foreis Beobachtungen über diesen Wettstreit bei Halluzinationen S. 349. Original-mnemischer Wettstreit auf verschiedenen Erapfindungsgebieten S. 350. Thesen über Mitbewerb und Wettstreit S. 352. Alternativ ditätsstufe S. 343. larer Wettstreit S. 344. Engrammdichotomien ekphorierbare Wettstreit von Sukzessionen Gedichts S. 354. 8. Mitbewerb und 353. Beispiel des Goetheschen Nebeneinander von Worten S. 355. S. 356. Neben- einander von Tonreihen S. 359. Mischreaktionen oder Entscheidung der Alternativen S. 362. Mischbewegungen S. 364. Wichtige Konsequenzen auf dem Gebiet der ererbten Mneme S. 365. Schluß. Ergebnisse im Sinne und Vereinheitlichung NeUDZehnteS Kapitel. fachiing 369 S. Formulierung in Gestalt der 371. Stellung der Assoziation zu Engraphie S. 372.. Unhaltbarkeit des Begriffs: Ähnlichkeitsas- Mnemisches Grundprinzip beiden Hauptsätze und Ekphorie einer Verein- soziation S. 372. Der S. 370. individuell erworbene Engrammschatz S.374. Grundmuster desselben S. 375. Lokalisation S. 375. Engramm Veränderung S. 376. Vitalismus S. 376. Unvorstellbarkeit S. 377. Topogene Lokalisation S. 378. Chronogene Lokalisation 378. Homophonie S. 379. Zwischen Originalempfindungen S. 380. Begriff der Empfindungsfelder S. 380. Kaumbegriffe S. 381. Nicht differenzierende Homophonie und Abstraktion; differenzierende Homophonie und EmpfindungsHomophone Vergleichung S. 383. Wettdifferentiale S. 382. streit und Alternativen S. 383. Unterscheidung der Vividität einer Empfindung von ihrer Intensität im engeren Sinne S. 385. als materielle Steigerung und Abschwächung der Vividität S. 386. Unterscheidung der Originalempfindungen von den mnemischen S.387. Angebliche Flüchtigkeit der letzteren Sachregister S. 387. Schlußwort S. 388. 389

Einleitung Semon, Mnerae. II.

Erstes Kapitel. Abgrenzuiig des Themas. Unter dem Titel Empfluduiig und Erregung. »Mneme« habe ich ein besonderes Kapitel der Reizphysiologie behandelt, über das schrift auch setzen könnte: In jenem als Werk habe ich die aller derjenigen Reaktionen Seite heißt die die man in gewissem Sinne Erzeuger bezeichnen könnte, auf Grund sogenannten unmittelbar durch die untersucht, unserer Kenntnis gelangen können. einen Über- als mnemischen Erregungen sowohl auch die Originalerregungen, die als ihre mittelbaren man >Die mnemischen Erregungen«. Es sind subjektiven als solche z. B. bestimmte oder Farben- oder Schmerzempfindungen, auf einen Erregungszustand in zu auf der Reaktionen, hingenommenen und spektiv untersuchten Empfindungen, reizbaren Substanz schließen; dies sie das intro- Ton- aus welchen wir bestimmten Teilen unserer auf der anderen Seite die so- genannten objektiven Reaktionen, aus denen wir auf Grund von mittelbaren Wahrnehmungen, die natürlich in Linie in auch auf Empfindungen beruhen, letzter auf Erregungen bestimmten Teilen der reizbaren Substanz unseres eigenen oder fremder organischer Körper ebenfalls schließen. Diese objektiven Reaktionen können in motorischen oder in plastischen Lebensäußerungen, sowie in Phänomenen des wechsels zum Ausdruck kommen. 1* Stoff-
Einleitung. 4 Auch in dem vorliegenden Werk wollen wir uns mit mne- mischen Erregungen, mit den Bedingungen ihres Zustande- kommens und ihres Ablaufs beschäftigen; dabei wollen wir uns aber tunlichst auf das Studium derjenigen Erregungen beschränken, welche sich uns unmittelbar durch Empfindungen manifestieren, Da und soweit sie sich durch solche manifestieren. wir aber auch die Resultate der experimentellen psycho- logischen Forschung mit berücksichtigen wollen, wird letztere Beschränkung keine absolute Und noch sein. eine zweite Einschränkung wollen wir machen. Wir wollen uns bei unseren jetzigen Untersuchungen nur mit solchen mnemischen Erregungen bzw. Empfindungen beschäftigen, deren »Aszendenten« in Gestalt von Originalerregungen im individuellen Leben des betreffenden Organismus aufgetreten sind, die, um meiner Sprache zu reden, aus in individuell erworbenen, nicht des Organismus stammen. dem ererbten dem Engrammschatz Die Erörterung der interessanten und schwierigen Frage, ob überhaupt oberbewußte mnemische Empfindungen aus dem ererbten Engrammschatz ekphoriert werden können, behalte ich mir für eine spätere Gelegenheit und einen anderen Ort Im vorliegenden Werk vor. be- schränken wir uns auf das Studium des individuell erwor- benen Engrammschatzes. die Diskussion in der Folgezeit zeigen, dieser Dadurch schalten wir von Vererbungsfragen aus. gleichzeitig Es wird sich aber daß unsere jetzige Arbeit der Lösung Fragen vorgearbeitet hat. Auf das Vorhandensein von bestimmten Erregungen, sagte ich oben der »Mneme« und so so habe ich an verschiedenen Stellen ausgeführt, können wir einerseits unmittelbar aus dem Vorhandensein von bestimmten Empfindungen, andrerseits auch mittelbar, aber doch immer aus auf dem Empfin-
Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. dung8wege wahrgenommenen objektiven Reaktionen Die Empfindung ist uns Ehe schließen. also unmittelbar oder mittelbar die Manifestation einer Erregung. übrigen zu ihr? 5 v^ir in Wie verhält sie sich aber unser eigentliches Thema im ein- müssen wir unsere Stellung zu dieser Frage präzi- treten, Die folgenden Auseinandersetzungen, sieren. geschehen soll, bitte ich in denen dies aber nicht im Sinne einer erschöp- fenden Beweisführung aufzufassen, für die es mir hier an Raum fehlt, sondern im Sinne der Verständigung mit dem Leser. Wie verhält sich Empfindungen sind Empfindung zur Erregung? die das sich dungen in seinem weitesten Sinne ver- daß es auch die sogenannten Gefühle mit umfaßt stehen, so und Wenn uns unmittelbar Gegebene. wir das Wort Empfindung Die sowohl auf originale wie auf mnemische Empfin- bezieht, so laßt sich unsere ganze äußere und innere Welt aus Empfindungselementeu aufbauen. Diese bilden die gegebenen Grundlagen, das »Bekannte«, das man nicht durch noch Einfacheres, Bekannteres näher definieren kann. EiTCgung ist Wir verstehen dagegen etwas Abgeleitetes, Erschlossenes. darunter einen bestimmten Zustand eines Kör- pers und zwar eines organischen Körpers, einen bestimmten Zustand der reizbaren Substanz dieses Körpers. Ehe wir uns demnach au die Frage machen, wie verhalten sich Er- regungen zu Empfindungen, müssen wir uns über die allgemeinere Frage klar werden: wie verhalten sich Körper zu findungen? Ich möchte hierauf mit einem Zitat aus EmpMach ^ antworten: »Der Physiker sagt: Ich finde überall nur Körper und Bewegungen von Körpern, keine Empfindungen; Empfindungen müssen also etwas von den physikalischen Objekten, 1 E. Mach, Die Analyse der Empfindungen. 4. Aufl. 1903, S. 36.
; Einleitung. 6 mit welchen ich verkehre, Psychologe Ihm Grundverschiedenes den zweiten Teil akzeptiert sind, das ist richtig, zunächst die der sein. Der Behauptung. Empfindungen gegeben denselben entspricht aber ein mysteriöses physikalisches Et- was, welches nach der vorgefaßten Meinung von Empfin- dungen gänzlich verschieden Wirklichkeit das Mysteriöse? die Psyche? oder sind sein muß. Was ist Ist es die Physis, es vielleicht gar beide? aber in oder ist es Fast scheint es so, da bald die eine, bald die andere in undurchdringliches Dunkel gehüllt, unerreichbar scheint. Oder werden wir hier vom bösen Geist im Kreis herumgeführt? Ich glaube das letztere. « Mach selbst erkennt den in solcher Weise hervorgekehrten schroffen Gegensatz zwischen Körper und Empfindungen in keiner Weise an, sondern sagt an einer an- deren »Ich sehe daher keinen Gegensatz zwischen Stelle: Psychischem und Physischem, sondern einfache Identität bezug auf diese Elemente. Bewußtseins chisch. ist jedes in In der sinnlichen Sphäre meines Objekt zugleich physisch und psy- « Was wir einen Körper nennen, das ist uns zunächst und un- mittelbar als ein Empfindungskomplex, und zwar als ein relativ aber nicht absolut beständiger Komplex von Farben, Tönen, Drucken usw. gegeben. Dieser Empfindungskomplex zwar nicht setzt sich für den neugeborenen Menschen, für den es den Begriff Körper überhaupt noch nicht gibt^, aber für jeden etwas entwickelteren Menschen sowohl aus originalen als auch aus mnemischen Empfindungen (unter Umständen nur aus letz1 Wieweit bereits durch die für diese Begriffsbildung wesentlichen Synthesen die Beschaffenheit des eine Frage ererbten Engrammschatzes vor- die ebenso interessant wie Eine gewisse erbliche Vorbereitung halte ich für sehr wahrscheinlich, gehe aber auf diese Frage hier nicht ein. bereitet sind, ist schwierig zu beantworten ist. für sich,
Abgrenzung des Themas. teren) zusammen. Empfindung und Erregung. Der Körperbegriff einer sehr verwickelten, wiewohl ist 7 somit das Produkt schließlich auf einen Schlag vorgenommenen Synthese von Empfindungen. Der Begriff »organischer Körper« und »reizbare Substanz« nischen Körpers nur besondere Unterfälle der eben an- stellt orga- eines gedeuteten Empfindungssynthese dar. Wenn wir nun von Erregung innerhalb eines solchen Kom- plexes sprechen, so denken wir dabei an irgend einen energetischen Vorgang in der reizbaren Substanz eines organischen Körpers. Ein energetischer Vorgang — wir brauchen auf seine nähere Beschaffenheit gar nicht einzugehen, sondern können ganz im allgemeinen sprechen — ist wiederum nichts unmittel- bar Empfundenes, sondern etwas aus einer größeren Anzahl von Wahrnehmungen mittelbar Erschlossenes. Zur Annahme einer Erregung in der reizbaren Substanz eines organischen Körpers gelangen wir also durch eine außerordentlich lange Kette von Empfindungssynthesen. komplizierten Wege Empfindungen, nichts mnemischer als Auf diesem langen und wir bei genauerer Analyse nur finden Empfindungen teils originaler, Natur; keinerlei andere Elemente. Von teils einer un- überbrückbaren Kluft zwischen Empfindung und Erregung kann also keine Rede sein. Was bestehen bleibt, ist der allerdings außerordentlich weittragende Unterschied zwischen unmittel- bar Empfundenem und mittelbar Erschlossenem, ein Unterschied, dessen Tragweite für die konkreten Fälle uns gleich noch deutlicher werden wird. Bisher haben wir nur von dem Verhältnis von Empfindung zu Erregung im allgemeinen gesprochen. Nun sind wir be- kanntlich durch zwingende Gründe genötigt anzunehmen, daß jeder konkreten Empfindung ein besonderer Erregungsvorgang in der reizbaren Substanz des empfindenden Subjekts ent-
; Einleitung. 8 spricht 1, z. B. jeder originalen Gesichtsempfindung: Erregungs- vorgänge in Netzhaut, Sehnerven und gewissen Gehirnab- und schnitten, so — mutatis mutandis — bei allen originalen Sinnesempfindungen. Aber nicht nur für Originalempfindungen sondern ganz ebenso für mnemische Empfindungen. gilt dies, Beobachtungen pathologischer Fälle und experimenteller Ein- haben zwingende Beweise dafür griffe mnemischen Empfindungsvorgang auch im Gehirn entspricht. daß jedem geliefert, ein Umgekehrt wissen Erregungsvorgang wir, daß wir Er- regungsvorgänge in unserer reizbaren Substanz unter Um- ständen auch dann anzunehmen haben, wenn eine Manifesta- durch oberbewußte Empfindungen nicht vorhanden tion sondern nur Manifestationen durch objektive ist, Reaktionen irgendwelcher Art vorliegen. Ich will die hier in Betracht kommenden Form zum Ausdruck der folgenden tibersichtlichen Möglichkeiten in bringen. Erregung, erschlossen 1) auf Grund einer unmittelbaren Empfindung; 2) auf Grund mittelbarer Wahrnehmungen aus »objektiven« Reaktionen (Feststellung von motorischen, plastischen oder Stoflfwechselsphänomenen) 3) sowohl auf Grund einer unmittelbaren Empfindung als auch auf Grund mittelbarer Wahrnehmungen. Die physiologische Forschung ist nun auf zahlreiche ob- jektive Befunde hin zu dem Resultat gelangt, daß zwischen einer unmittelbar durch sie wahrgenommenen Empfindung und der manifestierten und als solche schlossenen Erregung, abgesehen von stets indirekt er- dem verschiedenen Be- 1 In welchem Sinne dies »entspricht« hier aufzufassen ist, wird im weiteren Verlauf unserer Erörterung (vgl. schon die folgende Seite) noch klarer hervortreten.
; Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. griffsiuhalt der beiden, 9 auf den wir noch zu sprechen kom- men, eine weitgehende Übereinstimmung anderen Beziehungen zu konstatieren ist, möglichen in allen vor allem in ihrem das heißt der Art ihres Auftretens, ihrer zeitlichen Ablauf, Dauer und der Art ihres Verschwindens, sitätsverhältuissen. Manche haben und in dieser in ihren Inten- Übereinstimmung etwas höchst Wunderbares erblicken wollen, was besonderer Vom Hervorhebung und Benennung bedarf. derer, die in Standpunkte Empfindung und Erregung überhaupt und des- halb also auch in einer konkreten Empfindung und der durch sie repräsentierten Erregung etwas blicken, aber ist Verwunderung wohl diese erscheint Wir! erblicken Grundverschiedenes er- diese Übereinstimmung in einer Für uns erklärlich. selbstverständlich. Erregung und ihrer Empfin- dungsmanifestation nicht zwei getrennte Objekte, die sich unserer Beobachtung darstellen, sondern Stand- dasselbe Objekt^ von zwei verschiedenen punkten aus betrachtet: als Empfindung vom Stand- punkt des unmittelbar hingenommenen Bewußtseinsvorgangs als Erregung dagegen höchst mittelbar durch die verwickelten Empfindungssynthesen hindurch, die uns dazu führen, daß wir Komplexe von Farben, Tönen, Drucken usw. als Körper war wohl der erste, der diese Auffassung verund durch einen bekannten, viel zitierten Vergleich illustriert hat. - Ich halte es deshalb auch nicht für zweckmäßig, dieser Beziehung zwischen Empfindung und Erregung den Namen »psychophysischer 1 G. Th. Fechncr treten Parallelismus« zu gebeu. Was mir dabei bedenklich scheint, ist die Benutzung des Ausdrucks Parallelismus, der den Gedanken SDggeriert, CS handle sich um zwei verschiedene, nebeneinander herlaufende Vorgänge. Einer solchen falschen Auffassung wird durch Anwendung dieses Worts Vorscliub geleistet. In einer derartigen Fundamentalfrage kann ein zu Mißverständnissen verleitendes Wort unermeßlichen Scha- den stiften. Vgl. darüber auch A. Forel: in Festschrift für Leipzig 1906. J. Kosenthai, .^- ;".r7-*^^.
Einleitung. 10 zusammenfassen, und, indem wir die Eulie oder Bewegung solcher Körper geleistete daraus zur Bildung gewinnen, Arbeit Energieerscheinung wie und unterscheiden ein solcher Maß für Begriffe, energetischer Vorgang oder fort- schreiten. Wenn wir Erregung als besonderen energetischen Vorgang der reizbaren Substanz eines Organismus definieren, so legen wir, wie erwähnt, dem Begriff eine Bedeutung oder einen Inhalt der das Produkt einer langen Kette von Abstraktionen und bei, Kom- binationen aus zahlreichen auf dieses Schlußverfahren hinzielenden Empfinduugsinhalten berechtigt sind, Daß ist. wir dazu durchaus braucht hier nicht näher auseinandergesetzt Andrerseits aber dürfen wir nie vergessen, daß zu werden. dieser Begriffsinhalt unser eigenstes Werk ist, das Resultat zahlloser Empfindungssvnthesen. Bleiben wir uns dieser unserer eigenen Tätigkeit bewußt, so kann daß eine Empfindung, z. B. ihr entsprechende Erregung, in Netzhaut, sonstigen Sehnerven, es uns nicht wundern, eine Lichtempfindung und also Sehsphäre des Gehirns, bei Übereinstimmung in die der energetische Vorgang unserem Bewußtsein aller einen ganz verschiedenen Inhalt haben: hier eben Lichtempfindung, energetischer Vorgang dort Substanz. Denn unsere in einer bestimmten reizbaren Tätigkeit hat ja lediglich in der Schaffang des neuen Begriffsinhalts bestanden, und so versteht und sich die diesbezügliche Verschiedenheit von Erregung ihr entsprechender Empfindung von selbst. Soviel zur Erläuterung der Anschauung, die wir in Satz zusammengefaßt dung und der um ein ihr haben, bei dem einer bestimmten Empfin- entsprechenden Erregung handle es sich und denselben Vorgang, der nur von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet wird. Die Verschiedenheit dieser
H Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. Betrachtung besteht ganz einfach darin, daß bei unmittelbarer Betrachtung (Introspektion) auf den direkt Empfinduugsinhalt vom tung gegebenen eingestellt wird, bei der Betrach- selbst energetischen Standpunkt dagegen auf ein aus Produkt der Abstraktion und Kombination sehr vieler mittelbar verknüpfter Empfindungen. meinsame Objekt nach der Betrachtungsweise ganz sich je verschieden im Bewußtsein Im übrigen, was Kein Wunder, daß das ge- spiegelt. Bedingungen die und die Weise des Auftretens einer Empfindung und der Art und ihr ent- sprechenden Erregung sowie ihre Intensitätsverhältnisse, anbesteht eine weitgehende Übereinstimmung zwischen langt, Diese ihnen. ist notwendigerweise eine vollständige den Fällen, in denen die Erregung einzig und Grund wird in allen allein auf einer besonderen Empfinduugsmanifestation erschlossen (Fall 1, S. 8.) Etwas anders liegen aber die Dinge in anderen Fällen, in denen man eine bestimmte Erregung nicht auf ein so einseitig von einem aufgenommenes Material hin einzigen erschließt, Standpunkt aus sondern die Ergeb- nisse anderer, teils mittelbarer, teils unmittelbarer, aber von anderem Standpunkt aus gewonnener Wahrnehmungen mitverwertet. So kann es zum Beispiel vorkommen, — und wir werden im Laufe unserer weiteren Erörterungen nicht wenige derartige Fälle kennen lernen einer Reihe von zweier — daß zuweilen da, wo wir aus Gründen unbedingt auf das Vorhandensein verhältnismäßig getrennter Erregungen schließen müssen, beide zusammen sich doch nur durch eine einzige unmittelbare Empfindung manifestieren. Aus einer solchen Sachlage hat man früher schließen zu müssen geglaubt, daß die »physischen« Erregungen un verschmolzen bleiben, daß
Einleitung. 12 »psychischen Sphäre« eine Verschmelzung der aber in der durch Erregungen jene Empfindungen »hervorgerufenen« stattfindet. Wir dagegen sehen diese Dinge von einem ganz anderen Erregung und Empfindung können für Standpunkt aus an. uns unmöglich im Verhältnis und Wirkung von Ursache Wahrnehmung stehen, sondern entsprechen der jekts von verschiedenen Standpunkten aus. desselben Ob- Daß diese Ver- schiedenheit des Standpunkts, auch abgesehen von der in der Natur der Sache liegenden Verschiedenheit der Auffassung der betrachteten Objekte, und da auch noch hie Verschiedenheiten bedingen kann, Zwei Sehobjekte können zu erklären. durch einen Vergleich erläutern. Ich will dies zunächst punkt aus ist leicht andere sich von einem gewissen Stand- den Beschauer rein physikalisch so decken, für daß unter diesen Umständen nur ein einziges wahrgenommen werden kann. nimmt er Verläßt der Beschauer diesen Standpunkt, so von vielen anderen Standpunkten aus zwei Objekte wahr; seine erste Beobachtung steht aber nicht im Widerspruch mit den späteren, sondern ren nur ergänzt Nun nicht ist so wenn Seiten sie als ich ein her betrachte, wenn ich mene Empfindung mit der schlossenen letzte- die Verschiedenheit des Standpunkts Sehobjekt weil ich von zwei hier in zwei unmittelbare Empfindungskomplexe vergleiche, eine unmittelbar ihr entsprechenden, Erregung, vergleiche. Aber Augenblick für uns das Wesentliche gleich. wird durch die erweitert. allerdings groß, schiedenen Fällen und Die Erregung ins Auge ist, fassen, in als ver- beiden solche wahrgenomindirekt er- dem, was im liegen beide Fälle also den Vorgang von der energetischen Seite betrachten, heißt eben nichts an-
Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. deres, als die Ergebnisse 13 der Betrachtung von allen mög- lichen Standpunkten zusammenfassen. Mit dieser Zusammen- kann niemals das Ergebnis der Betrachtung von fassung einem einzelnen Standpunkt aus Denn jener Einzelstandpunkt mittelbaren Empfindung) (in in Widerspruch stehen. unserem Falle der der un- muB eben mitberücksichtigt und das Gesamtresultat dementsprechend korrigiert werden. Ein Zwie- Wohl aber vom allgemeinen Standpunkt aus ein umund wird oft dem vom Einzelstandpunkt spalt ist hier also schlechthin unmöglich. wird das Ergebnis fassenderes sein, Mehr enthalten. demnach für unsere gegenüber ein So liegt Anschauungen durchaus kein Widerspruch darin, daß wir unter Umständen aus bestimmten zwingenden Gründen das Vorhandensein von zwei (oder mehr) getrennten Erregungen annehmen müssen, zweifellos nur eine einzige während ebenso Empfindungsmanifestation diese beiden Erregungen in Erscheinung tritt. für Wir werden im Laufe der folgenden Untersuchungen bei verschiedenen Gelegenheiten auf derartige Fälle stoßen und werden, wohl es sich dabei um Empfindungen ob- aus allen möglichen Sinnesgebieten handeln kann, in Anlehnung an den oben herangezogenen Vergleich, in solchen Fällen von Deckung der einen Empfindung durch die andere sprechen. Niemals kann dagegen der umgekehrte Fall vorkommen, daß wir genötigt sein könnten, für zwei getrennte Empfin- dungsmanifestationen das Vorhandensein nur einer entspre- chenden Erregung anzunehmen. Denn es lagen, auf die wir an der Hand ist eine der Grund- unserer reizphysiologischen und pathologischen Erfahrungen den Begriff der Erregung aufgebaut haben, daß durch eine gesonderte Empfindung mindestens ein gesonderter energetischer Vorgang in der reizbaren Substanz
Einleitung. 14 Jene gelangt. zur Manifestation Annahme würde also in Widerspruch zu einer der Voraussetzungen stehen, die bei der Schaffung des Erregungsbegriifs Pathe gestanden haben, einen Widerspruch gegen eine Grundvoraussetzung enthalten, von der wir bei gangen Schaffung des Begriffs Erregung ausge- sind. Ich verlasse diesen Gegenstand, bei dessen Erörterung der Leser vielleicht den Eindruck gehabt hat, dabei um nahezu selbstverständliche über klare Überblick diese daß es sich Dinge handelt. selbstverständlichen Dinge Der ist aber eine Hauptbedingung für das Verständnis verschiedener von uns später zu behandelnder Grundprobleme, besonders für die richtige Auffassung der Homophonie, und die Ge- und der Psychologie der Empkaum etwas verwirrender gewirkt und schichte der Reizphysiologie findungen lehrt, daß den Fortschritt der Einsicht in die allgemeinen Zusammen- hänge mehr gehemmt hat, als die Verkennung dieser Selbst- verständlichkeiten. Wir haben in unseren obigen Darlegungen an denen Stellen hervorgehoben, die Empfindung verschie- sei die im- mittelbar gegebene Bewußtseinstatsache, die durch sie manifestierte Erregung dagegen das auf Grund Wahrnehmungen vieler mittelbarer Erschlossene. Der erste Teil dieser Aussage, der die Empfindung betrifft, bedarf aber jetzt noch einer ge- wissen Einschränkung und Erläuterung. Tatsächlich sind uns nämlich nicht Einzelempfindungen das unmittelbar Gegebene, sondern zusammenhängende Empfindungskomplexe, der ganze Bewußtseinsinhalt eines solchen des jeweiligen Bewußtseinsinhalts Augenblicks. unterscheiden Verschiedenheiten; er bildet nichts Homogenes, Innerhalb wir zwar aber seine verschiedenen Komponenten gehen mehr oder weniger kon-
Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. 15 gut durch einen Vergleich Man kann dieses Verhältnis mit dem menschlichen oder rischen Körper Unser Körper tinuierlich ineinander über. nuierliche, die der erläutern. Anatom künstlich auflöst, Gefäße »herauspräpariert«. deren eine konti- wenn Schaffung er Muskeln, Nerven, Diese Organe, als selbständige allerdings ihre da man sich nur auf diesem sind Kunstprodukte, Berechtigung vollständige Wege verwirrenden in der Mannigfaltigkeit des Gesamtkörpers zurechtfinden kann. muß man sich des willkürlichen Eingriffs, den analysierende diese bleiben tie- zusammenhängende, aber nicht homogene Einheit, Gebilde dargestellt und betrachtet, hat, bildet sehr und darf Behandlung vornimmt, man stets Doch durch bewußt die selbstgeschaffenen Kunstprodukte nie als natürliche Einheiten ansehen. Genau lyse in derselben Lage befinden wir uns bei der Ana- eines Bewußtseinsinhalts. Auch ihn können wir nur genau studieren, indem wir ihn analysieren, und auch bei dieser Analyse müssen wir vorhandene Verbindungen lösen und durch willkürliche Schnitte Grenzen schaffen, die Wirklichkeit nicht vorhanden sind. auf diese Frage im nächsten Kapitel wird dies noch deut- licher hervortreten lassen; daß es unmöglich gestattet, die Elemente, in Ein näheres Eingehen ist, auch wird sich daraus ergeben, ein Kriterium aufzustellen, welches es Auflösung eines Bewußtseinsinhalts in Elementarempfindungen in natürliche durchzuführen. Wir werden sehen, daß eine solche Durchführung nur unter An- wendung derselben bewußten Willkür möglich tom bei seiner ist, die der Ana- Analyse des menschlichen Körpers anwendet. Ebenso aber wie jede Analyse eines Bewußtseinsinhalts stets nur Kunstprodukte schaffen kann, und die Einzelemp- findung deshalb nichts unmittelbar Gegebenes ist, sondern sich
< Einleitung. 16 bereits das Produkt als einer Abstraktion ebenso erweist, wird die Zusammenfassung der Komponenten eines Bewußtseinsinhalts in verschiedene und Hauptgruppen oder »Grundformen ihre Gegenüberstellung etwas sein, bei stets Ermessen des Untersuchenden das Maßgebende sich eben dabei Stellen natürliche nicht vermeiden Zusammenhänge läßt, daß ist, dem das weil es an gewissen gelöst, willkürliche Gren- zen gesetzt werden. Wenn manche eine Psychologen vier (oder mehr), andere nur beschränktere Anzahl von Grundformen koordinierten psychischer Elemente, wie Empfindungen, Gefühle und Vorstellungen unterscheiden, wieder andere mit einer noch klei- neren Anzahl auskommen zu können glauben, also so ist dies mehr oder weniger Sache des persönlichen Gutdünkens. Ich für mein Teil stimme mit denjenigen Psychologen Uberein, die der Ansicht sind, daß man mit einer Klasse von psychischen Elementen auskommt, den Empfindungen. Sie begreifen die Gefühle als eine besonders zu charakterisierende Art von Empfindungen oder Empfindungstörungen und die Vorstellungen sind, in sich, wie wir unten sehen werden, nur eine besondere Klasse von Empfindungen. Darüber herrscht wohl unter allen auf naturwissenschaftlichem Boden stehenden Psychologen Übereinstimmung, daß das einfache Gefühlselement nichts Selbständiges, neben der Empfindung ist. für sich Bestehendes, isoliert von »Schmerz und Lust können«, wie Mach ihr Auftretendes sagt, »mit nicht so gut analysiert findungen, (a. a. Recht Empfindungen genannt werden. vielleicht schränkt als letztere. und so geläufig als die 0. S. 17) Sie sind nur Sinnesemp- auch nicht auf so wenige Organe be- Schmerz und Lustempfindungen bilden einen wesentlichen Inhalt aller sogenannten Gefühle. Was
Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. uns noch sonst Gefühlen zum Bewußtsein kommt, wenn wir von ergriffen weniger diffuse, zeichnen. « können werden, wir nicht scharf lokalisierte Es gibt Psychologen, die die Lust- 17 mehr als oder Empfindungen be- sich nicht darauf beschränken, und Unlustempfindungen von den übrigen Sinnes- empfindungen abzugrenzen und als unlöslich verknüpft mit anderen Empfindungen Gefühle, oder wenn sie auftreten, als Gefühlsbetonungen dieser Empfindungen zu bezeichnen, sonumfassenderes Abgrenzungsprinzip dern die ein wesentlich Anwendung zur Bestandteil bringen. einer Sie definieren als Gefühl denjenigen Empfindung, den unser Bewußtsein auf unser eigenes Subjekt bezieht, während die übrigen Bestandderselben Empfindung auf ein Objekt der Außenwelt, teile unter Umständen auch auf einen dem ganzen übrigen Ich gegenübergestellten Teil des eigenen Körpers bezogen werden. Also von den verschiedenen Bestandteilen der Empfindung: das Stück Zucker, das ich auf meiner Zunge fühle, schmeckt süß, die Süße empfinde ich ist eckig, etwas Angenehmes, nur der letztere, speziell auf mein Ich bezogene Bestand- Aber auch bei der Organempfindung: meine ein Gefühl. teil, Lippe ist geschwollen, ich empfinde empfinde ihren lebhaften Puls, ist als ist wiederum nur diese Seite dieses Teile sie als alles dies ist letzte, gespannt, heiß, mir unangenehm, auf das ganze Ich bezogene Empfindungskomplexes ein Gefühl, weil die übrigen des Empfindungskomplexes dem übrigen auf das in diesem Falle Ich als Objekt gegenübergestellte Organ, die Lippe, bezogen werden. Es ist klar, daß hieraus bei man- chen unbestimmten, dumpfen Empfindungen besonders innerer Organe für die Anwendung dieser Definition manche Schwierig- keiten entstehen werden, die sich bei der einfachen Lust-UnlustSemon, Mneme. II. 2
Einleitung. 18 definition der seits ist Gefühlsbetonungen nicht fühlbar machen. Andrer- anzuerkennen, daß solche Seiten der Empfindungen wie das mit ihnen verbundene oder auf folgende innere sie Erlebnis der Spannung oder der Lösung, der Aufregung oder Beruhigung, zwungen sich bei Anwendung in die Kategorie der dieser Definition Gefühlsbetonungen jener findungen einreihen lassen, während es oft schwer unge- Empsie fällt, vollkommen unter das Lust-Unlustschema zu bringen, obwohl sie wohl nur selten von dieser Gefühlsnote völlig frei sind. Welcher Abgrenzung man aber auch den Vorzug besteht kein zwingender Grund, Empfindungen oder die reine Schmerzempfindung als ganz besondere Elemente neben stellen, statt sie gibt, die Gefühlsbetonungen die es der als solche Empfindungen zu ihnen bei- und einzuordnen. Es bleiben demnach nach dem Vorgange vieler, nicht der meisten neueren Psychologen nur noch selbständig zu unterscheidende Arten einfachster wenn zwei als seelischer Gebilde: die Empfindungen und die Vorstellungen i. Die Vertreter dieser beiden Gruppen von Komponenten eines Bewußtseinsinhalts sind allerdiugs in zwei Beziehungen deutlich von einander gesondert. schaffenheit, wie stellt. 1 Erstens durch ihre Be- dem Bewußtsein darArt und Weise ihrer Auslösung. sie sich unmittelbar Zweitens durch die Ich verstehe hier und im folgenden den Ausdruck »Vorstellung« dem engeren Sinne der »Erinnerungs- oder Phantasievorstellung«, in dem er von einer sehr großen Anzahl von modernen Psychologen gebraucht wird, und nicht in dem erheblich weiteren Sinne, in dem in ihn z. B. Wolff, Kant, Herbart gebrauchen, die ihn auf alle intellek- dem weiteren Sinne definiert Psychologie Bd. I, 1902, S. 34ö— 347). tuellen Bewußtseinsinhalte ausdehnen. In ihn auch Wundt (Grundzüge d. Die Verwendung desselben Terminus für zwei so verschieden definierte Grundbegriife ist natürlich schon unzählige Male die Quelle von Unklarheiten und Mißverständnissen geworden.
Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. Nur wenn die erstgenannte Art 19 der Unterscheidung ein durchgreifendes Kriterium gäbe, wären wir meiner Ansicht nach berechtigt, die sogenannten Vorstellungen nicht mit zu den Empfindungen zu rechnen. Zwar haben wir in der Dies an ihrer die Originalempfindungen keit, haftigkeit (»Vividität«, Intensität scheiden. aber nicht der Fall. viel größeren Leb- wie ich es zur Unterscheidung von nennen werde) unmittelbar und von den meist ist Mehrzahl der Fälle keine Schwierig- viel blasseren als solche zu erkennen »Vorstellungen« Dieses Unterscheidungsmerkmal i"st zu unter- aber, wie des näheren im 12. Kapitel nachgewiesen werden wird, in keiner Beziehung ein durchgreifendes fere ; man sobald es für eine schär- Grenzbestimmung zu verwerten sucht, versagt es. In durchaus nicht seltenen Fällen und durchaus nicht nur unter anormalen Umständen von ist Originalempfindungen schlechterdings unmöglich, eine unmittelbare Unterscheidung und sogenannten Vorstellungen und daraus hat man notgedrun- generweise die Konsequenz zu ziehen, daß beide Arten von Komponenten der Bewußtseinsinhalte zunächst unter einem Sammelnamen zusammenzufassen und dann schaftsworte zu trennen sind, hungsweise kennzeichnen. sprechende. ist, Als dieser durch Eigen- Sammelname »Empfindung« mir die Bezeichnung erst die ihre verschiedene Entste- Schon deshalb, weil als erscheint das einzig Ent- es eine Bewußtseinstatsache daß eine lebhafte sinnliche »Vorstellung« auch wirklich empfunden, ein in Gedanken nachgefühlter Schmerz auch wirklich gefühlt wird. Ein durchgreifendes Unterscheidungsmerkmal haben wir also nicht in der arten, wie sie finden können; Beschaffenheit der beiden Empfindungs- sich unmittelbar dem Bewußtsein darstellt, wohl aber finden wir ein solches in der 2* Art
20 Einleitung. und Weise ihrer Auslösung. dings ein allgemeingültiges Hierin besitzen wir aller- Kriterium, schluß an meine Ausführungen in der das im ich, »Mneme«, wo An- sie sich auf das allgemeine Gebiet der Erregungen jeder Art und jeder Manifestations weise bezogen, durch folgende Gegenüberstellung präzisieren möchte: Die Auslösung und Aufrechterhaltung eines bestimmten Komplexes von Originalempfindungen dem Auftreten und abhängig. von der Andauer eines bestimmten Reizkomplexes Zur Auslösung desselben Komplexes in Gestalt mnemischen Empfindungen, von ist die oft weniger lebhaft sind als ihre originalen Vorläufer, es aber nicht notwendiger- weise zu sein brauchen, bedarf es nur des Auftretens eines Bruchteils jenes Reizkomplexes oder auch nur das eines seiner Vorläufer. plexes Die Andauer des mnemischen Empfindungskomin steht keinem direkten erster Linie in zur Umwegen) aus- wie wir sagen wollen, ekphoriert hat, sondern gelöst, oder, ist zeitlichen Verhältnis (direkt oder auf Andauer des Reizes, der ihn abhängig von der Dauer der Original- empfindungen, die die Vorläufer der betreffenden mnemischen Empfindungen gewesen sind. Die näheren Ausführungen hierüber werden im zwölften Kapitel des vorliegenden Buchs folgen. Um noch einmal kurz zusammenzufassen: Wir unter- scheiden in einem Bewußtseinsinhalt als allerdings stets mehr oder weniger willkürlich dungen und isolierte Elemente nur koordinierte Elemente, sondern nur als besondere bzw. Arten Empfin- betrachten die Gefühle nicht als selbständige der Empfindungen. Diese Empfindungen im weitesten Sinne teilen wir ein in originale und Empfindungen, wobei uns als Tönungen mnemische durchgreifendes Unter- scheidungsmerkmal ein nur mittelbar festzustellendes Moment,
Abgrenzung des Themas. Empfindung und Erregung. 21 Art und Weise ihrer Auslösung und Aufrechterhaltung die Das unmittelbare Merkmal der größeren oder dient. geren Vividität ist kein durchgreifendes gerin- und deshalb für Grenzfälle nicht zu gebrauchen. Den Originalempfindungen entsprechen bei der Betrachtung vom energetischen Standpunkt aus die Originalerregungen; den mnemischen Empfindungen diemne- mischen Erregungen. Die Originalempfindungen haben wir als die Vorläufer der mnemischen bezeichnet, und zwar besteht hier ein Abhängigkeitsverhältnis der Art, daß, wenn wir von einer mnemischen Empfindung sprechen, in dieser Ausdrucksweise bereits die notwendige Voraussetzung ent- daß ihr vorausgegangen ist. halten ist, verhältnisses Auf werden wir näher eingehen. ergibt entsprechende Originalempfindung eine aber als Natur dieses Abhängigkeits- die unseren weiteren Erörterungen in Die bloße Tatsache seines Vorhandenseins Vorbedingung für das Studium der mne- mischen Empfindungen eine nähere Orientierung über gewisse Seiten der Originalempfindungen, weil sie von ihnen als von ihren Vorgängern abhängig sind, ihrer Ekphorie beteiligt sind, und weil sie weil sie oft an sich häufig mit ihnen zu neuen Einheiten verbinden. Wenn tung nicht, über wir uns jetzt zunächst zu einer näheren Beti'ach- der Originalempfindungen wenden, so geschieht dies um sie schungen eine Übersicht alles dessen zu geben, was uns durch sinnesphysiologische und psychologische Forbisher bekannt geworden ist. Das ungeheure Tatsachenmaterial, das von diesen beiden Seiten bisher zu- sammengetragen worden beschäftigen, als seine der mnemischen ist, wird uns vielmehr nur insoweit Kenntnis für die richtige Auffassung Empfindungen Vorbedingung ist. Gerade
Einleitung. 22 die hier einschlagenden Fragen sind aber bei der gewöhnlich üblichen Behandlung der Sinnesphysiologie und der Psychologie nur flüchtig, oft gar nicht berührt worden, so nicht gerade auf daß wir ausgetretenen Pfaden zu wandeln werden, und unsere Betrachtung da, wo sungen bringt, doch neue Probleme zu sie nicht stellen haben neue Lö- haben wird.
Erster Teil Die Originalempflndungen

. Zweites Kapitel. Die synchrone Phase. Eiuzelempflndnng nnd Nebeneinander der Empfludungen. Wir leiten unsere Untersuchungen mit einer kurzen Re- kapitulation einiger Ergebnisse ein, zu denen wir bereits in der »Mueme« gelangt waren. Wir hatten den Reiz definiert als Veränderungen nismus hervorruft. (2. Aufl., S. 15) »eine energetische Einwirkung auf den Organismus von der Beschaffenheit, daß zierter dort Reihen kompli- der reizbaren Substanz des Orga- in Den sie so veränderten Zustand des Orga- nismus, der so lange andauert wie der Reiz, bezeichnen wir synchronen] Erregungszustand. als [den regungszustandes ist Das Wesen des Er- uns im Grunde unbekannt. kleiner Bruchteil von begleitenden Nur ein Nebenmomenten sowie von Folgeerscheinungen des großen Heeres von Veränderungen, die den Erregungszustand fest. Alles das, charakterisieren, wird uns mani- was uns im Anschluß an die Erregung manifest wird, seien es nun mehr unmittelbare oder mehrmittelbare Manifestationen des wir Reaktion als zeichnen des Erregungszustandes, pflegen Organismus auf den Reiz zu be- « »Die veränderten Zustände, die aus der Reizwirkung resultieren, können auf allen Gebieten organischen zutage treten, also auf dem Geschehens Gebiete des Stoffwechsels (che-
Die Origiualempfindungen. 26 mische Reaktionen), dem Gebiete des Formwechsels (Bewegungs- und Wachstumszustände), endlich in der Bewiißtseins- Über sphäre (Empfindungszustände). halten wir direkte Auskunft am nur Eeaktionen letztere er- eigenen Organismus durch das eigene Bewußtsein«. Die Wirkung eines Reizes, die unmittelbar oder beinahe und ebenso unmittelbar nach Einsetzen des Reizes auftritt nach Aufhören des Reizes verschwindet, bezeichne ich als die synchrone Reizwirkung. Die durch regungs- bzw. Empfindungsphase sie bezeichne bedingte Er- ich schließt sich unmittelbar nach Aufhören Phase des Abklingens an, die ich Die Erregung (bzw. zeichne. als des syn- als An chrone Phase der Erregung bzw. Empfindung. Reizes sie eine akoluthe Phase bewährend Empfindung) ihrer synchronen und ihrer akoluthen Phase zusammen bezeichne ich als Originalerregung Originalempfindung]. (bzw. Die Gleichzeitigkeit von Reizdauer und synchroner Erregungsmanifestation ist keine vollständige, weil allerdings diese Manifestation erst nach einer meßbaren, freilich meist sehr kurzen Zeit nach und ebenso erst dem Beginn des Reizeinfalls eintritt, etwas nach dem Aufhören des Reizes verebenso selbstverständlich, wie daß das schwindet. Dies elektrische Läutewerk ist erst den Bruchteil einer Sekunde nach Auftreten des Fingerdrucks zu läuten beginnt, und sein Geläute das Aufhören des Fingerdrucks um ebenso lange Zeit überdauert. Ich habe hier zunächst, der Mneme pitel diese anzuknüpfen, um an meine Ausführungen wo man im Fragen ausführlicher ersten einleitenden in Ka- erörtert findet, die Betrach- tungen von der energetischen Seite her aufgenommen. Dazu ist man aber überhaupt gezwungen, sobald man den Reiz-
Die synchrone Phase. Einzelerapfinduug und Nebeneinander. das für Zustandekommen der Empfindungen sucht, man die Verfahren als ergibt es daß man löst eine etwas durchaus Natürliches, d. h. ein bestimmter energetischer Erregung d. h. einen sekundären energe- in der reizbaren Substanz aus, und dieser manifestiert sich uns durch Was haben festzulegen Bei diesem als sich Vorgang, Vorgang unmittelbaren Reize zu bezeichnen pflegt. sagt: ein Reiz, tischen eigenen Bedingungen äußeren die wenn das heißt auch dann, begriff zu definieren versucht, man 27 wir stehen? Wie wir schon eine entsprechende Empfindung. >eine« unter Empfindung in der Einleitung (S. 15) zu ver- ausgesprochen haben, wie wir aber erst jetzt genauer nachweisen werden, das Produkt einer willkürlichen Trennung, eine natürliche Einheit, auflösen, in als Ganzes, ohne imstande zu sein, die kleineren Elemente, wir die durch die wir den Bewußtseinsinhalt ihn auflösen, anders als willkürlich zu um- grenzen. Der Bewußtseinsinhalt, dungen, ist h. d. ein Komplex von Empfin- das unmittelbar Gegebene, das wirkliche psy- chische Erlebnis; die Einzelempfindung dagegen ist eine straktion, die niemals als selbständiges Erlebnis realisiert Freilich ist sie durchaus nicht immer eine Abstraktion, auf komplizierten Denkprozessen beruht, sondern oft Abist. die genug ein Prozeß, den der naivste Mensch, das noch unentwickelte Kind, sozusagen reflektorisch, Wenn d. h. ohne Reflexion, vornimmt. mich während einer Theater- oder Musikaufführung jemand hinterrücks mit einer Nadel sticht, lokale Schmerzempfindung scharf getrennt so habe ich die und scheinbar ohne jede Beziehung zu den übrigen im gleichen Moment vorhan- denen optischen, akustischen und sonstigen Empfindungen. Man wird deshalb wahrscheinlich behaupten, daß gesagt werden
Die Originalempfindungeu. 28 man habe müsse, hier Schmerz den als übrigen Empfindungen durchaus Getrenntes man findet den Begnügt erlebt. Heraushebung einzelner beson- sich aber nicht mit der derer Fälle, von etwas sondern überschaut man das Gesamtgebiet, so man, daß in der Regel die Abgrenzung und Heraus- hebung einer bestimmten Empfindung aus dem Ganzen des simultanen Komplexes ein Akt der Willkür stimmter Maßstab mierung der oder eine Abgrenzung ist, und ein beNor- gesetzmäßige sonstige schlechterdings gefunden nicht werden kann. Suchen wir zunächst einmal ein Prinzip der Teilung eines Simultankomplexes, der Auflösung in Elemente auf dem Gebiet einer bestimmten Sinnesempfindung sichtsempfindung. B. dem der Ge- Betrachten wir beispielsweise eine unsern Gesichtskreis ausfüllende, mit einer rot- Tapete bedeckte Wand. dungskomplex z. Sie innerhalb aus, löst und goldgemusterten einen optischen Empfin- dessen wir rote und goldene Komponenten unterscheiden können, System verschlun- ein gener, ein eigentümliches Netzwerk bildender goldener Ara- besken, die sich von einem roten Grunde abheben. Darf man nun sagen, die Elemente dieses Empfindungskomplexes seien die Elementarempfindung Rot und die Elementarempfindung Gold? In dem zusammenhängenden Muster der goldenen Arabesken lassen sich noch einzelne Teile Früchte unterscheiden. Einheiten darstellen. daß ihr Sie als Blumen, Blätter und würden doch noch elementarere Bei näherem Zusehen sieht Goldton kein einheitlicher ist, man aber, sondern aus neben- einander gesetzten stumpferen und glänzenderen Flecken besteht. Also noch kleinere Elemente, und diese elementare Auflösung eines optischen Empfindungskomplexes kleinere Elemente, kann man bei Wahl in immer geeigneter Objekte
29 Die synchrone Phase. Einzelerapfindung und Nebeneinander. noch nebeneinander liegende Punkte SO lange fortsetzen, als — gesondert unterschieden werden können, also gisch ausgedruckt — als fallen. man der Sphäre der Hautempfindungen wäre Innerhalb gezwungen, ebenfalls noch auf zwei diese Bildpunkte verschiedene Zapfen der Retina physiolo- der in durch den einzelnen Druck- oder Temperatur- oder Schmerzpunkt vermittelten Empfin- dung das eigentliche Element der betreffenden Empfindung Absolut rein sind diese Elemente aber in der zu erblicken. ungeheuren Mehrzahl der Fälle nur unter den besonderen Bedingungen des Laboratoriums herzustellen. Sie begegnen uns im gewöhnlichen Seelenleben nur ganz ausnahmsweise und keineswegs stellen als das vor, was das Empfindung zu bezeichnen einfache Bewußtsein naive Immerhin pflegt. wäre daran zu denken, daß hier eine Handhabe zu einer natürlichen Man sei. Elementaranalyse könnte dann der sagen, Empfindungen gegeben daß Analyse der bei eines solchen Empfindungskomplexes in natürliche Elemente jedes Element dadurch charakterisiert sei, daß seine Aus- lösung sich auf die Reizung eines bestimmten körperlichen Elements, eines nervösen Endorgans, zurückführen läßt. "Wenn wir in dieser Weise die einfachsten Empfindungen zu bestimmen suchten, so damit ein Kriterium gewählt sein ist würde, Elemente der es das daß klar, sich nicht unmittelbar aus einer Untersuchung der Empfindungen, wie sie als solche vorliegen, dem man nur auf dem kennzeichneten Wege ergibt, mittelbaren, gelangt. sondern ein solches, zu im vorigen Kapitel ge- Es werden dabei nämlich auf zahlreiche zu verschiedenen Zeiten angestellte Beobachtungen hin, zahlreiche nicht unmittelbar erschlossen. Wie wir wahrnehmbare Beziehungen später sehen werden, ist das so
Die Originalempfindungen. 30 Es gewonnene Kriterium keineswegs bedeutungslos. nur keine Bausteine, wußtsein als die die liefert nun auch das unmittelbare Be- natürlichen Einheiten der Empfindungen anerkennen könnte. Am ersichtlichsten ist das Versagen dieses Kriteriums bei Elementaranalyse von Empfindungen der wenn eine besonders die topographisch unmittelbar aneinandergrenzen einer , B. einen kontinuierlichen Farbenfleck, einen einheitlichen Druck; eine Auflösung solcher Empfindungsgebilde Elemente aber, in soviel wie beim Farbenfleck etwa Netzhautzapfen, wie bei der Berührung etwa Druckpunkte gereizt worden befindet sich und Wir empfinden dann derselben Art der Reizung unterliegen. z. dann, größere oder kleinere Gruppe von Endorganen, sind, im direkten Widerspruch mit dem, was wirklich empfunden wird. Denn wenn ich einen Quadratzentimeter Haut sagen wir 20 Druckpunkte gleichmäßig drücke und dabei, enthält so reize, die Empfindungsmanifestation, diese Reizung ausgelöst wird, setzung aus 20 Elementen, heit, in der bei der peripheren für eine Elementaranalyse selbst aber nicht zu Dagegen Auslösungsart liefert die durch Zusammen- sondern bildet in sich eine Ein- die Empfindungsmanifestationen Druckpunkte nur spielen, nichts von einer der einzelnen Abgrenzung eine Rolle des Empfinduugsgebildes brauchen sind. die angemessene Berücksichtigung der der Empfindungen für die Elementaranalyse, aber den Schlüssel zwar nicht zum Verständnis des Neben- einanders der Empfindungen. Man wird aber vielleicht glauben, greifendes Scheidungsprinzip eines Komplexes, der einem gehört, daß wenn ein durch- der Empfindungskomponenten und demselben Sinnesgebiet an- nicht aufzustellen ist, doch eine gewisse natürliche
Die synchrone Phase. Einzelempfindung und Nebeneinander. 31 Analyse des gesamten simultanen Bewußtseinsinhalts^ insofern durchführbar ist, ihm als sich in Empfindungen der die akustischen Sphäre von denen der optischen, diese von der Sphäre der Druck-, Temperatur-, Schmerz-, Geruchs- und Geschmacksempfindung auf das bestimmteste und eindeutigste trennen lassen. Nicht einmal das empfindungeu trifft überaus sind Geschmacks- und Geruchs- aber zu. innig so oft miteinander ver- bunden, daß ein solcher Empfindungskomplex dem Bewußt- Wir sein durchaus einheitlich erscheint. Geschmacks- aus Komplex dann der Mund Weg darstellt, noch später obwohl Geruchsempfindungen ihr kombinierten »Geschmack« zu bezeichnen, wenn als (mittels der hinteren Öffnungen der Nasengänge) den durch den uns auch die Geruchskomponenten Komplexes des und stets pflegen einen solchen vermittelt Wir kommen hierauf werden. Die Schmerzempfindung, ausführlich zurück. ganz andere Punkte der Haut entsprechen als der Druck- und Temperaturempfindung, und es experimentell keine Schwierigkeit macht, sie für sich anklingen zu lassen, verbindet sich praktisch in der Regel unlösli.ch mit den an- deren Hautempfindungen, und man empfindet bei einem schmerzhaften Stoß den Druck und den Schmerz nicht selbständige Elemente, sondern der Druck schmerzhaft oder der Schmerz als Druck. extreme Hitze oder Kälte nicht als als erscheint uns eben Ebenso wie uns solche schmerzhaft erscheint, aber als aus zwei trennbaren Empfindungen, der der zunächst nur immer von den originalen Komponenten Übrigens trifft alles, was für die Originalempfinduugen ausgeführt wird, genau ebenso für die mnemi^ Hier ist des Bewußtseinsinhalts die Rede. schen Empfindungen, mithin auch für die mnemischen Bestandteile der Bewußtseinsinhalte zu, wie aus der weiteren Entwicklung unserer Gedankengänge in den folgenden Abschnitten klar werden wird.
Die Originalempfindungen. 32 extremen Temperatur und der des Schmerzes, zusammengesetzt. Zusammenfassend können wir sagen Weder : der Empfindungen nach ihrer Qualität oder noch die nach dem Ort ihrer Auslösung die Einteilung selbst Modalität, liefert eine Hand- habe, den Gesamtempfindungsinhalt eines gegebenen Augenblicks, den Simultankomplex, ohne Willkür zulösen. in Elemente auf- Dies erklärt sich daraus, daß es sich dabei für das um Bewußtsein eine von vornherein zusammenhängende, wenngleich durchaus nicht homogene Einheit handelt. sich dem naiven Bewußtsein zunächst Empfindung darstellt — vielleicht als einfache von Farbenfleck ein Was beliebigem Durchmesser, ein Ton mit allen seinen Obertönen, ein mehrere Zentimeter Haut treffender schmerzhafter Druck oder ebensolche Temperaturempfindung, der sogenannte Geschmacks- und Geruchsempfin- einer Speise, der sich aus dungen zusammensetzt, »Geschmack« — ist, wie ich bereits oben an dem Tapetenmuster gezeigt habe, etwas, das sich fast immer noch weiter in kleinere oder einfachere Elemente auflösen läßt. Wie sich leicht zeigen scheitert in läßt, jedem konkreten Falle der Versuch, einen simultanen Empfindungskomplex in natürliche, sein das heißt als solche vom unmittelbaren Bewußt- wahrgenommene und unterschiedene Elemente zu zer- legen, und daß er scheitert, beweist die primäre Einheitlich- keit eines solchen Empfindungskomplexes. Der simultane Empfindungskomplex der Originalempfindungen und, wie wir gleich hinzusetzen wollen, der dazutretenden mnemischen Empfindungen, stellt dar, als seine vollständige Auflösung irgendwelcher Art unmöglich also der gesamte je- demnach insofern eine Einheit weilige Bewußtseinsinhalt ist. in Elementarbestandteile Dabei wird aber deutlich
33 Die synchrone Phase. Einzelempfindung und Nebeneinander. Zusammensetzung aus mehr oder weniger zahlreichen eine Komponenten empfunden. Diese Komponenten zum nur zum lassen sich aber im Bewußtsein scharf voneinander trennen, Teil Teil hängen sie so innig untereinander zusammen, daß ihre Lösung nur auf Grund einer willkürlichen, dem unmittelbaren Bewußtseinsbefund fremden Grenzbestimmung möglich ist. Wie können wir nun aber am besten aus unserem unmittelbaren Bewußtsein heraus das gegenseitige Verhältnis der Komponenten eines Simultankomplexes charakterisieren? In der sie sich nung Mneme (2. hier beibehalten. will ich habe ich gesagt, daß Aufl., S. 118, 122) Nebeneinander zu einem Diese Bezeich- ordnen. Ich aber inzwischen bin meiner Arbeit über meinen durch Fortführung damaligen Standpunkt hinausgekommen und habe erkannt, daß diese Bezeichnung durchaus nicht bloß zu gebrauchen auf den ich ist, den wahren Sachverhalt nicht eingeschränkt habe: lichen Sinn eine in dem übertragenen Sinn sie dort (S. 118) voll erfassende »Nebeneinander Anmerkung bedeutet im wört- Strenggenommen Beziehung. räumliche durch folgende empfinden wir nur Empfindungen, die räumliche Qualitäten (Lokalzeichen) besitzen, also verschiedene Gesichtsempfin- dungen, verschiedene Hautempfindungen, Organempfindungen Da nebeneinander. Sprache unsere des Wortes nebeneinander auch in aber die weiterem, Anwendung nicht räum- lichem Sinne gestattet, und niemand zögern wird, von einem Nebeneinander von Tönen lich zu reden, so zu keinen Mißverständnissen führen, wird es hoffent- wenn ich für die Mehrheitsempfindung gleichzeitiger verschiedener Töne, Ge- schmäcke usw., kurz für die Unterscheidung aller möglichen Simultanempfindungen, den Ausdruck Nebeneinander im übertragenen Sinne anwende.« Semon, Moeme. 11. 3
Die Originalempfindungen. 34 Wie gesagt, lege ich jetzt dem, einander der Empfindungen was ich als das Neben- eine etwas andere, bezeichne, das heißt eine weniger übertragene und für alle Empfindungsgebiete in gleicher Weise geltende Bedeutung bei. Die Gründe für diese Eevision meiner Auffassung werden aiis den folgenden Erörterungen hervorgehen. Bei unserer Behandlung des Gegenstandes wollen wir uns zunächst die Frage vorlegen: sich ein gesetzmäßiger Zusammenhang und feststellen Läßt allge- mein formulieren zwischen der Topographie der Erregungsauslösung (die ich auch kurz Reizpforte nennen und dem will) Auftreten eines Nebeneinanders der betreffenden Empfindungs- manifestationen ? Auf wort diese Frage läßt sich eine kurze geben. Sie lautet: Ob zwei und bestimmte Ant- gleichzeitig ausgelöste Erregungen sich durch eine einzige oder durch zwei nebeneinander empfundene durchaus von Empfindungen Erregungen, dem gegenseitigen Verhältnis ab. Nur zwei Reizpforten durch der Reizpforteu topographisch hinreichend Erregungen eintretende einem Nebeneinander. kommen, hängt manifestieren, Topographie der Auslösung der beiden der getrennte manifestieren Wir werden sehen, daß sich in Fälle vor- denen zwei durch topographisch auseinander- in liegende Pforten eintretende Erregungen sich nicht in einem Nebeneinander, sondern darch eine einheitliche Empfindung manifestieren, hautstellen, wenn B. z. die Pforten korrespondierende Netz- korrespondierende Stellen des rechten und des linken Cortischen Organs, beliebige Punkte des Riechepithels sind. Wir werden Ausnahmen uns der besonders betreffenden harmonisch in später erkennen, Vorgänge gute daß diese scheinbaren Einblicke gewähren unsere Gesamtauffassung und in das sich Wesen durchaus eingliedern. Wir
Die synchrone Phase. Einzel empfindung und Nebeneinander. Ausnahmen wegen formulieren aber dieser 35 nicht: zwei durch topographisch getrennte Eeizpforten eintretende Erregungen manifestieren sich stets in einem Nebeneinander, sondern wählen die mehr negative Fassung, daß dies nur zwei durch topographisch getrennte Eeizpforten eintretende Erregungen während tun, dies bei zwei durch dieselbe oder so gut dieselbe Reizpforte eintretenden Erregungen nie der Fall wie ist. Zur Erläuterung der letzteren Aussage diene die Tatsache, daß man eine gleichzeitige Reizung der Druck- und Schmerzpunkte oder der Druck- und Temperaturpunkte einer und derselben Körperstelle nicht als ein Nebeneinander zweier Empfindungen, sondern durchaus einheitlich Druck bzw. kalte Berührung empfindet, als so schmerzhaften durchaus ver- schieden auch an und für sich Schmerz-, Druck- und Tempe- raturempfindungen sind. Auf dem Gebiet des Hautsinnes genügt die Pforte : es also nicht, Druckpunkt, Schmerzpunkt, Temperaturpunkt solche verschieden ist, einander zu erzielen. um daß als bei simultaner Reizung ein Neben- Die betreffenden Punkte dürfen auch nicht in allzugroßer Nachbarschaft von einander liegen. In bezug auf dieses Sinnesgebiet können wir uns also positiver ausdrücken und die Regel aufstellen Reizt : man simultan zwei hinreichend entfernt voneinander liegende Druckpunkte oder Schmerzpunkte oder aber auch einen Druckpunkt und gleicheinen zeitig oder einen hinreichend entfernt liegenden Schmerzpunkt, Druckpunkt und einen hinreichend entfernten Temperaturpunkt usw., so erhält man stets ein äußerst deut- liches Nebeneinander. Unter dungen dieselben fallen genannten Gesichtspunkte bezüglich Organ-, dieser andrerseits wie Frage die die Hautempfin- einerseits Lage-, die so- Bewegungs3*
Die Originalempfindungen. 36 und Widerstandsempfindungen. wichtig sind die Besonders interessant Bewegungsempfindungeu. Leider ist und die Physiologie ihrer Auslösung noch immer eine vielumstrittene Frage, auf die wir hier nicht näher eingehen können. genügt uns festzustellen, daß sie sich in Es bezug auf das Nebeneinander durchaus analog den Tastempfindungen verhalten, so daß man sie auf eine Art subkutanen Tastsinn zurückführen könnte und tatsächlich auch vielfach zurückführt. Sind das sie es doch, die zusammen mit dem Tastsinn der Haut dem Individuum aufbauen in helfen, was man als »Tastraum« bezeichnen könnte. Über die Frage bezüglich eines Nebeneinanders der Ge- schmacksempfindungen und seiner Beziehung zur Topographie der Erregungsauslösungen habe ich nähere^ Angaben in der Literatur nicht finden können. Um hier nicht allzu unbe- stimmt sprechen zu müssen, habe ich einige Versuche in der Art angestellt, daß zwei verschiedene Stellen der Zunge in mechanisch und thermisch durchaus gleichartiger Weise gleichzeitig mit je zwei verschiedenen Flüssigkeiten betupft Waren die Entfernungen zwischen nicht zu gering, wurden. den beiden Eeizstellen und wurden hinreichend kräftige chemische Eeize gewählt, die aber immer von der Art waren, daß eine ätzende Wirkung bei ihnen ausgeschlossen von Personen mit gut entwickeltem war, so wurde Geschmackssinn Nebeneinander von zwei Geschmacksempfindungen, ein freilich 1 Aus den Versuchen von Fr. Kiesow über Kontrasterscheinungen zwischen simultanen Geschmacksempfindungen (Beitr. z. phys. Psych, d. Geschmackssinnes, Wundts Phil. Studien, 10. Bd. 1894) geht aller- dings bereits mit Sicherheit das Vorkommen eines Nebeneinanders von Geschmacksempfindungen hervor. Doch hat Kiesow, mit der Untersuchung der Kontrasterscheinungen beschäftigt, im übrigen unserer Frage seine Aufmerksamkeit nicht zugewandt.
Die synchrone Phase. Einzelempfindung und Nebeneinander. immer nur in einer ziemlich unbestimmten, Weise empfunden und dann fauch Reizte so man wurde in z. stets 37 wenig deutlichen richtig lokalisiert. B. rechts mit saurer, links mit süßer Lösung, keinem Fall links Geschmack saurer, rechts süßer angegeben, sondern es wurden entweder beide Empfindungen richtig lokalisiert und charakterisiert, oder aber es wurde die überwiegende Empfindung richtig lokalisiert und charakterisiert, während die andere zwar nicht falsch lokalisiert, aber in ihrem Charakter nicht richtig erkannt, als indifferent oder zweifelhaft bezeichnet wurde. ein, wenn zwei Dies tritt besonders dann sehr nahe benachbarte Stellen der Zungen- schleimhaut gereizt werden. Meine Frau, deren Geschmacks- sinn außerordentlich gut entwickelt ist, lokalisiert aber noch zwei Geschmacksempfindungen richtig, wenn die Reizstellen nur 5 mm voneinander entfernt liegen, nur freilich bei Reizung innerhalb der geschmacksempfindlichsten Zone ihrer Zunge. So aphoristisch diese Beobachtungen sind, so sieht man aus ihnen doch deutlich, daß auch innerhalb der Geschmacks- empfindungen bei isolierter Reizung verschiedener Stellen ein Nebeneinander vorkommen kann, und daß dieses Nebeneinander in durchaus ähnlicher und entprechender Weise von der Topographie der Erreguugsauslösuugen abhängig ist, wie bei den Haut- und den übrigen oben besprochenen Empfindungen. Wir wenden uns nun zu den noch übrigen Empfindungsgebieten und fassen zunächst die Gesichts- und die Gehörs- empfindungen ins Auge. Bei ersteren läßt sich ein gesetz- mäßiger Zusammenhang zwischen Topographie der Erregungsauslösung und Nebeneinander der Empfindungen auf das bestimmteste nachweisen, bei den letzteren wenigstens äußerst wahrscheinlich machen. Beide Empfiudungsaiten stimmen aber
Die Originalempfindungen. 38 unter sich darin tiberein und treten zu den bisher behandelten dadurch einigermaßen in Gegensatz, daß sie zwar auch ein der Auslösung entsprechendes Nebeneinander der Empfindungen erkennen lassen, daß aber bei diesem Nebeneinander die unmittelbare Empfindung, daß eine bestimmte Körperstelle gereizt ganz sei, schen findung Johannes Müller (Physiologie des Men- zurücktritt. drückt dies in bezug auf die Gesichtsemp- S. 356) II, trefifend sofern es sieht, mit folgenden Worten aus: weiß der Neugeborene »Vom Auge, nichts. Der Sehende hat überhaupt wenig Gelegenheit zu erkennen, daß im gesehen wird. Nur in den Fällen, in- Auge wo zwar im Auge emp- funden, aber nichts bestimmtes Äußeres gesehen wird, hat man die Gelegenheit zu platz dieser in bezug Wirkungen auf bemerken, daß das Auge der Schauist.« Ganz ähnlich die Gehörsempfindungen. liegen die Dinge Wir kommen auf diese wichtigen Punkte unten noch einmal zurück. Im übrigen aber besteht, um zunächst von den Gesichts- empfindungen zu reden, bei ihnen genau dieselbe Abhängigkeit des Nebeneinanders der Empfindungen von der Topo- graphie der Erregungsauslösung wie bei den Hautempfindungen. Jedem Druckpunkt des Tastsinns entspricht in dieser Hinsicht ein Netzhautelement, Zapfen oder Stäbchen des Gesichtsinns. Ja, der Zusammenhang der Topographie der Reizung mit dem Nebeneinander der Empfindungen läßt sich bei dem Gesichtsinn insofern noch sinnfälliger darstellen, als sich schnittenen Auge die eines kleinen, einem strieren läßt, das am ausge- Topographie der Reizung in Gestalt Dritten wahrnehmbaren Bildes demon- dem von dem Auge und seinem Besitzer ehemals unter gleichen Bedingungen gesehenen Bilde sehr gleicht, abgesehen davon, daß es umgekehrt und stark ver- kleinert ist. Bekanntlich hat diese Möglichkeit sowie der Um-
39 Die synchrone Phase. Eiuzelempiindung und Nebeneinander. daß das Bild welches auf der Netzhaut gesehen werden stand, kann, von dem Besitzer dieser Netzhaut »umgekehrt« gesehen wird, zu allerlei Scheinproblemen geführt, die als solche be- von Johannes Müller (Physiologie reits Hering (Beiträge zur Physiologie 1861 Kapitel über Heft 2, die Unzulänglichkeit 1864) und E. Mach II, S. 335 — 1864, — 359), vgl. bes. E. das der Projektionstheorie in (Beiträge zur Analyse der findungen S. 31, 103) durchschaut worden sind. Emp- Nach dem Gesagten brauche ich wohl nicht noch näher zu erläutern, daß für die Gesichtsempfindungen Satz gilt, gestellt in ausgeprägtem Maße der den wir unsern ganzen jetzigen Betrachtungen voranhaben: Nur zwei durch verschiedene Reizpforten (Zapfen oder Stäbchen) eintretende Erregungen manifestieren sich in dies einem Nebeneinander von Empfindungen, während weder der Fall derselben, ist, wenn zwei verschiedene Eeize von noch auch wenn sie von »korrespondierenden« Stellen aus einwirken. Das eben für die Gesichtsempfindungen ohne weiteres auch für die Gesagte könnte Gehörsempfindungen gelten, wenn über die Reizpforten des Gehörsinns unsere Kenntnisse ebenso abgeschlossene wären wie über will damit nicht sagen, die des Gesichtsinns. Ich daß die physiologischen Vorgänge beim Funktionieren des Sehorgans einigermaßen erschöpfend bekannt seien. Aber was wir beim Auge über die Topographie der Reizpforten und ihre Beziehung zu den Empfindungsmanifestationen augenblicklich wissen, reicht zur Entscheidung der uns beschäftigenden Frage aus. Dasselbe würde in bezug auf das Gehörorgan der Fall sein, wenn wir uns kurzweg auf die Basis der Helmholtzschen physikalischen Resonanztheorie stellen dürften, fache vor allem ihres Kernpunkts, daß jeder ein- Ton von bestimmter Höhe nur eine ganz bestimmte
Die Originalempfindungen. 40 der Partie Basilarmembran und nur auf die zum Mitschwingen i mit dieser Partie verbundenen speziellen, Nervenendigungen des Hörnerven nun die Sachlage zurzeit veranlaßt als Reiz v^irkt. Leider ist noch nicht so geklärt, daß wir diese Helmholtzsche Auffassung als zweifellos sicher bewiesen annehmen gewissen Man muß zugeben, daß, abgesehen von dürfen. physikalischen absolute Kürze Schwierigkeiten (außerordentliche, mitschwingenden Fasern der der Basilar- membran), die aber nach den Untersuchungen von Helmholtz und von Hensen nicht unüberwindlich erscheinen, manche der sogenannten sekundären Klangerscheinungen der Helmholtzschen Theorie Schwierigkeiten bereiten. ernste man den Eindruck, hat diese Schwierigkeiten, als wenn ob Doch neueren Forschungen die nicht beseitigt, doch sehr abge- schwächt habend. Aber theorie selbst unter denen, die der physikalischen von Helmholtz schwere Bedenken entgegenbringen, gibt es viele, die, dem Aufgeben mit Resonanz- wie Mach^ hervorhebt, erkannten, »daß derselben dasjenige Motiv, welches das Verständnis der Klangaualyse, die Durchsichtigkeit der Lehre von den Tonempfindungen bedingt, verloren geht. Daher die krampfhaften Bemühungen, die Resonanztheorie zu halten. Ursprünglich 1 nahm Helmholtz bekanntlich daß Bestandteile an, des Cortischen Bogens durch die Töne in Mitschwingungen versetzt würden. Auf den von Hasse Cortische Bögen nicht gelieferten Nachweis, besitzen, schloß er sich daß die Vögel der Hensenschen Auf- fassung an, daß die Fasern der Basilarmembran den Resonanzapparat vorstellen. Vgl. die lehrreiche zusammenfassende Darstellung dieser Frage 2 in der Bearbeitung des Gehört^inns von K. L. Schäfer in Nagels Hand- buch der Physiologie des Menschen, 3 3. Bd., 1904, S. E. Mach, Analyse der Empfindungen, 4. 562—571. Aufl., 1903, S. 236.
Die synchrone Phase. Eiuzelempfindung und Nebeneinander. L. Hermann nun das mir scheint ^ Resonanztheorie nicht auszukommen Wort ausge- richtige sprochen zu haben, wenn er meint, 41 daß ohne irgend eine daß diese aber nicht sei, notwendig eine physikalische sein müsse, sondern auch eine physiologische Man kann sein könne. Annahme machen, daß die plausible mit die nervösen Hermann Endorgane selbst für Eeize von einer bestimmten Periode besonders empfindlich sind. sein, Es müssen nicht gerade Elastizitätskräfte welche das Organ in seine Gleichgewichtslage zurück- treiben Was . . .« hier von Mach als das für das Verständnis der Klang- analyse und die Durchsichtigkeit der Lehre von den Ton- empfindungen Wesentliche an einer Resonanztheorie im gemeinsten Sinn angesehen wird, Annahme finduugen. Denn den dem dem auch im Gebiet der Tonern p- eigentlichen logischen« Resonanztheorie kann in all- nichts anderes als die allgemeinen Satzes, mit der Giltigkeit des eben beschäftigten wir uns ist Sinn einer man durchaus »physio- entsprechend Satz ausdrücken, daß das Nebeneinander der Ton- empfinduugen in Zusammenhang steht mit der Topographie der Erregungsauslösungeu oder anders ausgedrückt, daß ein Nebeneinander von Tonempfindungen nur Ob Reizpforten verschieden sind. dabei mittels eintritt, wenn die der Reiz an die Reizpforte der Schwingung von bestimmten Fasern der Basilarmembran oder sekundärer Bedeutung. auf andere Weise anklopft, Das Wesentliche ist ist von die Beziehung des Nebeneinanders zur topographischen Verschiedenheit der Reizpforten. Diese allgemeine Annahme aber meiner Meinung nach berechtigt, 1 Hermann, Pflügers Archiv 56. Bd. zu machen, sind wir wenn wir das S. 494, 495 ff. Fazit 1894. L I » R A R Yj .-sal
Die Originalempfindungen. 42 heutigen unserer Kenntnisse über die Tonempfinduugeu ziehen. Auf die Unterscheidungsmöglichkeit der durch das rechte Gehörorgan ausgelösten Empfindungen von den durch linke Gehörorgan ausgelösten gehe ich nicht hier, erst im vierten Kapitel nicht durch weil diese Unterscheidung sich Nebeneinander der Empfindungen, sondern ein auf anderem ein, das sondern Wege (Bildung eines Empfindungsdififerentials, das wir als Schallrichtung empfinden) manifestiert. Wenn wir nun zum Schluß noch uns die tigende Frage in bezug auf den Geruchssinn stehen unser wir stark hier vor Geruchsorgan ^ uns kein Nebeneinander von Geruchsempfindungen dem man z. die erörtern, bemerkenswerten Tatsache, der verkümmertes gleichzeitige Gerüche, beschäf- man so daß überhaupt liefert. Zwei getrennt einwirken läßt, in- B. den einen durch das eine, den anderen durch das andere Nasenloch zuleitet, liefern einen Wettstreit (ab- wechselndes Auftauchen bald der einen, bald der anderen Empfindung) oder einen Mischgeruch oder endlich eine gegen- 1 Daß die Ausbildung des Geruchsorgans beim Menschen und den Primaten im Vergleich zn den übrigen Säugetieren stark verkümmert ist, wird in gleicher Weise durch die vergleichende Anatomie, Ontogenie und die biologische Beobachtung erwiesen. Was wir bei uns selbst und bei unseren Mitmenschen inbezug auf diesen Sinn beobachten, ist also in keiner Weise geeignet, als Norm auch nur für die übrigen Säugetiere (vielleicht mit Ausnahme der Primaten) zu gelten. Noch mehr gilt dies dem Geruchssinn weiter abstehender Formen, z. B. der natürlich gegenüber Insekten, deren Geruchsorgane an der Oberfläche der beweglichen An- tennen liegen, und wie Forel gezeigt hat, schon aus diesem Grunde ganz anders funktionieren müssen als die unbeweglichen, in die Tiefe versenkten Organe der landbewohnenden Wirbeltiere. Forel (Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen, München 1901) bezeichnet den Geruchssinn der Insekten daher auch treffend als topochemischen Sinn. Ich komme auf letzteren noch kurz auf S. 46 zurück.
Die synchrone Phase. Einzelempfindung- und Nebeneinander. Kompensation beider Gerüche, wie seitige und später von Aronsohn, aber von Zwaardemaker ^ in messers festgestellt worden man Vielleicht wird Mischgerüchen chen Freilich nicht in 43 von Valentin dies besonders vollkommener Weise mit Hilfe seines Doppel- Riech- ist. hier den doch ein Einwand erheben, daß manNebeneinander entspreche. bezug auf solche Gerüche, bei denen man aus Mischung von einem halben Dutzend Ingredienzien etwas Neues, Einheitliches erhält, wie nach merieindustrie dem Eezept der Parfü- den Duft des Geißblatts durch eine richtige Mischung der Gerüche von Rose, Tuberose, Veilchen, Vanille, Toluol, Mandelöl und Orangeblüten Aber unzweifelhaft 2. auf der anderen Seite die Tatsache, gerüche gibt, an denen man die ist daß es auch Misch- einzelnen Komponenten herauserkennt. Dieses Herauserkennen, diese Geruchsanalyse findet aber wohl in erster Linie streits statt, bald die machen auf Grund des schon erwähnten Wett- der in seinen wechselnden Phasen bald die eine andere Geruchsempfindung läßt. Soviel ist sicher, sich mehr bemerkbar daß es sich auch immerhin nicht besonders häufigen Fällen um einander handelt, dem Gesichts- oder Tonempfindungen vergleichen das sich entfernt mit in diesen kein Nebender ließe 3. Haut-, Jede Möglichkeit eines solchen bezüglich der Gerucbsempfindungen möchte ich indeß nicht abweisen weil die Entscheidung bei der ; Verschwommenheit der Empfindungen, die unser rudimentär 1 H. Zwaardemaker, Die Physiologie des Geruchs. Leipzig 1895, 165—174. 2 Vgl. Zwaardemaker, a. a. 0., S. 266. 3 Ähnlich urteilt auch W. Nagel in dem Aufsatz über den Geruchssinn in seinem Handbuch d. Physiologie d. Menschen, 3. Bd. S. S. 115.
Die Originalempfindungen. 44 gewordenes Geruchsorgan uns hier nur die Summe liefert, zu schwierig ist, und ich aus den vorliegenden Erfahrungen ziehen, aber keine apodiktischen Formeln geben Aus den will. vorlie- genden Erfahrungen entnehme ich aber für unsere weiteren Auseinandersetzungen die Berechtigung, die Geruchsempfin- dungen so zu behandeln, dem ob bei ihnen ein Nebeneinander, als irgend welche Bedeutung beizumessen nicht vor- ist, kommt. Bisher haben wir immer nur von einem Nebeneinander innerhalb der Hautempfindungen, der Gesichtsempfindungen usw. gesprochen. in einem Nun aber ist es eine Tatsache, und demselben Bewußtseinsinhalt daß man gleichzeitig eine oder mehrere Hautempfindungen, Gesichtsempfindungen, Ge- hörsempfindungen, Geruchsempfindungen usw. haben kann. Vielleicht wird diese nun ein Bedenken dagegen erhoben werden, Gleichzeitigkeit von Empfindungen so verschiedener Modalitäten als ein Nebeneinander zu bezeichnen, weil wir unsere Tast- und Gesichtsempfindungen zwar in einem und demselben Kaum empfinden, die Tonempfindungen (von der Richtung der Töne abgesehen) aber nicht dasselbe würde auch für Da wir nun, so könnte die man in diesem Raum; Geruchsempfinduügen gelten. weiter argumentieren, diese ver- schiedenen Empfindungsmodalitäten nicht in demselben Raum empfinden, können wir sie auch nicht nebeneinander empfinden, denn von einem Nebeneinander kann man vernünf- tigerweise nur in einem und demselben Dieses Bedenken wird Raum durch unsere nächsten Kapitel beseitigt werden. sprechen. Ausführungen Wir dürfen es deshalb vorläufig zurückstellen, denn es handelt sich dabei doch um berechtigt die Frage, ob einander auf das man gleichzeitige ist, im nur' den Ausdruck Neben- Vorhandensein gesonderter
45 Die synchrone Phase. Einzelempfindung und Nebeneinander. Empfindungen einem Bewußt- eine Frage, die nach der uns jetzt verschiedener seinsinhalt anzuwenden, Modalität in Ob wir beschäftigenden spezielleren erledigt werden kann. nun aber dieses gleichzeitige Vorhandensein von Tast-, GeGehörs- und Geruchsempfindungen usw. ein Neben- sichts-, einander nennen wollen oder nicht, soviel mit der Topographie der Erregungsauslösung Netzhaut, Haut, der in Cortisches gesetzmäßigem Zusammenhang Geruchsempfindung, die in sich, Nebeneinander erkennen liches daß es ist sicher, (Druckpunkte Organ, Riechepithel usw.) Auch steht. die jeweilige wie wir sahen, kein deut- läßt, befindet sich doch solche, entsprechend ihrer topographisch selbständigen des Verhältnis unter Aus- den übrigen simultanen Empfindungen gegenüber im lösung, Nebeueinanders. Empfindungen gegenüber. dieser als Umständen ein leichtes Wenigstens Freilich den zeigt Schwanken, das meisten sich hier vielleicht mit auf die schon ziemlich weitgehende Rückbildung des Geruchsinns beim Menschen zurückzuführen empfindungen bei der Wenn ist. Nahrungsaufnahme Geruchs- gleichzeitig mit Geschmacksempfindungen von den Choanen aus ausgelöst erscheinen sie nicht im Nebeneinander mit jenen werden, Geschmacksempfindungen, sondern gewöhnlich unlöslich mit ihnen verbunden, als eine Empfindung. einheitliche Was wir als den spezifischen »Geschmack« der meisten Nahrungsmittel, z. B. des Apfels ansehen, Brotes, ist des Fleisches, nichts anderes als der Kartoifel, des das Verschmelzungs- produkt von Geschmacks- und Geruchsempfindungen, das ge- wöhnlich einseitig auf den Geschmack und seine Reizpforten (Zunge, Gaumen) bezogen Prinzipiell Wir sehen wird. wird dadurch für unsere Frage nichts geändert. bloß, daß der topographische, d. h. mit dem Ort
46 Die Originalempfindungen. der Auslösung in Zusammenhang stehende Faktor Riechempfindungen viel mehr bei den zurücktritt als bei sämtlichen anderen Empfindungen, auch mehr viel zurücktritt als bei den Geschmacksempfindungen sowie den Hautempfindungen der respiratorischen Nasenschleimhaut, in deren Feld jene Riechempfindungen oft fälschlich In unvergleichlich reicherer wie Forel^ nachgewiesen hineinbezogen werden. Weise hat, der ist in dieser Beziehung, Geruchssinn der Insekten, besonders derer mit beweglichen Antennen ausgestattet, der offenbar nicht nur ein ausgiebiges Nebeneinander von Ge- dem Nebeneinander ruchsempfindungen entsprechend tennalen Tastempfindungen wegen der dieses Tast- am Aufbau liefert, Gemeinsamkeit zahlreicher und Geruchssinns, der an- sondern der sich auch, eben Empfindungsfelder in entscheidender Weise mit der Raumvorstellungen beteiligt, von Forel also mit vollem Recht als »topochemischer« Sinn bezeichnet wird. Nachdem wir uns durch näheres Eingehen auf die ver- schiedenen Empfindungsgebiete davon überzeugt haben, daß durchweg ein gesetzmäßiger Zusammenhang nachweisen sich läßt zwischen pforten) der Topographie der Auslösungen (den Reiz- und dem Auftreten oder Nichtauftreten eines Neben- einanders der betreffenden Empfindungsmanifestationen, wen- den wir uns nunmehr der genaueren Untersuchung dieses Nebeneinanders selbst zu, wie es sich uns gegebener Bewußtseinsinhalt darstellt. das nächste Kapitel gewidmet als unmittelbar Dieser Aufgabe soll sein. A. Forel, Sensations des Insectea, 2. T., 1886, S. 51 (Deutsche München 1909) sowie besonders >Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen, München 1901, S. 48—53. 1 Übers. ,
Drittes Kapitel. Die Darstellung des Nebeneinanders und der Begriff der Empflndungsfelder. Wir mustern introspektiv einen Bewußtseinsinhalt, der ein, wie wir es genannt haben, Nebeneinander von Tast-, Gesichts-, Gehörs-, Geruchsempfinduugen usw. nehmen wir zunächst täten für sich vor. weitesten Sinne) das Wort Nebeneinander verständlichen weiteres sprechenden Sinn. gleichzeitig mit Tastempfindungen Innerhalb der hat Dabei enthält. die verschiedenen Empfindungsmodali- , Wenn einen ohne Empfindungen den ich die den beiden 5 direkt Kuppe meines mm (im ent- Zeigefiogers voneinander entfernten Spitzen eines Zirkels berühre, so empfinde ich diese beiden Berührungen unmittelbar ich die Zirkelspitzen als Nebeneinander. ein weiter voneinander, so Entferne daß nur die eine die Fingerkuppe, die andere den Handteller berührt, so empfinde ich auch dieses als ein entfernteres Nebeneinander. zur Sohle. Ordnen sich freilich Und wesentlich anderes, so fort somit mit einem vom Wort Scheitel bis alle unsere Hautempfindungen zu einem Nebeneinander zusammen, das von uns als unsere Körperoberfläche sellen sich zu diesem an, die so ge- Nebeneinander und gliedern sich ihm in anderen Richtungen, sozusagen Empfindungen empfunden wird, man als nach innen zu, diejenigen innere oder tiefere, kurz als sub-
Die Originalerapfindungen. 48 kutane TastempfinduDgen bezeichnen könnte; es sind dies die Organempfindungen, Lage- und Bewegungsempfindungen. Bei allen diesen kutanen und subkutanen Tastempfindungen wird die betreffende Empfindung, welcher Art sie auch sei, in ihrer unmittelbaren Beziehung zu der betreffenden Körper- stelle empfunden ^ Nur ganz im Vorbeigehen will ich hier darauf hinweisen, daß sich die Geschmacksempfindungen in dieser den äußeren uud inneren Tastempfindungen schließen. reits am Beziehung nächsten an- Ich verweise hier auf das über diesen Punkt be- im vorigen Kapitel (S. 36) Gesagte und möchte nur daß bei den Geschmacksempfindungen die Bezie- betonen, hungen auf das erlebende Subjekt bzw. den von ihm chen gefühlten Teil der Körperoberfläche, die Zunge, Hintergrund zu treten beginnen. ist dies bei als solin den In noch weit höherem Grade den Geruchsempfindungen der Fall, wo diese Be- ziehungen der Empfindung auf den als solchen gefühlten Teil der Körperoberfläche, wie wir sahen, nahezu aufgehört haben. Wir wenden uns pfindungen, pitel die ein der jetzt zu den Gesichts- und Gehörsem- über die wir ebenfalls bereits im vorigen Ka- Aussage gemacht haben, »daß sie zwar auch Auslösung entsprechendes Nebeneinander erkennen 1 In der Sprache des gewühnlichen Lebens pflegen wir von den äußeren und inneren Tastempfindungen zu sagen, sie würden >gefühlt«. Mit diesem Ausdruck Fühlen verbindet man dann ungewußt den Gedanken einer näheren Beziehung derartiger Empfindungen zum eigenen unmittelbar erlebten Ich, als wenn man sagt: Ich sehe, höre oder rieche. Manche Autoren ziehen deshalb auch die erwähnten Empfindungen zum Teil zu den Gefühlen, die sie dahin definieren, daß sie nicht auf etwas sondern allein dem Ich Gegenübergestelltes und Gegenständliches, auf das Subjekt bezogen werden. Wir folgen ihnen darin nicht, sondern bezeichnen als Gefühle nur die Lust- und Unlust- betonungen der Empfindungen und die Derivate solcher Betonungen (vgl. oben S. 16).
Das Nebeneinander und der lassen, 49 Begriff der Empfiudungsfelder. daß aber bei diesem Nebeneinander die unmittelbare Empfindung, daß eine ganz zurücktritt« bestimmte Körperstelle gereizt sei, (S. 38). Ich habe dies dort auf den folgenden Seiten dann noch näher und zwar zunächst für das Sehorgan ausgeführt. Wir können unsere dortigen Ausführungen in die Sätze zusammenfassen: Wenn wir von zwei Gegenständen a und ganz bestimmten Beziehung, zum b, den einen a in einer Beispiel rechts von b sehen, so korrespondiert die bestimmte Beziehung dieses Nebenein- anders allerdings mit einer bestimmten Beziehung der Reizpforten. Empfunden wird aber die Beziehung in die Reizpforten als solche für gewöhnlich nicht, nicht. Wir fühlen überhaupt daß Teile unseres Auges, bzw. unserer Netzhaut beim Sehen gereizt werden, darauf. bezug auf Ganz entsprechend v/ir schließen nur liegen die Dinge, wie ebenfalls bereits im vorigen Kapitel ausgeführt worden ist, in bezug auf unsere Gehörsempfindungen. Aber zwischen Gesichts- und Gehörsempfinduugen besteht in dieser Beziehung doch ein sehr wichtiger Unterschied. Das Nebeneinander der Gesichtsempfindungen herein in einer festen Beziehung ist von vorn- zum Nebeneinander unserer Tastempfindungen im weitesten Sinne, unter ihnen im besonderen zu den Lageempfindungen unseres Körpers und zu den Bewegungsempfindungen der Augen und des Kopfes gegeben. Wir empfinden zwar nicht beim Sehen (abgesehen von den Empfindungen der Augenbewegungen, die den Tastempfindungen im weiteren Sinne zuzurechnen sind) unseren Körper bzw. unsere Augen als reizperzipiereudes Subjekt, als Reizpforte. Aber dieser unser Körper gehört nicht nur zu den Objekten unserer Gesichtsempfindungen, sondern wir machen auch beim Sehen fortgesetzt Semon, Mueme. II. die Erfahrung, daß durch seine 4
Pie Originalempfindungen. 50 Lage die Lage des ganzen gesehenen Nebeneinanders bestimmt Dies wird. ist die Brücke, auf welcher eine Beziehung des Nebeneinanders unserer Gesichtsempfindungen zum Nebeneinander unserer Tastempfindungen angebahnt wird; auf die- sem Wege kombiniert »Sehraum« mit unserem unser sich »Tastraum« zum Gemeinraum. Inwieweit diese Kombination eine ererbte weit sie erst ums vollzogen Ei mit und inwie- wird, braucht hier nicht erörtert zu werden. dem Ausschlüpfen aus Bei einem Hühnchen, das sofort nach dem ist, durch die Erfahrung jedes einzelnen Individu- verhältnismäßig einem Körnchen, das es auf der Erde seinem Schnabel trifft, ist angeboren, bei als in sieht, zielt und es mit viel mehr fertig dieser Beziehung dem auch in nach großer Sicherheit sehr bezug auf die morpholo- gische Ausbildung seiner Zentralorgane viel unfertigeren Neu- geborenen des Menschen, das noch im Alter von 4 naten^ nach Objekten greift, die um —5 doppelte Armlänge von ihm abstehen. Aber der Schluß, daß beim Menschen ziehung Mo- die Be- zwischen dem Nebeneinander der Gesichtsempfin- dungen und dem Nebeneinander der Tastempfindungen ganz und gar und ausschließlich durch duelle die jedesmalige indivi- Erfahrung angebahnt wird, scheint mir doch etwas zu weitgehend, so unverkennbar der eigentliche Ausbau dieser Beziehungen beim Menschen erst durch die individuelle Erfahrung, durch die Assoziationsbildung bei Aufbau des individuellen Engrammschatzes erfolgt. Wichtig ist für uns hier aber nicht die Entscheidung des Streits zwischen Nativisten und Empiristen, sondern die Feststellung der Tatsache, die Beziehung des Nebeneinanders der das Nebeneinander der Tastempfindungen da, 1 Vgl. W. daß Sehempfindungen auf Preyer, Die Seele des Kindes. wo 5. Aufl. sie 1900. nicht S. 32.
Das Nebeneinander und der Begriff der Empfindungsfelder. 51 Welt gebracht wird wie beim ausschlüp- gleich mit auf die fenden Hühnchen, schließlich immer vollzogen wird, und zwar sowohl vom normalen Neugeborenen blindgeborenen Menschen, operativem Wege Ganz anders wenn als auch vom älteren er von seiner Blindheit auf befreit wird. verhält es sich in dieser Beziehung mit den Tonempfindungen. Diese dungen die Eigentümlichkeit, den mit teilen daß bei Gesichtsempfin- ihnen die Empfin- dung, eine bestimmte Körperstelle sei gereizt, ganz zurück- Ebensowenig tritt. wie wir beim gewöhnlichen (nicht schmerzhaften) Sehen «fühlen«, daß Teile unseres Auges gereizt worden Hören in sind, ebenso wenig »fühlen« wir dies beim bezug auf Teile unseres Ohrs, abgesehen von den besonderen Fällen, in denen gewisse Tonempfindungen mit Schmerz verbunden sind oder auch, in denen die tonerregen- den Luftschwingungen gleichzeitig Tastempfindungen unserer Haut (des Ohrs oder des Trommelfells) auslösen. Insofern herrscht also zwischen Ton- und Gesichtsempfin- dungen Übereinstimmung. Und eine solche findet sich auch Auch noch in bezug auf einen zweiten wichtigen Punkt. das Nebeneinander der Tonempfindungen zeigt uns die einzelnen Komponenten in ganz bestimmten Beziehungen zuein- durchaus mit den Beziehungen übereinstimmen, ander, die die wir am Nebeneinander unserer Tastempfindungen und am Nebeneinander unserer Gesichtsempfindungen be- ebenso obachten. Nur ist das Nebeneinander der Tonempfindungen insofern ein einseitig beschränktes, als wir die Aneinander- reihung der Tonempfindungen als eine ausgesprochen lineare empfinden, während uns die AneinanderfUgung unserer Tast- und Gesichtsempfindungen zunächst erfolgende (planimetrische), als allseitig in der dann weiter auch als 4* Fläche in drei
52 Die Originalempfindungen. Dimensionen vor sich gehende (stereometrisehe) erscheint. Hierauf werden wir unten noch zurückkommen. der Sprache fast aller Völker' In sache daß aus, drückt sich die Tat- verschiedenen im Nebeneinander und, die was auf dasselbe hinauskommt, auch im Nacheinander empfundenen Töne im Verhältnis einer Reihenbildung stehen, die man als Tonleiter, (Skala), be- Die Skalenbeziehung der Töne wird nicht etwa zeichnet. man ihrem Nacheinander (wobei nur bei Aneinanderreihung empfunden, als Bewußtsein wo bei die einreihige tritt ihre einreihige Funktion der Zeit betrachten könnte) auch sondern Nebeneinander, ins linearen Anordnung, einer Empfindung im simultaner Anordnung ebenso deutlich 2. Ohne mich weiter in das sprachliche Gebiet zu verlieren, möchte ich zur Klarstellung meines Standpunkts folgendes betonen. Aus dem Umstand, daß man im Nebeneinander der Töne die Komponenten allgemein iu eine und sie höchste innerhalb derselben als tiefste, Zwischenstufen mit allerlei der Griechen und Römer als was ich 1 (oder auch nach Art schwere, spitze, im Einklang mit dem, an mir selbst beobachte, daß dieses Nebeneinander Vgl. die interessante Zusammenstellung psychologie, 2 bringt mittelhohe, hohe, tiefe, schwerste, spitzeste) unterscheidet, schließe ich Reihe 1. Bd. 1893, S. bei C. Stampf, Ton- 192-199. Die eigentliche Beziehnngssetzung, der Vergleich der Töne, die wir nacheinander hören, erfolgt, worauf wir im doch immer simultan, 17. Kapitel ausführ- im Nebeneinander. Jeder Vergleich ist im Grunde ein Simultanvergleich. Deshalb können wir für diese Fragen auch die Tonempfindungen und ihre» sprachlichen Niederschlag bei solchen Völkern berücksichtigen, die wie die alten Griechen und Römer sowie unter jetzt lebenden Kulturvölkern die Chinesen, Inder, Araber, Türken und Neugriechen, soweit sie von der westlichen Musik unbeeinflußt sind, nur eine einstimmige, nicht polyphone Musik kultivieren. lich eingehen werden, d. h.
Daa Nebeneinander und der ebensowenig wie das Begriff der Empfindungsfelder. 53 der Tastempfindungen oder der Ge- sichtsempfiudungen lediglich als ein beziehungsloses »Zugleichsein«, wie sich viele Psychologen empfunden wird, sondern einander, als ein vorsichtig ausdrücken, beziehungsbesitzendes Neben- wobei aber im Gegensatz zu Tast- und Gesichts- empfindungen die Beziehung sich nur nur linear ausdrückt. in einer Dimension, In dieser Hinsicht drückt die Sprache eine Grundeigentümlichkeit der Beziehungen unserer Ton- empfindungen aus, nichts Bildliches, nichts aus anderen EmpfinduDgsgebieten Übertragenes, keine »Raumsymbolik« K Anders aber verhält es sich mit dem Wortsinn hoch, oben, tief, unten, sofern mit diesen Worten eine bestimmte Lage und Richtung unseres Körpers, im Sinne von und Sohle verstanden wird. 1 Scheitel Das Nebeneinander der Ton- Ähnliche Auffassungen wie die vorgetragenen, freilich in an- deren Zusammenhängen und in anderer Fassung, finden sich vor allem Er sagt (Analyse d. Empf. 4. Aufl. 1903, S. 217): »Die bei Mach. Tonreihe befindet sich in einem Analogen des Raumes, in einem beiderseits begrenzten Raum von einer Dimension, der auch keine Symmetrie darbietet, wie etwa eine Gerade, die von rechts und links senkrecht zur Medianebene verläuft. Vielmehr ist derselbe analog einer vertikalen Geraden, oder einer Geraden, welche in der Median»Daß das Gebiet der Tonebene von vorn nach hinten verläuft.« — empfindungen eine Analogie zum Raum darbietet, und zwar zu einem Räume, der keine Symmetrie aufweist, drückt sich schon unbewußt in der Sprache aus. Man spricht von hohen und tiefen Tönen, nicht von rechten und linken, wiewohl unsere Musikinstrumente letztere Bezeichnung sehr nahe legen.« Soweit Mach. Hierzu möchte ich nur die einzige Randbemerkung machen, daß die Sprache den Tatbestand der Empfindungslage inbezug auf das Nebeneinander der Töne wohl noch reiner ausdrücken würde, wenn sie in diesem ihrem Ausdruck überhaupt nicht auf die Richtung Bezug nähme, die durch die Körperlage gegeben ist. Von letzterer ist ja, wie im Text von mir betont, die Richtung der Tonreihe unabhängig, beziehungslos. Mach hat ganz recht, wenn er betont, daß die Reihe der Tonempfindungen nicht symmetrisch zum Gemeinraum gelagert ist, aber sie ist überhaupt inbezug auf diesen Raum richtungelos. —
Die Originalempfindungen. 54 empfindungen wird des Körpers, Beziehung zur jeweiligen Lage in keiner zum Nebeneinander unserer Tast- und Glesichts- empfindungen, es wird vielmehr ausgesprochen richtungslos empfunden. Bei den Bezeichnungen hoch und tief, die sich entsprechend in gleichem Sinne bei so vielen Völkern wieder- um finden, handelt es sich zweifellos tragung. die Und zwar wird Stimme auf eine assoziative Über- Tonerzeugung von der hier die erzeugten Töne übertragen. am Töne, bei denen uns die Stimme durch Diejenigen tiefsten unten aus un- serer Brust zu dringen scheint, bezeichnen wir auch als die und zählen tiefsten während uns sie ja auch dem »Brustregister« zu, die anderen entsprechend höher aus der Kehle zu dringen scheinen und als hohe Töne, Töne des Kopfre- Wie schon oben erwähnt, haben gisters bezeichnet werden. die Griechen tief und Römer die Töne gewöhnlich gar nicht und hoch, sondern ihre Übertragungen schwer und als also von ganz spitz wo als charakterisiert, anders hergeleitet. Übrigens unterscheiden auch die Griechen und Eömer ein Oben und Unten der Tonbeziehungen. Ich wiederhole, daß die des Hoch und Tief in Anwendung des Oben und Unten, bezug auf das Nebeneinander der Ton- empfindungen keiner wirklich empfundenen Beziehung der Tonreihe auf Richtungen des Körpers, einander der Lage- und d. h. auf das Neben- Gesichtsempfindungen entspricht, sondern durch eine Assoziation der eigentlichen Tonempfin- dung mit dem scheinbaren Ort der Touerzeugung (Brust, Kehle) zustande kommt. In Wirklichkeit, keine Verbindung das heißt ohne Übertragung, gibt es vom Nebeneinander zum Nebeneinander der Tast- der Tonempfindung und Gesichtsempfindungen, mithin auch keine Beziehung dieses ersteren Nebeneinanders
Das Nebeneinander und der Auch Lage des Körpers. zur wird nichts als solcher Begriff der Empfinduugsfelder. den GesiclitsempfinduDgen bei von der Reizung einer bestimmten Körperstelle empfunden. Aber was empfunden wird, das das, Nebeneinander der Gesichtsempfindungen, sammenfassend der jeweiligen Augen) 55 als »Gesichtsfeld« Lage des Körpers oder in engster Beziehung. was wir das, zu- bezeichnen, steht stets mit Auf dieser seiner Teile (der Grundlage hat sich dem Nebeneinander der Tastvorstellungen gebildet haben, dem »Tastraum« und aus den Raumvorstellungen, die sich aus dem Nebeneindann aus den Raumvorstellungen, sich aus die ander der Gesichtsempfindungen gebildet haben, dem raum«, eine gemeinsamere Raumvorstellung, gewöhnlichen Leben im hier was wir »Raum« nennen und schlechthin Gemeinraum nennen das, »Seh- wollen, aufgebaut. Eine derartige Beziehung gewinnt das Nebeneinander der Tonempfindungen zu demjenigen der Tast- und Gesichtsem})finduugen aber nicht. diese negative Aussage Ich sich muß hier hervorheben, nur auf das daß Nebeneinander der Tonempfindungen (das durch die Tonhöhe seiner Kompo- nenten bestimmt wird) bezieht, nicht auf die Tonempfindung schlechthin. Nicht in jeder Hinsicht fehlen Beziehungen der Tonempfindungen zu den Lageempfindungen unseres Körpers. Sie treten in der Empfindung der Schallrichtung zutage, die aber ihrerseits mit dem Nebeneinander keine unmittelbare Beziehung besitzt. der Tonempfindungen Wir werden im näch- sten Kapitel noch näher darauf eingehen, daß die Empfindung der Schallrichtung durch die Unterscheidung der Reizung des rechten und des linken Gehörorgans zustande kommt. In diesem besonderen Falle bildet sich allerdings eine unmittelbare Beziehung zwischen Tonempfindungen und Lageempfin- dungen des Körpers bzw. der Gehörorgane und damit zwischen
56 Die Originalempfindungen. Tonempfindungen und Gemeinraum. Dies aber geschieht nur beim Zusammenwirken der beiden Gehörorgane und auf Grund der Empfindung der verschiedenen also für der in Für das Nebeneinander der ihnen ausgelösten Erregungen. Töne, Intensität Empfindung der Tonhöhen kommt die Stellung der Organe im Raum die nicht unmittelbar in Betracht. Wir empfinden das Nebeneinander verschieden hoher Töne genau ebenso, ob wir auf den Füßen stehen, uns in liegender Stellung befinden oder uns etwa so bücken, daß unser Scheitel den Boden berührt, und dies es uns unmöglich meinraum (nicht ist, in irgend ist der eigentliche Grund, daß das Nebeneinander der Töne eine feste und unmittelbar empfundene etwa von anderswoher übertragene) Beziehung zu Das Nebeneinander der Tonempfindungen ein wirkliches Nebeneinander Gesichtsempfindungen, es aber, ist sich sozusagen in zwar da es keine Beziehungen es befindet isoliert, einem abgesperrten Bezirk. Es läge nahe, diesen besonderen Bezirk bezeichnen, setzen. also ist genau so gut wie das der zum Gemeinraum zu gewinnen vermag, zu zum Ge- doch könnte diese »Tonraum« als Bezeichnung leicht zu Mißverständnissen Veranlassung geben, und ich möchte von seiner Anwendung aus folgenden Gründen ganz Primär gegeben ist absehen. uns weder ein Tast- noch ein Sehraum, noch eine Kombination beider, sondern lediglich das Neben- Auf dem Fundament des Neben- einander der Empfindungen. einanders von Tast- und Gesichtsempfindungen hat sich phylogenetisch und ontogenetisch l)orene Mitgift, teils als , das heißt teils als fertig ange- Produkt der von jedem einzelnen Individuum erneut zu machenden Erfahrung, das aufgebaut, was wir als nen können. den Inbegrifi' unserer Raumvorstellungen bezeich-
Das Nebeneinander und der Begrift" der Ein entsprechender Aufbau und Weiterbau halb des abgesperrten Bezirks, der serer 57 Empfindungsfelder. aber inner- ist dem Nebeneinander un- Tonempfindungen angehört, unterblieben. Hier ist es zu einer Weiterentwicklung durch mannigfache Kombination, wie wir sie für das Nebeneinander der Tast- und Gesiehts- empfindungen leicht nachweisen könnten, nicht gekommen, und wir finden hier nichts anderes als das einfache und in diesem Falle sogar besonders einfache, weil bloß linear angeordnete Nebeneinander vor. Somit wäre es unangebracht, von »Kaum Vorstellungen« in bezug auf dieses Nebeneinander von Tonempfindnngen zu Wir dürfen bloß sagen: Das Nebeneinander der sprechen. Tonempfindungen gründet sich nicht nur auf dieselben Voraussetzungen, sondern besitzt auch annähernd dieselben charak- Eigentümlichkeiten, teristischen aus welchen sich in den Empfindungsgebieten des Tastsinns und des Gesichts unsere Raumvorstellungen aufbauen. Als prak- Soviel über die allgemeine Seite dieser Frage. tische Folgerung ergibt sich mir aus unseren bisherigen Be- trachtungen folgendes: Das Nebeneinander der Tastempfin- dungen, der Geschmacks-, der Gesichts- und der Tonempfindungen ist Zugleichsein. ein Nebeneinander, wirkliches Wenn man es als räumliches bezeichnen wollte, so würde dies zunächst vermögen derer, kommen die sich in dem Auge verlieren, kommen. dem Vorstellungs- Doch sollte man daß dieses Nebeneinander der Empfindungen das ursprünglichere als unsere bloßes diese Fragen noch nicht voll- eingelebt haben, zu Hilfe dabei nie aus kein Nebeneinander ist, Raumvorstellungen, die sich aus und umfassender dem spezielleren kombinatorischen Ausbau des Nebeneinanders der Tast- und Gesichtsempfindungen herleiten.
Die Originalempfindungen. 58 Dies vorausgeschickt, wird es hoffentlich zu keinen Miß- wenn verständnissen führen, das Nebeneinander setzt, gebiete wir, in die aller Notwendigkeit ver- verschiedenen Empfindungs- gemeinsam zu behandeln und nach gleichen Gesichtsdas punkten zu analysieren, für diese Behandlungsweise dem Wortschatz notwendige Ausdrucksmittel unserer Raum- Wort Emp- Ich wähle dafür das vorstellungen entlehnen. findungsfeld und beschreibe z. im folgenden die B. ein- zelnen Komponenten des Nebeneinanders der Tastempfin- dungen als befindlich in oder Empfindungsfeldern Geschmacks des des dungsfeldern in entsprechenden Die Empfindungsfelder zusammen mit bestimmten Empfin- fallen Tastsinns, was in Beziehung daß die über Zunge und Gaumen der Tatsache, Reizpforten empfunden des Tastsinns. und Geschmack für Tastgefühl gleiche Gebiet verteilen, sich steht mit verteilten über das an dem gleichen Gebiet teilhaben. In gleichem Sinne wie beim Tastsinn werden wir von den Empfindungsfeldern des Gesichtsinns sprechen. Die Summe aller jeweiligen Empfindungsfelder des Gesichts werden schon seit langer Zeit Bezeichnung als »das Gesichtsfeld« behalten wir bei. bezeichnet. Diese Die Empfindungsfelder des Gesichts haben Berührungspunkte mit denen des Tastsinns. Dagegen sind die Empfiudungsfelder des Gehörs von jenen beiden Gebieten abgesperrt und nur in der Empfindung der Schallrichtung bindung. Sie besteht ist eine diesbezügliche eigenartige Ver- aber nur auf Grund des Zusammenwirkens der beiden Gehörorgane realisierbar und eröffnet keine Möglichkeit, das Nebeneinander der Empfindungsfelder des Gehörs dem Nebeneinander jener anderen Empfindungsorientieren. Auf das Empfiudungsfeld des Geruchs entsprechend felder zu kommen wir unten zurück.
Das Nebeneinander und der Wenden wir nun 59 Begriff der Empfindungsfelder. unsere Ausdrucksweise auf die nähere Beschaffenheit der verschiedenen Nebeneinander, wie wir sie unmittelbar empfinden und bereits oben kurz charakterisiert haben, an, so werden wir sagen: Wir empfinden die Anord- nung der Empfindungsfelder unseres äußeren Hautsinns Dies eine flächenhafte. Bewegungsempfindungen wir ohne Mitwirkung von wenn besonders dann zutage, tritt als tasten. Durch Hinzutreten von Bewegungsempfindungen, durch Kombinieren der äußeren mit den inneren Tastempfindungen ge- winnen die Empfindungsfelder des Tastsinns Tiefe, sie ordnen In seinen Erörterungen über den physio- sich räumlich an. logischen Raum im Gegensatz zum metrischen drückt Mach dieselbe Beobachtung folgendermaßen aus. »Der Raum ^ der Haut entspricht einem zweidimensionalen, endlichen, unbegrenzten Riemannschen Raum. (geschlossenen) Empfindung der Bewegung der Glieder, Durch die insbesondere der Arme, Hände und Finger, kommt etwas einer dritten Dimen- sion Entsprechendes hinzu.« Sehr ähnlich verhält äußere Körperhaut, sich sondern je mit den nicht durch die eine Netzhaut ausgelösten Auch die Empfindungsfelder des Einzelauges Empfindungen. sind zunächst es flächenhaft Erst durch das Zu- angeordnet. sammenwirken beider Augen, sowie durch Kombination mit dem Tastsinn, kommt die auch der Einäugige vornehmen kann, das körperliche Sehen zustande. Die Empfindungsfelder des Gehörs berühren sich nicht mit denen des Tast- und Gesichtsinns. Sie sind in einer einzigen unverzweigten Reihe, also linear angeordnet, und die Richtung dieser Reihe oder Linie läßt sich mit dungsfelder 1 des Tast- E. Mach, Erkenntnis den durch die Empfin- und Gesichtsinns und Irrtum. 1. Aufl. gegebenen Rich1905. S. 334.
Die Originalempfindungen. 60 wie wir bereits gesehen haben, nicht in Beziehung tungen, bringen. Es ist von fundamentaler Bedeutung, daß die Anordnung Empfindungsfelder der engem Zusammenhang innerhalb steht jedes Sinnesgebietes in mit der Topographie der Reiz- Die Beziehung des Nebeneinanders der Empfindungen pforten. zu den Reizpforten hatten wir in ihren allgemeinsten Zügen im vorigen Kapitel bereits finden wir, (S. 34 — 46) untersucht. daß sich diese Beziehung noch viel Jetzt mehr ins Spezielle verfolgen läßt. Ist die Anordnung der Empfindungsfelder des Neben- einanders von Tast- oder des Nebeneinanders von Gesicbts- empfindungen eine flächenhafte, so ergibt die nähere, auf mittelbarem Wege ausgeführte Untersuchung der Topographie der Reizpforten, durch die die betreffenden Empfindungen ausgelöst worden sind, daß sie einen flächenhaften Charakter Empfinden wir dagegen auf diesen Empfindungs- besitzt. gebieten die Anordnung der Empfindiingsfelder als eine lineare, so erweist sich bei der mittelbaren Untersuchung auch die Anordnung der in diesem Falle benutzten Reizpforten als eine lineare. Wenn ferner, wie wir oben ausführlich erörtert haben, das Nebeneinander der Tonempfiudungen ausgesprochen ein linear angeordnetes empfunden wird, als so können wir meiner Ansicht nach getrost auf eine lineare Anordnung seiner Reizpforten schließen. stellung Diesem Erfordernis würde genau entsprechen, die Vor- die wir uns nach der Helmholtzscheu Resonanztheorie von der Beziehung der Auslösung der Er- regungen zur Empfindung der Tonhöhe zu machen haben. Wie bereits erwähnt, begegnen die Helmholtzschen Anschau- ungen noch manchem Widerspruch. Aber wenn man auch
Das Nebeneinander und der 61 Begriff der Empfindungsfelder. zugeben kann, daß sich gegen das Mitschwingen der winder Basilarmembran, besonders zigen Fasern oder »Saiten« wenn es sich um sehr tiefe wendungen erheben Töne handelt, physikalische Ein- lassen, so sind doch über die Not- wendigkeit einer physiologischen Resonanztheorie, wie oben erwähnt, die meisten Forscher einig. dem Wenn man aber aus nicht ganz einwandfreien Ausdruck »physiologische Reso- den innersten Sinn extrahiert, so ergibt nanztheorie« daß damit im Grunde nur ausgesagt werden soll, sich, daß der Reihe der Tonempfindungen von verschiedener Tonhöhe eine Reihe besonderer Reizpforten entspricht. Die physiologische nimmt von der Helmholtzschen Resonanz- Resonanztheorie Bestimmung der Tonhöhe durch den Ort der Reiz- theorie die durch auslösung, läßt aber die Art die determinierte Nervenendigung, lokal und Weise , wie an der bestimmten Stelle die Auslösung erfolgt, ob durch physikalisches Mitschwingen der Basilarmembran der Fasern oder auf anderem Wege, unentschieden. In der auf S. 53 zitierten die Tonreihe befinde sich in Bemerkung hat Mach dem Analogon gesagt, eines Raumes, und zwar eines Raumes, der analog etwa einer Geraden verläuft. Mach hat ganz Zusatz »etwa« man nur recht, das einzuschränken. diesbezüglichen > Gerade« durch den In Wirklichkeit die Einreihigkeit oder lineare reihe, hat aber dabei keine sonstigen Wort bestimmte Empfindung von ihrer Beschaffenheit, weder von Richtung, wie wir bereits oben gesehen haben, ihrer Geradheit oder Daß wir sie Krümmung, Ebenheit ihrer noch auch oder Unebenheit. graphisch als Gerade darzustellen pflegen, sehr erklärlich. gezwungen, empfindet Anordnung der Ton- ist Bei einer solchen Darstellung sind wir ja ihr eine bestimmte Form zu geben, und da wählen
62 I^Je wir in Ermangelung Originalempfindungen. aller empfundenen Anhaltspunkte die für solche Darstellungen einfachste Geraden. und bequemste Form der Bei introspektiver Betrachtung der Toureihe finden wir aber, daß nur die Einseitigkeit, die lineare Beschaffenheit als solche empfunden wird, daß wir aber nichts darüber aussagen können, ob diese Linie gerade oder gekrümmt oder spiralig aufgerollt sie uns ist. Ebenso gut wie als eine Spirale als Gerade könnten wir etwa von der Art vorstellen, wie die Endorgane der Hörnerven, die Haarzellen (Hörzellen) im Innern des spiralig aufgerollten Cortischen Organs einen spiraligen Strich oder Streifen will damit von annähernd 1 mm Breite bilden. nur konstatieren, daß die Tonreihe in Ich unserem Be- wußtsein in bezug auf ihre speziellere Form Undefiniert und nur durch die lineare Aneinanderreihung als solche charakterisiert ist.
Viertes Kapitel. Die Empfindungsfelder (Fortsetzung). Wir können nunmehr im Anschluß an die Ergebnisse des vorigen Kapitels die verschiedenen Nebeneinander der einzelnen Sinnesgebiete ihre bezug auf ihre Beschaffenheit und in Beziehung zu den Reizpforten 1. Tastempfindungen. Es werden ponenten des Nebeneinanders Reihe bringen: in folgende nicht nur die als gegenseitig in einer Kom- gewissen Beziehung stehend empfunden, die den Beziehungen der Reizsondern jede Komponente enthält außer pforten entspricht, noch das damit der Empfindung der spezifischen Qualität unlöslich verbundene Empfindungselement, daß eine bestimmte Körperstelle gereizt sei. 2. Gesichtsempfindungen. Nebeneinanders werden ziehung zueinander ebenfalls empfunden, Reizpfortea entspricht. Komponenten des Die in einer bestimmten Be- die der Anordnung der Ein besonderes Empfindungselement, daß eine bestimmte Körperstelle gereizt gewöhnlichen Umständen). Doch wird fehlt aber (unter sei, die der Beziehung der Reizpforten entsprechende Beziehung des Nebeneinanders der Gesichtsempfindungen sehr funden und wird, scharf und bestimmt emp- da von ihr Brücken zum Nebeneinander der Tastempfindungen führen, verwendet, um mit letzterem zusammen eine gemeinsame Raumvorstellung aufzubauen.
Die Originalempfindungen. 64 Ton emp findungen. 3j einanders Die Komponenten des Neben- der Tonempfindungen werden ebenfalls einer in bestimmten Beziehung zueinander empfanden, die der An- ordnung der Reizpforten empfindungen fehlt Wie entspricht. bei den Gesichts- aber auch bei ihnen das Empfiudungs- element, dass eine bestimmte Körperstelle gereizt sei (unter gewöhnlichen Umständen). Die Beziehung des Nebeneinanders, sofern sie mit der Verschiedenheit der Reizpforten als solcher korrespondiert, beschränkt sich auf die lineare Aneinander- ist, ob Welcher Art aber diese Linie der Empfindungen. reihung z. B. Gerade oder Spirale, und wie wird nicht empfunden. Vom sie gerichtet ist, Nebeneinander der Touempfin- dungen (Tonhöhe) führen auch nirgends Brücken zum Nebeneinander der Tast- und Gesichtsem pfiudungen. Geruchsempfindungen. Von einem Nebeneinander von Geruchsempfindungen darf man wohl nicht sprechen. Wir 4. unterscheiden allerdings an einer Geruchsempfindung verschie- dene Eigentümlichkeiten, diesen, ein sie erinnert uns wohl einmal an dann wieder an jenen uns bekannten Geruch, aber gleichzeitiges Komponenten tritt Geruchsmischungen zessive, nicht deutliches Nebeneinander nicht zutage. erfolgt, simultan, wenn verschiedener Die Analyse komplizierter sie überhaupt gelingt, suk- indem, wie bereits Valentin ^ und Aronsohn^ beobachtet haben, einmal die eine, dann wieder die andere Empfindungskomponente die Oberhand gewinnt. Die Konsequenz aus diesen Tatsachen ziehe ich Weise, 1 daß ich sage, die Geruchsempfindungen Valentin, Lehrbuch der Physiologie, 2. Aufl., 2. Bd., 1848, in der (sofern 2. Abt. S. 292. 2 Aronsohn, Experimentelle Untersuchungen zur Psychologie des Archiv f. Anat. u. Phys. 1886. S. 321. Geruches.
Die Empiindungsfelder (Fortsetzung). nicht sie in die Empfindungsfelder 65 Geschmackssinns, des unter Umständen auch des Tastsinns einbezogen werden) besitzen ein eigenes einziges Dasselbe Empfinduugsfeld. nimmt gegenüber den Empfindungsfeldern der anderen Sinne eine selbständige Stellung ein. Hier haben wir aber gleich die Einschränkung zu machen, daß Empfindungsfeld selbständiges ein Geruchssinns des neben den Feldern des Geschmackssinns nur in bezug auf die inspiratorisch ausgelösten Geruchsempfindungen besteht. Anders verhält es sieb mit den exspiratoriseh ausgelösten Geruchsempfindungen, die vom Duft des den Schlund passie- renden Bissens im Augenblick der Schlingbewegung ausgelöst werden. Bekanntlich bezeichnet rische Riechen auch als man dieses exspirato- gustatorisches Riechen. Geruchsempfindungen gesellen sich bei Die diesem Riechen so innig zu den gleichzeitig ausgelösten Geschmacks- und Tast- empfindungen, daß sie uns in den Empfindungsfeldern jener Geschmacks- und Tastempfindungen zu liegen scheinen. eigenes, selbständiges Empfindungsfeld, der Tonempfindungen gen Sinne keine Ein das wie diejenigen zu den Empfindungsfeldern der übri- bestimmte räumliche Beziehung besitzt, haben nur die inspiratorisch ausgelösten Geruchsempfindungen. Freilich kann auch beim inspiratorischen Riechen unter be- sonderen Umständen (bei »stechenden« Gerüchen, ferner bei lebhaftem »Schnüffeln«, wobei man das Vorbeistreichen der Luft an den Unebenheiten der Nasenhöhlen spürt) eine Ein- beziehung der Geruchsempfindungen in bestimmte Empfindungsfelder des Tastsinns erfolgen. Übrigens unterscheiden wir ziemlich genau, ob eine Ge- ruchsempfindung gustatorisch (exspiratoriseh aus) oder inspiratorisch durch die Semon,Mnerae. II. vom Schlünde Nase ausgelöst wird. 5 Wir
Die Originalempfindungen. 66 werden nicht Aroma die wir gerade essen, das leicht einer Speise, zuschreiben, das von außen zu uns dringt. denen der gustatorische Geruch in Fällen, in In solchen den Empfin- dungsfeldern des Geschmacks, der inspiratorische Geruch im eigentlichen von ersterem unterschieden dadurch, wie wir eben sahen, wird, ist empfunden und Empfindungsfeld des Geruchs sogar vielleicht ein wirkliches Nebeneinander dieser Feldern auftretenden Geruchsempfindungen in verschiedenen Doch möglich. ist es schwer, die wirkliche Gleichzeitigkeit der beiden Empfindungen zu beweisen und die Möglichkeit einer raschen Oszillation der Aufmerksamkeit von der einen anderen Geruchsempfindung zur scheidung dieser Frage muß auszuschließen. Die Ent- weiteren Untersuchungen an- heimgestellt werden. Wer die Reihe durchmustert, in das Nebenein- der wir ander der Empfindungen beziehungsweise die Empfindungsder felder verschiedenen Sinnesgebiete in bezug auf ihre Beschaffenheit und ihre Beziehung zu den Reizpforten zu- sammenfassend dargestellt haben, der wird auch verstehen, warum wir uns bei unserer Darstellung nicht des von Lotze geschaffenen und nächst vom rein praktischen Standpunkt aus zu- brauchbar erscheinenden Ausdrucks bedient haben. Lotze ^ definiert sehr durchdachter Weise folgendermaßen: tere Lokalisation eines Inhalt, so daß »Da nun Empfindungselements lichen Anschauung unabhängig in verschiedenen »Lokalzeichen« den Begriff Lokalzeichen in ist in die spä- der räum- von seinem qualitativen Augenblicken sehr verschie- dene Empfindungen die gleichen Stellen unseres Raumbildes füllen können, so muß jede Erregung vermöge Nervensystem, an welchem 1 sie stattfindet, des Punktes im eine eigentümliche H. Lotze, Medizinische Psychologie, Leipzig 1852, S. 331.
Die Empfindungsfelder (Fortsetzung). Färbung erhalten, die wir mit belegen wollen«. Wie man 67 dem Namen ihres Lokalzeichens sieht, geht Lotze in dieser Definition nicht vom Nebeneinander der Empfindungen, sondern von un- serem »Raumbild« aus, das, wie wir sahen, auf einer Grundlage aufgebaut wird, zu der das Nebeneinander allein der Tast- und Gesichtsempfindungen Raum haben sind von also die Au die Bausteine liefert. diesem Gehörsempfindungen keinen Anteil, sie ihm abgesperrt, und somit darf der Ausdruck Lokal- zeichen für sie strenggenommen nicht verwertet werden. Nun stehen aber gerade sie in bezug auf die wesentlichen Eigen- tümlichkeiten ihres Nebeneinanders den Gesichtsempfindungen sehr nahe. Sie haben mit ihnen gemeinsam, daß bei beiden wenn man das besondere Empfindungselement oder, nennen will, die Körperstelle gereizt zeichen fehlt, daß Zusatzempfindung, sei, also streng es so eine besondere genommen, ein Lokal- und auf beiden Sinnesgebieten in gleicher Weise nur die Komponenten des Nebeneinanders in einer bestimmten Beziehung zueinander empfunden werden, die der Anordnung der Reizpforten entspricht. Wollte man diese Eigen- also tümlichkeit als Lokalzeichen der einzelnen Komponenten des Nebeneinanders beschreiben, so müßte man den Tonempfin- dungen genau ebenso Lokalzeichen beilegen, wie den Gesichtsempfindungen. dann Bei den Tonempfindungen würde aber qualitativer Inhalt, ausgedrückt durch die Lokalzeichen zitierten einfach zusammenfallen, Tonhöhe und was mit der oben Lotzeschen Definition einigermaßen im Widerspruch steht K 1 Lotze selbst hat, wie seine Bemerkungen keine richtige Auffassung davon, daß a. a. 0., S. 332 zeigen, man nur aus dem Nebeneinder Tonhöhe, Kriterien für ander der Tonempfindungen, mithin die Anwendung des Ausdrucks Lokalzeichen auf diesem Gebiet winnen kann. 5* ge-
Die Originalempfindungen. 68 Dies alles bestimmt mich, von der Anwendung des Aus- drucks Lokalzeichen Abstand zu nehmen. Noch andere Grlinde kommen für mich dazu, auf die ich aber hier nicht eingehe, weil zu ihrer Beurteilung die Kenntnis des weiteren Inhalts Für unsere Zwecke Buchs erforderlich sein würde. dieses genügt des Darstellung zur Nebeneinanders Empfin- der dungen und zur Feststellung seiner gesetzmäßigen Zusammenhänge das Darstellungsmittel der Empfindungsfelder. Bei unserer Auffassung der Gefühle nungen der Empfindungen fühle zu den Empfinduugsfeldern von Anblick einer bestimmten Farbe, nicht als etwas neben den betreffenden sondern auf, besondere Tö- selbst. dem Hören Tones Lust oder Unlust verbunden, so liches als ergibt sich die Stellung dieser Ist dem eines bestimmten tritt Gefühl dieses Empfindungen Befind- etwas ihnen Inhärentes, als mit Ge- sie sozu- sagen Durchdringendes; die Gefühlstönung befindet sich mithin in demselben Feld wie die Empfindung selbst. Es wäre eine ganz interessante und nicht besonders schwierige Aufgabe nachzuweisen, daß sich selbst die soge- nannten Gemeingefühle ohne Zwang schauungsweise einfügen. Eingehen hierauf versagen. die aus unseren sinnlichen Doch muß Auch in ich diese unsere An- mir ein näheres eine Erörterung, wie sich Empfindungen und Gefühlen ge- bildeten Abstraktionen zu den Empfindungsfeldern verhalten, wie sie als simultane Bewußtseinsinhalte genau so viel Fel- dern angehören, in so viel Felder fallen, wie den einzelnen Elementen, aus denen sie zusammengesetzt sind, entspricht, auch die Führung dieses ziemlich leicht zu liefernden weises würde uns zu weit von unserem eigentlichen Nach- Thema entfernen. Für uns, die wir uns hier auf die Fundamente beschränken
Die Empfiadungsfelder (Fortsetzung). 69 das Nebeneinander aller wollen, genügt der Nachweis, daß Originalempfindungen nebst ihren Geflihlstönungen sich in den von uns hinlänglich charakterisierten Empfindungsfeldern darstellen läßt, und daß, wie wir im zweiten Teil des vor- Buchs sehen werden, liegenden auch alle entsprechenden Empfindungen nebst ihren Gefühlstönungen genau mnemischen in denselben Feldern in durchaus gleicher Beziehung zuein- ander und zu den gleichzeitigen Originalempfindungen darzustellen sind. Ich will zum Schluß meiner Ausführungen über die Emp- findungsfelder noch kurz zwei besondere Eventualitäten be- sprechen, die, an sich von großer Wichtigkeit, doch uns hier nur von sekundärer Bedeutung sind. für Sie bedür- fen aber der Vollständigkeit halber wenigstens der Erwäh- nung und sind auch deshalb interessant, weil die für unser Thema sehr wichtigen Erscheinungen, im folgenden die wir Kapitel behandeln werden, mit ihnen sozusagen in eine Reihe gehören. Die beiden Fragen, die wir hier noch kurz streifen wollen, lauten: 1. Was beobachten wir, wenn zwei (oder mehr) Empfin- dungen verschiedener Qualität so ausgelöst werden, daß sie in 2. denselben Empfindungsfeldern auftreten? Wirkt das Vorhandensein einer Empfindung EmpfinduDgsfeld in bestimmter Weise auf die in einem Empfindungen der benachbarten Felder ein? Zum Zweck der Beantwortung der ersten Frage haben wir uns zunächst darüber klar zu werden, unter welchen Bedingungen die Auslösung zweier Empfindungen verschiedener Qualität in demselben Feld erfolgt. nissen unserer bisherigen Untersuchung sagen: Eine solche Nach den Ergeb- werden wir zunächst Zusammendrängung zweier verschieden-
Die Originalempfindungen. 70 artiger Empfindungen in demselben Feld erfolgt immer dann, wenn die beiden Erregungen, Empfindungen jene als durch betracbten, eng benachbarte Reizpforten deren Manifestationen wir zwei topographisch So präsentieren sich im eintreten. Gebiet des Hautsinns solche Druck-, Temperatur- und Schmerz- empfindungen, deren Sinnespunkte in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen, denselben Empfindungsfeldern in warme Berührung, als schmerzhafter Druck bestimmten Körperstelle. Wir sehen hier gleich das kühle oder als einer eine Resultat, das sich aus einem solchen Zusammentreten ergeben kann, möglicherweise realisiert, das der innigen Vereinigung beider Empfindungen unter Erhaltenbleiben der charakteristischen Eigenschaften jeder der Komponenten. Auf anderen Sinnesgebieten erfolgen aber andrerseits unter genau entsprechenden Bedingungen Vereinigungen zu etwas Neuem, das nichts von der Eigentümlichkeit seiner Komponenten erkennen Vereinigungen kommen, läßt. Derartige wie oben ausgeführt worden ist, besonders auf dem Gebiet der Geruchsempfindungen vor. Außerordentlich suchung zugänglich Bedeutung ist lehrreich, weil der und zugleich von größter praktischer das Auftreten von in einem Felde vereinigten Empfindungen auf dem Gebiet des Gesichtssinns. hier um verschiedene Methoden, gungen Unter- genauesten so einzurichten, daß die die sie Auslösung indem man gibt der Erre- manifestierenden findungen in dasselbe Empfindungsfeld fallen. dieses Resultat erreichen, Es Emp- So kann man die verschiedenen Er- regungen durch topographisch nicht hinreichend getrennte, einander aufs engste benachbarte Reizpforten eintreten läßt. Dieser Methode bedient sich Oder man reizt z. B. die pointillistische Malerei. dieselbe Netzhautstelle in so kurzen Inter-
Die Empfindungsfelder (Fortsetzung). 71 Valien mit den verschiedenen Reizen, daß die eine Empfin- dung noch nicht abgeklungen, noch im akoluthen Stadium vorhanden wenn ist, in demselben Empfindungsfeld die an- dere neue, im synchronen Stadium befindliche In den eben angedeuteten Fällen erfolgt auftritt. die Auslösung der in demselben Empfindungsfeld auftretenden Empfindungen in einem und demselben Auge. kanntlich Nun kann man aber be- auch ähnliche Vereinigungen binokular erzeugen. Die Vereinigung der Erregungswirkungen erfolgt dann nicht durch Eeizung topographisch sehr benachbarter, auch nicht durch sehr schnell abwechselnde Reizung einer und derselben Netzhautstelle, sondern durch Reizung Stellen des spondierenden — sie werden »identische« bezeichnet nieren als korrespondierender rechten und des linken Auges. — auch Solche korre- weniger glücklich als Netzhautstellen möchte ich defi- Auslösungsstellen oder Reizpforten von Erregungen, deren Empfindungsmanifestationen in demselben Empfindungsfeld erscheineni. Mit jedem Netzhautpunkte des einen Auges korrespondiert artige Stelle des anderen Auges. Löst man nun eine der- binokular Diese Definition können wir aber auch auf das Gehörorgan anAuch jeder Eeizpforte des rechten Ohrs entspricht eine »korrespondierende« des linken, deren zugehörige Empfindung dieselbe Stelle im Nebeneinander einnimmt, in demselben Empfindungs1 wenden. kurz dieselbe Tonhöhe besitzt. Da aber beim Ohr im Gegensatz zum Auge [und überhaupt allen übrigen Sinnesorganen) von einer Reizpforte aus immer nur eine einzige Empfindungsqualität ausgelöst werden kann, und sich korrespondierende Reizpforten in dieser Beziehung verhalten wie ein und dieselbe Reizpforte, so ist die Auslösung qualitativ verschiedener Empfindungen in demselben Empfindungsfeld beim Ohr ein Ding der Unmöglichkeit und braucht uns nicht zu beschäftigen. Über die Auslösung zweier gleicher oder doch nahezu gleicher Empfindungen in demselben Empfindungsfeld durch diotische Reizung werden wir im folgenden Kapitel zu sprechen haben. feld erscheint,
Die Originalempfindungen. 72 durch Reizung korrespondierender Stellen mit verschiedenartigen Reizen verschiedenartige Erregungen aus, deren Emp- findungsmanifestationen in demselben Felde erscheinen, so treten sie hier entweder in einer Vereinigung auf, die der uniokularen durch alternierende Reizung derselben Stelle ausgelösten, mithin der Vereinigung einer akoluthen mit einer synchronen Empfindung in demselben Felde sehr ähnlich ist, ihr aber aller- dings nicht vollkommen entspricht (Ungiltigkeit des Talbotschen Gesetzes bei der binokularen großen Reihe der Fälle Farbenmischung). erfolgt aber gar keine In einer Vereinigung der verschiedenen Empfindungen in demselben Felde, son- dern ein abwechselndes Auftreten bald der einen, bald der anderen. Diese Erscheinung wird bekanntlich als »Wettstreit« bezeichnet. Von den Geruchsempfindungen wurde oben angegeben, daß einem Nebeneinander nicht auftreten, daß sie in sofern nicht in die Empfinduugsfelder sie sie also, des Geschmacks oder des Tastsinns hineinbezogen werden, in einem einzigen Empfinduugsfeld des Geruchs in Erscheinung der Rückbildung des beim Riechorgans Menschen eigentliche Riechfläche der Nasenschleimhaut, factoria, über die ein treten. Trotz ist die die Regio ol- doch immerhin ausgedehnter Bezirk, der sich obere Muschel, den oberen Nasengang und die mediale Fläche der mittleren Muschel sowie über die ent- sprechenden Horizonte der Nasenscheidewand erstrecken kann. Bei älteren Individuen Hälfte ist es dieses Bezirks nun, nicht zur ist er allerdings meist Von größtem beschränkt. daß ein Unterschied Wahrnehmung kommt, auf die obere in Interesse der Geruchsempfindung gleichviel ob das rechte oder das linke Geruchsorgan, und ob von ihm dieser oder jener engere Bezirk als Reizpforte dient.
Die Empfindnngsfelder (Fortsetzung). Als Au3uahme von 73 dieser Regel läßt sich allein die S. 66 hervorgehobene Tatsache betrachten, daß bis zu einem gewissen Grade unterschieden werden kann, ob inspiratorisch oder exspiratorisch (gustatorisch) gerochen wird. Die Fest- um worauf diese Unterscheidung beruht, ob es sich stellung, bloße Erfahrungsschlüsse handelt, oder ob doch dabei auch primäre spielen, Lokalisationen muß der Riechempfindungen eine Rolle weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. In der Hauptsache haben wir aber jedenfalls aus den beobachteten Tatsachen den Schluß zu ziehen, daß der Charakter der Riechempfindungen mit der engeren Topographie ihrer Auslösung in der Regio olfactoria nicht in einer nachweisbaren Beziehung steht '. Dafür spricht auch die Tatsache, daß, wenn man verschiedenartige Geruchsreize getrennt dem rechten und dem linken Geruchsorgan zuleitet, die ausgelösten Erregungen sich nicht in zwei nebeneinander auftretenden festieren, Empfindungen mani- sondern entweder in einer neuen Empfindung be- sonderer Art (vgl. oben S. 43) oder in einem zeitlich wech- Dem widerspricht nicht, daß die Erfahrungen einerseits über Ermüdung, andrerseits über partielle Defekte des Geruchsorgans die Annahme wahrscheinlich machen, daß für verschiedene Gruppen von Geruchsreizen auch verschiedene perzipierende Organe ähnlich wie beim Geschmacksorgan, aber im Gegensatz dazu nur indirekt zu erschließen) in Frage kommen. Über weitergehende, rein 1 partielle hypothetische Konstruktionen urteilt Nagel (Handb. d. Physiol. des Menschen, 3. Bd., S. 611) mit Recht folgendermaßen: »Das Unternehmen Zwaardemakers, eine Anordnung der Riechelemente in neun senkrechten Reihen von vorn nach hinten entsprechend den neun Geruchsklassen, und in den einzelnen Reihen von oben nach unten wieder eine »skalenbildende Schattierung« wahrscheinlich zu machen, muß um so mehr als geradezu phantastisch bezeichnet werden, als nicht einmal für die Annahme ein zureichender Grund vorliegt, daß die Riechelemente verschiedener spezifischer Energie überhaupt eine , getrennte räumliche Anordnung aufweisen.«
74 Originalempfindungen. I^ie selnden Auftreten bald der einen, bald der anderen Einzel- empfindung, also in einem Wettstreit, der dem sogenannten Wettstreit der Sehfelder gleicht, oder endlich in einer gegenseitigen Abschwächung, die zu Kompensation beider völliger Empfindungen führen kann. So fand Zwaardemaker i, daß der Kautschukgeruch, in genügender Menge hineingeleitet, Greruch von Paraffin Verschwinden so verspürt oder Bei bringt. der Reizstärken ruch hervor. bei B. Ist man der Essigsäure Wachs oder Toluolbalsam zum nicht angemessener Abmessung endlich das richtige Verhältnis gefunden, und Das- nicht länger den geringsten Geruch. wenn man gleichzeitigen Kompensationen und das eine Nasenloch entweder der eine oder der andere Ge- tritt selbe gelingt auch dann, z. in den durch das andere Nasenloch eingeführten Reizung durch zweiprozentige einprozentiges vgl. sehr kräftige Reize nimmt, Ammoniak. Zwaardemaker a. a. 0. Über S. andere 165—174, S. 283. Ahnlich wie beim Geruchsinn scheinen die Dinge beim Geschmackssinn zu zulösen, wie es Nur liegen. heit des Sinnesorgans, die bei verbietet es die Beschaffen- Empfindungen völlig getrennt aus- dem doch wesentlich anders beschaffeist. Denn wenn man zwei Geschmacks- nen Riechorgan möglich empfindungen etwa dadurch getrennt auslösen wollte, daß man die Reize auf zwei verschiedene Stellen der wirken ließe, würde man, wie S. Zunge 36 gezeigt worden ist, beiden verschiedenen Empfindungen in verschiedenen findungsfeldern zur Auslösung bringen. Man muß ein- die Emp- also auf der Zunge die verschiedenen Reize gleichzeitig auf diesel- ben 1 Stellen einwirken lassen. Geruchsempfindungen dagegen, H. Zwaardemaker, Die Physiologie des Geruchs. S. 170. Leipzig 1895.
Die Empfindungsfelder (Fortsetznng). die alle auf ein und dasselbe Empfindungsfeld angewiesen kann man von verschiedenen aus, also Stellen der Eegio sind, olfactoria durch das rechte und das linke Nasenloch aus- Dies lösen. 75 von großem ist für die uns hier beschäftigenden Experimente Vorteil. Bei gleichzeitiger Reizung der ganzen Zunge durch ver- man schiedenartige Reize beobachtet nun, daß in der Regel zumal solche, die durch starke die gleichzeitigen Empfindungen, Reize ausgelöst werden, auch hier einen Wettstreit eingehen, dann so daß abwechselnd einmal die eine, findung unterdrückt wird. Abschwächung gegenseitigen einer bereits von Brücke i die andere Emp- Andrerseits wurde die Möglichkeit behauptet. von Geschmacksreizen Kiesow^ wies nach, Mischungen von Zucker und Kochsalz in daß einem bestimmten Mischungsverhältnis einen sehr schwachen, laugig faden Ge- schmack ergeben, der weder an süß noch an Da hier eine neue eigenartige streng ist genommen, die neue nicht von Empfindung Empfindung salzig erinnert. auftritt, kann man, Kompensation reden; immerhin so schwach, daß doch eine gewisse Analogie mit den viel reineren Versuchsresultaten bei der Kompensation von Geruchsempfindungen vorzuliegen Wir kommen jetzt scheint. zur Erörterung der zweiten von uns aufgeworfenen Frage, der nach der Beziehung der engeren oder entfernteren Nachbarschaft der Empfindungsfelder, in denen zwei Empfindungen auftreten, zur Art und Weise des Auftretens dieser Empfindungen. Wir wollen dabei zunächst einen Fall in Betracht ziehen, den wir bezüglich tretens der Empfindungen in des Auf- demselben Felde erst im nächsten Kapitel behandeln wollen, den Fall, daß die beiden 1 - Brücke, Vorlesungen über Physiologie. 1885. Kiesow, Philosophische Studien. 12. 1896. Bd. II. S. 265.
I^Je 76 in Originalempfindungen. verschiedenen Feldern auftretenden Empfindungen spezifischen Qualität nach Fall die Felder gleich Stoßen sind. unmittelbar aneinander, so in gehen die Em- Wir pfindungen kontinuierlich ineinander über. ihrer diesem unterschei- den allerdings an einem gleichförmigen Farbenfleck, einem gleichmäßigen Druck auf der Haut einen oberen von einem einen rechten von einem linken Bezirk, unteren, Ganze wenn bildet doch in viel höherem Maße eine aber das Einheit, als in diesen unmittelbar aneinanderstoßenden Empfindungs- Empfindungen Qualität feldern verschiedener aufgetreten wären. Man könnte gegen diesen Satz in seiner allgemeinen Fas- sung einwenden, daß trifft. er für Gehörsempfindungen nicht zu- Der Zusammenklang der Töne uns nicht im mindesten als ein c eis d dis e wird von Nebeneinander von größerer Kontinuität empfunden als etwa der Zusammenklang g c^ c e Hier müssen wir aber zunächst berücksichtigen, daß die pfindungen der halbtönigen Intervalle wegs in aneinanderstoßenden selbst für sehr stoßend kann bezeichnen, man wenn die d dis e keines- c eis Empfindungsfeldern unmusikalische Ohren nicht. liegen, Als aneinander- dann Empfinduugsfelder höchstens sich die Em- Empfindungen (am besten bei suk- zessiver Prüfung) als ebenmerklich verschiedene manifestieren. Man müßte also, um eine analoge Reizwirkung auszu- üben, die im Gebiet des Tast- oder Gesichtssinns eine durch ihre Kontinuität einheitliche extensive Empfindung einer Tonreihe simultane Reizungen vornehmen, auslöst, mit deren Glie- der nicht Y2 sondern etwa Y200 tönige Intervalle bilden. Solche Versuche sind meines Wissens noch niemals angestellt worden, und ich kann weder aus eigner Erfahrung, noch auf Grund fremder Angaben mitteilen, ob bei einer
Die Einpfindungsfelder (Fortsetzung). Simultan reizung, durch dungen in wirklich die eine Reihe 77 von Tonempfin- aneinanderstoßenden Empfindungsfeldern ausgelöst wird, eine in viel höherem Grade als kontinuierlich empfundene Reihe entsteht, als wenn eine Simultan- reizung durch die gewöhnlichen Klavier- oder Orgeltöne er- Es wäre folgt. lich großes ein interessant, und wohl dem diesen Versuch, zu natür- besonders herzustellendes erst Instrumentarium gehört i, einmal auszuführen und damit die Möglichkeit einer ganz neuartigen Tonempfindung zu schaffen. Denn das sukzessive Hinüberziehen höheren oder tieferen Nachbarn anderes, und der Simultanreiz, den unisono ausübt, bei naturgemäß halten, viele Tons in seinen ein Chor- oder Orchester- der einzelnen Stimmen sich etwas über oder unter der richtigen Tonhöhe wird schlimmstenfalls dazu führen. Halbtöne konti- nuierlich dann dem eines natürlich etwas wesentlich ist zu verbinden (man bezeichnet das Gesamtresultat als einen »unreinen« Ton), nicht aber weite Abstände zu überbrücken. Trotz der Möglichkeit, daß sich bei solchen eine gewisse Kontinuität in der simultanen Tonreihe herausstellt, ist Versuchen Empfindung einer aber klar, daß doch in einer Be- ziehung hier ein wesentlicher Unterschied zu anderen Em- Im Tongebiet ändert sich pfindungsgebieten vorhanden ist. mit der räumlichen Entfernung der Reizpforten die Qualität der ausgelösten Empfindungen regelmäßig in viel ausgepräg- terem Maße, als dies im Vergleich zu anderen Sinnesgebieten, z. B. zum Gesichtssinn oder Hautsinn, durch eine solche 1 Legt man die Preyerschen Versuche (Grenzen der Tonwahrnehmung, 1876) zugrunde, so werden innerhalb der einen Oktave h^ Ji^ nicht 12, sondern durchschnittlich 1200 ebenmerklich verschiedene Ton- — stufen unterschieden. t I » R Ä R Yi::«3| JA
Die Originalempfindungen. 78 Entfernung an sich bedingt dem Maße nicht in in dieselbe qualitativ feldern Dies liegt offenbar an der Sinnesorgans, dieses die dadurch charak- daß an den Reizpforten eine Auslese der Reize terisiert ist, Derselbe Reiz getroffen wird. K Reizpforte im Tongebiet gar ist Empfindung hervorzurufen, wie den übrigen Sinnesgebieten. Funktionsweise Es ist. möglich, in verschiedenen Empfiudungs- als ist nicht fähig sowohl auf die T auch die Reizpforte zu wirken, wie etwa beim Auge, der Haut, dem Geschmack, sondern dieser bestimmte Reiz kann unter allen den vielen Pforten in das Gehörorgan nur durch die Pforte einem einzigen K und Pforte eintreten, anderen, ganz wieder T gewährt nur besonderen Reiz Zutritt. Wir wenden uns nun zu dem daß die Fall, in zwei be- nachbarten Feldern auftretenden Empfindungen verschieden Am sind. deutlichsten zeigt auf sich dem Gebiet der Ge- sichtsempfiüdungen dann unter Umständen eine starke gegenseitige Beeinflussung. Wir können diese Beeinflussung durch die Erfahrungstatsache charakterisieren, treten einer Gesichtsempfindung in daß durch das Auf- einem Empfindungsfeld das Auftreten von antagonistischen Empfindungen (im Hering- schen Sinne) in den unmittelbar angrenzenden Feldern ge- geben Wenn ist. ich in einem Empfindungsfelde eine Gelb- empfindung auslöse, so erscheinen die angrenzenden Felder blau getönt, sinnigen Kontrast, 1 reize. wenn Man umgekehrt. rot, so grün, wenn simultanen Induktion gewöhnlich und E. Mach^ und später E. Mach, dunkel, so hell und bezeichnet diese Erscheinung einer gegen- in als Über die physiol. Wirkung räumlich d. Wiener Akad. d. Wissensch. Sitzungsber. Bd. 54, 1866; Bd. 57, 1868; Bd. 115, 1906. simultanen umfassender Weise verteilter Licht- Bd. ö2, 1865;
Die Empfindungsfelder (Fortsetzung). E. Hering 1 79 haben gezeigt, daß, wenn wir dieses Phänomen von der Erregungsseite her betrachten, alle die hierher ge- hörigen Erscheinungen sich durch die einfache klären lassen, daß zwischen Annahme er- den einzelnen nebeneinander ablaufenden Erregungen der Sehsubstanz 2 ein Zusammenhang der Art besteht, daß eine durch Lichtreiz ausgelöste Erregung einer bestimmten Region der Sehsubstanz Erregung der be- nachbarten Sehsubstanz im entgegengesetzten Sinne bedingt, und zwar am stärksten in der am nächsten benachbarten und abnehmend mit wachsendem Abstände. hierfür Wie der Beweis im einzelnen geführt wird, braucht uns hier ebenso- wenig zu beschäftigen wie der Nachweis, welche große Bedeutung der optische Simultankontrast für die Vollkommen- Sehens unseres heit besitzt. Über das Vorkommen eines Simultankontrasts auf anderen Sinnesgebieteu, wie Bewegungssiun, Geschmacksinn, Tastsinn, besonders aber auf dem Ge- biet des Temperatursinns, hat A. v. Tschermak^ neuerdings eine interessante Zusammenstellung gegeben. 1 E. Hering, Zur Lehre vom Lichtsinne. Wien 1878. Über die Theorie des simultanen Kontrastes usw. Pflügers Archiv Bd. 40, 41, 43. Grundzüge der Lehre vom Lichtsinn, Graefe-Saemisch, Handb. der Augenheilkunde. 2. Aufl. (115. Lieferung.) 1907. 2 Ich bezeichne hier mit Hering als »Sehsubstanz« die reizbare Substanz des Sehorgans in ihrer ganzen Ausdehnung von der Netz- haut über die Sehnervenleitung bis einschließlich zu den Teilen des Zentralnervensystems, die speziell optischen Funktionen dienen. J. Müller bezeichnet das Gleiche als »Sehsinnsubstanz«. DieKontrast-induzierende Wirkung einer optischen Erregung ist jedenfalls nicht ausschließlich auf den peripheren Abschnitt der Sehsubstanz beschränkt. In dieser Beziehung sei besonders auf die interessante Tatsache des binokularen Kontra'sts aufmerksam gemacht. Doch vollzieht sich das wesentlich ins Gewicht Fallende des simultanen (wie auch übrigens des sukzessiven) Kontrasts hauptsächlich uniokular und unabhängig von der anderen Hälfte des Sehapparats. 3 A. V. Tschermak, Sinnesgebieten. Über Simultankontrast auf verschiedenen Pflügers Archiv. Bd. 122. 1908.
80 Originalempfindungen. I^ie Da, wo sich eine induzierende auf die sie umgebende am tion Temperatnrsinn, einer Erregung reizbare Substanz gleicher Spezifika- nachweisen klarsten Wirkung läßt, beim Gesichtssinn und wir auf das deutlichste, indem wir sehen die gegenseitige Beeinflussung aus den Empfindungsmanifesta- tionen ablesen, wie die Induktion mit der Entfernung der Empfiudungsfelder voneinander abnimmt. In einer entfern- kaum mehr nachzuweisen, und teren Nachbarschaft sie ist schwindet in noch größerer Entfernung vollständig. Die Angaben nach von V. Urbantschitsch \ gleichzeitigen Sinnesempfindungen alle denen sich gegenseitig einer in über alles Erwarten starken Weise nicht nur in ihrer Inten(ganz abgesehen von der sogenannten sität seins) kann sondern solange ich nicht mit Auto- Qualität beeinflussen ihrer in nicht als Tatsachen Methoden nachgeprüft worden annehmen, sind, bei ist; oder Konstanz der bis sollen, als sie denen jede und Fremdsuggestion der Versuchspersonen schlossen die auch Enge des Bewußt- ausge- wenigstens genauere Angaben über einzelnen Resultate bei Wiederholung der Versuche mit derselben Versuchsperson zu verschiedenen Zeiten gemacht worden sind. Als feststehende Tatsachen dürfen wir die gegenseitige Beeinflussung von unter sich verschiedenen Licht- und Farben- empfindungen, ferner auch von unter sich verschiedenen thermischen Empfindungen annehmen, die sich in benachbarten Empfindungsfeldern befinden. Auf dem Gebiet des Ge- V. Urbantschitsch, Über den Einfluß einer Sinneserregung auf Pflügers Archiv. 42. Bd. Sinnesempfindungen. 1888. (Die späteren Untersuchungen desselben Autors auf diesem Gebiet beschäftigen sieh mehr mit der Beeinflussung mnemischer Empfindungen durch Originalempfindungen anderer Modalität, so sein Auf1 die übrigen satz in Pflügers Archiv, Bd. 94, 1903 und spätere Publikationen).
Die Einpfindungsfelder (Fortsetzung). Sichtssinns hat vor nachgewiesen, daß allem Hering man dungsmanifestationen liche) Beeinflussung II. tiberzeugender Weise aus diesem Verhalten der Empfin- auf eine ganz bestimmte (gegensätzder entsprechenden Sehsubstanz schließen kann. Se mon, Mneme. in 81 Erregungen der
Fünftes Kapitel. Empfindungen in denselben Empflndungsfeldern. Homoplionie und Empflndungsdifferentiale bei Original- Gleiche empfindungen. Das was zeichne, tritt ich als ein, Homophonie (Empfindimgsdeckung) be- wenn Empfindungen so ähnlicher Art, daß weder bei simultaner noch bei sukzessiver Vergleichung ^ sie unmittelbar unterschieden werden können, in demselben findungsfeld zusammentreten, oder, dungskomplexe handelt, in wenn es sich um Emp- Empfin- entsprechenden Kombinationen von Feldern zusammentreten. Ich werde Übrigens der Einfach- wegen heit in der Regel nur kurzweg von Empfindungen sprechen, wobei ich bemerke, daß alles was ich zu sagen habe, genau so für den Komplex wie für die Eiuzelempfindung Im gilt. vorliegenden Kapitel wollen wir uns ausschließlich mit der Homophonie der und uns zunächst die Originalempfindnngen Frage vorlegen: Wann beschäftigen sind die Bedin- gungen für das Auftreten mehrerer bei unmittelbarer Vergleichung ununterscheidbarer Originalempfindungen in demselben Empfindungsfeld gegeben? auf diese Frage dann, 1 wenn Auf ist leicht zu formulieren. die Auslösung die Vergleichung Ende des folgenden Die allgemeine Antwort Sie lautet: Immer der betreffenden Empfindungen von Empfindungen gehen wir Teils (17. Kapitel) näher ein. erst am
Homophonie und Empfindungsdiflferentiale. 83 durch g'leichbeschaffeue Reize an korrespondierenden Reizpforten erfolgt. Korrespondierende Reizpforten haben wir in den korrespondierenden Netzhautstellen des rechten Auges kennen gelernt. Reizt man und wenn man zu- durch gleichbeschaffene Reize, so links und des linken solche Stellen rechts ist, nächst nur die unmittelbare Bewußtseinsreaktion berücksichdie tigt, Wirkung allein das eine, sei es das rechte oder das linke hätte. Mau kann Auge gereizt sich dies sehr gut durch folgenden einfachen Versuch klar machen. z. wenn man nicht erkennbar eine andere, als Man klebe zwei gleiche Briefmarken, B. zwei rote Zehnpfennig- oder zwei grüne Fünfpfennig- marken, in einem Abstand von 55 und betrachte Blatt schärfe sie vorausgesetzt Beleuchtung mm gleichgerichtet durch ein Stereoskop. wird man bei nicht auf ein Gleiche Seh- allzuschwacher dann keinen Unterschied bemerken, ob man einmal das eine, das andere Mal das andere Auge schließt oder mit beiden Augen beobachtet. Bei diesen Versuchen werden korrespondierende Stellen durch gleichartige Reize gereizt, bei alternierendem Beobachten mit bald dem einen, bald dem anderen Auge sukzessiv, bei binokularem Beobachten simultan. Das Resultat letzterer Reizung werden wir unten noch genauer analysieren. Hier wollen wir nur konstatieren, daß in letzterem Falle die Bedingungen für ein Zusammentreten zweier un- uuterscheidbarer Empfindungskomplexe in denselben Empfin- dungsfeldern gegeben sind. Entsprechend diesen Versuchen kann man auch und am am rechten linken Gehörorgan korrespondierende Stellen (das heißt Reizpforten für die gleichen Tonhöhen) simultan reizen, und schafft damit die Bedingungen für das Zusammentreten zweier, im wesentlichen gleicher Empfindungen in 6* demselben
Originalempfindungeu. l^iG 84 Vollkommen gleichen EmpfinduDgsfeld. beiden Tonempfindungen nicht, sich allerdings diese da jede eine der anderen entgegengesetzte Zusatzempfindung besitzt. ich Stelle B. eine z. lasse sie tönen Stimmgabel gerade hinter mir und verstopfe bald das eine, bald das Ohr und höre dann wieder mit beiden Ohren, so auf, andere habe ich qualitativ und, gleiche Gehörschärfe beiderseits vorausgesetzt, im wesentlichen auch quantitativ, dieselbe Empfindung. Ein Unterschied besteht aber insofern, als wir in diesem Falle die Gehörswahrnehmungen durch Zusatzempfindungen, drei Schallrichtung betreffend, unterscheiden. linken Ohr empfinde ich den rechten Ohr von links und links, ich Bei verstopftem rechts, bei verstopftem kommend, höre ich mit beiden Ohren^ genau die Mitte zwischen rechts hält die Sehallrichtung so Ton von empfinde den Ton als von irgendwoher aus kommend. der Medianebene Auf diese interessante Erschei- nung werden wir am Schluß dieses Kapitels noch näher An zugehen haben. die ein- dieser Stelle wollen wir nur hervorheben, daß die Reizung korrespondierender Stellen der beiden Gehörorgane zwei zwar in allen anderen Beziehungen gleiche, aber durch den Schallrichtungsindex unterschiedene Empfindungen ergibt, die bei simultaner feld Reizung in demselben Empfindungs- zusammentreten. Das Zusammentreten an sich nicht unterscheidbarer Emp- pfindungen im gleichen Felde beim Riechen läßt sich leicht auf folgende Weise analysieren, auf die ich hier etwas näher eingehen Ich habe nämlich, will. um auf die hier behan- delten Fragen, über die ich in der Literatur keine fand, eine präzisere Antwort geben zu können, von Versuchen mich dazu in dieser der Angaben eine Reihe Richtung vorgenommen. Ich bediente bekannten Methode, die reine oder mit
Homophonie und beladene Atemluft jeder Riechstoffen durch Röhrensystem besonderes ein man unter solchen ein Rührchen Ammoniak 85 Empfindungsdiflferentiale. Nasenhälfte getrennt Führt zuzuführen. Umständen dem einen Nasenloch durch dem anderen mit Essigdampf oder reine, oder Eau de Cologne oder Lavendelöl versetzte Luft zu, so sind die Versuchspersonen, die nicht wissen was um daß die zunächst stets der Ansicht, es sich handelt, wenn man Gerüche ihnen beiderseits zuströmen. Erst durch Fragen aufmerksam macht, geben sie an, sie glaubten, die Gerüche kämen Röhrchen. Diese ebenso oft wie ein, stärker durch das rechte oder das linke Angaben sie es nicht tun, ein suggerierter Beweis, daß der wahrgenom- nur eingebildeter, durch die Fragen ein Oft ist. wurde übrigens auch Unterschied überhaupt nicht erklärt, die umkehrt. wenn immer die Reizung nicht seitig erfolgt. sich fast dann äußerte trierter, in sich, und dann Dagegen wird, und besteht ein gewisser Unterschied gegenüber auch dem Ohr, sogleich deutlich mehr bloß einseitig, Auch wechselt, zuerst links die riechende Luft zuführt Zufuhr daß ein wahrgenommen werde. wenn man während des Versuchs nicht, rechts die reine, plötzlich stimmen aber durchschnittlich mit der tatsächlich vorgenommenen Reizung über- mene Unterschied dann sie hierin dem Auge und wahrgenommen, sondern beider- Die Deutlichkeit der Wahrnehmung steigert Eine Versuchsperson sehr auffälliger Weise. der Geruch würde nicht schärfer, konzen- aber es schiene, als steigere sich jetzt die Lebhaftig- keit der Empfindung. Übrigens sei daran erinnert, daß beim Riechorgan nicht etwa nur je eine Reizpforte rechts mit einer Reizpforte links korrespondiert wie beim Auge und beim Ohr, sondern daß wahrscheinlich jeder Bezirk der Regio olfactoria von einiger
Die Originalempfindungen. 86 Ausdehnung mit jedem gleich ausgedehnten anderen in Sinne korrespondiert, daß die von ihm aus ausgelösten dem Emp- findungen von den anderwärts durch die gleichen Reize aus- Wir haben gelösten nicht zu unterscheiden sind. dem Fehlen aus dies oben eines deutlichen Nebeneinanders von Riech- empfinduDgen geschlossen und haben die Tatsache dadurch daß wir sagten, ausgedrückt, in dasselbe Riechempfindungen fielen Empfindungsfeld. Nachdem wir unter denen bei bare alle Bedingungen kennen gelernt haben, die »unmittelbarer Vergleichung ununterscheid- Originalempfindungen« zusammentreten können — wobei allerdings die Einschränkung beiden korrespondierenden übrigen ununterscli eidbar, demselben Empfiudungsfeld in in der akustischen Sphäre gemacht werden muß, daß die Empfindungen, bei wenn auch sukzessiver Auslösung im doch durch die Zusatzempfindung der Schallrichtung unterscheidbar bleiben — Beweist für wenden wir uns die Gesichts- Unmöglichkeit einer von gleichen Reizen jetzt und zu folgender Frage: Geruchsempfindungen Unterscheidung unmittelbaren durch korrespondierende die zweier Reizpforten ausgelöster Empfindungen die vollkommene Wesensgleichheit dieser beiden Empfindungen ? Das heißt, verhalten sich, die Gleichheit aller übrigen Bedingungen vorausgesetzt, zwei auf dem Wege korrespondierender Reizpforten alternierend ausgelöste Empfindungen genau so wie zwei auf und derselben ein diese Frage dem Wege Reizpforte alternierend ausgelöste ? Auf können wir im Gebiet der Riechempfindungen eine bestimmte Antwort zur Zeit noch nicht geben. Auf dem Gebiet der Gesichtsempfindungen weisen die Sherringtonschen Flimmerexperimente 1 C. S. Sherrington, On ^ mit großer Bestimmt- binocular Flicker and the Correlation of
Homophonie und Empfindungsdifferentiale. heit darauf hin, auch zeitlich 87 daß unmittelbar aneinandergereihte oder übereinander geschobene Gesichtsempfindungen nicht korrespondierende zu etwas Kontinuierlichem verschmelzen, wie es in ähnlicher Weise und in gleichem aneinandergereihte Wie der holungen einer Empfindung und derselben Durch eine sehr ingeniöse Versuchsan- tun. ordnung hat Sherrington dies bewiesen, und der Einwand, den könnte, daß bei Tempo dem meiner Ansicht nach so gut wie man in einer Beziehung erheben raschen Wechsel der Empfindungen bei seinen Versuchen die Zeit für eine jeweilige Verschmelzung der korrespondierenden Rechts- und Linksempfindung zu kurz bemessen ist, scheint mir in Anbetracht der Übereinstimmung seiner Versuchsresultate mit den gleich zu besprechenden Be- obachtungen an simultanen korrespondierenden Gesichtsempfindungen ohne Bedeutung. Es ist Augen eine bekannte Tatsache, die jeder, der auf beiden gleiche Sehschärfe leicht selbst feststellen kann, und Lichtempfindlichkeit besitzt, daß sich kein irgendwie deutlich ausgesprochener Unterschied in der Helligkeit der Empfin- dung ergibt, ob wir den grauen Himmel über uns oder die gleichmäßig getönte dem linken betrachten. Auge Aus Wand allein mit Sicherheit hervor, ich uns mit dem rechten oder zusammen dieser Fundamentalbeobachtung geht bereits Empfindungen nicht zu Ehe vor oder mit beiden Augen daß die beiden korrespondierenden einer neuen Summe verschmelzen. meine eigene Auffassung der in diesem Fall vorlie- genden Sachlage auseinandersetze, möchte ich die äußerst interessante Auffassung Herings hier wörtlich der ich mich in bezug darauf, daß keine wiedergeben, Fusion der beiden Activity of correspondiug retinal Points. British Journal of Psychology. Vol. I, 1 , Jan. 1904.
Die Originalempfindungen. 88 korrespondierenden Empfindungen während schließe, allerdings zur Charakterisierung ich Bewußtseinsvorgänge vollkommen an- eintritt, in diesem Falle aus später der zu erör- ternden Gründen nicht die Bezeichnung Wettstreit, sondern Bezeichnung Deckung der Empfindungen, Homophonie, die Hering gebrauchen möchte. Blatt Papier »Brechen wir ein weißes sagt: der Mittellinie rechtwinklig in um und halten gegen das Licht, daß nur die eine Hälfte volle Be- so es ^ leuchtung erhält, während die andere beschattet ist, bringen sodann durch Schielen beide Hälften zur scheinbaren Deckung, so tritt ein Wettstreit zwischen dem helleren und dunkleren Weiß ein. Machen wir nun allmählich den Knickungswinkel immer stumpfer, so wird die Energie des Wettstreites scheinbar immer geringer, je geringer die Helligkeitsdifferenz beider Papierhälfteu wird, und schließlich hört der Wettstreit schein- bar Aber auf. es wäre ungerechtfertigt anzunehmen, daß wirklich aufhört. Netzhäute auch Wir sehen also, nahverwandten Lichtqualitäten bei benachbarten »Intensitätsgraden«) bestehen er selbstverständlich warum nicht sollte er plötzlich gleich werden? so sehr in aufhören, bleibt, die wenn (oder wenngleich Augen springt; die beiden Farben Alles weist vielmehr darauf hin, daß auch gleiche Farben dem Augen Weiß, so Wettstreite unterliegen. siegt vielleicht bald das der anderen Netzhaut.« (a. a. er daß der Wettstreit der 0. S. 313) spricht bald das An Bieten wir beiden Weiß der einen, einer anderen Stelle dann noch Hering die für die Erregung »Durch den Wettstreit der Netzhäute wird die Fusion beider Netzhautbilder verhindert, und jedes derselben gleicher Deckstellenpaare allgemein gültigen Sätze aus 1 S. 309. E. Hering, Beiträge zur Physiologie. 5. Heft. : Leipzig 1864.
Homophonie und Empfindungsdifferentiale. 89 bewahrt eine gewisse Selbständigkeit. Da beide Bilder in dem gemeinsamen Eaume, der ihnen angewiesen ist, nicht gleichzeitig auftreten können, so denselben, und abwechselnd mehr das andere in kämpfen tritt den Sehraum Den Ausführungen Herings in sie miteinander um bald mehr das eine, bald ein.« bezug auf das Selbständig- bleiben, das Ausbleiben einer eigentlichen Fusion der beiden durchaus an. Netzhautbilder schließe ich mich, wie gesagt, Auch seine Ausführungen, den Wettstreit betreffend, enthalten Nur habe meiner Ansieht nach einen durchaus richtigen Kern. ich dabei einen Vorbehalt zu machen: Diese Auffassung wenn man nicht völlig zutreffend, ist unter "Wettstreit nur einen Antagonismus bzw. eine absolute Verdrängung, nicht auch eine gegenseitige Verstärkung der beiden korrespondierenden Empfindungen man den Sie versteht. nicht also Wettstreit folgendermaßen auffaßt: und Empfindung L werden in ist R Y2R verhält L, oder V4 sich ^ die Sache, R und müssen Dann ist nur die 3/4R+1/4L, oder L oder L allein auftritt. So wie man nachweisen kann, nicht. Möglichkeit, daß entweder 1/2 wenn Empfiodung gleichzeitig ausgelöst demselben Empfindungsfeld auftreten. 4- haltbar, + allein oder ^/4 Ich weiß nicht, ob sie sich beim typischen sogenannten Wettstreit so bezweifle es sogar. verhält, sich aber nicht so in den Fällen, in Jedenfalls verhält sie denen ich von Homo- phonie der korrespondierenden Empfindungen spreche. Allerdings summieren sich auch im Falle, daß die Rechtsempfindung von der Linksempfindung unmittelbar nicht zu unterscheiden nicht, in ist, die korrespondierenden Empfindungen weder im Sinne einer gewöhnlichen Addition, noch auch einem insoweit abgeschwächteren Grade, wie er etwa durch eine der Fechnerschen ähnliche Formel auszudrücken wäre. Eine
Die Originalempfindungen. 90 gewisse gegenseitige Beeinflussung nach der positiven Seite hin ist aber unverkennbar, und so minimal dieselbe für gewöhnlich auch ist, so ist sie, ganz gleich, ob groß oder klein, doch mit der Auffassung von bloßer gegenseitiger Verdrängung unver- Wir werden übrigens einbar. im Kapitel über und dann noch gleich unten mnemische Homophonie Verhältnisse die kennen lernen, unter denen die gegenseitige Beeinflussung In jenen später zu bespre- über das Minimale hinausgeht. chenden Fällen beruht dies auf der großen Zahl der selben Empfindungsfeldern zusammentretenden (mnemischen) An gegenwärtiger Empfindungen. in den- aber, Stelle an der wir uns mit originalen Gesichtsempfindungen beschäftigen, deren immer nur in zwei, eine rechte und eine korrespondierende linke demselben Felde zusammentreten können, kann ein kräftiger positiver Ausschlag dieses Zusammentretens nur einem in wenn im vollkommenen Dunkeladaptation beider Augen Ausnahmefall, nämlich dann beobachtet werden, Zustande der Wie experimentiert wird. man sieht ich schon erwähnt habe, oben mit zwei Augen bei Helladaptation doch nur ganz außerordentlich wenig heller Anders verhält Auge. nicht mit einem als sich bei vorgeschrittener es oder Dunkel- adaptation, das heißt nach Dunkelaufenthalt von etwa zwanzig Minuten. adaptation J. H. Piper eine ^ fand, daß bei vollkommener Dunkel- entsprechend erheblich heller erscheint, statt beleuchtete wenn man bloß mit einem betrachtet. die objektive Beleuchtung um sie Milchglasscheibe mit beiden Durchschnittlich das 1,6 — 1,7 fache Augen muß man verstärken, damit eine solche Milchglasscheibe uniokular gesehen ebenso 1 H. Piper, Helligkeitsverliältnis gelöster Lichtempfindungen. organe. 32. Bd. 1903. Zeitschr. monokular und binokular ausf. Psych, u. Phys. d. Sinnes-
Homophonie und hell erscheint wie Empfindungsdifferentiale. 91 eine vorher binokular gesehene einfach dem sich eine Gesichts- beleuchtete Scheibe. Hier haben wir also einen Fall, in empfindung durch Hinzutreten einer anderen qualitativ vollkom- men ähnlichen, aber von einer korrespondierenden Stelle her ausgelösten Gesichtsempfindung in ausgesprochener Weise ver- Und zwar wird ändert. sie nach der positiven Seite, das heißt der Seite nicht ihres Verschwindens, Nullwerdens, sondern des stärker Merklichwerdens hin verschoben. Freilich ist dies ein dem das Unterscheidungs- Fall ganz besonderer Art, ein Fall, in vermögen für minimalste Difi^erenzen spielloser Weise geschärft anderen Untersuchung i, ist. Denn Piper fand bei einer daß das vollkommen dunkel adap- Auge noch Beleuchtungen wahrzunehmen vermag, tierte zum mindesten um das 1400fache, aber von Helligkeiten in bei- um bei einzelnen Individuen das 8300 fache schwächer sind, gut hell adaptierten Übrigens fand als sie von dem Auge eben noch wahrgenommen werden. auch Sherrington^ bei seinen Flimmer- daß zwar eine Verschmelzung der experimenten, die alternie- renden oder auch sich teilweise überdeckenden korrespondierenden Empfindungen nicht eintritt, daß aber eine gewisse, allerdings äußerst geringe Beeinflussung daraus hervorgeht, daß der Flimmer bei alternierender Reizung rechts und schon bei einem ein ganz klein wenig laugsameren links Wechsel von Hell und Dunkel verschwindet, Augen gleichzeitig in gleicher als wenn beide Weise gereizt werden. Beim Zusammentreten korrespondierender Gehörsempfindungen liegen 1 die H. Piper, Über Dunkeladaptation. der Sinnesorgane. 2 Dinge im wesentlichen ganz ebenso wie a. a. 0. S. 59. 31. Bd. 1903. Zeitschrift S. 190. f. Psych, u. Phys.
Die Oiiginalempfindungen. 92 Zwar den Gesichtsempfindungen. bei in einer Beziehung Zwei korrespondierende Ge- herrscht hier ein Unterschied. hörsempfindungen sind für das unmittelbare Bewußtsein nicht in dem Maße ununterscheidbar wie zwei korrespondierende Gesichts- oder entsprechende Geruchsempfindungen. Ich er- Daß auch sie nicht Homogenem zusammen- erinnere an das darüber S. 84 Gesagte. bei simultaner Auslösung zu etwas sondern daß jedenfalls die Erregungen, deren Mani- fließen, festationen jene Empfindungen sind, ihre Selbständigkeit be- wahren, geht daraus hervor, daß das gegenseitige Verhältnis ihrer Intensitäten eine besondere Komponente in ihrer Empfindungsmanifestation bestimmten Schallrichtuug darstellt. die Rechtserregung stärker ist als als ergibt, die sich Wahrnehmung Und zwar so, daß wenn die Linkserregung, sich dies durch die Zusatzempfindung manifestiert: der Schall von ist, rechts. Wenn einfache in Anbetracht Substraktion Empfindung kommt das Verhältnis der Erregungen umgekehrt durch die Zusatzempfindung: der Schall Wie aber wäre einer der davon, kommt von schwächeren von der stärkeren stattfindet, eine solche genaue Abwägung, Diffe- renzierung der beiden von korrespondierenden Stellen gelösten Erregungen stattfände? wenn möglich, Es leuchtet links. daß nicht etwa eine ein, eine aus- Fusion derselben daß für diese Differenzierung das Selbständigbleiben der beiden Erregungen Vorbedingung ist. In bezug auf das Selbständigbleiben verhalten sich also zwei von korrespondierenden Stellen der Gehörorgane ausgelöste Erregungen gungen ; genau wie entsprechende Gesichtserre- wie aber steht es mit einer gegenseitigen Beeinflus- sung der beiderseitig ausgelösten Tonerregungen? wie sie bei sich Ebenso den entsprechenden Gesichtsempfindungen können zusammen nur in ein und denselben Empfindungs-
Homophonie und Empfindungsdifferentiale. feldern unten noch ausführlich zurückkommen. Summieren ist nun sich zusam- in dieser einen Manifestation die beiden in ein Feld mengedrängten Empfindungen, oder wir auf die eine Eigentümlichkeit, manifestieren, 93 ihr Zusammentreten, das Vorhandensein zweier unverschmolzener Erregungen statt Bedeutung? Beim Ge- bloß einer, sichtssinn die andere jahen ohne jede überhaupt daß weder die eine noch haben wir gesehen, zu be- der beiden eben gestellten Alternativen ist. Daß auch beim Gehörsinn von einer eigentlichen Summa- der beiden in einem Feld zusammentretenden Empfin- tion in irgend dungen oder auch bloß einer Intensitätssteigerung welchem erheblichen Maße keine Rede sein kann, darf feststehend als Stumpft, der den Gegen- angenommen werden. stand sehr genau mittels verschiedener Methoden untersucht konnte durchaus keine Verstärkung, (ebensowenig eine hat, Schwächung) der Intensität der Empfindung wahrnehmen, wenn er denselben übermerklichen Tonreiz auf beide auf ein Ohr einwirken ließ. Ohren Auch konnten weder er statt nur noch ver- schiedene andere geschulte Untersucher, die mit ihm arbeiteten, unterscheiden, daß derselbe Reiz, der grade unter der Schwelle der Merklichkeit für je ein liegt, Ohr jedem der beiden Ohren simultan zugeleitet, also zwei korrespondierende Empfindungen auslösend, übermerklich wird. Das Gegenteil war von Tarchanow (Petersb. med. Wochenschr. 1878, No. 43) und Preyer (Sitzungsber. d. Jen. Ges. f. Med. u. Naturw. 1879) be- hauptet worden, die sich überzeugt zu haben glaubten, daß ein Ohr eben untermerkliche Schalleindrücke bei dio- für tischem Hören über 1 gehoben würden. Schwelle immerhin die C. Stumpf, Tonpsychologie. Bd. Stumpf hier läßt die Möglichkeit 2. 1890. S. Doch einer Unter- 430-439.
Die Originalempfindungen. 94 Stützung des einen Ohrs durch das andere bei der Schwellentiberschreitung offen. Meiner Ansicht nach kann es einerseits keinem Zweifel unterliegen, daß irgend eine erheblichere Intensitätssteigerung der Empfindungsmanifestation bei dem Zusammentreten zweier korrespondierender Gehörserregungen nicht daß stattfindet, aber andrerseits diese diotische Empfindung der rechten oder der linken monotischen Empfindung nicht einfach gleich ist (ganz abgesehen von der Verschiedenheit der Zusatzempfin- dung der Schallrichtung beim monotischen und diotischen Hören). Die Dinge liegen hier genau ebenso wie beim Zusammentreten zweier einem Felde. korrespondierender Gesichtsempfindungen in Eine irgendwie erhebliche Steigerung der so- genannten »Intensität« der zutage tretenden Empfindung fin- det im Vergleich zu der Empfindungsmanifestation bei einseitiger Auslösung nicht statt. Aber ebensowenig wie der Erregungszustand des Organismus bei einseitiger und doppelseitiger Ausbildung ein identischer ist, ebensowenig, trotz größter Ähnlichkeit, sind die Empfindungsmanifestationen beider Zustände identische. doppelseitigen Auslösung nachweisen läßt, betrifft Die Veränderung, die sich bei der an der Empfindungsmanifestation aber viel weniger die Intensität im engeren Sinne, worunter wir die Eigenschaft der Empfindungen verstehen wollen, die in einem bestimmten Verhältnis mit der Eeizgröße wechselt, als eine andere, mit dieser Intensität zwar in einem gewissen Zusammenhang stehende, aber nicht mit ihridentischeEigenschaft:ihreLebhaftigkeitoderVividität. Wie wir im folgenden Teil des Buches bei der Gegenüber- stellung der mnemischen und der Originalempfindungen noch näher sehen werden, gibt es Gründe, die eine solche Unterschei-
Homophonie nnd Empfindungsdiiferentiale. dung unbedingt nötig machen. An dieser man daran erinnern, daß Rascheln, das zeitig ein als kaum ein Geräusch, 95 nur Stelle will ich ein Knistern oder hörbare Knabbern einer Maus, gleich- sehr leises und dabei doch sehr deutliches, einen lebhaften Eindruck machendes, empfinden kann. Das- selbe läßt sich für fast alle Sinnesgebiete ausführen. Zwar gehen Intensität im engeren Sinne und Vividität sehr häufig, Hand wir können sogar sagen in der Regel, in Hand; aber andrerseits besitzen sie doch, wie unten noch ausführlich dar- gelegt werden Am eine gewisse Unabhängigkeit voneinander. soll, deutlichsten tritt mischen Empfindungen die uns Fälle zur Homophonie der mne- dies bei der unten 14. (vgl. Verfügung stellt, — 16. Kapitel) zutage, bei denen nicht bloß zwei korrespondierende Empfindungen in dasselbe Feld zusammen- beim binokularen Sehen oder dem gedrängt werden, wie Hören, diotischen Hunderte sondern Empfindungen, und wo änderung ihrer ebenfalls nur Empfindungsmanifestation nun liegt Dem von dadurch eine viel entsprechenden greifbarere Ver- in der Einzahl hervortretenden erzielt wird. Diese Veränderung im wesentlichen auf der Seite der entspricht übrigens auch, was ich Vividität. an mir selbst beim Vergleich des monotischen mit dem diotischen Hören beobachte!. Entferne ich, während ich einem median vor mir erzeugten Ton lausche, die mein linkes Ohr verstopfende Antiphonkugel, so ändert sich einmal die empfundene Schallrichtung : Sie wandert von rechts in die Medianebene. Gleich- zeitig empfinde ich aber noch eine andere Veränderung, ich möchte sagen, die Eindringlichkeit der Tonwahrnehmung betrifft. 1 man die, Der Ton wird nicht lauter, aber sozusagen reicher, Unerläßliche Bedingung für solche Versuche mit beiden Ohren gleich gut hört. ist natürlich, daß
Diß Originalempfindungen. 96 spricht er Wort mich stärker an, ich einem empfinde ihn mit wenn Ahnlich ergeht es mir, lebhafter. ich bei einem telephonischen Gespräch an jedes Ohr ein Schallrohr lege. Auch dann höre ich zwar nicht lebhafter und zwar auch dann, anstelle, während um mich lauter, aber eindringlicher, wenn absolute den Vergleich ich Stille zweite Schallrohr also nicht etwa bloß herrscht, das dazu dient, fremde Geräusche abzusperren. Wie mir, geht es übrigens der über- wiegenden Mehrzahl der Mtinchener Bevölkerung, die das zweite Schallrohr, das die MUnchener Postbehörde ihr ent- zogen hat, schmerzlich vermißt, ohne deshalb zu behaupten, daß dadurch ein Manko zunehmen in der Lautheit des Gehörten wahr- sei. Eine ganz ähnliche Wahrnehmung liegt übrigens in bezug auf das binokulare Sehen der bei einer ganz anderen Gelegenheit gemachten Bemerkung Herings^ zugrunde, daß im dem einäugig Gesehenen »das doppeläugig Gesehene aber sich ceteris paribus stets lebhafter ins Bewußtsein drängt.« Vergleich zu Die stärksten Ausschläge in dieser Richtung habe ich bei den Geruchsprüfungen gefunden, die ich vorgenommen habe. Meine Frau, besitzt, als die einen weniger rudimentären Geruchsinn man ihn gewöhnlich anzutreffen nicht zu unterscheiden, ob ein Geruch ihr pflegt, vermag zwar durch die rechte oder die linke Nasenöffnung oder durch beide zugeführt wird. Führt man ihn ihr aber erst einseitig und gleich darauf beiderseitig zu, so nimmt sie unfehlbar eine Veränderung nach der Seite der größeren Fülle der Empfindung hin wahr, ohne daß dabei was man das, 1 als Konzentration des Geruchs E. Hering, Beiträge zur Physiologie. 2. Heft. beschreiben 1862. S. 93.
Homophonie und Empfindungsdifferentiale. und als (vgl. oben eigentliche zunähme bezeichnen würde, Intensität S. 85). Das Ergebnis unserer Untersuchungen zwei 97 wir bei (wie ist folgendes: den mnemischen Empfindungen Wenn sehen werden, auch mehr als zwei) bei unmittelbarer Vergleichung nicht oder kaum unterscheidbare, von verschiedenen Stellen her ausgelöste Empfindungen in denselben Empfindungsfeldern zusammentreten, so läßt sich nachweisen, daß, von der Erregungsseite keine Verschmelzung der ent- her betrachtet, sprechenden Erregungen stattfindet, sondern jede Erregung bis zu einem gewissen Grade ihre Selbständigkeit bewahrt. Zwar besitzen diesen Umständen zusammen nur manifestation. beiden alle Wir dürfen aber Empfindungsmanifestation Einzelempfindungen. eine einzige Empfindungs- Verschmelzungsprodukt der würde erstens in der Einleitung entwickelten unter andrerseits nicht sagen, diese sei ein Denn mehr) Erregungen (oder dies ganz unserer Auffassung von dem Verhältnis der Erregung zu ihrer Empfindungsmanifestation widersprechen und hätte nur dann einen Sinn, wenn man beides für getrennte Vorgänge, nicht für denselben Standpunkten aus betrachteten Vorgang also wirklich Falle die zu der beiden von verschiedenen Wären wir hielte. Annahme gezwungen, daß Empfindungen in »verschmolzen« diesem seien, so müssten wir unsere oben entwickelte Auffassung von der Nichtverschmelzuug der durch unbedingt korrigieren. uns aber keineswegs. meiner Ansicht nach sie manifestierten Erregungen In dieser Zwangslage befinden wir Denn eine die ganze Schwierigkeit findet völlig befriedigende wenn wir von der beim binokularen Sehen (bei Lösung, Kreuzung der Augenachsen oder Benutzung eines Stereoskops) direkt zu machenden Beobachtung ausgehen, daß korrespondierend Semon, Mneine. II. 7
Die Originalempfindungen. 98 ausgelöste Empfindungskomplexe einander buchstäblich über- decken, und daraus die Anschauung ableiten, daß ganz denen verschiedenartig ausgelöste in allen Fällen, in gemein Empfindungen in dasselbe Empfindungsfeld zusammengedrängt werden, eine gegenseitige Deckung Zu dieser all- Annahme und stattfindet. nicht zu der Annahme einer blo- ßen Verdrängung der einen Empfindung durch die andere sind wir deshalb gezwungen, weil bei einer solchen einfachen Verdrängung die resultierende Empfindungsmanifestation nicht im Vergleich zu den einzelneu Komponenten eine gewisse Verstärkung zeigen Eine solche aber läßt dürfte. kaum wir gesehen haben, zwar ausgesprochenermaßen aber in in bezug auf die sich, wie Intensität; bezug auf die Vividität nach- weisen. Aus allem dem geht hervor, daß als eine Deckung besten der Empfindungen in demselben Emp- beschreibt findungsfelde bildlicht. oder, oben von uns mau wenn will, versinn- diesen Zustand als Empfindungs- Ich bezeichne deckung oder in diesen Fällen ein man wohl am Zustand besonderer Art vorliegt, den Homophonie der Empfindungen. In den besprochenen Fällen handelte es sich um Homo- phonie von zwei Originalempfindungen, bzw. bei Betrachtung von der Erregungsseite her ginalerregungen. Erregungen Einleitung um die Denn auch von Homophonie zweier einer zu sprechen, sind wir auf Grund der in der entwickelten Auffassungen gehe ich auf diese Seite der Frage Untersuchung nicht näher ein; derselben, die auch in der vorgenommen worden lassen bleiben. Ori- Homophonie der ist, berechtigt. in die weitere »Mneme« noch muß der Jedoch vorliegenden Durcharbeitung nicht erschöpfend vielmehr der Zukunft über-
Homophonie und Empfindungsdifferentiale. In der >Mneme« habe ich 99 den Vorgang, den ich als Homo- phonie bezeichne, besonders im siebenten Kapitel behandelt. Damals, als Werk ich jenes niederschrieb (1. Aufl. 1904), kannte ich bloß eine Homophonie zwischen einer Original- empfindung einerseits und einer oder mehreren mnemischen Empfindungen andrerseits, oder aber zwischen mne- lauter mischen Empfindungen. Dagegen hatte ich damals noch nicht erkannt, daß sich auch zwei korrespondierende Originalemp- findungen (binokulares Sehen, diotisches Hören) oder auch zahlreichere Originalempfindungen (von verschiedenen Stellen der Regio olfactoria ausgelöste Empfindungen) im Zustande Homophonie befinden können. der Erst später ist mir das Wesensgleiche innerhalb dieser verschiedenen Vorgänge klar geworden. Das Studium der Homophonie von Originalempfindungen genauerer experi- ist menteller Prüfung zugänglich und ergänzt dadurch in höchst willkommener Weise Homophonie, die unsere ihrerseits in Auffassung anderen Beziehungen vielen auf dunkle Seiten der ersteren Licht wirft. hält man erst durch sie mnemischen der Besonders er- den rechten Einblick in die bei der Homophonie von Originalempfindungen nur sehr schwer nachweisbare Steigerung der Vividität. Zum Schluß dieses Kapitels haben wir noch die Frage zu erörtern, wie sich das Vorhandensein kleiner partieller Verschiedenheiten innerhalb zweier zur Homophonie gelan- Denn das dürfen wir genden Empfindungskomplexe äußert. nicht vergessen, daß es sich auch bei der Homophonie um Einzelemp- der Kürze halber ge- mäßig um Empfindungskomplexe und nicht findungen handelt, wenn wir auch wöhnlich schlechtweg von Empfindungen reden. Deckungsvorgange der Homophonie regel- ist Bei dem eine besonders gün-
^i® Originalempfindungen. 100 Gelegenheit stige einzelnen Teilen der heben. Auch kann Komplexe Im kleine als Abweichungen in sich scharf gegeneinander ab- sich der eine komplex von dem anderen sitätsverhältnissen daß gegeben, homophone Empfiudungs- Ganzes z. B. in seinen Inten- Lautheit usw.) unterscheiden. (Helligkeit, folgenden Teil des vorliegenden Buchs werde ich bei Be- sprechung des viel weiteren Gebiets der mnemischen Homophonie diejenige Erscheinungsform der Empfindungsdeckung, bei der eine solche Unterscheidung zierende Homophonie von der stattfindet, differen- als nicht differenzierenden Homo- phonie unterscheiden. Die Homophonie von Originalempfindungen, wie sie uns beim binokularen Sehen und dem diotischen Hören entgegentritt, ist nun in der Regel mit einer Differenzierung ver- bunden, während eine solche beim Riechen, soweit ich sehe, in keiner Weise hervorzutreten Ohren bedingt scheint. Die Stellung unserer für alle Töne, die nicht von der Medianebene aus zu uns gelangen, einelutensitätsverschiedenheit der rechten und der linken homophonen Tonempfindungen. sind rechte und linke Hörempfindung auch Übrigens bei völliger Gleich- artigkeit der auslösenden Reize von vornherein durch eine Zusatzempfindung merklich so daß, Reizung verschieden (vgl. oben S. 84), wie wir gleich sehen werden, auch bei medianer eine Differenzierung Stellung der beiden erfolgt. Die verschiedene Augen den Objekten der Seh Wahrneh- mung, das heißt, den gemeinschaftlichen Reizen gegenüber, bewirkt eine in manchen Details gleiche, in anderen aber abweichende Auslösung der zur Homophonie gelangenden rechten und linken Gesichtsempfindung, und damit besonders Abweichungen der, während in den Konturen der beiden homophonen Bil- gleichzeitig innerhalb der größeren Flächen
Homophonie und in gewisser Ausdehnung Empfindungsdiflferentiale. 101 keinerlei derartige Ungleichheit zu herrschen braucht. Das Ergebnis zu der einer solchen Unterscheidung, soweit es in Empfindung zum Ausdruck gelangt, die einer besonderen homophonen Grundempfindung als sich besondere eine Eigentümlichkeit, ein besonderer Zusatz hinzufügt, bezeichne ich als Empfindungsdifferential. Wirkung antagonistische der In ihm kommt Verschiedenheit Komponenten zum Ausdruck; man kann es beiden der als die Funktion dieses ihres Gegensatzes auffassen. Das braucht dabei Empfindungsdifi'erential in der Art, wie es sich im Bewußtsein manifestiert, kurz gesagt, in seinem Inhalt nichts von dieser Eutstehungsweise zu verraten, dies auch in der Regel nicht oder in einer und tut nur mittelbar er- So schließbareu, nicht unmittelbar hervortretenden geschieht es, daß das Empfindungsdifferential der Intensi- Weise. täten zweier korrespondierender Hörempfindungen sich als Empfindung der Schallrichtung, das Empfindungsdifferential zweier Komplexe von korrespondierenden Gesichtsempfin- dimgen, die in ihren Konturen ein wenig gegeneinander ver- schoben sind, als Niveauempfindung zum Ausdruck kommt. Eine ähnliche, ich möchte sagen, übertragene Sprache der Empfindungsdifferentiale werden wir auch noch unten bei der muemischen Homophonie kennen Beim diotischen Hören lernen. übertrifft, wie erwähnt, bei allen Tonempfindungen, deren Reize rechts von der Medianebene ausgehen, die rechte Intensität; bei allen homophone Empfindung die linke an Tonempfindungen, deren Reizquelle links von der Medianebene liegt, ist dies umgekehrt. Auf Grund der Intensitätsdifferenz der rechten und der linken Empfin- dung wird nun bei der Homophonie der beiden ein Empfin-
I^iß 102 OriginalempfinduDgen. wie schon erwähnt, dungsdifferential gebildet, das sich, homophonen Grundempfindung die der als zugesellte, ein beson- deres Attribut derselben bildende Schallrichtung manifestiert. Ist die Intensität der Rechtsempfindung die überwiegende, so das Resultat der Differenzierung in lautet dungsausdruck: der Schall kommt von Intensität der Linksempfindung, links kommend empfunden. seinem Empfin- Überwiegt die rechts. so wird der Schall Halten sich beide Intensitäten genau die Wage, so wird die Richtung des Schalls neutrale Region, in von als diesem Falle ist es die eine in Medianebene, i. verlegt Auf einen möglichen Einwand eingehen. Man ich will hier noch kurz könnte auf den Gedanken kommen, daß die Empfindung der stärkeren Schallrichtuug auf der Wahrneh- mung der stärkeren Reizung des einen Ohrs, etwa im Sinne einer Organempfindung beruhen und mit der eigentlichen Tonempfindung nichts oder doch nur etwas zu tun haben könnte. Die Wahrnehmung, als der daß das in Sekundärer Weise Davon kann keine Rede eine Ohr sein. stärker gereizt sei das andere, kann doch nur auf Grund einer Vergleichuug Wirkung dieser Reizungen, d. h. der Erregungen lösten erfolgen. Diese von ihnen ausge- Erregungen sind aber 1 Nur die Lokalisationcn nach rechta, links und in die Medianebene erfolgen auf Grund der differenzierenden Homophonie der beiden korrespondierenden Gehörsempfindungen. Sie sind aber auch die einzigen Lokalisationen, die von normal Hörenden stets mit unbedingter Sicherheit und Richtigkeit vorgenommen werden. Die Lokalisationen nach oben, unten, vorn und hinten erfolgen nicht auf diesem Wege, es sei denn, daß man jene Richtungen durch Drehen des Kopfes in rechts und links verwandelt. Wird dieses Hilfsmittel aber ausgeschlossen, so werden die betreffenden Urteile höchst unzuverlässig gegeben. Handb. d. und werden wohl nur auf Grund mittelbarer Kriterien abdarüber K. L. Schäfer, Gehörssinn, Physiol 3. Bd. 1904. Vgl. S. 578 in Nagels
Homophonie und Empfindangsdifferentiale. nicht Erregungen im sondern allgemeinen, in 103 jedem Fall ganz bestimmte und zwar akustische Erregungen, Er- d. h. regungen, die sich durch bestimmte Gehörsempfindungen manifestieren. die wir Dies sind die einzigen Empfindungsmanifestationen, beim gewöhnlichen, nicht schmerzhaften Hören über- Denn wir haupt haben. hören, ohne das Organ, mit dem dies geschieht, als solches mitzuempfinden (vgl. S. 56). Dar- aus ergibt sich aber, daß die Schallrichtung ein Empfindungsdifferential stischen das bei der Vergleichung lediglich der aku- ist, Empfindungen Ich wende die bei der selbst gebildet wird. mich nun zu den Empfindungsdifferentialen, Homophonie des binokularen Sehens entstehen, und zwar zunächst zu dem Empfindungsdifferential, das in einer Tiefenempfindung ausdrückt, und genetisch, bezug auf die Reizauslösung, sich d. h. in auf eine kleine Inkongruenz gewisser Konturen der beiderseitig gebotenen Bilder zurück- Wie schon erwähnt, zuführen ist. für nicht alle ist eine solche Inkongruenz zu fernen Sehobjekte durch die 60 — 70 mm voneinander entfernte Stellung unserer beiden Augen bedingt. dem rechten und dem linken Auge kommt ein Empfindungsdifferential und demgemäß fehlen Tiefenempfindungen, auf ganz anderem Wege entstehen, näm- Bei völliger Gleichheit der für sich gebotenen Bilder nicht zustande, sie falls lich als nicht mnemische Empfindungen. Diese letzteren gelangen auf Grund erworbener Erfahrungen über die Verteilung von Licht und Schatten, über Luftperspektive usw. aus handenen Engrammschatz zur Ekphorie. erst im folgenden Teil Auge wenn man betrachtet. vor- Wir gehen auf sie ein. Ein fernes Gebirge erscheint plastischer, dem es z. B. nicht im geringsten mit beiden statt bloß mit einem Die Reliefwirkung hängt hier lediglich von
Die Originalempfindungen. 104 der Verteilung von Licht und Schatten ab und verschwindet ganz bei einem Stande der Sonne (nahe dem Zenith), fast dem bei gleichmäßig von oben beleuchtet wird^. alles Zum Studium der Tiefenempfindung empfindung, reine Original- als als Empfindungsdiflferential bei der d. h. Homo- phonie zweier korrespondierender Originalempfindungen, eignen sich, eben wegen des vollkommenen Ausschlusses aller mne- mischen Beimengungen, in hohem Grade zwei lineare, in ihren Konturen nicht seitlichen kongruente Zeichnungen, von völlig denen die eine dem rechten, die andere dem linken Auge geboten, und durch Kreuzen entweder die der Sehachsen (Schielen) oder mittels eines Apparats (Stereoskop, Haplo- skop) zur homophonen Deckung gebracht werden. Auf den Figuren je S. 105 ist in jeder der drei ersten Eeihen Deckung zu bringendes Bildpaar gegeben. ein zur Die Eeihen unterscheiden sich dadurch voneinander, daß in der ersten und den beiden Augen die nahezu identischen Bilder Ä', in zweiten der das Bild Ä dem linken, Ä dem rechten Bilder der ersten Reihe zur Deckung, Auge geboten Lage von völligen Gleichheit der rechterseits bei der und wird. linkerseits — Bringt B dem man die rechten Auge, in der dritten Reihe umgekehrt Ä dem linken, beiden so entsteht bei der Kreis, Quadrat in B und Punkt bezug auf diese Elemente Deckung kein EmpfindungsdifFerential und keine Tiefenwahrnehmung. und links nicht Die Dreiecke dagegen besitzen rechts völlig gleiche Lage zu ihrer Umgebung. Dieser zunächst unbeabsichtigt entstandene Zeichenfehler so gering, daß man ihn beim bloßen ist Neben einanderbetrachten der beiden Figuren nicht wahrnehmen kann, und daß ein 1 Vgl. darüber E. Leipzig 1861. S. 77. Hering, Beiträae zur Physiologie. 1. Heft.
Homophonie und Empfindungedifferentiale. 105 B Ä B Ä+B
Die Originalempfincluügen. 106 worum der wußte, sehr geübter Zeichner, es sich handelt, und Zirkel und Maßstab gewissenhaft benutzt ganz zu vermeiden imstande war. hat, ihn nicht So empfindlich sind nun Homo- unsere Augen für diese minimale Dififerenz bei der phonie, daß bei stereoskopisclier Betrachtung das Dreieck in ausgesprochener Weise hinter Kreis, Quadrat, Punkt zu liegen kommt. Bekanntlich Differenzierung ist in homophonen dieser Feinheit der um nach Dove ein Mittel gegeben, echte Banknoten von den vollendetsten Nachahmungen auf den ersten Blick zu unterscheiden. Viel ausgesprochener sind natürlich die Ausschläge der Differenzierung und viel bedeutender die wenn Tiefenunterschiede, in den zur um binokularen Bild der wahrgenommenen größere Unterschiede Deckung gebrachten Bildern man im blickt es sich handelt. diesem das Dreieck und Das binokulare am am noch Bild, das sich aus der viel weiter hinter Deckung der beiden Figuren der dritten Reihe ergibt, enthält genau der Komponenten entspricht ein an die in näch- fernsten den Punkt. Elemente wie das der zweiten Reihe. Dem er- zweiten Reihe den äußeren Kreis in einer Ebene, die dem Beschauer sten liegt, weit dahinter das Quadrat, So Nur beiden Augen ist dieselben die Verteilung eine umgekehrte. seinem Empfindungsausdruck direkt umgekehrtes Empfindungsdifferential. Im binokularen der dritten Reihe wird der äußere Kreis in der zurückliegenden, der Punkt in der am Bild weitesten dem Beschauer nächsten Ebene empfunden. In der vierten Reihe unserer Figur habe ich eine Konstruktion A und sieht B gegeben., wie sie entsteht, wenn man die Bilder durch Aufeinanderpausen zur Deckung bringt. Man auf dieser Konstruktion sozusagen den Elementarzustand
Homophonie und bei dieser wird zwar realisiert, Erapfindungsdifferentiale. Homophonie. differenzierenden als solcher bei der d. h. in wegs eine bloße Fiktion. Dieser Zustand Mehrzahl der Beobachter nicht Weise empfunden, dieser 107 Denn er ist aber keines- diejenigen Beobachter, die im Analysieren stereoskopischer Gesichtseindrücke eine sich besondere Übung erworben haben, sehen bei der binokularen Ä Vereinigung von und B das gemeinsame Bild in einer der Konstruktion der vierten Reihe etwa entsprechenden Weise. So sagt Hering kann jedoch schon »Ich 1; jetzt behaupten, daß ich an feinen stereoskopischen Linearzeichnungen immer die nicht identisch abgebildeten Teile gesondert nehmen kann, und daß die meisten der in den fast wahr- Abhandlungen über stereoskopisches Sehen gegebenen Figuren für mich zur Erzeugung eines stereoskopischen Bildes ganz unbrauchbar sind: immer sehe liche Wanderungen des Blickes verschaffen mir ich das meiste doppelt, skopische Anschauung. Je größer die desto leichter die gesonderte sie absicht- eine stereo- Übung und Wahrnehmung identisch liegenden Eindrücke. unendlich leicht; und nur Vorsicht, der nicht ganz Doppelbilder übersehen ist wahrnehmen unter Umständen außer- ordentlich schwer.« Von der Mehrzahl der Beschauer werden freilich statt der Doppelkonturen, die dadurch entstehen, daß die sich ent- sprechenden Reize im rechten und im linken Auge nicht auf korrespondierende, sondern auf »disparate« Netzhautpunkte treffen, einfache sehen tritt Konturen gesehen, und mit diesem Einfach- gleichzeitig erst der stereoskopische Effekt in seiner vollen Stärke auf. Dieser Vorgang 1 E. Hering-, S. 107. Beiträge zur Vgl. ferner auch 5. aber nur sozusagen ist eine Art Übersetzung des auch schon Physiologie. beim Doppelsehen der 2. Heft, 1864, S. 334 Heft. und 337, Leipzig 1862.
Die Originalempfindungen. 108 Konturen, Hering es beschreibt, vorhandenen Empfin- Avie eine Übersetzung, dungsdifferentials, die, wie wir gesehen, bei sehr geübten Beobachtern und bei Ausschluß jedes Hin- zutretens von mnemischer Tiefenempfindung auch unterbleiben kann K Die Tiefensehschärfe, die Feinheit der Unterscheidung von Inkongruenzen beim homophonen Vergleich der zur Deckung gebrachten Bilder des rechten und linken Auges ordentlich groß; sie ist, ist außer- wie wir schon bei der Erläuterung der ersten Reihe unserer Figuren S. 105 demonstriert haben, weit größer als das, was das Eiuzelauge au Unterscheidung nahe benachbarter Linien und Punkte leistet. Nur unter ganz besonders günstigen Umständen wird beim uniokularen Sehen eine Sehschärfe von 10 differenzierenden Winkelsekunden erreicht. Bei der Homophonie des binokularen Sehakts wer- den dagegen Tiefemmterschiede von 10 Sekunden mit Sicherheit unter fast allen Bedingungen erkannt, und unter den günstigsten Bedingungen keit mit Hilfe geht die Unterscheidungsmöglich- dieses Empfindungsdifferentials bis auf 5 Se- kunden herunter. Noch wichtiger dieser als dieses aber ist die Tatsache, differenzierenden daß bei Homophonie zwischen den Bildern des rechten und denen des linken Auges auf das genaueste unterschieden wird. Beim Sehen ohne Homophonie solche Unterscheidung nicht möglich. ist eine Davon kann man sich sehr schön durch folgenden Versuch an unserer Figur S. 105 1 Übrigens kommen ist das Einfachsehen der Konturen für das Zustande- der Tiefenwahrnehmung gar nicht nötig, sondern auch beim Doppelsehen der Konturen tritt die Tiefenwahrnehmung in gesetzmäßiger, wenn auch nicht so eindringlicher Weise auf vgl. Hering, a. a. 0., f<. 330i.
Homophonie Bringt überzeugen. uucl EinpfimUmgsdifferentiale. mau in 109 zweiten Reihe der Ä und B durch Schielen oder unter Benutzung eines Stereoskops, dessen man einander übermäßig genähert hat, zur Deckung, so sieht man drei Bilder nebeneinander; das mittlere, binokular geOkulare sehene, zeigt stereoskopische Eigenschaften, seine beiden Nach- barn, und links sind uniokular gesehen und wirken rechts Kein Uneingeweihter, den man diesen Versuch flächenhaft. machen läßt, lare Bild mit dem linken kommt dem auf den Gedanken, daß das linke unioku- rechten Auge, das rechte uniokulare Bild mit Auge gesehen Überraschung, wenn wird. Gewöhnlich erregt es große man die Versuchspersonen durch Verdecken bald des einen, bald des anderen Auges während des Versuchs von diesem Tatbestand überzeugt. zipien beruhen übrigens Auf ähnlichen Prin- auch die von den Augenärzten zur Entlarvung der Simulation einseitiger Blindheit konstruierten Brillen. heit, Es gelingt auf diese Weise mit unfehlbarer Sicher- den Uneingeweihten über das Auge, mit dem er wirk- lich sieht, Im erfolgt zu täuschen. Empfindungsdififerential bei der dagegen bei jedermann die Unterscheidung mit un- trüglicher Sicherheit, gleichung des was ist sich ohne weiteres durch die Ver- umgekehrten Reihe 2 und Reihe 3 auf Es homophonen Deckung S. selbstverständlich, stereoskopischen 105 die wir als liefert von ergibt. daß wir Tiefenwahrnehmuug hier nur soweit uns ein Beispiel Effekts die Lehre von der erörtert haben, als sie für die allgemeine Gesetzmäßigkeit, Empiiudungsdeckung (Homophonie) und Bildung von Empfindungsdifferentialen bezeichnet haben, ein Beispiel der und zwar Bildung eines Empfinduugsdifferentials zwi- schen zwei Originalempfindungeu. Darüber hinaus, in das ebenso interessante wie schwierige Problem des binokularen
Die Originalempfindungen. 110 einzudringen Tiefensehens i, verbietet von unserem eigentlichen Thema. FUr sich Abweg ein als letzteres genügt glück- licherweise die Darstellung in der von uns gewählten Form innerhalb der von uns gezogenen Grenzen, die eine Ausschei- dung aller hypothetischen Beimengungen gestattet. Das Empfindungsdifferential der Tiefenempfindung kommt, wie wir sahen, zustande, wenn dem rechten und linken Auge bei homophonem Sehen turen geboten wird. differential keiten eine teilweise Inkongruenz der Ein anders beschaffenes Empfindungs- beim binokularen Sehen der dem rechten Bilder wesentlich betrifft also, Kon- entsteht, wenn die Hellig- und dem linken Auge gebotenen verschieden sind. Diese Differenzierung ganz ähnlich wie wir dies auf akustischem Ge- der Besprechung des Empfindungsdifferentials der biet bei Schallrichtung kennen gelernt haben, die Intensitäten der beiden Empfindungen. Der Empfindungsausdruck dieses Empfindungsdifferentials ist freilich auf optischem Gebiet wieder ein ganz eigenartiger; er besteht in einer eigentümlichen Organempfin- dung auf tensive Seiten desjenigen Auges, von dem die weniger (minder helle oder sonst minderwertige schwommenere) Empfindung ausgelöst worden und Brückner 2, 1 Vgl. hier in die diese erster Linie die klassischen ferner »Die Lehre und >Der Raumsinn und die Handb. d. Physiologie, Bd. III, Lehre von Helmholtz, Handb. v. ist. B. in- ver- Brücke Empfindung und die Bedingungen E. Hering in »Beiträge zur Physiologie, Leipzig, bis 164«, z. vom Untersuchungen von W. Engelmann, 1861 binokularen Sehen«, Leipzig 1868, Bewegungen des Auges 1, 1879. Bekämpft wurde d. physiol. Optik, 2. in Hermanns die Heringsche Aufl., 1896, S. 960 bis 970. Brücke und A. Brückner: Über ein scheinbares OrganPflügers Archiv, Bd. 91, 1902. Vgl. auch die Abhandlung derselben Autoren: Zur Unterscheidbarkeit rechts- und links2 E. Th. V. gefühl des Auges. äugiger Gesichtseindrücke, ebenda, Bd. 90, 1902.
Homophonie uud Empfindnngsdifferentiale. 111 Zustandekommens näher untersucht haben, bezeichnen ihres AbblendungsgefUhl. sie als Ich werde von ihr als Abblen- dungsempfindung- sprechen. Beschrieben wird sie von den meisten Versuchspersonen als ein Gefühl der Vertaubung oder Blendung. In stärkstem Maße wenn man zunächst das hervor, Tragen (viertelstündiges) kommen Empfindung dann diese tritt eine Auge durch längeres Okklusionsverbandes eines Kaum dere durch Benutzung in möglichst hellem sprochene Helladaptation bringt. Abnahme des Verbandes beide dunkel, so tritt die Empfindung Benutzt in ausge- man sodann nach Augen zusammen im Halbin außerordentlicher auf und dauert mit allmählich abnehmender Stärke Adaptation beider Augen gleich bis die voll- dunkel adaptiert, während man gleichzeitig das an- Daß es sich aber hierbei lediglich Stärke so lange, ist. um wirkliches ein Empfindungsdiffereutial bei der Homophonie des binokularen Sehens handelt, wird dadurch bewiesen, daß die Empfindung, wenigstens bei mir, sofort aufhört, Lidschluß rein ausschalte. wenn ich ein Auge durch Diesem Aufhören der Empfindung bei uniokularem Sehen haben v. Brücke und Brückner in ihrer sonst äußerst sorgfältigen Arbeit keine Aufmerksamkeit zugewandt, und es muß als ein ist nicht richtig, oder es unglücklich gewählter, leicht zu Mißverständnissen führender Ausdruck bezeichnet werden, sagen: wenigstens »Am sie (a. a. 0. S. 370) deutlichsten drückt sich diese Differenz der Bilder in denjenigen Fällen aus, bei akte ausgeschlossen kann man wenn sich ist«. leicht Daß denen ein Auge völlig vom Seh- sich das nicht so verhält, davon durch folgende Versuche überzeugen. Hat man das eine Auge im Okklusionsverband dunkel, das andere durch Benutzung im Hellen hell adaptiert (während dieses Vorgangs hat man durchaus kein Abblendungsgefühl)
Die Originalempfindungen. 112 und tritt nun mit dem Verbände man hier im Halbdunkel mit dem helladaptierten Auge wohl ins Halbdunkel, so sieht schlecht oder fast gar nicht, hat aber keine AbblendungsErst mit der empfindung. Abnahme des Verbandes tritt eine solche auf. Sie verschwindet bei mir aber sofort, sobald ich, sei es das hell-, sei es das dunkeladaptierte Auge durch Lidschluß vom Sehakte völlig mich von dem ZuAbblendungsempfiudung als typisches Em- oder Anlegung eines Okklusionsverbandes ausschließe. Auch folgendermaßen kann standekommen der pfindungsdifferential überzeugen. ich beim homophonen binokularen Sehakt Schließe ich beim Lesen im gewöhnlichen gleich- Augen das adaptierten Zustand beider eine Auge, ich keine Spur von Abblendungsempfindung. während ich lese, beide Auge einen schwarzen Augen so habe Halte ich aber, offen lassend, vor das eine Papierstreifen oder verschlechtere ich sonst die Funktion des einen geöffneten und zum Sehen willigen Auges, ohne sie doch ganz auszuschalten, so habe ich die Empfindung Wenn in hohem Grade. daß das durch den Papierstreifen ich gesagt habe, verdeckte Auge willig sein muß, zu sehen, so ist damit schon angedeutet, daß ich auch durch Ablenkung der Aufmerksamkeit das betreffende Auge völlig vom Sehakt ausschalten und dadurch das Zustandekommen der Abblendungsempfin- dung verhindern kann. Auf Nichtbeachtung des dunklen Gesichtsfeldes bei geschlossenem Lid oder unter dem Okklu- sionsverband beruht auch offenbar der unter diesen Umständen erfolgende Ausschluß des Auges vom Sehakt. In allen diesen Fällen wird das nichtbeachtete dunkle Gesichtsfeld im Wettstreit völlig dann, wenn unterdrückt. Übrigens beiden Augen sei erwähnt, daß auch ganz verschiedenartige Bilder geboten werden, also ausgesprochener Wettstreit im ganzen
Homophonie und EmpfindungsdifFerentiale. 113 Gesichtsfeld herrscht, keine Ahblendungsempfiudung- zustande kommt, z. B. wenn ein im Mikroskopieren Geübter das Auge, welches nicht ins Mikroskop findung kann offen läßt. Diese Empund eben ein typisches Emptindungsdifferential ist als sieht, solches nur bei Eintritt wirklicher Homophonie zwischen den beiden in Frage kommenden Empfindungskomplexen entstehen. Wir haben und in die Bildung behandelt, als dem vorliegenden Kapitel die Homophonie von Empfindungsditfereutialen nur insoweit bei ihrem ginalempfindungen Zustandekommen beteiligt sind. kung hat dieses Kapitel bloß die lediglich Ori- In dieser Einschrän- Bedeutung einer Vor- bereitung für die viel umfassendere Behandlung, die derselbe Gegenstand im folgenden Teil erfahren wird. Homophonie erst Denn da die auf mnemischem Gebiet, beziehungsweise im Gegenspiel der mnemischen und originalen Empfindungen im vollen Umfang in Erscheinung tritt, läßt sich erst dann das ganze vorhandene Tatsachenmaterial übersehen und verwerten. Semon, Mneme. IL
Sechstes Kapitel. Die akoluthe Phase der Originalempflndungeu. In der »Mueme« habe graphische Reiz Wirkungen ich synchrone, akoluthe und euDiejenige unterschieden. wirkung, die unmittelbar nach Aufhören schwindet, habe ich und nannte als Reizes ihre Erregungen synchrone akoluthen Reizwirkungen äußerte ich mich ernde Über (2. Aufl. Einwirkung eines Reizes bewirkt zuweilen zu ihrer die S. 18) »Eine sehr intensive oder sehr lang dau- greifende Veränderungen daß Emp- Manifestationen in der findungssphäre synchrone Originalempfindungen. folgendermaßen: ver- synchrone Reizwirkung bezeichnet die durch sie ausgelösten Originalerregungen und des Reiz- im Zustande Ausgleichung, sprünglichen Zustand eine zur nicht Aufhören des Reizes erforderlich eines Rückkehr Organismus, in den ur- Zeit nach ähnlich wie das Meer unbeträchtliche ist, ein- so nach einem langdauernden Sturme sich nur allmählich beruhigt. Man pflegt diese bezeichnen. Vorgänge Wenn als , Abklingen der Erregung' zu mehrere diskontinuierliche Erregungen so rasch aufeinander folgen, daß die frühere noch nicht abge- klungen sich die ist, wenn die Erregungsfolge folgende schon immer mehr dem Zustande einzigen langdauernden stetigen sich uns dann durch anklingt, so nähert stetige einer Erregung und manifestiert Empfindungen. (Kontinuierliche
Die akoluthe Phase der Originalempfindungen. 115 Färbung- eines schnell rotierenden Farbenkreisels, einheitlicher Ton eines rasch In dasselbe immer um ein einfaches wenn Gebiet, auch , bewegten Savartschen Rades.) es sich dabei nicht Abklingen' handelt, gehören die ,Nachbilder' und sogenannten Nachtöne, gehört ferner die Öffnungszuckung und die Öffnungsdauerkontraktion bei Aufhören einer langdauernden elektri- Wir können schen Reizung der Muskeln. derartige ,Nach- wirkungen', die in allen Fällen einige Zeit nach Aufhören des Reizes spurlos verschwinden, nicht prinzipiell von synchronen Reizwirkung trennen, auch dann nicht, der wenn dabei der Reaktionspendel nach der entgegengesetzten Seite überschlägt, wie für diese z. B. beim negativen Nachbild. « »Nachwirkungen«, die sich Als Bezeichnung unmittelbar an die synchronen anschließen, habe ich den Ausdruck akoluthe Reizwirkungen vorgeschlagen. Wir wollen uns nun im folgenden manifestationen mit den Empfindungs- akoluthen Erregungen der , den akoluthen Empfindungen beschäftigen, aber selbstverständlich nur soweit uns eine solche Beschäftigung für unser Hauptthema, das Verständnis der mnemischen Empfindungen und der sie be- herrschenden Gesetzmäßigkeiten, von Wert Was den zeitlichen Verlauf der durch konstanten ausgelösten Originalerregung langt, so unterscheidet ist. man in der Reiz synchronen Phase an- in dieser bekanntlich ein rasches »Ansteigen« der synchronen Erregung bzw. Empfindung bis zu einem Maximum. Dieses Maximum wird bei Lichtreizen nach den interessanten Versuchen Exners^ in einer Zeit er- Exner, Über die zu einer Gesichtswahrnehmung nötige Zeit. d. Wiener Akad. Abt. IL Bd. 58, 1868 (referiert in HelmVgl. ferner: Kunkel, Pflügers holtz, Physiol. Optik II. Aufl., S. 513). Archiv Bd. 9. 1875, S. 197, E. Dürr, Philosoph. Stud. Bd. 18, 2, Mar1 S. Sitz-Ber. tins, Beitr. z. Psychol. u. Philosoph. 1, 3. 8*
die je reicht, bis Originalempfindungen. I^ie 116 Vio mums nach der Intensität des Reizes zwischen Sekunde sich hält Genau nahezu. Erregung nahezu konstant; doch nur die genommen erfolgt und langsames, aber liches Absinken der Erregung bzw. der Die Gründe äußerst ein liches Empfindung. ^/iq Nach Erreichung des Maxi- schwankt. allmäh- nichtsdestoweniger kontinuier- diese Art für manifestierenden sie des Ablaufs der synchronen Erregung und synchronen Empfindung unter der Einwirkung eines konstanten Reizes werden von Helmholtz (Physiol. Optik, 2. Aufl., S. 513) für das Gebiet der Gesichts- empfindungen gesetzt: in folgender sehr klarer Weise auseinander- »Der Eindruck des ersten Moments hat eine Nach- wirkung von gewisser Dauer. verstärkend, der Eindruck Dazu des gesellt sich gleich darauf, und zweiten Zeitteilchens, Aber gleichzeitig läßt jede dadurch sofort jedes folgenden. erregte Tätigkeit des Nerven, die sich durch die Empfindung wahrnehmbar macht, auch einen gewissen Grad von Erschöpfung zurück, die dem unter des arteriellen Einfluß Die später folgenden neuen Blutes nur langsam schwindet. Lichteinwirkungen bringen, zusammenwirkend mit den schwin- denden Nachwirkungen der vorausgegangenen, mehr dieselbe Höhe der Summe also nicht hervor, wie die ersten, welche mit einem Zustand geringer Ermüdung des Auges zusammentrafen. Daraus folgt, daß eine konstante Beleuchtung eine im Anfang schnell steigende Empfindung geben muß, dann ein Maximum Das erreicht, später hier entwickelte Prinzip die wieder sinkt«. muß notwendigerweise nicht nur für die synchronen Erregungen und Empfindungen auf dem Gebiet gebieten des Gesichtsinnes, gelten. Auch Empfindung experimentell bei sondern Tönen ist auf allen Sinnesein festgestellt; dabei Anklingen der wird nach Exner
Die akoluthe Phase der Originalempfindungen. (Pflügers Archiv, Bd. 13, Tönen später tiefen 1876, erreicht 1881, schwachen Reizen das Maximum Doch sind So nicht erforderlich. dem wird bei —2 Sekunden Ein genaueres Eingehen auf den zeitlichen Verlauf der synchronen verlassen, auf S. 323) nach 1 die individuellen Unterschiede in dieser Beziehung recht erheblich. Zwecke erst bei Nach Urban- bei hoben. als tschitsch (Pflügers Archiv, Bd. 25, erreicht. Maximum das S. 234) 117 sich der Empfindung ist für unsere können wir dieses Gebiet zahlenmäßigen experimentellen Feststellung große Hindernisse in den Weg stellen. In der akoluthen Phase wird die Erregung, deren Intensofort sität nach Aufhören des Reizes, also nach Abschluß synchronen Phase der rapid abzunehmen beginnt, mehr endlich keine manifestationsfähige Stärke Empfindungen zur Manifestation gebracht, die wir luthe Empfindungen bezeichnen und teilen können. der akoluthen in bis sie durch besitzt, als ako- zwei Unterphasen ein- In der ersten Unterphase ist die Intensität Empfindung noch so bedeutend, daß diese Empfindung ohne weiteres Zutun unter den gewöhnlichen Bedingungen zutage In der tritt. zweiten Unterphase aber hat die Intensität bereits so bedeutend abgenommen, daß die akoluthen Empfindungen dieser Phase nur unter besonderen Bedingungen, unter diesen aber regelmäßig merklich werden. Es ist selbstverständlich, daß die erste Unterphase in die zweite ohne scharfe Grenze übergeht. Auch hier sind die Verhältnisse am genauesten auf dem Gebiet der Gesichtsempfindungen studiert, und es existiert eine umfangreiche Literatur, Weise die sich in der verschiedensten und unter den verschiedensten Titeln mit den un- mittelbaren beschäftigt. Nachwirkungen synchroner optischer Erregungen Diese Nachwirkungen sind verschiedenartiger
Die Originalempfindungen. 118 Natur; sie Erregung bestehen einmal in einem Nach- und Abklingen der selbst in eigentümlich einer oszillierenden Weise, kennen lernen werden, ferner aber die wir gleich genauer in mehr sekundären Effekten, Veränderung- der Stimmung der Auf Sehsubstanz, Ermüdung, Induktion. diese mehr sekun- dären Nachwirkungserscheinungen der synchronen Erregung wollen wir hier so wenig wie möglich eingehen. Überhaupt werden wir aus der außerordentlich großen Menge der hier- her gehörigen Tatsachen nur diejenigen auswählen, die für unsere besonderen Gedankengänge von Bedeutung sind. Wir begnügen uns deshalb, die akoluthen sehr kurz dauernden Lichtreizen Wirkungen von einer näheren Betrachtung zu unterwerfen. Man kann sich bei dieser Entweder man bedienen. Untersuchung zweier Methoden erhellt einen bestimmten Teil des Gesichtsfeldes durch einen Lichtblitz von momentaner Dauer, oder in man läßt ein Licht aussendendes Objekt bei fixiertem einem bestimmten Tempo durch das Gesichtsfeld Auge hingleiten. Jede dieser beiden Methoden hat ihre besonderen Vorzüge. Die Beobachtungen sind offenbar bequemer anzustellen und beim bewegten Ob- in ihren Details leichter zu analysieren jekt, und Methode diese Bidwell von den Dagegen bietet ist daher seit meisten Untersuchern die Untersuchung bei Purkinje, Heß und bevorzugt worden. ruhendem Objekt gewisse technische und Beobachtungsschwierigkeiten, hat aber andererseits den Vorzug, sich mit dem denkbar einfachsten Fall zu beschäftigen. Nagels Handb. Wenn d. v. greifbarer Unterschied fahrungsweisen Kries (Die Gesichtsempfindungen in Physiol., Bd. III, (des nicht herausgestellt«, 1904, S. 221) sagt: hat sich zwischen »Ein den beiden Ver- ruhenden und des bewegten Objekts) so will ich dem nicht widersprechen,
Die akoluthe Phase der Originalempfindungen. möchte aber doch betonen, daß 119 durchaus nicht ohne weiteres es gelingt, die Resultate der einen Methode auf die der anderen zu beziehen, und daß bisher nur Mc Dougall hat, eine solche unternommen Zurückführung im einzelnen durchzuführen. Seine Zurückfahrung, obwohl zutrifft, enthält aber vieles, bedarf, und jedenfalls sie vielleicht in was Frage diese ist der Hauptsache noch der Bestätigung erst Glücklicherweise anzusehen. offene es ^ als sind durchaus eine betreffenden die zweifelhaften Punkte für das, worauf es uns hier ankommt, ohne Bedeutung und können aus unserer Darstellung ausscheiden. Bei für momentanen Reizung stationären der einen Moment, dessen Länge man durch man erhellt irgendwelche mechanischen Hilfsmittel, wie photographischen Momentverschluß, aneinander vorbeigleitende Spalten, elektrische Ent- ladung im luftverdünnten Raum stimmten Teil des Gesichtsfeldes. bezüglichen Beobachtungen wiederholt hat, berichtet und neten Umständen von (a. a. bei regulieren kann, einen be- Mc Dougall, der die dies- Young und Bidwell C. A. 0. S. 85), einer daß er unter geeig- gewissen Lichtstärke Reizung, die etwa V20 Sekunde dauerte, nach Aufleuchten reizes, des ein zweites, drittes, viertes bis zu siebenmaliges Auf- beobachtete. leuchten ist so Das kurz, Empfindung Intervall zwischen jedem Auf- daß man nicht sagen kann, daß die völlig zuklingen begann. erloschen war, als die zweite an- Mc Dougall bezeichnet deshalb auch jene raschen Sukzessionen derselben Empfindung als »pulseS'^. wollen sie als Oszillationen der Empfindung bezeichnen. 1 der ersten seinen Versuchen kreisförmigen Licht- in leuchten erste dem W. Mc Dougall, Stimulation of the Eye. The Sensations excited by a single Wir In momentary British Journal of Psychology, Vol. I. 1 , 1904.
120 I^ie Originalempfindungen. der Serie dieser Oszillationen folgen die ersten Glieder rascher aufeinander als die späteren, und jede nachfolgende Oszillation ist schwächer als ganzen Serie kann bis zu nach dem Verschwinden oszillationen, die in ihr Vorgänger. Der Ablauf der Sekunde dauern. ^j^ der Unmittelbar Empfindungs- dieser letzten und einem flimmernden Aufleuchten Dunkelwerden derselben Gesichtsempfindung bestehen, scheint an derselben Mc Stelle ein wenig bestimmtes Dougallschen Versuchen graues) bis zu 20 Sekunden andauern kann. stetiges (bei Nachbild , er- den das Die Frage, ob etwa auf dieses Nachbild noch weitere folgen, was mir nach den Erfahrungen von Heß an Nachbildern bewegter Objekte wahrscheinlich Ich ist, habe brauchen wir hier nicht zu erörtern. auf dem beigegebenen Schema den Anfang des betreffenden Empfindungsvorganges und seiner zeitlichen Verhältnisse wiederzugeben versucht. Der Maßstab am Ober- ende der Figur drückt die Zeiteinteilung aus. Jedem Teil- Wie wir sehen, läuft der Y20 Sekunde. oszillierende Prozeß in etwa 3,4 Sekunden ab, das heißt, er strich ist entspricht gleich nach Teilstrich 15 zu Ende; nach einem kurzen dunklen Intervall bei Teilstrich 16 begiunt das Nachbild, von dem bloß der Anfang, das heißt sein Verlauf während der ersten ^^4 Sekunden, hier dargestellt ist. Wie schon mit-
Die akoluthe Phase der Originalempfindungen. kann geteilt, es bis zu 20 121 Sekunden andauern und ist wahr- scheinlich noch von anderen Nachbildern gefolgt, die indessen unter diesen Versuchsbedingungen noch nicht nachgewiesen sind. Der Schema aus ab, das heißt in Die erste Oszillation läuft unserem in Y20 Se- demselben Zeitraum wie die in diesem Nur diese Oszillation angewendete Eeizung. Fall in vollkommen dunkle Intervalle sieben, durch nicht getrennte Oszillationen. kunde Empfindung besteht oszillierende Teil der ist unserem Fall streng genommen als synchrone Empfindung zu bezeichnen. Oszillation 2-— 7, also in die während ^ 20— ^^20 Sekunde ablaufen, sind bereits ako- Empfindungsstadien, ebenso natürlich das bis zu 20 luthe Sekunden dauernde Nachbild, von seinen eventuellen NachDie Dauer der akoluthen Emp- folgern gar nicht zu reden. findungen zur Dauer der synchronen Empfindung verhält sich also in unserem Fall wie 20 zu sich natürlich die V2o> also wie 400 : 1. Sobald Dauer der Reizung verlängert, verschiebt sich das Verhältnis zugunsten der synchronen Empfindungen. Wir haben oben Unterphasen Phase der Empfindung die akoluthe geteilt. in zwei Eine Phase, in der sich die akoluthe Er- regung unter gewöhnlichen Umständen regelmäßig durch ober- bewußte Empfindung manifestiert und eine zweite, in der diese Manifestation nur unter besonderen, günstigen Bedingungen erfolgt. In unserem Falle gehören wahrscheinlich die sechs ako- luthen Empfindungsoszillationen heißt, sie ohne gungen Um das werden wohl meistens oberbewußt empfunden werden, daß brauchte. 2—7 der ersterenPhase an, man dazu besondere Bedingungen Freilich werden sie als ein einziger länger unter herzustellen gewöhnlichen Bedin-' dauernder Eindruck empfunden. den oszillatorischen Charakter wahrzunehmen, bedarf es der besonderen Anordnungen des Versuchs. Das bis zu 20 Se-
Die Originalempfindungen. 122 künden dauernde Nachbild und seine eventuellen Nachfolger gehört zweifellos in die zweite Unterphase, das heißt, es wird nur unter besonderen Versuchsbedingungen wahrgenommen. Daß aber unter solchen stets wahrgenommen werden es kann, Erregung, ein sicherer Beweis, daß die akoluthe ist die sich an eine synchrone anschließt, diese unter Hätte ich bei Erregung von Umständen \ 20 Sekunde Dauer um das 400 fache diesen Betrachtungen kurz dauernder Reize die Beobachtungen über überdauert. die Wirkung- am bewegten Objekt zugrunde gelegt, so wäre ich für unsere Frage zu durchaus tibereinstimmenden Resultaten gelaugt. Schwierigkeiten macht, die Daß es bisher noch einzelnen Phasen dieser beiden Beobachtungsarten mit Sicherheit aufeinander zurückzuführen, wurde bereits sich aber oben erwähnt. nicht Diese Schwierigkeiten beziehen auf diejenigen Tatsachen, aus denen wir unsere Schlüsse gezogen haben. Auf anderen Sinnesgebieten liegen die Dinge im Prinzip ganz ähnlich wie auf dem Gebiet der Gesichtsempfindungen. Nur ist der schärfere Nachweis von der Dauer der akoluthen Empfindungen, besonders in bezug auf die Phasen, in denen sie sieb der Merklichkeitssch welle nähern, viel schwieriger, und das bisher vorliegende Tatsachenmaterial Von akoluthen Hörempiindungen Momente der recht dürftig. sind bisher nur die ersten ersten Unterphase einer genauen Untersuchung unterzogen worden, nämlich diejenigen, in denen die Intensität der akoluthen Empfindung von derjenigen der vorhergegan- genen synchronen sich nicht merklich unterscheidet, ihr Niveau noch nicht merklich gesunken in denen ist. Diese Versuche beruhen nämlich auf der Feststellung, bei welcher Dauer der Pause zwischen zwei aufeinanderfolgenden Tonstößen die Sukzession der Empfindungen nicht mehr als
Die akoluthe Phase der Origmalempfiudungen. 123 eine diskontinuierliche, sondern als kontinuierliche empfunden Hier wird wird. wie festgestellt also bei im Grunde den oben (S. etwas ganz Ähnliches erwähnten 86) optischen Versuchen, bei denen geprüft wird, in welcher Geschwindigkeit diskontinuierliche Lichtreize aufeinander folgen müssen, damit für den Beobachter aus dem Blinken und Flimmern eine durchaus stetige Lichtempfindung wird. Bei diesen optischen Versuchen über den Übergang des Flimmers in ein kontinuierliches Licht hat sich herausgestellt, daß die Geschwindigkeit des Phasenwechsels, die notwendig ist, zu bringen und die um den Flimmer zum Verschwinden Empfindung eines stetigen Lichts hervorzurufen, je nach der Art und Größe der Beleuchtung sowie auch individuell verschieden Bei den von Sherrington ist. gewählten Versuchs- ^ bedingungen mußte in der Regel den aufeinanderfolgenden Einzelphasen von hell und dunkel eine schnittlich nur V270 Dauer von durch- Sekunde gegeben werden, um den Flimmer unmerklich zu machen. Die ersten genaueren Angaben akustischem Gebiete verdanken wir in dieser Richtung auf Mach 2. Für die Gehörs- empfindungen hat später Alfred M. Mayer ^ mit Hilfe einer der Mach'schen ähnlichen Methode festgestellt, daß die Dauer der Pausen, bei der noch die Tonfolge als eine kontinuierliche empfunden wird, je nach der Tonhöhe beträchtlich ver- schieden 1 ist. Für das große C C. S. Sherrington, On ist sie nach Mayer 1/26)9 Se- binocnlar Flicker and the Correlation of British Journal of Psycho- Activity of >corresponding« retinal Points. logy, Vol. 2 I, 1 , Jan. 1904. E. Mach, Sitzungsber. d. Wiener Akad. Math.-naturw. Kl. 2. Abt. Bd. 51, 1865. 3 A. M. Mayer, Phüos. Magaz. 37, 1894, Americ. Journ. of Science 47, 1894.
^^^ Originalempfindungen. 3^24 künde, für das dreigestrichene Worten: Eine Folge sehr Empfindung lichen tiefer Mit anderen Sekunde. V204 Töne verschmilzt schon bei langsameren Tempo zu einer kontinuier- siebenmal einem c Folge sehr hoher Töne. als eine Etwas andere Zahlen erhielt ähnlichen Versuchen bei Urbantschitsch \ doch erklärt sich die Differenz aus der An- wendung einer etwas verschiedenen Methode. Auch er fand, daß die Pausenlänge zwischen den einzelnen Tönen, die für Kontinuität oder Diskontinuität kritisch viel größer ist als für Auf und die Einzelheiten dieser Versuche in nötig, weil sie welchem Zeitmaß Empfindung sich für tiefe die Intensität annähernd auf der Höhe synchronen Vorgängerin und Erzeugerin ihrer Resultate eben nur fest- der akoluthen der Intensität ihrer hält. Es ist deshalb zu Mißverständnissen führender Ausdruck, wenn ein Töne hohe Töne. einzugehen, haben wir nicht stellen, ist, nicht selten gesagt wird, diese Zahlen drückten die Zeit aus, welche »zum vollständigen Abklingen« akustischen Reizes nötig suchen ein als sei. momentan einwirkenden Ich erwähne dies nur, daß es scharf hervorzuheben, eines sich um recht sowohl bei diesen Ver- auch bei den Flimmerversuchen gerade nicht vollständiges Abklingen handelt. um Bei den Sherrington- schen Flimmerexperimenten erfolgte bereits ausgesprochener Flimmer, wenn die Pausen zwischen den einzelnen Hellreizen Daß ^200 Sekunde betrugen. V200 Sekunde vollständig abgeklungen aber die Empfindung nicht in ist, beweisen die besprochenen Experimente, die zeigen, daß oszillatorische 1 V. Urbantschitsch. Empfindungen. 119 schon die erste Phase der akoluthen Empfindung ganz kurzer und nicht sehr starker Reizung S. 3 selbst bei 4:^=150^200 Se- Über das An- und Abklingen akustischer Pflügers Archiv Bd. 25, 1(S81.
- Die akoluthe Phase der Originalempfindungen. künden dauert, also mehr löOmal als so lang ist. 125 man Zieht aber die weiteren Phasen der akoluthen Gesichtsemptindungen mit in Rechnung, so um übertriflFt ihre Dauer jene Sekunde ein Mehrtausendfaches. Wenn, wie wir sahen, auf dem Gebiet dungen die Intensität einer akoluthen Sekunde V200 gelöste synchrone abgenommen ist hat, der Höremptin- Empfindung nach der Tonhöhe! (je Keizes nur soweit so 1/200 in 1/27 nach Aufhören bis des daß sich eine neu aus- Empfindung gleichmäßig au sie angliedert, daß zum vollkommenen Abklingen der Empfin- klar, dung ein außerordentlich Vielfaches dieser Zeit erforderlich sein muß, ein Hundert- nur die erste wir oder Zweihundertfaches, wenn Phase der akoluthen optischen Empfin- dungen zur Vergleichung heranziehen und die eigentlichen Nachbilder ganz Eine genauere auf akustischem Gebiet aus rein unberücksichtigt einwandfreie Messung ist technisch experimentellen lassen. Gründen bisher noch nicht geglückt. Die Messungen von Mach, Exner, Alfred M, Mayer, Schäfer und Abraham sowie diejenigen von Urbantschitsch , die sich auf das beziehen, was letzterer Autor als »rasches Abklingen« bezeichnet, beschränken sich alle auf die Feststellung des Zeitabschnitts, in welchem kein merklicher akoluthen Empfindung erfolgt. Intensitätsabfall der Ich will dies als die haltung der Empfindungsintensität genauen Messung dieses Zeitabschnitts Niveau bezeichnen. stellen sich Der keine besonderen Hindernisse entgegen. Die einzigen mir bekannten Versuche, das klingen zu untersuchen, rühren von Urbantschitsch her, der sowohl 1 V. Urbantschitsch, Empfindungen. ganze Aus- und seine Dauer zu bestimmen, 1 ein langsames Über das An- und Abklingen akustischer Pflügers Archiv 25, 1881.
126 I^ie Ausklingeu Gehörseindrucks als eines »primäre akustische Nachklang«) beschrieben hat (»Nachhall, Nachempfindung-« als Originalempfinduügen. auch versucht hat^, die dieser folgenden > sekundären aku- stischen Nachempfindungen« zu untersuchen, die von ihm auch »positive akustische Nachbilder« bezeichnet werden. als Die Dauer der primären akustischen Nachempfindung beschränkt sich nach Urbantschitsch kunden, bis erstreckt sich 15 Sekunden, ja hoher Stimmgabelton würde sich also jedoch erst nach Urbantschitsch, ständen auch Sekunden ab«. Auf sie — dann nach 3, Um- unter 8 und mehr akustische Nachbilder. Über Wert macht Urbantschitsch folgende Angaben: des objektiven Tones bis vom Verschwinden zum Abklingen des letzten Nach- beträgt gewöhnlich eine Minute, zuweilen zwei Mi- nuten, selten etwas darüber. bilder folgen von Pausen unterbrochen, 2 »Die Dauer der akustischen Nachbilder bildes, Dies auf die erste Phase einer akoluthen aku- 6, ihren zeitlichen 19 Se- auf 10 klang ein einer Versuchsperson bei 1—2 in einzelnen Fällen Empfindung beziehen. stischen »zuweilen auf Die Dauer der einzelnen Nach- schwankt zwischen dem rasch vorübergehenden Auf- flackern und einer empfindung; hindurch. selbst zwei Minuten anhaltenden Nach- meistens währt ein Nachbild 5 Ebenso regellos ist auch die — 10 Sekunden Dauer der zwischen den einzelneu Nachbildern eingeschalteten Ruhepausen«. Ich befinde mich diesen Angaben und überhaupt den einschlägigen Arbeiten von Urbantschitsch gegenüber in einer eigentümlichen Lage. Einerseits bin auch ich fest davon überzeugt, daß das Abklingen der Gehörsempfindungen ganz ähnlich wie das der Gesichtsempfindungen einen verhältnis1 V. Urbantschitsch, Zur Lehre von der Schallempfindung. Pflügers Archiv 24, 1881.
Die akülutlie Phase der Originalempfindiingen. mäßig langen, oder mehrere Sekunden dau- vielleicht eine Zeitraum ernden in Anspruch nimmt, ist, der jedenfalls ein dem Zeitraum der Niveau- außerordentlich Vielfaches von haltung der Intensität 127 zwischen der sich ^ 27 — V200 Se- kunde bewegt. Auch halte ich ein Oszillieren der akoluthen ftndungen nach dungen Gehörsemp- Art des Vorgangs bei den Gesichtsempfin- für durchaus wahrscheinlich. Möglicherweise kommen auch Phaenomene vor, die den optischen Nachbildern entsprechen. Dennoch ist mir sehr zweifelhaft, ob dasjenige, oder doch wenigstens das meiste desjenigen, was die Versuchspersonen Urbautschitschs angegeben haben, als Manifestation der abklingenden akoluthen Gehörsempfindungen anzuerkennen ist. Meiner Ansicht nach haben bei seinen Untersuchungen über die »positiven Bd. 24, 1881) akustischen und über das Nachbilder« (Pflügers Archiv langsame Ausklingen seiner »primären akustischen Nachempfiudungen« (Pflügers Archiv Bd. 25, 1881) keine genügenden Kautelen gegen das Hineinspielen Wenigstens der Suggestion bestanden. kann man den kurzen Andeutungen des Verfassers über die Versuchs- anordnung nichts derartiges entnehmen, auch findet man keine sonstigen objektiven Anhaltspunkte, vor allem keine Auskunft über eine Konstanz der Angaben jeder Versuchsperson bei Aus den Mitteilungen von Wiederkehr der objektiven Eeize. Urbantschitsch scheint eher eine große Inkonstanz und ein be- deutendes Schwanken sowohl zwischen den Angaben verschiedener Personen, als auch den Angaben derselben Person bei verschiedenen Prüfungen hervorzugehen. Die meisten und aus- gesprochensten Resultate wurden zudem bei Schwerhörigen, nicht bei Normalhörigen Schwerhöriger, der viel erreicht. mehr als Mir scheint, daß ein wir Normalhörigen gewohnt
128 I^ici Originaleuipfiuduugen. mit iusutt'izieuteu Höremptiudiiugeu ist, Deutuugeu zu verkuiipfeu und überhaupt zu alleu mögliclieu er höre glauben, zu arbeiten, sie mit weniger, als für andere Menschen hörbar daß ein solcher Mensch der Autosuggestion ist, ziehung und viel zugänglicher sein jedeutalls \Yird, als ein in dieser Be- Normalhöriger, zur Ermittelung dieser Feinheiten das denk- bar ungeeignetste Objekt Daß Urbantschitsch ist. selbst seine Prüfungen auf das gcNvissenhafteste vorgenommen und berichtet hat. davon bin ich vollkommen überzeugt. Aber die angewandte Methode erscheint mir nicht zuverlässig genug, um auf den durch sie gewonnenen Eesultaten weiterzubauen. Und dem schon erwähnten Mangel zwar, abgesehen von einer schärferen Kontrolle der Beobachtungen durch Wiederholung bei derselben Versuchsperson und vergleichende Übersichten der Angaben, vor allem deshalb, weil selbst beobachten kann, äußerst gänzliche Erlöschen es, schwer wie Jeder an sich ist, einer Gehörsempfindung Bruchteilen von Sekunden das über sich innerhalb hinreichend klar zu werden und eine bestimmte Eegistrieruug ohne Willkür vorzunehmen. Viel schärfer wird man sich über den Moment des Auf- tretens einer Gehörsemptindung klar und kann ihn strieren, und mit zuverlässige nach eine dieser Tatsache hat meiner Ansicht Maßmethode zu rechnen. regi- Folgende Versuchs- anordnuug verspricht, wenn ich nach den von mir bisher anProben urteilen gestellten darf, brauchbare Resultate. Die Lautheit eines andauernden Tons oder Geräusches wird dal] reguliert, vollkommener er bei Stellung gerade noch läßt man Stille in einer so bestimmten wahrgenommen werden kann. Darauf unter Andauern des ersten einen zweiten ganz ver- schiedenartigen erklingen, Ton oder ein Geräusch) von solcher Stärke daß er den ersten vollständig übertönt. Nach
Die akoluthe Phase der Originalempfindungen. kurzer Zeit bricht der zweite Ton ab, 129 während der erste weiter dauert und nach Aufhören des zweiten natürlich wieder wahrgenommen werden kann. kurze eine neuten Zwischenzeit Wahrnehmung kommt, und registriert Ich finde erforderlich daß immer nun, zur es bis ist, er- Tons des bisher man chronometrisch erstens die ob- jektive Unterbrechung der übertönten ersten Erzeugung des zweiten Tons und zweitens das Wiederauftreten der ersten Tonempfindung, so zwar nicht das ergibt die Zeitdiflferenz volle Ausklingen jenes zweiten Tons, aber doch die Zeit, während der die ausklin- gende Empfindung stark genug war, die sehr schwache erste Durch Variieren der Versuche ließen sich übertönen. zu eventuelle Zeitverluste infolge etwa notwendiger Verände- rung der Akkommodation des Trommelfells überhaupt anzunehmen Einige haben die daß ergeben, eine solche ausschließen. ist) Vorversuche, mir (falls ich auch Weise dieser in bei den anstellte, Gehörsempfin- dungen eine akoluthe Phase von ungleich längerer Dauer vorhanden V200 ist, keine Gelegenheit, forderlichen so als die Dauer der Niveauhaltung von Sekunde ausmacht. diese Leider bot sich ^^27 bis mir in München einfachen Versuche mit den er- instrumentellen Hilfsmitteln durchzuführen, und müssen zahlenmäßige Angaben unterbleiben, derer Untersucher' diese für bis ein an- das Problem der sukzessiven Assoziation nicht unwichtige Frage einer genauen Bearbeitung unterzogen haben wird. Ohne demnach augenblicklich schon auf Grund meiner 1 Ich selbst werde in absehbarer Zeit schwerlich zu dieser Untersuchung kommen. Ich würde mich aber freuen, wenn mit der oben beschriebenen Versuchsanordnung, vielleicht neben anderen noch besseren, ein Versuch gemacht werden würde. Semon, Mneiue. II. 9
130 I^ie Oiiginalempfindungen. eigenen Versuche zalilenmäßige Angaben zu machen, möchte Erwägung ich mit folgender schließen: Bei Gesichtsempfindungen haben wir berechnet, daß bei Dauer der Niveauhaltung der sehr kurzer Keizdauer die tensität (ca. V200 ) sich zur Phase des Abklingens (ca. In- Dauer der ersten oszillierenden verhält wie 1 2/4') : Da 150. die Niveauhaltung der Intensität akoluther Gehörsempfindungen eher länger dauert als die akoluther Gesichtsempfindungen, sind wir wohl berechtigt, bei erstereu ein mindestens ebenso langes Abklingen der ersten akoluthen Phase anzunehmen, wie bei letzteren. Daß auf bildähnliche Phasen folgen, diese Phase noch weitere nach- sehr wahrscheinlich, wie denn ist auch gewisse Resultate, die Wolfe bei seinen auf exakten Methoden beruhenden Untersuchungen über das Tongedächtnis erhalten ^ sich hat, unter gut Vorraussetzung eines oszillierenden Charakters der akoluthen Gehörsempfindungen erklären lassen, wie er selbst auf S. 24 seiner Schrift hervorhebt. Über das völlige Ausklingen der akoluthen Tastempfin- dungen Auch liegen, soviel mir bekannt, keine hier ist bis jetzt nur die bestimmt worden. Intensität rades Grenze die Hautreizen Mach 2 hat des Zeitintervalls (Finger) Beobachtungen bestimmt, vor. Dauer der Niveauhaltung der bei des Zahn- mittels zwischen welcher sukzessiven sich die suk- zessiven Empfindungen zu einer kontinuierlichen verbinden, und gibt Natürlich 1 sie ist auf weniger auch hier die als ^ ^^^ Sekunde E. 3. Wundts Bd., 1886. Mach, Untersuchungen über den Zeitsinn des Ohres. Sitzungsd. Akad. d. Wissensch. Wien, 51. Bd. bericht d. math.-natui'w. Klasse IL Abt. an. Dauer der Niveauhaltung der H. K. Wolfe, Untersuchungen über das Tongedächtnis: Philosophische Studien, - etwas 1865.
Intensität Die akoluthe Phase der Originalempfindxxngen. 131 kürzer Aus- unvergleichlich als die des vollen klingens. Einwandfreie Feststellungen über die akoluthen Gescbmacks- und Geruchsempfindungen haben und zwar aus stellen lassen, Man sich bisher noch rein technischen nicht an- Gründen nicht. kann eben nicht mit hinreichender Sicherheit die Mögdaß schmeckbare Stoffe zwischen den lichkeit ausschalten, Papillen der Zunge, Riechpartikelchen im Inhalt der Nasen- und Nebenhöhlen zurückgehalten werden. So sind wir ge- man im gewöhnlichen Leben die akoluthen Empfindungen am leichtesten beobachten zu können glaubt, auf dem der chemischen Sinne, und wo die rade auf den Gebieten, auf denen Sprache im Wort sogar deren Ausdruck für »Nachgeschmack« eine solche einen beson- Empfindung geschaffen noch ohne einen zwingenden Nachweis. Natürlich liegt hat, deshalb kein Grund vor, hier eine andere Sachlage anzunehmen, als dem Gebiet auf der Gesichts-, Gehörs- und Tastempfin- dungen. In seinen ausgezeichneten Beiträgen zur physiologischen Psychologie des Geschmackssinnes hat zwar Kiesow auch über den »Nachgeschmack« eine Anzahl von Beobachtungen mitgeteilt \ und ich zweifle nicht, daß ihm bei diesen seinen Untersuchungen zum großen Teil wirkliche akoluthe Empfindungen vorgelegen haben. Ein eigentlicher Beweis dafür und bis nicht eine einwandfreie Untersuchungsmethode ausgebildet und mit findet sich aber ihrer auch in seinen Mitteilungen Hilfe genauere Feststellungen über nicht, die Dauer dieser akoluthen Empfindungen gemacht worden sind, wollen wir es 1 F. Kiesow, Beiträge schmackssinnes. zui- physiologischen Psychologie des GeStudien, 12. Bd., 1896, S. 275 bis Wundts Philosoph. 278. 9*
I^ie X32 Erwähnung des »Nachgeschmacks« bewen- bei einer bloßen den Originalempfindungen. lassen. Ebenso wollen wir uns den Temperatur- und Schmerzempfindungen gegenüber verhalten, für die gleichfalls noch genauere Feststellungen der Dauer der akoluthen Empfin- dungen Teil auf technische geringe auf das her dieser Auf rapide dungen, zum Schwierigkeiten, auf Gesichts- Teil anderen allen aber auch man bis- Sinnesgebieten mit zurückzuführen, Interesse Frage Ausnahme des gewandt zum Diese Lücken unserer Kenntnisse sind fehlen. das und etwa noch des Gehörssinns zu- hat. eins möchte ich Niveauabfall überhaupt dieser letzteren Aufnahme der ist der am Schluß das verhältnismäßig rasche Ausklingen von größter Bedeutung für die ungestörte sich stetig folgenden Sinneseindrücke die unerläßliche Vorbedingung, eine eben neu aufgetretene ist und ist daß auf jedem Sinnesgebiet Empfindung durch die akoluthen Phasen ihrer Vorgängerinnen nicht gestört wird. Dinge liegen, Der noch hinweisen. der akoluthen Empfin- Intensität Wie dafür gesorgt, daß die synchronen die Emp- findungen fast immer auf das rascheste über die akoluthen Phasen ihrer Vorgängerinnen die Oberhand gewinnen. So werden wir unter gewöhnlichen Verhältnissen beim Sehen nicht durch die abklingenden vorangegangenen oder durch die dies Nachbilder gestört; Empfindungen ebensowenig geschieht beim Hören oder auf anderen Empfiudungsgebieten. Doch können unter besonderen Verhältnissen Nachbilder auch einmal störend eingreifen. Daß andrerseits die akoluthe Phase nicht allzu kurz ab- geschnitten wird, ist, wie wir im folgenden Teil sehen wer- den, von größter Bedeutung für die sukzessive Verknüpfung
Die akoluthe Phase der Originalempfindungen. unseres Engrammschatzes, also für das, als sukzessive Assoziation bezeichnet. 133 was man gewöhnlich Somit sind sowohl der rapide Niveauabfall der Intensität als auch die verhältnis- mäßig lange Dauer des vollständigen Ausklingens der akoInthen Erregungen bzw. Empfindungen zwei Grundbedingungen unseres Empfindungslebens auf seiner Entwicklung. dem gegenwärtigen Stadium

Zweiter Teil Die mnemischen Empfindungen

Siebentes Kapitel. Das Verschwinden der Origiualerregungen und das Zurückbleiben der Engramme. In dem vorangegangenen vorbereitenden Teil haben wir die Eigenart der Originalempfindungen, ihren Ablauf in der synchronen und akoluthen Phase sowie ihre gegenseitigen Beziehungen näher kennen gelernt. Wir sahen sie in chronen Phase anklingen und rasch das jeweilige ihrer Intensität erreichen, um dann in Maximum der akoluthen Phase als man abzuklingen. Wir nach anfänglich rapidem Intensitätsabfall langsamer, ohne nähere Untersuchung glauben haben Eine viel kürzere, unterschieden. Empfindung sich bar macht. Und sität bereits besonders so sollte, akoluthen Abklingen diesem bei in der syn- zwei Unterphasen die abklingende der noch ohne weiteres im Bewußtsein bemerkeine tief günstiger sehr viel längere, in der ihre Inten- gesunken daß es der Schaffung ist, Bedingungen damit bedarf, sich die abklingende akoluthe Empfindung noch im Bewußtsein manifestieren kann. Schafft man nun 80 läßt sich eine Phase Andauer der Empfindung bestenfr.lls Reizes nachweisen. lichkeit auf, solche besonders günstigen Bedingungen, in der akoluthen noch einige Minuten nach Aufhören des Früher oder später aber hört diese Mög- und die Empfindung als solche ist verschwun-
Die mneraischen Empfindungen. 138 Dabei den. ist aber der ganze Vorgang, der sich uns von der Empfindungsseite her betrachtet als synchrone und akoluthe Phase der Originalempfindung manifestiert nicht hat, spurlos vorübergegangen, sondern er hat eine bleibende Ver- änderung zurückgelassen, die wahrnehmbar nicht änderung als allerdings zunächst ihrerseits Ver- Ich bezeichne diese latente ist. Engramm. Das Vorhandensein des Engramms »Mneme« ausführlich gezeigt worden läßt sich, wie in der und wie die Ausfüh- ist, rungen der folgenden Kapitel des vorliegenden Buchs lehren werden, nur mittelbar, durch die veränderte Reaktionsfähigkeit des Organismus, d. h. als eine sition zur genau bestimmte Dispo- Erzeugung einer bestimmten mnemischen Erregung Das Engramm nachweisen. ist mithin ein Begriff, zu dem wir nicht, wie zur Empfindung, unmittelbar gelangen, sondern bei der Betrachtung dieser Phänomene von dem Standpunkt einer höchst verwickelten Synthese aus, die uns, wie in der Einleitung S. 7 gezeigt, Erregung führen. zur Aufstellung Empfindung nennen wir ihn Wenn fühlt. der oder mittelbar erals unmittelbar ge- wir dann auf Grund verschiedenartiger spä- Erfahrungen terer Begriffs Erregung nennen wir den Vorgang von seiner energetischen Seite her betrachtet schlossen. des zu dem Schlüsse kommen, daß jener Vorgang nach Vollendung seines Ablaufs Spuren hinterlassen so sind auch hat, denes, sich diese Spuren nichts unmittelbar sondern etwas mittelbar Erschlossenes, also au energetischen die Betrachtungsweise des sie Empfunschließen Vorgangs von der oder Erregungsseite her an, und wir werden dazu geführt, auch sie selbst von der energetischen Seite her zu betrachten. Freilich sind wir vorläufig noch nicht in der Lage, mehr
Verschwinden d. Origiualerregungen Zurückbleiben u. d. Engramme. 139 auszusagen, als daß die nach Ablauf des energetischen Vor- gangs der Erregung zurückbleibende Veränderung als eine änderung der reizbaren »Substanz« aufzufassen ist, aber weiter ins molekulare folgen, halte ich, Staude und verzichte nungslos in der »Mneme« betont habe, Kenntnisse unserer mein Teil darauf, für Diese Gebiet hinein zu ver- hoff- für mich mit Aufgabe zu beschäftigen. dieser Es große Anzahl eine gibt Engramm nur wieder zurückläßt. sich auch wenn dafür sie sich Wenn aus diesem hat, Engramm dann muemische Erregung zu ekphorieren eine durch nicht die oberbewußte Empfindung manifestiert durch eine nicht von Tatsachen, daß jede Originalerregung, sprechen, die wie ich schon gegenwärtigen beim ein also als substantielle oder materielle Veränderung. eine letztere Ver- oberbewußte eine ist, Empfindung zu manifestieren vermag, braucht uns der ganze Vorgang im Rahmen vorliegenden der des Buchs, auf der beschäftigen. Denn weder im licherweise im treten gelaufene Originalerregung den jeder leicht eine die unbeachtet ins liefert. Das gebliebenen, was wohl schon jeder an gleichwohl an sich kon- Oberbewußtsein Oberbewußtsein getretenen Stundenschläge — ist Engramm erzengen kann, ein langende muemische Empfindung sind Wohl aber auf. daß eine ohne oberbewußte Empfindung ab- welches bei seiner Ekphorie hierfür Studium nicht zu Engramm, noch auch im mnemischen Ablauf dann oberbewußte Empfindungen statieren kann, ist, originalen Ablauf, noch natür- hier auf den Fall hinzuweisen, man das oberbewußten Empfindungen zugeschnitten noch einige Zeit also nicht ins einer Uhr, die sich ausprobiert hat nachher, ekphorieren und nachzuzählen vermag. also ge- beste Beispiel mnemisch, — zu
140 31>ie Daß mnemischen Empfindungen. sich liier nicht es etwa um akoluther Empfindungen handelt, Nachzählen ein bloßes geht dem Umstände aus Emvom hervor, daß als akoluthe Empfindungen betrachtet, diese pfindungen sich zunächst, solange die Reize fortdauern, beim Hinzukommen jedes neuen Schlages ersten Schlage an höchstens verstärken könnten. Ist vom die ersten Schlage herrührende akoluthe Empfindung beim Aufhören des, sagen also ist dann stärkste akoluthe die Empfindungen verschwindet. neue durch vielleicht Griockenschläge hinzukommen, auch intermittierend, abnehmen, bis Aber ganz gleich, ob dieses oder intermittierend stattfindet, dieses in ganz sie Abklingen Phänomen Weise zur Deckung zu bringen mit der Reproduktion erloschen, Empfindung vorhanden, wenn keine weiteren Nachschübe neuer so wird sie alsdann, stetig, und Reizes, noch nicht Schlages wir zwölften ist in stetig keiner Frage stehenden der, sagen wir, 12 Schläge, die dabei als empfunden werden, und solche von uns als gleichwertig in ihrem Rhythmus genau den Rhythmus der Originalempfindungen wiederholen. Dies sich hier unmöglich vielmehr bündiger Beweis dafür, daß es ein ist um akoluthe Empfindungen, ganz sicher um mnemische bewußte Empfindung ablaufende sukzession Sukzession geliefert von hat, Wir haben Empfindungen handelt. ohne oberErregung eine Engramm- hier also einen klaren Fall vor uns, in aus der oberbewußten dem eine sich eine Empfindungen entsprechende ekphorieren läßt. Doch auch das Umgekehrte kann Originalerreguug, die sich durch Hat eine durch oberbewußte Empfindung zu manifestieren vermag, ein eine statthaben. Engramm erzeugt, aus dem sich oberbewußte Empfindung manifestierbare mne- mische Erregung ekphorieren läßt, so kann, besonders bei
Verschwinden d. Originalerregungen u. Zurückbleiben d. Engramme. 141 Umstän- häutiger Wiederholung des ganzen Prozesses unter den aus dem Eugramm mnemische Erregung ekphoriert eine werden, bei der die Manifestation durch oberbewußte pfindung fortfällt. mühsam unter Dies ist stärkster also unter vollbewußteu zum Em- wenn wir Beispiel der Fall, Anspannung der Aufmerksamkeit Empfindungen gelernte Fähigkeiten schließlich unter völliger Ausschaltung des Oberbewußtseins ausführen. Man denke an eine Frau, gelernte Tätigkeit des Strickens ausfuhrt, die die während bewußtsein vollkommen von anderen Dingen also jene Tätigkeit entschieden vollbewußt unterbewußt ihr erfüllt Ober- ist, die vollzieht. Drücken wir den uns hier beschäftigenden Vorgang durch zwei Keihen aus, in denen jedes Glied der einen Eeihe dem gleichphasigen der anderen entspricht und es nur von einer anderen Seite aus betrachtet Originalerregung a — — darstellt, also:
Die mnemischen Empfindungen. 142 ohne Manifestation eines oberbewußten / entwickelt (unbewußte Reproduktion von bewußt Gelerntem). sondern nur c/, c Diese scheinbaren Paradoxien finden ihre einfache Lösung durch Annahme, daß sowohl jede Originalerreg'ung die als auch jede mnemische Erregung, auf ihre Empfindungsseite wenn auch hin betrachtet, eine Repräsentation besitzt, Empfindungen So darstellen. los auch eine sich nicht immer als voll- diese oder oberbewußte besitzt in Fall 1 die Originalerregung a zweifel- Repräsentation als unterbewußte allerdings Originalempfindung a; in Fall 2 die mnemische Erregung c auch eine Repräsentation der allerdings unterbewußten mne- mischen Empfindung Daß auch /. die ohne oberbewußte Manifestationen vor sich gehenden Abläufe, wie vom Stande sie uns im zweiten Falle vorliegen, der Aufmerksamkeit abhängig sind, läßt sich deutlich aus folgenden Tatsachen ersehen. die Obwohl Frau eine oberbewußte Empfindung des Strickens während einer lebhaften Unterhaltung nicht hat, überhaupt die Tätigkeit des Strickens bei dieser Gelegenheit scheinbar gänzlich un- bewußt ausübt, hört ihr sie doch sofort zu stricken auf, wenn Bewußtsein von einer allzu faszinierenden Neuigkeit in noch höherem Grade mit Beschlag belegt wird. unterbricht unter solchen Umständen der Ebenso Gehende seine Promenade, bleibt regungslos stehen, vergißt sogar für Augenblicke zu Es geschieht atmen. immer unter dem Einfluß Schreckens, sondern oft dies durchaus nicht nur eines eigentlichen Affekts wie des genug bloß aus alles absorbierendem Interesse. Ich habe hier das Gebiet der unterbewußten Empfindungen, das ich für ein äußerst wichtiges und gründlicher Unter- suchung dringend bedürfendes halte, nur gestreift. Freilich
Verschwinden ist bis d. Originalerregungen nicht zu verkennen, jetzt stellen, sind. daß u. Zurückbleiben d. sich einer solchen Engramme. 143 Untersuchung noch außerordentliche Schwierigkeiten und brauchbare Methoden Wir selbst wollen uns im erst entgegen- noch zu entwickeln vorliegenden Werk vor- wiegend nur mit solchen Fällen beschäftigen, bei denen bei der Ekphorie der Engramme Empfindungen zutage treten, deutlich oberbewußte und uns jetzt mnemische dem genaueren Studium solcher Engramme und Engrammkomplexe zuwenden.
Achtes Kapitel. Das einzelne Engramm und der simultane Eugrammkomplex. Im vorigen Abschnitt haben wir den Vorgang der En- graphie so dargestellt, als hinterließe eine bestimmte einzelne Originalerregung (in der Regel manifestiert durch eine Ori- ginalempfindung) ein bestimmtes einzelnes Engramm, und aus diesem Engramm könne dann stellung ist sie zwar nicht mnemische eine entsprechende Erregung bzw. Empfindung ekphoriert werden. Diese Dar- falsch, aber sie ist schematisiert, und bedarf gleich von vornherein einer Korrektur in Gestalt einer Erweiterung. Wir werden sehen, daß durch diese Er- weiterung unser Verständnis der mnemischen Phänomene gesamt erstaunlicher in Weise vereinfacht und ins- erleichtert wird. Wenn wir im vorigen Abschnitt von der Reihe empfindung gangen — Engramm sind, so — : Original- mnemische Empfindung, ausge- werfen wir jetzt ein: Liegen uns denn in unserem Empfindungsleben je einzelne, überall scharf abgrenzbare Originalempfiudungen Empfindungskomplexe vor, und für nicht vielmehr simultane deren Zerlegung in Einzel- empfindungen kein elementares Kriterium gefunden werden kann, so daß eine solche Zerlegung in vieler Beziehung stets Sache der Willkür und Konvention bleiben muß? Diese Frage haben wir bereits oben im zweiten Kapitel
Das einzelne Eugramm und der simultane Engrammkomplex. (S. 27 — 32) ausführlich untersucht, dortigen Ausführungen sich tigen, da ich und will. Nur mein dortiges Weder die Ein- Schlußresultat bringe ich hier noch einmal: teilung der Empfindungen Modalität, noch nach die den Leser, die noch einmal zu vergegenwär- wiederholen sie nicht ich bitte 145 nach ihrer Qualität oder dem selbst ihrer Auslösung liefert Ort eine Handhabe, denGesamtempfindungsinhalt eines gegebenen Augenblicks, den Simultankomplex, mente aufzulösen. dabei für das Dies erklärt Bewußtsein um sich ohne Willkür in Ele- daß daraus, es sich zusammen- eine von vornherein hängende, wenngleich durchaus nicht homogene Einheit handelt, die man, wie bei morphologischer Analyse den Körper des Organismus, künstlich zerschneiden muß, mentarbestandteile, deren Definition stets Sache der Willkür stellt Ton — von setzt — Druck oder ebensolche Temperatur- ist, wie ich bereits oben an dem Tapetenmuster was man etwas, fast immer noch weiter kleinere oder einfachere Elemente auflösen kann. leicht zeigen läßt, scheitert in d. h. der einer Speise, Geschmacks- und Geruchsempfindungen zusammen- gezeigt habe, such, ein mehrere Zentimeter Haut empfindung, der sogenannte »Geschmack« sich aus Empfindung dar- beliebigem Durchmesser, mit allen seinen Obertönen, ein treffender schmerzhafter dem naiven sich vielleicht als einfache ein Farbenfleck sie in Ele- mehr oder weniger Was zu zerlegen. ist, Bewußtsein zunächst um jedem konkreten Wie in sich Fall der Ver- einen simultanen Empfindungskomplex in natürliche, als solche vom unmittelbaren Bewußtsein wahrgenom- mene und unterschiedene Elemente zu scheitert, beweist die Empfindungskomplexes. II. und daß er Der simultane Empfindungskomplex der Originalempfiudungen Semon,Mneme. zerlegen, primäre Einheitlichkeit eines solchen stellt demnach insofern 10 eine Ein-
146 I^ie vollständige Auflösung seine als dar, heit mnemischen Empfindungen. bestandteile irgendwelcher Art unmöglich Wenn uns also nicht in Elementar- ist. einfache, isolierte Empfindungen Abgrenzung im strengen Sinne unmög- gegeben sind, deren lich sondern nur die jeweiligen Simultankomplexe von ist, Originalempfindungen ihrer Totalität, so (bzw. können mnemischen Empfindungen) in genommen, auch nicht wir, streng sagen, die Empfindung (bzw. die durch sie repräsentierte Er- regung), die wir nicht abzugrenzen vermögen, wirke engraphisch, sondern müssen davon ausgehen, daß die gegebene Totalität, der ganze simultane Erregungskomplex engraphisch wirkt, eine latente Veränderung in Gestalt eines entsprechen- den simultanen Engrammkomplexes zurückläßt. Kurz gefaßt daraus die folgende These, die ich als den ergibt sich uns ersten mnemischen Hauptsatz oder den Satz der Engra- phie bezeichnen (in will: Alle gleichzeitigen Erregungen unserem Falle manifestiert durch Empfindungen) inner- halb Organismus eines einen bilden zusammen- hängenden simultanen Erregungskomplex, der als solcher engraphisch wirkt, d. h. einen zusammenhängenden und insofern ein Ganzes bildenden En- grammkomplex zurückläßt. Man könnte gegen die Richtigkeit wenden, daß sich doch nur einem solchen den originalen Empfin- dungskomplex auch nur mit annähernder Vollständigkeit produzierte. Darauf könnte man ein- mnemischer Empfin- ein lasse, der Satzes Ausnahmefällen aus in seltenen Engrammkomplex dungskomplex ekphorieren dieses re- antworten, daß es aller- dings fast immer nur Ausschnitte sind, die mnemisch zutage treten, aber doch immer Ausschnitte, Komplexe darstellen, nicht etwa isolierte die ihrerseits schon Elemente. Die Frage,
Das einzelne Engramm und der simultane Engrammkomplex. warum 147 mnemische Reproduktion eines Simultankomplexes die zugrunde liegenden Engramm- trotz der Geschlossenheit des komplexes eine so fragmentarische ist ist, indessen von so großer Bedeutung für das richtige Verständnis des ersten mnemischen Hauptsatzes, daß diese Antwort nicht genügt. Wir müssen untersuchen, lichkeit Wenn diese Frage hier vielmehr mit einiger Ausführ- der und formulieren folgendermaßen: sie Simultankomplex der Originalempfindungen zusammenhängendes Ganzes bildet, und sich ein dasselbe auch von dem nach seinem Verschwinden zurückbleibenden En- grammkomplex beweisen warum läßt, erscheint der bei mnemischen Reproduktion nicht wieder der gesamte Simultankomplex als mnemischer Empfindungskomplex, sondern nur zusammenhangslose Fragmente desselben? Daß Regel letzteres die spiele angefürt. isolierten Wie oft ist, dafür seien hier einige Bei- kommt zuweilen, man könnte uns totschlagen, doch nicht zu sagen, zu welcher und durch wen wir tion in es vor, daß wir uns eines Faktums, Namens oder Datums erinnern. Wir sagen eines und wir vermöchten Zeit, in einer Umgebung Reproduk- ganzen simultanen Empfindungskomplexes kann diesem Fall nicht die Rede sein; sie nigstens, direkt unmöglich. Zweitens ein Reproduktion zwar nicht unmöglich unterbleibt. welcher Von es gehört haben. Wir ist, ist dem diese aber in praxi halten eine vorher vorbereitete zitieren bei einer öffentlichen we- zunächst, Fall, in oft Rede oder Ansprache einen früher einmal gehörten Ausspruch einer Autorität. Sind wir bei dieser produktiven Tätigkeit ganz bei der Sache, dann re- fällt alles Beiwerk der die Engraphie begleitenden Umstände von uns ab, und eine sauber herauspräparierte Kette von mnemischen Einzelempfindungen dirigiert unsere Leistung; 10* von einer
I^i^ 2^48 mnemischen Empfindungen- reproduzierten Kette der gesamten Simultankomplexe, die en- graphisch gewirkt haben, kann wiederum keine Rede Und wiederholen wir einen schon drittens, sein. gehaltenen oft Vortrag, zitieren wir ein allbekanntes, oftmals gehörtes Ge- ohne dicht, dabei unsere Aufmerksamkeit besonders auf diese gleichgültige Tätigkeit zu richten, so leicht allerdings allerlei werden uns dabei während Erlebnisse ligen wiederholten Engraphie einfallen. der Es sind ehema- dies aber dann doch immer nur zerstreute Ausschnitte, nie Ketten der vollständigen Simultankomplexe. Wie empfundener Ablauf auch möglich eine vielleicht sollte sein, deren oberbew^ußt da an der Engraphie zwanzigmalige Wiederholung beteiligt war, bei der Reproduktion also zwanzig in vielen Teilen wesent- verschiedene mnemische Simultankomplexe gleichzeitig lich ablaufen und oberbewußt empfunden werden müßten? letzteres nicht geschieht, ist Die in Daß jedenfalls sicher. den eben gebrachten Beispielen ersichtliche Frag- mentierung des Simultankomplexes bei der mnemischen Reproduktion ist nun das Werk folgender drei Momente, die sich an ihm mit wechselnden Anteilen ligen: Erstens die in der die betei- gewöhnlich sehr beträchtliche Abblassung, mnemischen Empfindungen verglichen mit den Originalempfindungen Zweitens auftreten. Macht der Aufmerksamkeit, der dungen ganz ebenso wie die die isolierende mnemischen Empfin- die originalen unterliegen. die eigentümlichen Bedingungen, die Drittens durch die mnemische Homophonie geschaffen werden. Die Abblassung glichen mit ihrer kanntesten und Man der mnemischen Empfindung, originalen Vorgängerin, am leichtesten ist eins ver- der be- nachweisbaren Phänomene. pflegt bei der Unterscheidung der beiden Klassen von
Das einzelne Engramm und Empfindungen zu sagen, der simultane Engrammkomplex. 149 muemischen Empfindungen hätten die etwas Blasses und Körperloses im Vergleich zu nicht nur den sozusagen derberen Originalempfiudungen, sondern seien zweitens auch lückenhaft Merkmalen, und tiger. Auf die drittens sie seien unbeständiger wir später noch ausführlich zurück. ist im gegenwärtigen Augenblick deutung. Vividität der kann man aufmerksam Wir brauchen uns also Die Blässe, die geringe mnemischen Empfindungen, verglichen mit der der sich jeden Augenblick vorführen, einen Glegenstand, ansieht, »vorstellt«, d.h. rein zuerst auf uns von keiner Be- für Die zweite Merkmalsgruppe aber läßt sich ohne hier nur mit dieser zu beschäftigen. originalen, flüch- kommen Ihre Berücksichtigung Zweifel restlos aus der ersten ableiten. man und erwähnte Merkmalsgruppe zuletzt sie und ärmer an unterscheidenden dem z. B. die eigene indem Hand, einen Augenblick dann die Augen schließt und sie sich nur mnemisch empfindet. Oder einen Akkord Klavier anschlägt und nach dem Verklingen mnemisch wiederholt. Zwar treten bei so angestellten Versuchen, wie wir nachher im zwölften Kapitel sehen werden, die beiden Arten von Empfindung durch eigentümliche Umstände der Orientierung in einen übertrieben scharfen Gegensatz zu- einander, und die Erfahrungen des Traumlebens, der Hyp- nose und Suggestion sowie vieler direkt pathologischer Zustände unter belehren uns, vielen daß die Verhältnissen nehmen können. Soviel muemischen »sinnliche aber sicher und ist unsere augenblicklichen Zwecke, teres, sie sozusagen mehr Verschwimmendes. genügt für Bedingungen sehr viel weniger lebhaft erscheint als ihre Wir empfinden an- daß die mnemische Emp- findung normalerweise unter gleichen gängerin. Empfindungen Lebhaftigkeit« Davon als stets originale Vor- etwas Entfern- später mehr. Hier
150 I^iß muemischen Empfindungen. wollen wir mir das Ergebnis dieser geringeren Vividität ins Auge fassen. Zunächst haben wir zu berücksichtigen, daß auch von einem Simultankomplex von Originalerregungen nicht jede Emp- offenbar vorhandene Erregung durch eine oberbewußte findung zur Manifestation gelangt, sondern nur ein Teil derselben, der entweder besonders kräftig betont, oder auf Aufmerksamkeit besonders gerichtet die Beispiel an meinem Schreibtisch ist. Blicke ich den zum sitzend geradeaus auf einen Gegenstand vor mir, so nehme ich nicht nur diesen, son- Umgebung wahr. dern auch noch die Gegenstände in seiner Gegenstände aber, die mehr 45" als außen nach von meiner Sehachse liegen, empfinde ich so lauge nicht oberbewußt, nicht meine Aufmerksamkeit auf die Peri- als ich immer pherie (natürlich unter Tue Sehachsen) richte. gleicher Geradausstellung der daß ich das aber, so entdecke ich, ich noch ganz leidliche Bilder von Gegenständen habe, die bis nahezu 90° nach außen (schläfenwärts) von meinen Seh- achsen liegen. durch sich Die Erregungen der reizbaren Substanz, die letztere selbstverständlich auf Empfindungen schon da, waren manifestieren, ehe ich die Aufmerksamkeit sich aber unter jenen Bedingungen noch nicht durch oberbewußte Emp- die Peripherie richtete; manifestierten sie findungen. Ferner aber kann die Empfindung eines peripheren Gegenstandes über die Schwelle des Oberbewnßtseins gehoben werden, nicht durch Richtung der Aufmerksamkeit auf die Peripherie, sondern durch Verstärkung der Erregung infolge Steigerung des Reizes. So nehmen wir nicht die von uns stehende Lampe wahr, so lange Wird sie aber angezündet, so bildet seitlich sie nicht brennt. sie ceteris paribus einen
Das einzelne Engramm und der simultane Engrammkomplex. 151 ausgesprochenen Teil unseres Bewußtseinsinhalts au optischen Empünduugeu. Die in einem Simultankomplex vorhandenen Wege erregungen müssen also auf irgend einem um stimmte Vividität erreichen, als Teile des Dies zu gelangen. inhalts zur Manifestation Originaleine be- Empfindungsgilt nicht nur für Originalerreguugeu, sondern für Erregungen überhaupt, auch für die mnemischen Erregungen. d. h. Tritt also ge- setzmäßigerweise jeder Simultankomplex von Originalerre- guugeu iu sehr verblaßter Form bei mnemischer Erreguugskomplex wieder der Reproduktion als auf, so liegt es in der Natur der Sache, daß von der Auslese lebhafter Erregungen, die sich ehemals durch Originalempfindungen manifestierten, Auswahl der eine sehr viel kleinere wieder nur allerleb- haftesten durch mnemische Emptinduugeu zur Manifestation Nur gelangen. durchbrechen die dann Erhebungen des Komplexes höchsten uoch die Schwelle und erscheinen uns dann seins seiusiuselu, sich des Oberbewußt- »assoziierte« Bewußt- etwa wie die Spitzen der höchsten Alpengipfel als scheinbar wenn als zusammenhangslose Inseln erscheinen würden, das Niveau der benachbarten Meere um 3000 Meter höbe. Oder wählen wir einen anderen Vergleich. besitzen von einer photographischen der die meisten Feinheiten des Gesetzt, wir Aufnahme einen Abzug, Negativs Schärfe wiedergibt. Wir wollen diesen mit in dem genügender Originalempfin- dungskomplex vergleichen. Außerdem besitzen wir aber noch viel mattere Abzüge, Stellen überhaupt bei denen nur die kontrastreichsten erkennbar hervortreten. rieur-Personenaufnahme sehen wir dann zahl von Gesichtern z. Bei einer InteB. nur eine An- aus einem undefinierbaren Nebel auf-
152 I^ic mnemischen Empfinduugeii. sonst noch tauchen, vielleicht und da eine Hand, hier besonders günstig aufgenommenes Gerät, ein z. B. einen Spiegel, dunkelgerahmtes Bild an der Wand. helles, sammenhang des Ganzen ist ein Ein Zu- aber nicht zu erkennen, und die auf dem Blatte vergesellschafteten Gesichter, Hände, Spiegel, Ganz Bilder erscheinen als zusammengewürfelte Fragmente. ähnlich präsentiert simultanen eines uns sich mnemische Reproduktion die Empfindungskomplexes, mit dem Unter- daß dieser Komplex sich nicht nur aus Gesichts- schiede, empfindungen, sondern auch aus Gehörs-, Ge- Geruchs-, schmacks-, Haut-, Organ- und Bewegungsempfinduugen mit und ohne Gefühlsbetonung zusammensetzt. Von all diesen verschiedenen erscheinen Bestandteilen mnemischen Reproduktion unter gewöhnlichen Ver- bei der hältnissen bestenfalls Bruchstücke der eindrucksvollsten Kom- ponenten wieder, und diese Bruchstücke nennen wir dann assoziiert. Eine viel sinngemäßere Auffassung aber nicht diese Bruchstücke es, für assoziiert, ist sondern gemeinsame Bestandteile, als Höhenpunkte eines zusammenhängenden simultanen Empfindungskomplexes anzusehen. In der Tat gelingt es uns auch sie als in den meisten Fällen bei einiger Mühe und Beschäftigung mit dem Simultankomplex, aus dem Nebel, aus dem assoziierten heiten herauszuerkennen, und Empfindungskomplex wenigstens ekphorieren jene Höhenpunkte emportauchen, noch manche Einzelschließlich in seinen den ehemaligen Grundzügen zu i. Trotz dieser Bedenken gegen den Ausdruck »Assozia- tion« werde ich mich desselben auch meinerseits weiterhin 1 In der Mneme (2. Aufl. S. 123) habe ich bereits diesen Tatbestand durch ein längeres Beispiel erläutert. I
Das einzelne Eugranim uud der simultane Engrammkomplex. 153 bedienen, weil er zu eingebürgert und auch zu handlich als daß könnte, und weil er auch nicht so sehr mißverständlich wenn man ist, mich leichthin zu einem Verzicht entschließen ich ihn cum grano salis, d. h. auf ist, dem Untergrund der Erkenntnis gebraucht, daß in Wirklichkeit keine Ver- knüpfung von sondern der Zusammen- isolierten Einzelheiten, hang eines Ganzen, die Aufbewahrung und teilweise allerdings ungeheuer abgeblaßte Reproduktion eines im Grunde einheitlichen Simultankomplexes vorliegt. Bewirkt schon die durchgehende Abschwächung der Vividität bei der mnemischen Reproduktion im Vergleich zum origi- nalen simultanen Empfiudungskomplex, daß bei ersterer unter gewöhnlichen Bedingungen nur die Gipfel der Empfindungen aller verschiedenen Sinuessphären in das Oberbewußtsein hin- einragen, so wird die hierdurch bedingte Lückenhaftigkeit der mnemischen Wiedergabe des Simultankomplexes noch außerordentlich dadurch vermehrt, daß in der Regel die Aufmerk- samkeit nur auf einen jener Gipfel oder eine kleinere Gruppe Es geschieht derselben eingestellt wird. der minderen Die eingestellten licher, ihre der Vividität Gipfel dies gerade mnemischen wegen Empfindungen. werden dadurch allerdings deut- an sich gleichgestellten, aber momentan von der Aufmerksamkeit vernachlässigten Genossen aber gleiten daGeschieht doch etwas durch ins Unterbewußtsein zurück. Ähnliches, wie wir (S. 150) sahen, schon beim Simultaukomplex der Originalempfindungen. der letzteren Verschwinden auf den von ist aber der bringenden ihr Bei größeren Deutlichkeit der Effekt dieser Wirkung der negativen, zum Aufmerksamkeit vernachlässigten Rest des Simultankom- plexes viel weniger auffällig als bei den mnemischen Empfin- dungen.
Die mnemisehen Empfindungen. 154 Es ist also nur selbstverständlich, daß, wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf richten, eine einmal gehörte Tonfolge richtig wiederzugeben, kleine Situation, in der wir sie hörten, die Einzelheiten der im übrigen ganz wohl in unserem Gedächtnis haften und unter anderen Umständen ohne weiteres reproduziert werden können, in solchen Mo- Es wirkt menten ganz im Unterbewußtsein verschwinden. dadurch die bloß auf gewisse Stellen des Simultankomplexes eingestellte Aufmerksamkeit im Sinne der Loslösung, Dis- soziation dieser Teile von dem Rest des im Grunde ein zusammenhängendes Ganzes bildenden stets Simultankom- plexes. Als dritten Hinderungsgrund für die vollständige Reproduktion eines als ein einheitliches Ganzes deponierten En- grammkomplexes hatten wir bezeichnet, die bei die eigentümlichen Bedingungen der mnemisehen Homophonie herrschen. Wir kommen darauf später noch ausführlicher zurück. möge folgender Hinweis genügen: Ich habe dadurch auswendig gelernt, daß ich es mir Hier ein Gedicht bei zwanzig Ich habe mir da- verschiedenen Gelegenheiten laut vorlas. durch zwanzig Engrammfolgen des Gedichts verschafft, die homophon einheit- mnemischer Empfindungen manifest werden. Diese bei der Reproduktion als eine Sukzession licher Empfindungen vermögen homophon zusammenzuklingen. übrigen Bestandteile der zwanzig Engrammkomplexe sind aber unter sich so wesentlich verschieden ich früh, Die das andere Mal abends, einmal Mal in Gesellschaft anderer, Mal in jenem Zimmer, das — einmal lernte allein, das andere einmal in diesem, das andere dritte Mal im Garten — daß sie weder homophon zusammenklingen noch nebeneinander empfunden werden können. Sie können sich nur gegenseitig im
Das einzelne Engramm und der simultane Engrammkomplex. Aufmerksamkeit auf das Gedicht alle man So wird, auch wenn Wettstreit unterdrücken^. 155 nicht selbst richtet, bei der Reproduktion höchstens ein Fetzen bald aus diesem, bald aus jenem der nicht homophonen Bestandteile der zwanzig Engrammkomplexe neben den homophonen Elementen des Gedichts auftauchen. Nachdem wir hiermit die Gründe kennen gelernt haben, warum der als ein Ganzes tane Engrammkomplex in erzeugte und aufbewahrte simul- Weise durch so fragmentarischer oberbewußte muemische Empfindungen zur Manifestation ge- haben wir in bezug auf diesen Simultaukomplex noch langt, Bisher haben Ergänzung zu machen. eine äußerst wichtige wir nämlich der Einfachheit halber immer nur angenommen, Empfindungskomplex ein simultaner im gegebenen dungeu jene durch die wirkten als Originalempfin- Zusammenhängendes Anschauung ist führlich bewiesene Tatsache, Erregungen manifestierten en graphisch, die von uns daß er- Das Fundament zeugten den simultanen Engrammkomplex. dieser ganzen aller etwas Zusammenhängendes, und Empfindungen etwas den Inbegriff vorhandenen Augenblick dar, sei als solcher stelle (S. 27 — 32) es nicht möglich ist, aus- einen simultanen Empfindungskomplex in natürliche Elemente aufzulösen. Aber besteht denn ein solcher Empfindungskomplex ausschließlich aus Originalempfindungen? für die ersten wie Tiere) zu 2. 1 Auf Dies trifft allein Simultankomplexe der Neugeborenen (Menschen Ein Mensch, der ein gewisses, gar nicht diesen Wettstreit wird erst im 18. Kapitel näher eingegangen werden. 2 Auch für diese nur, wenn wir die aus ererbten phorierten mnemischen Empfindungen ignorieren. wir, Eugrammen ek- Letzteres aber wollen wie ich schon im Vorwort ausgesprochen habe, in der vorliegenden Arbeit tun.
Die mnemischen Empfindungen. 156 sehr fortgeschrittenes Alter erreicht hat, hat jedenfalls keinen dem simultanen Empfindungskomplex, in Originalempfindungen mnemische Empfindungen in den Simultankomplex anders den ekphorierte diese Verhalten sich nun diese gesellten. mnemischen Empfindungen nicht zu sich durch zahlreiche bezug auf ihre Einordnung als in die Originalempfindungen, lassen sie sich ohne willkürliche Zertrennung aus der d. h. Gesamtheit des Simultankomplexes herauslösen? Daß von mnemischen einer sauberen Herauslösung der Empfindungen aus dem Komplex der Originalempfindungen keine Rede sein kann, dafür möge das folgende Beispiel als Beweis dienen. Zeigen wir die untenstehende Figur irgend einem Unbefangenen, so wird er ohne weiteres Besinnen in ihr die Wiedergabe eines Würfels sehen. Fordert dem zwei Trapeze angeschrieben zu sehen, sind, wird es ihn nämlich ein Qua- auf, darin bloß eine planimetrische Figur, drat, man fast so jedem, beson- ders allen denen, die nicht in geometrischer Arbeit ge- übt sind, geradezu eine An- strengung kosten, sich von der als Auffassung Körper frei der Figur machen zu und nur eine ebene Figur zu sehen. metrische zu sehen, so ist Blickt lich, nachdem ist, die weg und nach man Figur es schließ- gelungen als plani- einiger Zeit wieder hin, gewöhnlich zunächst das körperliche Bild wieder da. Und zwar geschieht dies, obwohl die Flächen der Figur keine Spur von Schattierung zeigen, die auf den Flächen des
Das einzelne Engiamm und der simultane Engrammkomplex. 157 Bildes eines wirklichen Körpers nie ganz fehlt, und obwohl auch ihre Konturen die Wirkungen der sogenannten Luftperspektive ganz vermissen lassen. ares Bild, Trotzdem also unser line- ganz gleich ob wir es uniokular oder binokular be- trachten, nur sehr summarisch und unvollkommen mit dem Bilde, das wir beim Anblick eines wirklichen Würfels haben, überein- Übereinstimmung doch genügend groß, das En- stimmt, ist gramm des als Körper geseheneu Würfels zu ekphorieren und die dadurch die an sich durchaus in einer Ebene gesehene Original- empfindung stark zu verändern i. Immerhin ist es in diesem, und wie wir später sehen werden, in zahlreichen anderen Fällen noch sehr wohl möglich, durch Einstellung der Aufmerksamkeit die mnemische von der entsprechenden Originalempfindung zu nen. in Es gibt aber auch viele Fälle, in denen dies nicht tren- gelingt, denen eine Absonderung der zu den Originalempfindungen hinzutretenden mnemischen Empfindungen, selbst bei stärkster Anspannung der Aufmerksamkeit, nicht möglich ist. Das regelmäßige Vorhandensein von mnemischen Empfindungen bzw. Erregungen in jedem Simultankomplex und ihr inniger Zusammenhang innerhalb desselben mit den 1 Eine derartige innige Verbindung von originalen und mnemischen Empfindungen wird von Wundt (Grundz. d. phys. Psych. 3. Bd., 1903, S. 528) als >Assimilation« bezeichnet und folgendermaßen definiert: »Sie findet dann statt, wenn durch ein neu in das Bewußtsein eintretendes Gebilde frühere Elemente erneuert werden, so daß diese sich mit jenem zu einem einzigen simultanen Ganzen verbinden.« Als »Komplikation< bezeichnet Wundt (a. a. 0., S. 541) im Anschluß an Herbart derartige »Verbindungen der Vorstellungen und Gefühle disparater Sinnesgebiete*. Ob es notwendig oder aus praktischen Gründen geraten ist, diese engeren Verbindungen innerhalb der simultanen Empfindungskomplexe besonders zu unterscheiden und mit speziellen Bezeichnungen zu versehen, will ich hier nicht zu entscheiden versuchen. Bei unserer Untersuchung der mnemischen Grundphänomene bedürfen wir dieser Bezeichnungen jedenfalls nicht.
Die mnemischen Empfindungen. 158 Originalempfindungen hat aber eine für Wirksamkeit die der Engraphie im Sinne unseres ersten mnemischen Haupt- Dies lehrt uns die Erfahrung satzes sehr große Bedeutung. jedes Augenblicks. Wer beispielsweise auf S. 156 des vor- liegenden Buchs einen Würfel gesehen hat und nicht eine planimetrische Figur, eines Würfels der erhalten, hat auch damit das Engramm nicht nur die originalen, son- d. h. dern auch die mnemischen Komponenten dieses Komplexes haben engraphisch gewirkt und gelangen bei der Ekphorie mit zur Reproduktion; der Beschauer reproduziert auch in der Erinnerung an jene Seite stets sofort wieder einen Würfel und nicht eine planimetrische Figur. Weitere Beispiele von noch zwingenderer Beweiskraft werden unten an verschiedenen Stellen beigebracht werden; ich verweise besonders auf den S. 166 besprochenen Fall. Faktisch gruppieren sich bei jedem menschlichen Indivi- duum jenseits um der ersten Kinderjahre fast jeden Teil- komplex von Originalempfindungen zahlreiche durch diese ekphorierte mnemische Empfindungen und wirken in dieser Gruppierung engraphisch. Auf weitere wichtige Konsequenzen dieses Tatbestandes haben. An werden wir unten noch näher einzugehen der vorliegenden Stelle handelt es sich für uns nur um unserer Untersuchung die Feststellung, daß jeder simultane Empfindungskomplex sowohl aus Originalempfindun- gen 1 wie mnemischen Empfindungen besteht, die sich in einem engen Zusammenhang untereinander befinden und auf diese Weise ein Ganzes bilden, und daß dieses Ganze von der energetischen Seite her betrachtet als solches — — engraphisch wirkt. Im Schlafe, bei tiefer Versunkenheit und in ähnlichen Zuständen können die Originalempfindungen sehr zurücktreten. Ganz bedeutungslos werden sie wahrseheinlich nie. 1
Neuntes Kapitel. Der individuell erworbene Engrammschatz. Vom individuell envorbeneu Engrammschatz spreche im Gegensatz zum ererbten Engrammschatz. teren gehe ich gramme nicht ein, interessieren, aus weil uns hier Auf den nur solche ich letz- En- oberbewußte mnemische denen Empfindungen ekphoriert werden können, und weil es zum mindesten zweifelhaft ist, ob ererbte Engramme dungen mit der nötigen Klarheit zu solche Empfin- liefern imstande sind. Jedenfalls schalte ich diese Frage für die vorliegende Unter- suchung aus und gedenke Zusammenhang gründlich zu über den Mneme, 2. Aufl., Vom S. 152, 276, Zur erörtern. Engrammschatz ererbten einmal in anderem später sie verweise Beginn des individuellen Lebens Ablauf von auf die 281 usw. schluß geht in der reizbaren Substanz unaufhörlicher Orientierung ich bis zu seinem Ab- des Individuums ein verschiedenartigen Erregungen vor sich, von denen nur ein gewisser Bruchteil durch ober- bewußte Empfindungen schwierige Frage, Entwicklung zur Manifestation auf welchem Stadium des Menschen Empfindungen reden mau Die der individuellen zuerst von darf, braucht gelangt. oberbewußten uns hier nicht zu beschäf- tigen. Die Erregungen spinnen sich im Leben des Indivi- duums in der Art ab, wie auf dem Spinnrocken ein Garn
Die mnemischen Empfindimgen. 160 gesponnen wird. und Komponente an die eine Stelle, Zwar hat jede Komponente ihren Anfang Ende, aber Auftreten und Verschwinden ihr an jener andere die für daß das Ganze zusammen eine vollkommene Kon- so Beim Hanf- oder Wollenfaden handelt tinuität darstellt. sich dabei um um eine zeitliche. die Möglichkeit einer Elementaranalyse des Ablaufs Mneme der Erregungen habe ich mich bereits in der (2. Aufl., folgendermaßen ausgesprochen: »Wir haben die Zu- S. 130) sammenordnung der simultanen Erregungs- und, an schließend, der Engrammkomplexe und einsinnige bezeichnet. die bereits dem Ausdruck In daß es dem Phänomen um ist eine in unserem selbst liegen, voll- Dies wird sofort klar, wenn wir der Teilungs- zogen haben. größe gegenüber Stellung zu nehmen suchen. simultanen Erregungen sprechen, gleicher Zeit vorhanden sind, Wie lange Frage: stetig' wahrnehmen deren Teilung wir also nur aus Gründen, die in , sich die in sich keine Teilung Denkvermögen, nicht an- sie als eine stetige, einreihige Erkenntnis ausgedrückt, Kontinuität handelt, läßt, es eine räumliche Kontinuität, bei der Folge der Erregungskomplexe Über dieser, erfolgt für dauert so solch also kann eine Wenn wir von Erregungen, die zu die Antwort auf die Gleichzeitigkeit? bei der ungeheuren Anzahl der in jedem Augenblick auf den Organismus wirkenden Einflüsse, deren jeder zu eigner Zeit beginnt und endet, nur lauten: unendlich kurz. Da nun jeder Erregungs Vorgang der organischen Substanz, auch der kürzeste, eine meßbare Zeitdauer lich klein ist, in so ist bei der besitzt, also niemals unserem Falle unendlich kurzer Zeiträume gisches, von außen prinzip angewendet«. unend- Aneinanderreihung simultaner, ein rein lo- Dinge hineingetragenes Teilungs- in die Um Mißverständnisse zu vermeiden.
Der individuell erworbene Engrammschatz. 161 möchte ich dem noch hinzufügen, daß der Begriff des Simultankomplexes zwar hinsichtlich und seine Vorgänger willkürlichen seine Nachfolger Trennung Simultaukomplex, in Abgrenzung gegen seiner ist, das Produkt einer daß aber der so herausgetrennte seinem Zeitinfinitesimal selbst betrachtet, eine natürliche Einheit darstellt. Die Reihe der simultanen Erregungs- bzw. Empfindungs- komplexe heißt, sich uns stellt als ein zeitlicher wenn Simultankomplex o da ist, ist Ablauf dar, das Simultankomplex n und p noch nicht eingetreten. Die simultanen Erregungskomplexe lassen nun, wie wir gesehen haben, bereits vorüber Engrammkomplexe komplexen zurück, aus denen den früheren Erregungs- mnemische entsprechende jederzeit ekphoriert werden können. Erregungskomplexe Die von den Erregungs- komplexen zurückgelassenen Engrammkomplexe also im Gegensatz zu der Erzeuger etwas als sich zeitlich ablösenden Eeihe ihrer Dauerndes dar; während die zeitlich simultanen Erregungskomplexe n, o, p zeitlich lösen, sind die entsprechenden simultanen j', o, TT gleichzeitig simultane einander ab- Engrammkomplexe gleichzeitig vorhanden, das heißt, ich Engrammschatz stellen sich kann aus meinem Engrammkomplexe ek- phorieren, die zu ganz verschiedenen Zeiten entstanden sind. mache Ich tanen also darauf aufmerksam, Erregungskomplex unter einem simultanen Entstandenes lich, etwas da zu verstehen schweigend sie — von jedem mnemisch Von Anbeginn des simultan Bestehendes, Engrammkomplex aber etwas simultan ist. diese Unterscheidung in nehmen, daß unter einem simul- — die Es wäre aber zu umständTerminologie mit aufzu- verständnisvollen Leser still- gemacht werden wird. individuellen Lebens läßt jeder simul- tane Erregungskomplex eine dauernde Veränderung zurück, Semo n, Mneme. II. 11
Die innemischen Empfindungen. 162 eine Auf derung in latente die Frage, ob und inwieweit sich diese Verän- gewissen Abschnitten der reizbaren Substanz des Individuums Mneme zeigt, lokalisiert bin näher eingegangen und zu für die individuell im ich dem 5. Kapitel der Eesultat gelangt, daß erworbenen Engramme eine gewisse zwar graduelle aber nicht exklusive, ist. ist Veränderung der organischen Sub- dauernde stanz. Das Engramm Engrammkomplex. den entsprechenden Lokalisation anzunehmen Hierauf gehe ich hier nicht weiter In einer spä- ein. teren Fortsetzung unserer Untersuchungen werde ich ausführ- zurückkommen. licher darauf Jeder Augenblick des individuellen fügt dem Engrammkom- Daseins schon vorhandenen Bestand von simultanen plexen einen neuen Bestandteil hinzu. Unser individuell erworbener Engrammschatz steht uns seiner Entstehung entsprechend funktionell jederzeit in chro- nologischer Schichtung zur Verfügung. Dies ist eine not- wendige Folge des Umstandes, daß jeder simultane Engramm- komplex dauernd am innigsten mit seinem unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger verbunden zu erklären ist, suchen haben. Wie dieses Verhalten werden wir unten noch genauer zu unterHier fassen wir nur das fertige Eesultat ins Auge, das sich uns in einer chronologischen individuell erworbenen diese Art der ist. Engrammschatzes Anordnung tritt bei Schichtung des darstellt. Das der Manifestation heißt, dieses Engrammschatzes durch mnemische Erregungen bzw. Empfin- dungen zutage. Es ist damit nicht etwa gesagt, daß die Veränderungen der organischen Substanz, die wir notgedrungen in irgend einer uns freilich ganz unbekannten Form morphologischen Substrate der Engramme und plexe ansehen müssen, nun ihrerseits in als die Engrammkom- einer morpho-
Der individuell erworbene Engrammschatz. logischen Schichtung deponiert noch völlig unwissend über zeit gische Beschaffenheit der in sind. die Denn 163 wir sind zur- speziellere morpholo- der organischen Substanz zu- rückgebliebenen Veränderung, die wir »Engramm« nennen. Ebensowenig aber sind wir natürlich über zweier gegenseitigen die sukzessiver bis jetzt imstande, etwas morphologischen Beziehungen Engrammkomplexe auszusagen, obwohl wir sehr wohl in der Lage sind, eine solche Aussage in betreff ihrer rische funktionellen Beziehungen, das Wirkung Engramms auf Kurz und gut, tung der heißt die ekpho- zur mnemischen Erregung aktivierten eines zu machen. seine verschiedenen Nachfolger wenn wir von Schichsimultanen Engrammkomplexe des in- einzelnen einer chronologischen dividuellen Engrammschatzes sprechen, so dieses ist Wort bildlich zu verstehen und darf nicht etwa wörtlich auf die Anordnung räumliche wiederhole der innerhalb des Organismus auf- Engramme bezogen werden, über gespeicherten noch durchaus unwissend es, die wir, ich sind. Innerhalb jedes einzelnen simultanen Engrammkomplexes ergeben sich die einzelnen Komponenten Anordnung, die komplexes, gewesen ist. für ihre Wir haben findungen ausführlich genau derselben Erzeuger innerhalb des Empfindungs- engraphisch der in gewirkt hat, charakteristisch bei Gelegenheit der Originalemp- über diese Anordnung der Original- empfindungen zu einem Nebeneinander gesprochen Im Kapitel über die ekphorische Wertigkeit der (S. 34 — 46). Komponenten werden wir andrerseits noch genauer auf gewisse Beziehungen der Komponenten in einzelnen Komplexes den Simultankomplexen innerhalb jedes und iü der Schichtenfolge einzugehen haben. Es bleibt uns jetzt noch übrig, auf eine höchst wichtige 11*
164 l^ie mnemischen Empfindungen. und charakteristische Eigentümlichkeit des individuellen Engrammschatzes und der ihn aufbauenden Simultankomplexe zurückzukommen. Der Einfachheit wegen haben wir in den vorangegangenen Erörterungen gewöhnlich die Sache so dargestellt, daß der simultane Erreguugs- bzw. Empfindungskomplex, den wir als Erzeuger des entsprechenden simultanen Engrammkomplexes zu betrachten haben, in erster Linie aus Originalerregungen Dies war bzw. -Empfindungen besteht. aber eine willkür- Jeder simultane Erregungskomplex ent- liche Vereinfachung. hält außer zahlreichen Originalerregungen aller Art auch noch zahlreiche sehr mnemische Erregungen, und diese bilden genau ebenso einen an sich aufs neue engraphisch wirkenden Bestandteil des betreffenden simultanen Erregungskomplexes, wie die durch Originalreiz neu ausgelösten Erregungen. Zu jedem präsenten simultanen Erregungskomplex gehören also, abgesehen von den zurzeit gerade vorhandenen, durch die energetische Situation auf Grund der Originalerregungen auch noch mischen Erregungen als Originalreize bedingten alle zurzeit ekphorierten mne- engraphisch wirkende Faktoren. Wie bereits oben hervorgehoben, ist schon innerhalb des simultanen Erregungs- bzw. Empfindungskomplexes eine saubere Tren- nung von originalen und mnemischen Komponenten ebensowenig möglich wie der originalen Komponenten unter Der Simultankomplex Komponenten dieser ein bildet demnach in sich. bezug auf alle seine zusammenhängendes Ganzes und wirkt Weise auch engraphisch. aus den uns schon bekannten Wenn dann Gründen nur Gipfel wieder auftauchen, erscheinen Einzelkomponenten »assoziiert«. bei der die in Ekphorie höchsten mnemische und originale Natürlich beruht auch diese Assoziation im Grunde nur auf der einheitlichen Beschaffen-
Der jedes heit individuell erworbene Engrammschatz. simultanen Erregungs- 165 Empfindungskom- bzw. plexes. Da aber die mnemisclien Komponenten eines simultanen Erregungs- bzw. Empfindungskomplexes aus allen bis dahin vorhandenen Schichten des entnommen und unter sich Engrammschatzes individuellen sowie mit den gerade vorhan- denen Originalempfindungen kombiniert werden können, habe ich als diese Erscheinung in der Mneme (2. Aufl., S. 148, 357) kombinatorische Assoziation bezeichnet. Diese Bezeichnung illustriert zwar die uns hier beschäf- tigende Erscheinung ganz gut, hat aber den Übelstand im Gefolge, gewisse Einteilungsschwierigkeiten zu schaffen. Aus diesem Grunde verzichte ich lieber ganz auf eine prägnante Bezeichnung der Erscheinung und werde von ihr von jetzt an unter dem etwas schwerfälligeren Titel: Assoziation von Komponenten verschiedener Engrammschichten reden. an einigen Beispielen erläutern, wie Kom- Ich will nun ponenten älterer Engrammschichten werden können oder, in was dasselbe jüngere hinein verwoben ist, wie durch simultane Ekphorie Engramme, deren bedingende Originalerregungen zu ganz verschiedenen Zeiten wirksam gewesen sind, nachträglich assoziiert werden können. und Ich trete in das Lesezimmer eines Hotels schon in aller Frühe ebenso wie gestern die neueste derjenigen Zeitung verschwunden stück lese. Wahrscheinlich hat Phlegmatiker mit Beschlag ist, sie die ich gern der stundenlang nicht aus den Händen ließ. plötzlich das Bild eines anderen, auf, daß Nummer beim Früh- wieder jener gemütliche belegt, tigers finde, sie gestern Dabei steigt früh mir ebenso kaltblütigen Zeitungs- der mich vor zehn Jahren bei meinem letzten
Die mnemischen Empfindungen. X66 Aufenthalt in der Schweiz geärgert hat. dieser groß, jener ein Ich wünsche, Baier. pfiffiger sie Jener war klein, Sachse, dieser ein biederer wären einmal zusammen in einem Gasthaus, dann könnten sie sich mit gleichen Waffen gegenseitig In wenigen zerfleischen. Sekunden geht das Ganze durch meinen Kopf, und gleich darauf wird mein Empfindungs- Aber von lehen durch ganz andere Eindrücke beeinflußt. Engramme Stund' an sind die von dieser beiden Personen, denen das eine einer heutigen, das andere einer vor zehn Jahren niedergelegten Engrammschicht angehört, genau ebenso vollständig assoziiert, als hätte ich beide Personen leibhaftig beisammen gesehen, in als hätten demselben Simultankomplex Engramme sowohl Komponenten Element in den Da unseres Mit einem Worte : Die der originalen als auch der mnemischen dieses simultanen sich assoziiert. ihre Bilder als Originalreize figuriert. Empfindungskomplexes zeigen durch simultane Ekphorie jedes beliebige gesamten jeweiligen individuellen Engrammschatzes Empfindungskomplex hineingenommen werden kacn, kann jedes beliebige Element unseres indivi- duellen Engrammschatzes nachträglich jederzeit mit jedem Im Grunde beruht anderen assoziiert werden. ziation auf nichts anderem als auf simultaner diese Asso- Ekphorie von Engrammen, die zu neuen Engrammkombinationen In dieser Eigentümlichkeit aber wurzeln stungen, deren die Organismen auf findungslebens, sind. Freilich dem sogenannten haben außer den führt. die höchsten Lei- dem Gebiete »geistigen« Menschen ihres Emp- Gebiet, fähig von anderen Organismen nur wenige besonders hochentwickelte Tiere an diesem Vermögen merklichen Anteil, und auch diese nur in sehr beschränktem Maße. daß es schon einer Dies beruht auf dem Umstände, hochentwickelten Organisation bedarf.
Der individuell erworbene Engrammschatz. um Engramme verschiedener Schichten des 167 individuellen Engrammschatzes simultan zu ekphorieren und dadurch zu neuen Kombinationen zu vereinigen. Es ist heit zu finden, zuführen. dies in Woran der hier nicht darauf ausfuhrlicher einzugehen. Doch hoffe Ort, ich, Gelegen- anderem Zusammenhange näher ausnur festhalten wollen, das v^ir hier die ist daß der hochentwickelte Mensch imstande ist, durch simultane Ekphorie von Engrammen verschiedener Engrammschichten jedes Element seines individuellen Engrammschatzes mit jedem anderen neu zu assoziieren, somit unzählige neue Engrammkombinationen zu bilden. An dieser Stelle haben wir noch etwas zu verweilen und wollen uns die Frage vorlegen: Wie ordnen sich NeukombiTatsache, um nationen in den individuellen Engrammschatz ein, oder, nur auf diesem verwickelten Gebiet den allereinfachsten Fall Auge zu ins den Schlüssel der aber auch für viel kompliziertere fassen, Was liefert: wenn geschieht, mne- dieselbe mische Empfindung durch wiederholte Ekphorie zur Komponente verschiedener Simultankomplexe gemacht wird? Wir nehmen an, die Originalempfindung Komponente des Komplexes als Engramm c (engr) , d (engr) mit b (or) ihren drei Komponente nun andere spätere als d sei eine /"(or) und (or) e (or) Mitkomponenten h f (engr) natürlich simultan e (engr) Engramms dreimalige spätere Ekphorie des diese c (or) assoziert. : zweitens: mnemische Empfindung noch simultane Empfindungskomplexe drittens : i (or) k (or) cl (or) r (or) d (mn) iv (or) x (or) d (mn) y q Durch d (engr) gelangt zwar: erstens (engr), (mn) l (or) s (or) (or) m (or), t (or), x (or). , in und
Die mnemischen Empfindungen. 168 Engramm d Als Resultat ergibt sich, daß alsdann das in Engrammschatz unserem individuellen verschiedenen Simultankomplexen als Komponente Komplex F b (engr) K ^ (engr) k (engr) P q (engr) r (engr) x d w (engr) c (engr) (engr) d (engr) in folgenden vier ganz figuriert: (engr) e (engr) f d (engr) l (engr) w (engr), d (engr) s (engr) (engr) ?y (engr) t (engr), (engr), x (engr). In Worten ausgedrückt und an einem Beispiel erläutert: Die Originalempfindung die an sich ja sei Komponenten bestehende Empfindung mir einmal gesehenen Frucht. vember in vielen einer auffallenden, von Bei Torbole sah ich im No- einem Garten einige entblätterte Bäume, die schein- mit großen, rötlichgelben Blüten bar wiederum aus näherem Hinsehen erwiesen sich diese bedeckt waren. Blüten als Bei Früchte, und der Gärtner, der mir eine zu näherer Betrachtung pflückte und mitgab, bezeichnete den Baum sischen als den japanisch-chine- Kakibaum (DiospyrosKaki). Der damalige simultane Empfindungskomplex liefert unseren Engrammkomplex F. Nach Jahren unter ganz anderen Verhältnissen kehrt das Bild jener Frucht mir wieder lebhaft ins Bewußtsein zurück, als einer Gesellschaft in die Rede auf die zweckmäßigste Farbe der Uniformen kommt und »Khaki-Farbe« Farbe muß für tropische viel Uniformen bezeichnet wird. weniger leuchtend sein als die als beste »Diese Farbe der Früchte von Diospyros Kaki« denke ich und sehe für einen Augenblick Garten, Bäume und Früchte von Torbole Wieder viel später vor mir. auf einem Bahnhof höre ich, daß Schalter ein Reisender einBillet nach Nago-Torbole verlangt. ist am Es gerade wieder November, und ich denke, ob den Reisenden wohl auch ein Zufall in jenen Garten und zu jenen sonder-
Der baren Bäumen Engramm schätz. 169 mit ihren falschen Blüten führen wird? muß endlich individuell erworbene Zuletzt wieder an jene Frucht denken, ich als mir der Kellner in einem Gasthof eine Schüssel mit PhantasiefrUchten aus Eis präsentiert, von denen eine ihr nach Farbe, Oröße und Form täuschend gleicht. Engramme von Ich besitze jetzt vier gesonderte dieser Frucht, jedes vollständig dadurch determiniert, daß es einem ganz anderen Komplex meines individuellen Engrammschatzes angehört und mit diesem selbstverständlich auf das engste verflochten Was ist. und abgehend Arbeitszimmer auf- wenn geschieht nun, wiederum ekphoriere? ich das Bild meinem in Frucht jener Ich erhalte ein in meinem Bewußt- sein einheitliches Bild, aber daneben habe ich, allerdings in meist viel schwächerer und sehr wechselnder Lebhaftigkeit mnemische Empfindungen bald jenes Gartens, bald der Abendgesellschaft, des Bahnhofs, endlich der Gasthof-Table d'hote. Diese letzteren Empfindungen können äußerst schattenhaft sein, bald kann diese, bald jene vorherrschen, zuweilen können Nur dann wird auch teilweise kombinieren. sie sich es mir aber gelingen, das Bild der Frucht ganz von ihnen zu befreien, wenn stelle. ich Jeder meine Aufmerksamkeit Engrammkomplex, Frucht angehört, ist dem allein das auf diese ein- Engramm eben eine unlösbare Einheit, der in der bei der Ekphorie zur mnemischen Empfindung wohl ein besonderer Teil stark betont, können, die alle aber übrigen stark abgeschwächt werden doch immer ein Ganzes bleibt wie ein Gemälde, an dem ich eine Stelle scharf beleuchte, während das übrige im Dunkel mehr oder weniger verschwimmt. Um zu unserer ersten Buchstabenfassung des Problems zurückzukehren, d (engr) in ergibt die Ekphorie des Fruchtengramms den Engrammkomplexeu F, K, P, ü das gleich-
170 I^Je zeitige folgender Auftreten komplexe mnemischen Empfindungen. mnemischer Empfindungs- vier : d (mn) d d (mn) l (mn) w (mn) (mn) (mn) s (mn) ^ (mn) x (mn) d (mn) 2/ (oin) ::t (mn) F: b (mn) c (mn) K: i (mn) k (mn) P: 5 (mn) TJ: IV [mn) r fmn) e f (mn) Hierbei treten bei entsprechender Richtung der Aufmerk- samkeit in jedem der mnemischen Empfindungskomplexe übrigen Komponenten Absolut stark zurück. plex F tigen, gegen am die alle Komponente d (mn) sehr kräftigsten tritt sie in dem Kom- weil sie dort die Manifestation eines sehr kräf- auf, durch Originalreiz Schema obenstehendem geschaffenen ist dies alles Engramms durch ist. In Verwendung verschieden starker Typen augedeutet worden. Wenn nun Wirklichkeit nicht das in ekphoriert wird, sondern jeder der vier F^ K, P, U als in Engramm d allein Engrammkomplexe sich allerdings verschieden betontes Ganzes, so ergibt sich daraus, daß in diesem neuen Empfindungskom- plex die mnemische Empfindung d [mn] nicht einmal, sondern viermal vorhanden dungen in ist. Allerdings kommen diese 4 Empfin- unserem Bewußtsein nicht getrennt, sondern eine einheitliche als Empfindung zur Geltung, und aus diesem Grunde könnte man zunächst die Behaiiptung des 4 maligen Vorhandenseins der mnemischen Empfindung d (mn) als sinnlose Spitzfindigkeit von der Hand weisen. Im Kapitel, das über die Homophonie der Originalempfindungeu handelt, haben wir aber bereits etwas Analoges kennen gelernt und unten folgenden Kapitel über die werden wir Gelegenheit haben, in dem mnemische Homophonie die Richtigkeit unserer De- duktion durch zahlreiche Tatsachen auf einem noch umfassen-
Der individuell erworbene Engrammschatz. Dann werden wir auch erkennen, deren Gebiet zu erweisen. daß es sich hier 171 um Phänomene von grundlegender Bedeu- tung handelt, deren richtige Auffassung eine Fülle von Licht auf viele Seiten unseres Empfindungslebens wirft. Das eine rungen nur fest, eine steht aber schon durch die bisherigen Ausfüh- daß Ekphorie jede eben durch diese auch wiederum ein neues das Engramm neuen Engrammschicht angehört. der erzeugt dadurch mit Engramms eines mnemische Empfindung bzw. Erregung, bei der neuen erzeugt, Jede Ekphorie mittelbar neue Kombinationen den Engrammen Komplexes, mindestens Originalkomponenten simultaner Ekphorie nicht sondern des von Engrammen ver- schiedener Engrammschichten aber auch neue Kombinationen von mnemischen Komponenten verschiedener Provenienz untereinander. Wir haben aus dem vorhergehenden über die Beschaffenheit der eine Orientierung simultanen Engrammkomplexe und ihre Zusammenfügung zum individuell erworbenen En- grammschatz gewonnen. wir im 10., 11., 17. und Wichtige Ergänzungen dazu werden 18. Kapitel hinzuzufügen haben.
Zehntes Kapitel. Die Ekphorie und die verschiedenen Erscheinungsformen der Assoziation. In *Miieme« habe ich der Ekphorie ein besonderes der Kapitel gewidmet, dem in ich die Aktivierung gramme jeder Art aus dem Latenzzustand der mnemischen Erregung ins in der En- den Zustand Auge gefaßt habe, ganz gleich ob diese Erregung durch motorische, plastische, Stoff- wechselreaktionen oder Bewußtseinsreaktionen (Empfindungen) zur Manifestation gelangt. daß viele ersten Obwohl ich mir nun vorstelle, mit jenem Leser des vorliegenden Buches sich Teile des Werks, wenigstens in seinen Grundztigen bekannt gemacht haben, und ich mir längere Wiederholungen deshalb ersparen möchte, will ich doch einige in der »Mnemc; über die Ekphorie gebrachte allgemeine Sätze hier wiederholen, das indem ich wesentlich sie allerdings nur die auf unser spezielleres Thema Emptindungsmanifestation der Er- regungen berücksichtigt, zuspitze. Unter Ekphorie eines Engramms verstehen wir die Versetzung des festen Engramms aus seinem Zustand oder, anders latenten in seinen mani- ausgedrückt, die einer Erregungs- bzw. Empfindungsdisposition, Aktivierung die als blei- bende, aber für gewöhnlich latente Veränderung in der reiz- baren Substanz des Organismus zurückgeblieben ist. Das
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen aktivierte Engramm oder die Erregung, d. die sich Boden jener Disposition entwickelt, bezeichne ich mische Erregung; ihre Empfindungsmanifestation mische Empfindung. Wie soll, daß mnemische Empfindung die dem mnemne- auf als als später noch ausführlicher dar- gelegt werden sich 173 Assoziation. haben wir keinerlei Grund, anzunehmen, solche als für das Bewußtsein von ihrer Vorläuferin, der Originalempfindung, Außer dem Umstand, daß unterscheidet. die mnemische Empfindung zu ihrem Zustandekommen überhaupt des Vorausgehens der Originalempfiudung Originalerregung, nahmefällen wenigstens (oder einer deren Empfindungsmanifestation in unterbleiben kann), zwischen bedarf, Aus- beiden also das Verhältnis einer einseitigen, nicht reziproken Deter- minierung besteht, unterscheiden sich beide durch das, was zu ihrer Auslösung erforderlich ist. Der originale Empfindungskomplex wird ausgelöst und aufrecht erhalten durch die mit der Empfindung syn- chrone Einwirkung eines Reizkomplexes, ginalen Reizkomplex bezeichnen. Der die wir als ori- entsprechende mne- mische Empfindungskomplex bedarf zu seiner Auslösung und Aufrechterhaltung nicht der vollständigen Wiederkehr dieses Reizkomplexes, sondern nur eines meist viel kleinereu Anstoßes, den ich als den ekphorischen bezeichne. Eine Definition der Ekphorie läßt sich in folgender, bereits in der :>Mneme« gegebenen These zusammenfassen, die für das ganze weite Gebiet der Mneme, nicht nur für das engere des höheren Gedächtnisses gilt, der sich schlechterdings jeder konkrete Fall unterordnen läßt, und die ich als den zweiten mnemischen Hauptsatz oder den Satz der Ekphorie Ekphorisch auf einen simultanen Engrammkomplex wirkt die partielle Wiederkehr der- bezeichnen will:
Die mnemischen Empfindungen. 174 jenigen energetischen Situation, die vormals en- graphisch gewirkt hat. Wie schon in der Mneme (2. haben Aufl. S. 122) ausgeführt, wir unter energetischer Situation nicht nur die von außen auf den Organismus vrirkeuden Einflüsse, sondern auch seinen inneren energetischen Zustand im stehen. Wir können unserer obigen weitesten Sinne zu ver- Definition erläuternd hin- zufügen, daß sowohl die teilweise Wiederkehr der äußeren energetischen Situation als auch die teilweise Wiederkehr der inneren ekphorisch wirken kann. Fragen zugespitzt, können wir Auf unsere dies auch so spezielleren ausdrücken: Nicht bloß die teilweise Wiederkehr der Reize, die ehemals einen originalen Erregungskomplex auslösten und durch diesen einen Engrammkomplex geschaffen haben, kann grammkomplex ekphorieren, sondern die diesen En- kann Ekphorie auch erfolgen ohne jede Wiederkehr von Originalreizen durch bloße partielle Wiederkehr der inneren energetischen Situation, der zur Zeit der Schaffung jenes Engrammkomplexes vorhanden war. In noch konkreterer Ausdrucksweise und engerer Speziali- sierung auf das für das behandelte Erscheinungsgebiet Wesentliche können wir setzen statt äußere energetische Situation oder Originalreize das durch diese in der reizbaren Substanz Bedingte, ihr Auslösungsprodukt, mit anderen Worten ginalerregungen. Und statt : Ori- innere energetische Situation, soweit sie als für unser Erscheinungsgebiet wesentlich einen ohne Originalreize bedingten Erregungszustand der reizbaren Substanz gungen. darstellt, können wir setzen: mnemische Erre- In dieser Zuspitzung lautet unser zweiter mne- mischer Hauptsatz dann folgendermaßen: einen simultanen Ekphorisch auf Engrammkomplex wirkt die par-
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen Wiederkehr tielle des Assoziation. 175 Erregungskomplexes, der Engrammkomplex seinerzeit den d. hinterlassen hat, und zwar eine Wiederkehr entweder: in Gestalt von Originalerregungen (deren Auslösung durch Originalreize erfolgt), oder: in Gestalt von mnemischen Erregungen (deren Auslösung auf dem sukzessiven Wege des mnemischen Ablaufs erfolgt). Wir haben gesehen, daß jeder simultane Erregungs- bzw. Empfindungskomplex eine zusammenhängende Einheit bildet und engraphisch wirkt, solche als grammkomplex Um hinterläßt. einen simultanen En- Engrammkomplex diesen zum entsprechenden mnemischen Empfindungskomplex zu ekphorieren, bedarf es der Bedingungen, die der totalen Wiederkehr nicht also den simultanen Empfindungskomplex auslösten, sondern nur der partiellen. um Sind, wieder Beispiel »Mneme« ein schon in der heranzuziehen, verwendetes öfters einem Simultankomplex in die folgenden Originalempfindungen: der Anblick von Capri, eine Leierkastenmelodie, ein bestimmter Olgeruch, der heiße Sonnenbrand, Druck Schuhe der wandern zusammen als dungen und ebenso aufgetreten genügt die den, so sehr ähnlichen Herum- langem nach Komponenten von Originalempfinengraphisch fixiert Wiederkehr der gleichen oder Geruchsempfindung um ganzen den grammkomplex wieder zu ekphorieren, aus seinem woreiner En- latenten Zustand in einen mnemischen Erregungs- bzw. Empfindungs- komplex zu verwandeln. Im Grunde geht alles nach der Richtschnur unseres zweiten Hauptsatzes vor sich Die Wieder: kehr der einen Komponente Empfindungskomplexes, also dieses letzteren, des die ehemaligen partielle läßt alle übrigen simultanen Wiederkehr Komponenten, also den
Die mnemischen Empfindungen. 176 ganzen originalen Simultankomplex, in Gestalt von mnemi- schen Empfindungen Wiederaufleben. Aus Gründen, die wir bereits S. 148 — 155 ausführlich be- sprochen haben, kommt uns nun bei einer solchen Ekphorie selten die Tatsache des Wiederauflebens des ganzen ehemaligen Simultankomplexes zum Bewußtsein. Nur die höchsten Erhe- bungen des Empfinduugskomplexes treten deutlich ins Oberbewußtsein, während alles minder kräftig Empfundene und demzufolge schwächer engraphisch Festgehaltene und ferner alles, keit seins worauf im Augenblick der Ekphorie die Aufmerksam- weniger scharf eingestellt im Grau des Unterbewußt- ist, verschwimmt und nur durch besondere Bedingungen, vor allem durch eine besondere Einstellung der Aufmerk- und auch dann nur samkeit, teilweise bewußtsein gehoben werden kann. schein erweckt, plexes, die bei als deutlich ins Ober- Dadurch wird der An- ob jene Höhepunkte des Simultankom- der Ekphorie allein deutlich hervortreten, sagen wir einmal in unserem Beispiel der Anblick von Capri und der Ölgeruch, ganz speziell assoziert seien. die Tatsache vorliegt, für sich Und wenn miteinander in verbunden, einem konkreten Falle daß von einem ehemaligen Simultan- komplex nur zwei kräftigere Engramme zurückgeblieben und sein als mnemische Empfindungen zurückgerufen deutlich werden können, und ins sind, Oberbewußt- ferner, daß die Wiederkehr des einen auch das Hervortreten des anderen nach sich den, zieht, so ist in diese beiden, um der Tat nichts dagegen einzuwen- ihrem gegenseitigen Verhältnis Aus- druck zu geben, als simultan assoziiert zu bezeichnen, und zu sagen, die Ekphorie erfolge hier auf der Grundlage dieser Simultanassoziation. salis Immerhin ist dieser Ausdruck cum grano zu gebrauchen und im Auge zu behalten, daß hier wie
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen stets nicht zwei isolierte unmittelbar d. 177 Assoziation. verbundene mnemische Emptindungen, sondern ein simultaner Empfindungskomplex der nur wenige vorliegt, bewußtsein ragen Nachhilfe (Mneme, läßt. Empfindungsgipfel bis ins Ober- Bei näherem Zusehen und einiger 2. Aufl. S. 124) finden wir vielleicht, daß außer Ölgeruch und optischem Bild unter Umständen auch noch die Leierkastenmelodie, der Sonnenbrand, der Druck jenem Komplex mnemisch oberbewußt empfunden werden können, und ihrerseits ekphorisch wirken, der Schuhe aus wenn sich es darum handelt, den Simultankomplex zu ek- phorieren. Auf die Frage, ob, wenn es gilt, den Simultankomplex zu ekphorieren, jede der genannten Komponenten die gleiche ekphorische Wirkung besitzt, wollen wir erst unten eingehen, Grundlagen nachdem wir die erörtert haben, und auf das Problem der Nichtumkehrbarkeit der sukzessiven Assoziation mnemischer iVbläufe gekommen sind. Wir werden Gegenstand im folgenden Kapitel unter dem Titel rische Wertigkeit der diesen »Die ekpho- : Komponenten« behandeln. Wir wenden uns nun zunächst zu der Frage, ob denn unsere Definition der Ekphorie auch den Fall der Ekphorie auf der Grundlage der sukzessiven Assoziation mit umfaßt. Daß richtige sich dies so verhält, darüber unterrichtet uns die Nutzanwendung der aus unserem Kapitel über die akoluthen Empfindungen sich ergebenden Lehren. Wir dürfen die genauere es wohl als feststehend experimentelle annehmen Feststellung — obwohl bisher erst auf optischem und akustischem Gebiet und nur ganz andeutungsweise auf dem Gebiet des Hautsinnes stattgefunden hat — daß jede Empfindung (oder von der energetischen Seite her betrachtet jede Erregung) den auslösenden Reiz Semon, Mneme. II. um 12 ein Be-
mnemischen Empfindungen. 1^16 178 dem aber doch mit ihrer ako- ragt Abfall ihrer Intensität ^ nachweisbar luthen Phase noch zwar unter bedeuten- dies Sie tut trächtliches überdauert. in eine ganze Reihe von nachfolgenden Simultankomplexen hinein und muß notwendigerweise in dieser Form, derten d. entsprechend der vermin- h. minder kräftig, Intensität doch aber immer noch erkennbar eine engraphische Spur hinterlassen. Im Grunde dies gilt für jede Originalempfindung bzw. Die sich daraus für den Bau der simul- Originalerregung. tanen Engrammkomplexe ergebende Konsequenz werden wir später ziehen und wollen uns zunächst an dem vereinfachten Beispiel einer Sukzession einzelner, möglichst unkomplizierter Empfindungen die engraphische Bedeutung des Umstandes klar machen, daß jede Originalempfiudung (bzw. Erregung) nicht nur eine synchrone, sondern auch eine akoluthe Phase Wir nehmen an, Reize auf uns von Lichtreizen wirkte eine Reihe ein. der aufeinanderfolgenden löst die diskontinuier- liche Folge der synchronen, optischen D (syn), E F (syn), chrone Empfindung c (ak) oder, blick — um (syn) C aus. (syn) in — Nun der Empfindungen C(8yn), klingt ab 2. in aber die syn- akoluthen Empfindung die Intensitätsabnahme zum andern anzudeuten, C3 (ak) in Diese Reizfolge Diskontinuität ausgesprochener besitzt. ^ von einem Augen- der Reihe c^ (ak) — C2 (ak) Entsprechend verhalten sich die syn- Intensität brauche ich hier in dem weiteren Sinne, in welchem von der Reizgröße abhängige engere Intensität als auch die mit letzterer vielfach Hand in Hand gehende, prinzipiell aber von 1 es sowohl die ihr zu unterscheidende Vividität umfaßt. 2 Einwandsfreier aber unpraktischer wäre es zu schreiben: Phase ji 1 C(8yn) c(ak)

Die mnemischen Empfindungeu. \QQ mm Tritt nach Entstehung dieser Eugrammfolge die Ori- ginalempfindung und die durch sie manifestierte Original- erregung E (syn) wird wie aus unserer Definition hervorgeht, den Engramm- sie, komplex No. 3: infolge eines neuen Originalreizes neu auf, so JE' (engr) — (engr) 6^1 — als »partielle C2 (engr) Wiederkehr des simultanen originalen Erregungskomplexes, der engraphisch gewirkt hat« ekphorieren. wird ei sie (engr) aber auch den — c?2 (engr) — In zweiter Linie F (engr) — ekphorieren, denn E (syn) stellt Engrammkomplex No. 4 c^ (engr) bezug auf diesen Engrammkomplex die auch in partielle Wiederkehr des simultanen originalen Erregungskomplexes dar, der engraphisch gewirkt hat. nämlich die akoluthe Erregung zeit gramm e^ Engraphisch wirkte seiner- e, (engr) zurück. e^ E (syn) Von (ak) das En- ließ nur durch die verringerte Intensität, und abgesehen (ak) davon, daß dies ohne besonderen Belang Originalerregung E (syn), Wirksamkeit prüfen, liche und unterscheidet sich aber ihrerseits wir wird die neue ohnehin durch das unvermeid- Absinken der Intensität zu Da ist, die wir eben auf ihre ekphorische e (ak). nun annehmen müssen, daß alle Erregungen ohne Ausnahme nicht nur eine synchrone, sondern auch eine akoluthe Phase haben, und daß Engramme liefern, ringeren Intensität schwächere klar, die der sie allerdings sie entsprechend erzeugenden der ge- Erregungen auch mnemische Erregungen produzieren, so ist es daß jede Ekphorie eines simultanen Engrammkomplexes durch plexes, partielle Wiederkehr des simultanen Erregungskom- der engraphisch gewirkt hat, Ekphorie seines Nachfolgers so auch in letzterer Phase notwendigerweise die nach sich ziehen muß, daß also auch die Ekphorie auf der Grundlage der sukzessiven Assoziation in unserer allgemeinen Definition
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen vollkommen mit eingescblosseu eine Unterart der Ekphorie tanen Assoziation Man kann ist^ und d. Assoziation. in letzter Linie 181 nur auf der Grundlage der simul- darstellt. übrigens auch rein ninemisch Sukzessionen von (dann natürlich muemischen) Erregungen bzw. Empfin- dungen bilden, die genau ebenso engraphisch wirken wie Originalerreguugeu und infolgedessen assoziierte Engramme bilden, welche bei Ekphorie einen sukzessiven mnemischen Ablauf liefern. ' Als Beispiel kann irgend ein kleines Ge- Ich möchte hier mit einigen Worten auf die Auffassungen Münster- bergs (Die Assoziation sukzessiver Vorstellungen, Zeitschr. 1890, vgl. ferner seine Beiträge z. f. Psych. I. exper. Psych. 1889—92) eingehen, die Beziehung mit den meinigen berühren, in anderen von ihnen Münsterberg nimmt zwar nicht als einzigen doch als einen der Wege, durch den sukzessive Assoziation zustande kommt an, »daß '/ im Bewußtsein noch nicht erloschen ist, sobald b eintritt, h noch nicht verschwunden, sobald e kommt«. In diesen Ausführungen ist mir Münsterberg in der Verwendung des von mir bei dieser Zurückführung angewandten Grundprinzips vorangegangen. Doch ist er nicht tiefer in den Gegenstand eingedrungen und hat vor allem die von der Physiologie festgestellten Tatsachen von der gesetzmäßig normierten Nachdauer der Empfindungen bzw. Erregungen nicht mit verwertet, was seine sicher irrige Anschauung ermöglicht hat, daß sich durch eine besondere Versuchsanordnung jede Simultaneität sukzedierender Komplexe aufheben ließe. Dies ist meiner Ansicht nach aus physiologischen Gründen ausgeschlossen, und Münsterbergs indirekter Beweis (1890, S. 105) der auf lauter anfechtbaren Voraussetzungen beruht, hat dagegen keine Bedeutung. Was das zweite Prinzip anlangt, auf das nach Münsterberg unter Umständen das Zustandekommen von sukzessiver Assoziation zurückzuführen sein soll, so erkenne ich durchaus an, daß Engramme von Bewegungen und Bewegungsantrieben die ein Wortbild begleitenden Sprechbewegungen) sich zu den (z. B. sich in einer abweichen. , akustischen, optischen und sonstigen Eugrammen hinzugesellen und Ekphorie einen günstigeren Boden schaffen können. Die Verbindung dieser motorischen Engramme erfolgt aber genau nach denselben Grundsätzen wie die der übrigen Engramme, also nach denen, die wir oben S. 179 entwickelt haben, und für Münsterbergs gegenteilige für die Behauptung 1890. S. 100) läßt sich, sofort zu widerlegendes wie ich glaube, kein einziges nicht Argument anführen.
Die mnemischen Empfindungen. 182 dicht dienen, dann laut für die das man stumm nachdenkend Die Erklärung vorträgt. die verfertigt und genau dieselbe wie ist sukzessive Assoziation von Originalerregungen. Jede mnemische Erregung (bzw. Empfindung) reproduziert die Originalerregung, durch die sie engraphisch vorbereitet worden in ist, allen ihren Eigentümlichkeiten, zeitlichen Ablaufs, zeigt also auch in denen ihres auch dieselben Phänomene des Neu Abklingens, dieselbe akoluthe Phase. kombinierte Suk- zessionen von mnemischen Erregungen müssen also dieselben engraphischeu Strukturen hinterlassen, genau wie sprechende Sukzessionen von Originalerregungen bzw. ent- Emp- findungen. Nach unserer serer beiden Definition und bei genauerer Prüfung un- Schemata wäre aber auch eine Ekphorie auf der Grundlage antezessiver Assoziation, d. h. durch Fort- schreiten von einem Simultankomplex auf seinen Vorgänger zu erwarten. Eine solche Ekphorie fehlt allerdings, wie die experimentelle Prüfung zeigt, nicht vollkommen. Sie wird aber durch besondere Eigentümlichkeiten des Engrammschatzes und infolge davon der mnemischen Abläufe praktisch un- wirksam gemacht, so daß ein Ablauf in umgekehrter Rich- tung zur Richtung des Originalablaufs, der ihn engraphisch bedingt hat, ausgeschlossen den Kapitel näher ist. Wir gehen hierauf im folgen- ein. Hier zunächst noch einige Worte über einige andere von manchen Psychologen unterschiedene Assoziationsformen, sämtlich auf Simultanassoziation zurückzuführen sind. unterschied früher und bis in unsere Zeit hinein nach Vorbild von Aristoteles vier besondere, paarweise nende Formen der Assoziation. die Assoziation die Man dem zu ord- Als erstes Paar figurierte nach Ähnlichkeit und nach Unähnlichkeit
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen d. Assoziation. 183 oder Kontrast; als zweites die Assoziation nach Gleichzeitig- und UDgleichzeitigkeit (Aufeinanderfolge, keit (Koexistenz) Sukzession). Es ohne weiteres ist klar, daß das zweite dieser Paare unserer simultanen Assoziation (Koexistenz) und der, wie wir gesehen haben, aus ihr abzuleitenden sukzessiven Assoziation entspricht. Was die sogenannte Ähnlichkeitsassoziation so beruht die Aufstellung dieses Begriffs auf anlangt, einem eigen- tümlichen aber weit verbreiteten Irrtum, der auf nicht hinreichend bestimmt gefaßte Definitionen und im Gefolge davon eintretende Fehlschlüsse zurückzuführen dies durch möglichst ist. Wir wollen uns scharfe Gegenüberstellung der betref- fenden Definitionen klarmachen und werden dabei sehen, an welcher der Fehler gemacht die Richtung verloren, Stelle wird. Wir haben lichen und die Assoziation als ein Ergebnis des einheit- Zusammenhanges jedes simultanen Erregungskomplexes des nach seinem Ausklingen grammkomplexes Ganzen und durch ihn zurückbleibenden En- Aus diesem Zusammenhange des definiert. ergibt sich notwendige Konse- als quenz auch der Zusammenhang der Einzelkomponenten dieses Ganzen, ob nun deren viele oder ob nur wenige, vielleicht nur zwei besonders hochragende Gipfel bis ins Oberbewußtsein emportauchen. die Verbindung, nenten dann, die wenn Manifest wird der »Assoziation« die Zusammenhang oder zweier solcher entsprechenden Kompo- Engramme immer gemeinsam aus ihrem latenten Zustand ekphoriert werden, wenn sie Empfindungen der Weg zusammen stets in oder als Erscheinung das Mittel, mnemische Erregungen bzw. treten. um das Die Ekphorie ist also Vorhandensein bereits
Die mnemisclien Empfindungeu. 134 vorliegender Assoziationen von zwei oder mehr Engrammen Wir können sagen: Die Assoziation zweier En- zu zeigen. gramme erkennen wir daran, daß die Ekphorie des einen die Ekphorie des anderen nach sich zieht. Damit ist erkenne aber natürlich nicht gesagt, daß Ekphorie und identische Begriffe Assoziation die ich Engramm des einen Engramms, zu ekphorieren, etwa wie der von zwei zusammengekoppelten um genügt, auch Durch den anderen Ekphorie die Auf Grund der Assoziation. genügt die Ekphorie andere sind. Assoziation um auch das ein Steinwurf, Hunden den einen aufzujagen. trifft, Deshalb sind aber doch noch nicht das Aufjagen und die Tatsache der Zusammenkoppelung gleichbedeutend. Auf dieser falschen Identifizierung aber beruht der logische Fehler, der bei Aufstellung des Begriffs ziation« gemacht wird. Ich kreten Beispiel demonstrieren. jemand nach dem Aussehen fragt. Wir fällt an einem kon- setzen den Fall, daß uns einer bestimmten Persönlichkeit Wir sinnen nach, wie wir und dabei »Ahulichkeitsasso- will dies zunächst X es charakterisieren sollen, uns auf einmal, ohne daß wir vorher jemals diesen Vergleich gezogen hätten, Kaiser Friedrich ein, der einen ähnlichen Wuchs, einen ähnlichen Bart, einen ähnlichen Gesichtsausdruck hatte. Viele werden dies als eine typische Ähnlichkeitsassoziation bezeichnen. ziation? die partielle Bild des Kaisers und nicht um hier Asso- dem Bild von X. Durch Wiederkehr gewisser Elemente im Bilde des Bart, Gesichtsausdruck) X ekphorierte dieses Erinne- Engramm des Kaisers. Es handelt sich demum Ekphorie auf Grund partieller Wiederkehr, rungsbild das nach nur ist Zunächst bestand doch bei uns keine Assoziation zwischen dem (Gestalt, Aber was Assoziation.
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen Nun wird man einwerfen, es d. doch durch den Vor- sei X gang eine Assoziation zwischen dem Bilde des des Kaisers Friedrich geschaffen worden. nach Ablauf erst des Vorgangs, 185 Assoziation. Spur als und dem Allerdings, aber des durch ihn bedingten simultanen Zusammenseins der beiden Komponenten in demselben Erreguogskomplex, also Simultanasaoziation. ist nur die lich eine Ursache Ekphorie auf Grund Komponenten gewöhnliche Der Vorgang Mit einem Wort: einer Assoziation als an sich ; partieller selbst ist er ledig- Wiederkehr gewisser eines Erregungskomplexes. Er hinterläßt aber nach seinem Ablauf einen neuen Engrammkomplex, und in diesem sind die beiden Bilder assoziert; aber natürlich diese konsekutive Assoziation eine ist typische Simultan- assoziation. Zudem wird diese konsekutive Assoziation nur dann beobachtet, wenn die Ähnlichkeit der betreifenden bei- deu Komponenten keine sehr große, oder besser gesagt, ihre Unähnlichkeit noch so groß scheiden lassen. Ist ist, daß das aber nicht sie sich leicht unter- der Fall, ist das Bild des ekphorierten Komplexes demjenigen des ekphorierenden so ähnlich, daß es nicht unterschieden werden kann, so kommt auch keine konsekutive Assoziation zur Beobachtung. Für eine derartige konsekutive Simultanassoziation nach voraufgegangener Ahnlichkeitsekphorie kann auch der oben auf S. 165 geschilderte Fall von den beiden Hotelgästen Beispiel dienen, die in jeder als anderen Beziehung unähnlich und ganz verschiedenen Schichten meines Engrammschatzes angehörig, deshalb weil sie eine gemeinsame Unart besaßen, simultan ekphoriert und dadurch in der Folge simultan assoziiert wurden. Nachdem wir uns über diese Simultanassoziation als Folge- erscheinung einer »Ekphorie durch partielle Wiederkehr« klar
Die mnemischen Empfindungen. 186 sind, bleibt als wesentliches Resultat unserer geworden Nach- forschung die Tatsache, daß die Aufstellung des Begriffs der auf eine Vermengung Ähnlichkeitsassoziation Assoziation und Ekphorie zurückzuführen keitsassoziation gibt es nicht, nicht gerade empfehlenswerter bezeichnen könnte, tiellen der Begriffe Eine Ähnlich- ist. wohl aber etwas, was mau Weise was aber ganz als Ahnlichkeitsekphorie unter den Begriff der par- Wiederkehr der energetischen Situation bzw. des Er- regungskomplexes, der engraphisch gewirkt unseren zweiten mnemischen Hauptsatz Ausdruck Wiederkehr« »partielle kommenden Betracht ist hat, fällt. unter also Denn in dem der Begriff der hier in Ähnlichkeit enthalten. Ein eigentlicher Terminus technicus für den Begriff der Ekphorie, den ich der in wickelt und definiert habe, Mneme (1904) ausführlich ent- ^ Psy- chologie meines Wissens nicht zur Ausprägung gelangt. Mau ist vorher in der deutschen bediente sich entweder beliebiger Aushilfsworte wie Hervorrufung, Erweckung usw., oder aber benutzte unter den das Wort Assoziation im Sinne von Ekphorie. Ekphorie und Assoziation bestehen ja ziehungen. eines Tat enge Be- Die Ekphorie eines Engramms zieht die Ekphorie anderen Außerdem in der UmstänZwischen ist, simultan mit ihm assoziierten nach sich. wie wir eben gesehen haben, in einer Anzahl von Fällen die Simultauassoziation eine Folgeerscheinung von Ekphorie. Assoziation Liegt es da nicht nahe, zu bezeichnen? nächst geneigt sein, scharfe 1 die Vielleicht diese Frage Ekphorie selbst wird mancher als zu- zu bejahen und eine so Umgrenzung und Unterscheidung der Begriffe, wie Die Franzosen bedienen sich dafür mit Vorliebe, wenn auch des Ausdrucks »övocation«, doch brauchen auch nicht ausschließlich, sie häufig dieses Wort als synonym mit >as80ciation«.
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen wir vorgenommen haben, sie für zu 187 Assoziation. d. weit getrieben er- klären. Wer denkt, kann in diesem Falle und gerade durch so die Geschichte des Begriffs, »Ahnlichkeitsassoziation« widerlegt werden. zweier so Er nehme sich nur die Streit verfolgen^ und sehe, wie viel Verwirrung durch die beiderseits geübte tion gestiftet leicht wie Höffding und ausgezeichneter Psychologen Lehmann zu Mühe, den worden Vermengnng von Ekphorie und Assoziaist. Auch in dem vortrefflichen Aufsatz von Wundt, Bemerkungen zur Assoziationslehre^, ist die trü- gerische Natur des Begriffs Ahnlichkeitsassoziation noch nicht klar erkannt und sind demzufolge die sich aus jener Auf- stellung ergebenden Scheinprobleme nicht völlig Aus dem gänzlichen Verschwinden solcher überwunden. Probleme bei scharfer begrifflicher und sprachlicher Unterscheidung zwischen Ekphorie und Assoziation ergibt sich meiner Ansicht nach ein voller Beweis für die Berechtigung einer scharfen Durch- führung dieser Unterscheidung. Zum Schluß noch einige Worte über die sogenannte Kon- trastassoziation. z. B. Tag Man spricht von einer solchen, wenn einem beim Gedanken an einen Riesen Zwerg, an den ein die Nacht, an die Hitze die Kälte einfällt. mengt also auch Korrekterweise sprechen, hier müßte wenn man wieder Assoziation man von einer mit Mau ver- Ekphorie. Kontrastekphorie überhaupt dieser Ekphorie, die wieder bloß eine solche auf der Grundlage gewöhnlicher Simultan1 Vgl. in bezug auf diesen Punkt besonders H. Höffding, Über "Wiedererkennen, Assoziation und psychische Aktivität, II. Teil. Vierteljahrsschrift f. wissensch. Psychologie Bd. 14, 1890, und A. Lehmann, Über Wiedererkennen, Wundts Phil. Studien 5. Bd. 1889. Wundts 2 W. Wundt, Bemerkungen zur Assoziationslehre. Studien. 7. Bd. 1892. Phil.
188 I^iß assoziation ist, mnemischen Empfindungen. Namen geben einen besonderen etwa im Wider- die Ekphorie erfolgt in solchen Fällen nicht spruch Denn will. unserem zweiten Hauptsatz auf der Grundlage zu einer Unähnlichkeit oder eines Kontrastes, sondern ganz im Der Sinne unseres Satzes, also durch partielle Wiederkehr. paradoxe Erfolg aber erklärt sich aus dem bereits gegebenen Vorhandensein der assoziierten Engramme im Engrammschatz. Wenn Zwerg in meinem Engrammschatz als eine die Assoziation Riese- besonders feste bereits gegeben es selbstverständlich, ist, dann ist daß die Ekphorie des Worts oder des Bildes Riese auch in sehr vielen Fällen prompt die Ekphorie von Zwerg nach sich zieht. Nun ist der individuelle En- grammschatz eines jeden von uns förmlich gespickt mit sol- chen simultan assoziierten kontrastierenden Engrammpaaren. Kontraste wirken schon in Form von Originalemptindungeu besonders lebhaft und werden leicht mit Lust- und Unlust- betonungen versehen. Sie gehören infolgedessen zu unseren eindrucksvollsten Erlebnissen und Jugend an als gramme im individuellen werden schon von früher und eng besonders kräftige Engrammschatz assoziierte En- eines jeden erzeugt und durch unablässige Wiederholung verstärkt und weiter entwickelt. Begünstigt wird dieser Vorgang noch durch die Art und Weise, wie besonders der Kulturmensch die Sprache, diesen großen ziationen, mitteln Sammel- und Verdichtungsapparat der Asso- zu handhaben und seinem Nachwuchs zu über- pflegt. Ein wenig systematisieren meisten Mütter und Wärterinnen, wenn sie da schon das Kind die in der Bereicherung seines Wortschatzes bewußt unterstützen und ihm, wenn er ein Eigenschaftswort >Paar« dazu lehren; zu klein schnell — langsam usw. usw. — aufgeschnappt — hat, das kalt, zu Noch mehr kommt dem die groß, zu heiß
Die Ekphorie und die Erscheinuagsformeu und Schule, bei sei es d. 189 Assoziation. auch bloß eine Volksschule, zu Hilfe, die orthographischen und grammatikalischen Übungen sich gern im Geleise der Kontrastpaarung bewegt: Zwerg weiß — — schwarz, weinen lachen. So — Riese, schafft uns Erfah- rung und Sprachgebrauch ungezählte Engramme von gepaar- Engramme, ten Kontrasten, bei denen natürlich das Manifest- werden des einen Paarlings den anderen prompt zu ekphorieren Aber vermag. alle diese Paarungen sind genetisch doch immer nur simultane (bzw. sukzessive) Assoziationen, und somit ist Grunde nichts assoziierter was man Kontrastassoziation das, als eine nennt, im Ekphorie auf der Grundlage simultan Engramme. Unsere Untersuchung hat ergeben, daß eine Verknüpfung von Engrammen nur auf einem einzigen Wege zustande kommt, durch das Zusammensein der diese Engramme zeugenden originalen wie mnemischen Erregungen selben Simultankomplex oder, drückt, daß sie zustande vielleicht aller er- dem- noch besser ausge- kommt durch den von gegebenen Zusammenhang in vornherein Erregungen, originaler wie mnemischer, innerhalb ihres gemeinsamen Simultankomplexes. Die hierdurch bedingte simultane Assoziation der einzelnen Engrammkomponenten hat sich, da bei näherer Prüfung auch die sukzessive Assoziation auf einen simultanen hang zurückzuführen haupt vorkommt. lichkeits- als ist, Zusammen- als die einzige ergeben, die über- Die Assoziationsformen sowohl der Ahn- auch der Kontrastassoziation haben als Produkte nicht hinreichend scharfer Begriffsbestimmung keine Daseins- berechtigung. Ebenso wie es nur eine einzige Grundform der Assoziation gibt, die simultane Assoziation, deren bloße Unter- gattung die sukzessive ist, ebenso gibt es nur eine einzige
Die mnemischen Empfindungen. 190 Grundform der Ekphorie, diejenige durch mehr oder weniger Wiederkehr der energetischen partielle des Erregungskomplexes der en- bzw. phisch gewirkt hat, Situation, die engra- mag nun Wiederkehr in Gestalt von originalen oder von mnemischen Erregungen erfolgen. graphisch gewirkt hat, diese Eine andere Art der Ekphorie gibt es nicht, weder im Wohl aber kann der Mneme. Allgemeingebiet dem noch auf höheren Gedächtnisses, des Bereich weiten diese sich Ekphorie in recht verschiedene Erscheinungsformen kleiden, daß man aus Zweckmäßigkeitsgründen wohl berechtigt so ist, Gruppen einige dieser Erscheinungsformen in besondere zu vereinigen und durch besondere Bezeichnungen zu unterscheiden. So bin ich in der 194, S. 60, 66, 68, 99, Untergruppe Ekphorie gendem 8 Uhr 1 Mneme an verschiedenen Stellen auf eine 272) weiter eingegangen, Beispiel »Angenommen, aus: meine Uhr meine erste Mahlzeit zweite, die ich als Ich ging dort bezeichnet habe. früh um 8 derartige zu ich (2. Aufl. besondere chronogene (S. 60) von bin gewohnt mir zu nehmen, Uhr abends meine dritte, fol- um um so er- zeugen die komplexen Reize, die mit jeder Nahrungsaufnahme verbunden sind, und auf die hier nicht weiter eiugegangen zu werden braucht, außer andern Reaktionen auch die, daß Anblick und Geschmack der Speisen von einer eigentümlichen Reaktion unserer Empfindungssphäre begleitet sind, die wir als Hunger oder Appetit bezeichnen, und lich ernährten zeiten fehlt. Menschen in Angenommen die bei einem reich- den Pausen zwischen den Mahlnun, ich beginne aus irgend- welchen Gründen zwischen die erwähnten drei Mahlzeiten noch um 11 Uhr und zeit einzuschieben, um 5 Uhr eine weitere kleine Mahl- was mir anfangs gar nicht leicht fallen
Die Ekphorie und die Erscheinungsformeu Aber wird. zwinge mich dazu, ich es verordnet hat, und führe zu so lassen, die Zeit oder der 191 vielleicht weil der Arzt sich stellt großer Stärke und Deutlichkeit jetzt Assoziation. es ein halbes Jahr lang Versuche ich dann wieder die Mahlzeiten ausfallen d. um jetzt durch. 11 und 5 Uhr der Hunger mit Scheinbar wirkt also ein. Ablauf eines bestimmten Zeit- abschnitts ekphorisch auf die Keaktiou meiner Empfin- dungssphäre. < habe dann des weitereu gezeigt, daß der Ich zeitliche Faktor oder der Ablauf eines bestimmten Zeitabschnitts für eine Pflanze oder ein Tier den Ablauf einer bestimmten An- »Das Chronometer des zahl von Lebensprozessen bedeutet. Organismus aber liest ist also das Tempo seiner Lebens Vorgänge. Wie der Organismus ohne bewußte Zählarbeit an diesem Chronometer den Ablauf einer Zeitperiode ab, oder, weniger bildlich auszudrücken, wie kommt es, um mich daß nach Ab- lauf einer bestimmten Reihe von Lebensprozessen eine ganz bestimmte Reaktion eintritt? Einfach dadurch, daß nach Ab- lauf einer bestimmten Reihe von Stoffwechsels- oder anderen Lebensprozessen jedesmal ein Zustand des Organismus ge- geben ist, der Entstehung eines spricht, dem Zustande, der zur bestimmten Engramms herrschte, der total oder partiell und durch dessen Wiederkehr jenes Engramm ekphoriert wird. gewandt: « Auf das oben herangezogene Zeit entjetzt Beispiel an- In den simultanen Erregungs- bzw. Empfindungs- komplex um 11 Uhr vormittags, wenn wir unser zweites Frühstück einnehmen, gehören nicht nur die durch Anblick und Geschmack der Speisen bedingten Erregungen bzw. Empfindungen nebst allen sonstigen akzidentellen Empfindungen, sondern auch der Erregungs- unseres ganzen Stoffwechsels, bzw. Empfindungsausdruck wie er sich im 24 stündigen
Die mnemischen Empfindungen. 192 Wechsel aller unserer zyklischen Funktionen (Wachen und Unser 11 Uhr-Zustand Schlaf, Sekretion usw.) geregelt hat. ist durch eine ganze Eeihe von Besonderheiten determiniert und von Früh-, Abend- und Nachtzuständen unseres Organis- mus verschieden. Und diesem besonderen Stoffwechselszustand entspricht auch ein ganz bestimmter Erregungszustand unserer Kehrt nun die Zeit reizbaren Substanz. um 11 Uhr vormit- tags wieder, so kehrt auch dieser Erregungszustand wieder, und wenn er wirkt, selbst der Speisen, also ein Anblick, Geruch und Geschmack bedeutender Teil des früheren sehr Simultankomplexes fehlen, ekphorisch auf das Engramm des Damit Hungers. beispiel der daß auch bewiesen, ist in diesem Probe- chronogenen Ekphorie das ekphorische Moment in der partiellen Wiederkehr des simultanen Erregungskom- plexes, der engraphisch gewirkt hat, besteht. An dieser Stelle möchte ich den Grund angeben, warum ich bei Formulierung des zweiten Hauptsatzes die Ekphorie ganz allgemein auf die partielle Wiederkehr des simultanen Erregungskomplexes zurückgeführt habe, der engraphisch gewirkt hat. Ich tat dies auch in den Fällen, in denen sich das ekphorierte manifestierte. Engramm durch Empfindungsreaktionen Ich hätte in diesen Fällen doch sagen können, die partielle Wiederkehr des simultanen wirke ekphorisch. Grade in Empfindungskomplexes den Fällen der chronogenen Ekphorie kommt es aber gar nicht zu einer Wiederkehr ober- bewußter Empfindungen, sondern der betreffende Stoffwechselszustand bedingt einen Erregungszustand der reizbaren Substanz, von dem wir es dahingestellt sein lassen wollen, ob überhaupt durch Empfindungen allerdings — bei dem manifestiert — ich es sich aber sicherlich nicht bewußte Empfindungen handelt. Unter diesen er sich glaube es um ober- Umständen
Die Ekphorie und die Erscheinungsformen d. 193 Assoziation. geraten, sich bei der allgemeinen Definition lediglich ist es an die energetische Seite dieses Zustandes der reizbaren Substanz, an den Erregungszustand, zu halten und die findungsmanifestation conditio sine Damit dieses Erregungszustandes Empnicht als qua non zu bezeichnen. auch gegeben, daß Herbarts ist steigende »frei Vortellungen« ganz in den Bereich unseres zweiten Hauptsatzes fallen. gleich noch Ganz abgesehen von chronogener und der unten zu erwähnenden phasogenen Ekphorie braucht auch sonst der Erregungskomplex, dessen Wiederkehr einen Engrammkomplex ekphoriert, sich durchaus nicht durch deutlich immer bemerkbare Empfindungen und klare Ideen zu manifestieren. Wer sich beobachtet, selbst kann alle Übergänge von einer deutlich oberbewußten Manifestation der ekphorierenden Erregung durch alle Stadien des schwach und schwächer Bewußtwerdens Organempfindungen, z. verfolgen. Auch gewisse B. das Gefühl einer so gut wie merklichen Beklemmung, die als solche un- gar nicht ins Ober- bewußtsein gelangen, ekphorieren bei mir nahezu regelmäßig bestimmte engraphisch Situationen. fixierte zuverlässiges und frappantes Beispiel geteilt worden: Situation auf, erinnert hat. Scheinbar völlig derer man Man wundert frei sich seit ist Ein besonders von Jerusalem mit- steigt i das Bild einer 30 Jahren nicht wieder sich selbst über dieses, wie man glaubt, ganz unvermittelte Auftauchen nach 30jähriger Ruhe. Erst nachträglich entdeckt man, Strauß ein bisher nicht * W. daß einem nahestehenden oberbewußt beachteter Duft^ Jerusalem, Ein Beispiel von Assoziation durch unbewußte Wundts Philosoph. Studien, 10. Bd. 1894. Mittelglieder. 2 vollkommen »Mneme« und im vorliegen- Hierdui-ch unterscheidet sich dieser übrigens ebenfalls authentische Fall von dem von mir in der den Werk häufig verwendeten Beispiel: Olgeruch-Capri. Sem OD, Mneme. H. 13
Die mnemischen Empfindungen. 194 und erinnert sich der Duft von Pyrola uniflora; entsteigt, erst jetzt wieder, daß jener Duft auch bei jener Situation Die Zahl derartiger vor 30 Jahren eine Rolle gespielt hat. frappanter Nachweise ließe sich leicht vermehren. nun auch andererseits zuzugeben in Lage der sind, beim angeblich mnemischen Empfindungen freien Aufsteigen von unbemerkt gebliebene Kom- die überzeugend nachzuweisen, wie im eben ist, zitierten Fall, mir doch eine ernstere Schwierigkeit hier nicht so scheint und vorzuliegen, möchte deshalb dieser Frage keinen ich Raum widmen. breiteren In der »Mneme« (2. Aufl. S. 196) habe ich endlich noch besondere Art der Ekphorie als eine Obwohl daß wir nicht immer deren Wiederkehr die Ekphorie zuzuschreiben ponente, so ist, unterschieden. phasogene Ekphorie »Auch phasogene Ekphorie ist im Grunde anderes, als Wiedereintritt einer bestimmten inneren nichts energetischen Situation, und zwar genügt gleichfalls, wie uns zahlreiche Tatsachen geschichte und der lehren, Da es oft sich schließlich bloß bei der experimentellen chronologischer Statistik der partielle Wiedereintritt der phasogenen Ekphorie um Ekphorie Entwicklungs- ererbter Engramme Variationen ^ derselben.« aber wohl aushandelt, im vorliegenden Buch vorwiegend nur dem und wir individuell er- worbenen Engrammschatz und seiner Ekphorie unsere Aufmerksamkeit zuwenden wollen, möge der Hinweis, daß auch die ist, phasogene Ekphorie in unsere Definition miteingeschlossen genügen. Ich gebe sicht zum Schluß noch eine kleine schematische Über- von Erscheinungsformen der Ekphorie, die besondere — 1 Sowie so hätte ich hinzufügen können dium der tierischen Instinkte. — das genauere Sta-
Die Ekphorie uud die Erscheinungsformen Eigeuarten zu besitzen scheinen, der gewählten daß wird, Form 195 von denen aber sich bei der Darstellung ohne weiteres ergeben unter lediglich sie Assoziation. d. das Prinzip der partiellen Wiederkehr der engraphisch wirksam gewesenen Erregung, also unseres zweiten 1) mnemischen Hauptsatzes, Der Engrammkomplex elle q, «i, &i, durch Auftreten einer Erregung ^i . . wird ekphoriert . Ä in ihrer Eigenschaft als parti- Wiederkehr der engraphisch wirksam geweseneu Erregung, die einen Teil des nente Engrammkomplexes, nämlich Wird geschaffen hat. «1 bei dieser werden sich Engramm 2) «j die Sache so dar, als Ä habe und gestellt, lediglich das ekphoriert. Alles sei wie in Fall 1, nur nehmen wir an, daß bei der Ekphorie Aufmerksamkeit oder sonstige Momente besonders der Komponente grammkomplexes Sache so dar, Kompo- a^ gerichtet, q, d^ ignoriert oder sonstwie in Schatten b^, stellt die Ekphorie die Auf- merksamkeit lediglich auf die Komponente so fallen. als A habe des ekphorierten En- b^ Dann würden. zuteil lediglich begünstigende stellt sich uns die oder doch vorwiegend Engramm b^ ekphoriert, und wir sprechen von einer Ekdem Wege der simultanen Assoziation. 3) Alles sei wie in Fall 1. An die Ekphorie des Engrammkomplexes «1, 6i, Ci, f/i schließe sich aber auf dem S. 179 gekennzeichneten Wege die Ekphorie seiner 4 nächsten Nachdas phorie auf . . . folger an, die sukzessive die halten. Ist Komponenten ten gerichtet, so stellt sich uns die durch Ä «2? ^4» ^^^3? % ent- die Aufmerksamkeit dann auf diese Komponen- Sache so dar, als sei «^ auf der Grundlage der bereits im Engrammschatz vorliegenden sukzessiven Assoziation der Engramme ekphoriert worden. 4j Enthält der Engrammschatz «j, öj, Ci, c?i . . 13* . in d^ ein
Die mnemischen Empfindungen. 196 durch den Erregungszustand D geschaffenes Engramm (welcher Erregungszustand durch einen bestimmten Stoffwechselszustand bedingt war), und kehrt dann später nach einem bestimmten Zeitablauf dieser Stoffwechselszustand und damit auch die Er- regung D Wege zyklisch wieder, so erfolgt auf diesem Ekphorie des Engrammkomplexes «i, ö^, diese Erscheinungsform der Ekphorie als c^, d^ . . . eine Ich habe chronogene Ekphorie bezeichnet. 5) Ganz ebenso verhält phorie, mit dem es sich mit der Unterschied, phasogenen Ek- daß die ekphorisch wirkende Erregung dabei durch Erreichung eines bestimmten Entwicklungsstadiums ausgelöst wird, und das durch Engramm sie ekphorierte ein ererbtes, kein individuell erworbenes ist, wes- halb wir auch nicht näher auf diesen Fall eingehen, sondern auf unsere genaueren Ausführungen in der Als die Kapitels ruht (2. Aufl. 103, 196) verweisen. S. 69, beiden Mneme zusammenfassenden Resultate des vorliegenden wiederhole ich hier noch einmal zum Schluß die gewonnenen Hauptresultate: Jede Ekphorie be- auf der partiellen Wiederkehr der energeti- schen Situation oder enger gefaßt des simultanen Erregungskomplexes, der engraphisch gewirkt hat, einer Wiederkehr sei es in Form von originalen oder von mnemischen Erregungen. (Zweiter mnemischer Hauptsatz.) Unter Assoziation verstehen wir die vollzogene Tatsache einer Verbindung von rierten Engrammen bzw. mnemischen Erregungen. dem ist deshalb von ein Zusammenhang der aus ihnen ekpho- Der Begriff der Assoziation der Ekphorie scharf zu trennen, obwohl insofern besteht, als sich das Vorhanden- sein einer Assoziation erst bei Gelegenheit der Ekphorie der
Die Ekphorie uud die Erscheinungsformen Engramme ergibt, und außerdem Simultanassoziation als rückbleibt. tate in einer Assoziation. 197 Anzahl von Fällen Folgeerscheinung von Ekphorie zu- Unsere die Assoziation betreffenden Hauptresul- lassen sich also in folgender, ersten d. im Grunde aus unserem mnemischen Hauptsatz ableitbarer spezielleren These zusammenfassen: Assoziation ist die einzelnen Engrammen, die isolierten sich Verbindung von bei ihrer relativ Ekphorie herausstellt, und rührt lediglich von der gemeinsamen Anv^'esenheit der betreffenden Komponenten Sie ist demselben Simultaukomplex her. deshalb stets im Grunde Simultanassoziation. in
Elftes Kapitel. Die ekphorisclie Wertigkeit der Komponenteu. Nichtum- kehrbarkeit mnemisclier Abläufe. Zusammenfasseudes über den individuellen Engrammscliatz. In der seitigen »Mneme« habe ich in dem Kapitel über die gegen- Beziehungen der Engramme ausführlich einen Haupt- unterschied erörtert, ekphorische der uns Wertigkeit sukzessiv erzeugter entgegentritt, einerseits Engramme wenn wir simultan, untersuchen. die andrerseits Ich sagte dort S. 135: »Trotzdem, wie wir sahen, die sukzessive Assoziation sich aus der simultanen ableiten läßt, ist und bleibt das Endresultat in beiden Fällen ein erheblich verschiedenes.« — >Ein Hauptunterschied besteht nur darin, daß simultan erzeugte Engramme sukzessiv doppelsinnig gleichwertig verknüpft sind, Engramme aber polar ungleichwertig. dem Umstand schließen, daß, wenn Engramm b simultan assoziert ist, unter erzeugte Wir müssen dies Engramm a mit aus gewöhnlichen Umständen die Ekphorie von a ebenso stark, aber nicht stärker ekphorisch auf h wirkt, auf a. Sind aber a und b sukzessiv assoziert, so wirkt aus- nahmslos die Ekphorie auf umgekehrt.« 6, wie die von b als Diese Sätze von a ungleich stärker ekphorisch möchte ich in folgendem, soweit sie sich
199 Ekphoriscbe Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mnemisclier Abläufe. auf die gegenseitige ekphoriscbe Wirkung simultan erzeugter Engramme beziehen, etwas modifizieren. ^ Die ausgesprochene Engramme polare Ungleicbwertigkeit sukzessiv erzeugter i in bezug auf ihre gegenseitige Ekphorie beruht nämlich, wie wir am ten hemmenden Schluß dieses Kapitels sehen werden, auf bestimm- Momenten, die sich aus der Beschaffenheit des individuellen Engrammschatzes und aus von originalen und Wechselspiel Momente ergeben. Diese seitigen fallen dem homophonen mnemischen Erregungen nun allerdings bei der gegen- Ekphorie simultan erzeugter Engramme fort. Hieraus und aus ihrem sonstigen Verhalten ergibt sich dann der bemerkenswerte Unterschied, daß die Verknüpfung von sukzessiv erzeugten diejenige von Engrammen simultan Man darf aber wenn Engramm deshalb eine erzeugten polarisierte einseitig Engrammen a und b simultan erzeugt sind, Umständen aber stärker ekphorisch auf h wirkt, auf «.« Selbst der nicht. noch nicht schlechthin sagen, daß wöhnlichen nicht aber ist, die Zusatz Ekphorie »unter »unter ge- von a ebenso stark wie die von h gewöhnlichen Umstän- den« erscheint mir jetzt als keine hinreichend erschöpfende Einschränkung dieser These. An und für §ich ist innerhalb eines simultanen Erregungs- bzw. Empfindurigskomplexes die Verknüpfung der einzelnen Komponenten eine durchaus unpolarisierte, was sich bereits aus unserer Auffassung der Grundvorgänge, die die soge- nannte Assoziation bedingen, ergibt. Wir haben durch unsere Simultan erzeugt will ich hier zwei Engramme dann nennen, die synchrone Phase der beiden sie erzeugenden Erregungen simultan war. Sukzessiv erzeugt nenne ich sie dann, wenn ihre synchronen Phasen aufeinander folgten, eine Simultaneität also nur zwischen der akoluthen Phase der einen und der synchronen Phase der 1 wenn anderen bestanden hat.
Die mnemischen Emp6ndungeii. 200 früheren Ausführungen festgestellt, daß nicht zwei selbständige, gesonderte Engramme dige Erregungen assoziativ verknüpft, festgehalten werden, sondern daß im zusammenhängendes Ganzes phisch wirkt, d. h. darstellt, das als solches engra- ebensolchen einen Engrammkomplex Letzterer liefert bei Ekphorie infolge verschiedener wirkens Grunde bzw. Empfindungskomplex ein jeder simultane Erregungs- hinterläßt. als selbstän- Zusammen- Umstände gewöhnlich nur stücke der hervorragendsten Komponenten, und Bruch- die Repro- duktion läßt diese Bruchstücke dann scheinbar unmittelbar verbunden erscheinen, unter sich nicht ansieht, Ganzen ten! sind. daß sie der Ekphorie eben grade Es macht lung der Aufmerksamkeit als sich Ein aber sehr wohl dazu dienen, erreguug ekphoriert es angehört, weniger deutlich Während h] also Das eine lehrt, schwach drittes c ragt bis ins Ober- ohne besondere Einstel- mnemische Empfindung über- haupt nicht bemerkbar. Dabei kann dieses letztere von ihnen zu mnemischer Empfindung deutlicher nur bewußtsein hinein. dem es einheitlichen gleich hervorragend. alle als das andere h oberbewußt empfunden. bei man wie uns die alltägliche Erfahrung a wird, seiner Ekphorie bei daß größeren Bruchstücke der hervorragendsten Komponen- Aber doch nicht Engramm so eines Teile wird, wenn Engramm c es selbst durch Origiual- den ganzen Engrammkomplex, und mit ihm sehr deutlich Engramm a und Engramm h zu ekphorieren i. durch die Wiederkehr von a (bzw. auch zwar der ganze Engrammkomplex ekphoriert wird, 1 Haben wir doch oben (S. 195, Nr. 4) gesehen, dai3 auch nicht oberbewußt manifest gewordene Komponenten des simultanen Erregungskomplexes, der engraphisch gewirkt hat, bei ihrer Wiederkehr den ganzen Komplex ekphorieren können.
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mnemischer Abläufe. tritt doch das mitekphorierte um sein, unter gewöhnlichen 201 zu schwach ins Oberbewußt- c Umständen bemerkt zu werden. Die Ekphorie von a (bzw. auch von führt h) dann also zu keiner durch oberbewußte Em[)findung sich manifestierenden Ekphorie von Die Sache c. stellt sich uns dann so dar, als ob c erheblich stärker ekphorisch auf a oder h wirke, als a oder h ekphorisch auf c. Im Grunde beruht aber das beobachtete daß die Ekphorie von a und von b darauf, Chancen günstigere viel durch oberbewußte Empfindungen zu mani- hat, sich festieren, als die Resultat von c. der Manifestationschancen Die Verschiedenheit durch oberbewußte Empfindungen überhaupt, es ist die die ekphorische Wertigkeit zweier simultan erzeugter En- gramme dies oft Engrammeu a und Empfindung sich die Wir können verschieden erscheinen läßt. folgendermaßen präzisieren: Wenn von c ceteris paribus zwei simultan erzeugten das eine [a] die sich stark, das andere liefert, nur schwach oder fast mnemische eine (c) eine solche, gar nicht oberbewußt be- merklich macht, so erscheint uns dieser Tatbestand leicht in dem eben dieses Licht, als ob a wirke, als a auf Als Beispiel ekphorisch auf c. möge uns unser simultan erzeugten es c viel stärker herangezogener Fall der oft Engramme: Anblick von Capri (wir wollen Engramm a nennen) und Ölgeruch (Engramm Ich gehöre zu den mit durchaus ausgestatteten Menschen, bei denen werden kann) doch selbst die Wege und Unterschiedserkennens so gut wie nie, ekphoriert werden, dienen. normalem Geruchssinn Geruchsengramme (deren gute Ausprägung durch des Wiedererkennens c) wenn hinreichend sie kräftigsten die Probe festgestellt auf assoziativem lebhafte mnemische
Die mnemischen Empfindungen. 202 Geruchsempfindungen Dies verhält sich wohl so bei liefern. der Mehrzahl der Menschen Es i. deshalb auch selbst- ist verständlich, daß keine Ekphorie jenes auf assoziativem Wege, erfolge sie Engrammkomplexes nun durch Wiederkehr der Komponente Capri oder durch Wiederkehr irgend einer oder mehrerer anderen Komponenten jenes Komplexes, eine deutliche mnemische Empfindung jenes Ölgeruches mit sich bringen kann, während doch die Wiederkehr des Ölgeruchs stets eine sehr deutliche mnemische Empfindung des optischen Bildes von Capri liefert. Es liegt hier also von vornherein eine Un- möglichkeit vor, daß die Wiederkehr von a eine ebenso deutlich manifeste Ekphorie von c von c eine solche Wenn von wie die Wiederkehr liefere, a. wir dagegen von einer Polarisation oder einsinnig bestimmten Wertigkeit der ekphorischen Wirkung bei der sukzessiven Assoziation sprechen, so liegen die Dinge dort ganz anders. In diesen Fällen handelt Engramme, deren Manifestationschancen Empfindungen an auch sonst alle sich gleich sind, Begleitmomente es sich stets um mittels oberbewnßter und bei deren Ekphorie als gleich gesetzt zu betrach- ten sind. Alles in allem genügt es, zur Charakterisierung der ekpho- rischen Wertigkeit simultan erzeugter Engramme zu sagen, 1 Diese Verhältnisse sind aber individuell verschieden. Ein bedeutender Chemiker, mit dem ich über diese Dinge sprach, und der sich daraufhin genau selbst beobachtete, kam zu dem Resultat, daß es ihm nicht selten glücke, die Gerüche, z. B. des Merkaptaus, rein mnemische Empfindung gewisser Übereinstimmung bis zur täuschenden mit der Originalempfindung zu steigern. Zweifellos spielt dabei nicht nur eine angeborene individuelle Anlage, sondern auch die Ausbildung dieser Anlage durch den Chemikerberuf eine Rolle, der es mit sich bringt, daß der Geruchssinn und das Geruchsgedächtnis als Wegweiser bei der Analyse eine besondere Ausbildung erfahren.
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mnemischer Abläufe. 203 daß durch diese Art der Verknüpfung keine einsinnige Bestimmung-, keine Polarisation irgendwelcher Art gegeben ist. Eine ganz anders lautende Aussage müssen wir dagegen über die ekphorische gramme machen. Um Wertigkeit sukzessiv erzeugter uns darüber klar zu werden, greifen wir wieder auf unser altes Engrammschema zurück, Entstehung aus dem Schema der Originalerregungen verstehen Engrammkomplex ist. En- S. dessen 179 zu
Die mnemischen Empfindungen. 204 vor allem auch die an Intensität hervortretendste Komponente E (engr), eines Wir mnemischen Ablaufs, nach sich Phase ekphoriert. zieht. erhalten dann folgendes den die Ekphorie von Schema D (engr)
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mnemischer Abläufe. 205 schwächeren und d^ (eugr) dem ganz schwachen (engr) Cg simultan assoziiert, woraus sich eine unmittelbare Erklärung der von Ebbinghaus beobachteten Dagegen läßt sich Phänomene ergibt. weder aus diesem Schema noch aus unseren bisherigen Erörterungen der Grund erkennen, bei Ekphorie von D (engr) Engrammkomplexes damit auch von des mit D 3, über stets d^^ (engr) eine (engr) simultan assoziierten c^ (engr), das ja mischen Ablaufs sehen nicht D ist, ein, (engr) S. 204), warum über und aber nicht durch Ekphorie erfolgt, auch Schema des mne- tatsächlich mitekphoriert wird (vgl. unser Bahn Ekphorie des dessen Komponente d (engr) E (engr) warum eine Ekphorie von C (engr). Wir die Ekphorie eine Prädilektion für die d^ (engr) zu c^ (engr) hat, verglichen mit — scheinbar ganz ebenbürtigen Bahn — C(engr), oder, anders ausgedrückt, warum nach Ebbinghaus der jE'(engr) die Ekphorie unmittelbaren eines Gliedes einer Vorgänger lange nicht so stark folgendermaßen aus: schaffenen Prädispositionen (engr) Engrammreihe auf seinen wirkt, wie auf seinen unmitttelbaren Nachfolger. drückt dies Ci ekphorisch Ebbinghaus »Die Stärke der so ge- war wiederum eine abnehmende Funktion der Entfernung der Glieder voneinander in der ursprünglichen Reihe. für die Nur war sie bei gleichen Entfernungen Verknüpfungen rückwärts erheblich geringer diejenigen vorwärts. Bei durchschnittlich gleich als für häufiger Wiederholung einer Reihe wurde jedem Glied das ihm unmittelbar vorangegangene nicht sehr viel fester verbunden als das zweitfolgende, das zweitvorangegangene — soviel sich aus den wenigen Versuchen überhaupt schließen läßt kaum — so fest als das drittfolgende.« Zur Erklärung dieser Eigentümlichkeiten reichen, wie oben ausgeführt, die bisher von uns erörterten Zusammen-
Die mnemischen Empfindungen. 206 hänge und wir müssen, auf der betreteneu Bahn niclit aus, noch fortschreitend, tiefer in den Bau des individuellen En- grammschatzes eindringen und noch genauer das Zusammenvon originalen und mnemischen Empfindungen analy- spiel um sieren, Es ist hier zur Klarheit zu kommen. bekannte psychologische Tatsache, daß, eine von Originalemptindungen zunächst nur zu sprechen, Ablauf jeder Originalempfindung unlöslich mit empfindung verknüpft daß der Ablauf mit der sich ist, der einer Zeit- oder vielleicht besser ausgedrückt, Zeitempfindung als solcher sich als der um eigentlichen Qualität darstellt, der Empfindung zu einem unlöslichen Ganzen verbindet. Wenn wir die Angabe machen, daß eine Empfindung in unserem Bewußtsein anklingt, dauert, abklingt und schließlich verschwindet, so oder, was geführt. dasselbe Alles haben wir damit den Begriff der Dauer, ist, der Zeit in unsere Beschreibung ein- übrige von was wir Zeitempfindung dem, (Zeitanschauung, Zeitvorstellung) nennen, läßt sich aus der Bewußtseinstatsache der Empfindungsdauer und aus anderen elementaren Tatsachen des Empfindungslebens, auf die wir hier nicht weiter eingehen, ableiten. Der Begriff der Dauer, der längeren Dauer unseres Allgemeinbewußtseins, der kür- zeren einer auftauchenden und wieder verschwindenden einzelnen Empfindung, gehört somit zu den Elementen unseres Empfindungslebens. Ich halte es deshalb auch für ein ver- gebliches Bemühen, unsere andere seelische Erlebnisse daraus erst der Zeitbegriff einer Weise in den setzungen enthalten Nun ist es Zeitempfindung als so als zurückzuführen, autTDaut, nicht bereits solche daß auf sich in irgend gegeben angenommenen Voraus- ist. allerdings richtig, daß eine Zeitempfindung
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mnemischer Abläufe. trotz der objektiven Dauer der Emptindimgen im Organisnius nicht zustande kommen wenn der könnte, seinsinhalt von seinem Nachfolger kanntlich so jeweilige Bewußt- abgelöst würde, Bewußtsein damit endgültig abgetan wäre. er für das letzteres aber nicht der Fall, der jeweilige ist wußtseinsinhalt eine 207 umschließt anderen Elementen unter mehr oder weniger genaue Kenntnis seiner daß BeBe- auch unmittel- baren Vorgänger, und darauf beruht eben das, was wir als Auftreten, Dauer und Aufhören einer Empfindung bezeichnen, Dinge, die uns primär als Bewußtseinstatsachen, als Attribute der Empfindungen gegeben liegt, ist die subjektive sind. Was uns also vor- Dauer der Empfindungen. Eine objektiv vorhandene, aber nicht als solche empfundene Dauer ist ein bloßes Gedaukenspiel. Empfinde ich die längere oder kürzere Empfindungsdauer als solche, Empfindung ist das Auftreten, Andauern und Aufhören einer als solches in meinem Bewußtsein determiniert, so unterscheide ich natürlich auch, ob das Auftreten, Andauern und Aufhören einer zweiten Empfindung mit den entsprechenden Phasen der ersten übereinstimmt, oder nicht; ich empfinde Gleichzeitigkeit und Sukzession meiner verschiedenen Empfindungen. Als weitere Konsequenz ergibt sich daraus eine bestimmte Anordnung unserer Empfindungen entsprechend zeitigkeit oder Sukzession, die zeitliche ihrer Gleich- Anordnung der Em- pfindungen in unserem Bewußtsein, die aber deshalb polarisiert, nicht umkehrbar erscheint, weil stets die momentan vorhandenen Empfindungen, der präsente Simultankomplex, das »Jetzt«, als Orientierungsmarke ^ dient und den Endpunkt 1 Genauer auf diese Orientierungsmarke gehen wir den Kapitel ein. erst im folgen-
208 Die! mnemischen Erapfinduiigeu. Dadurch wird im Bewußtsein das Früher oder Später festsetzt. Dieser sukzessiven Anordnung der Bewußtseins- bestimmt. wie wir bereits oben gesehen haben, die inhalte entspricht, sukzessive Anordnung unseres individuellen Engrammschatzes, der der bei Ekphorie zu mnemischen durch die Orientierungsmarke des Empfindungen sich präsenten Simuitankom- plexes von Originalempfindungen auch wieder in ein Früher und Wir können den präsenten ein Später polarisiert zeigt. simultanen Erregungskomplex auch als die Wachstumsschicht des Engrammschatzes bezeichnen. Im Schlafe, in Zuständen kann der Hypnose, die Marke in allerlei allerdings pathologischen derart verschoben werden, daß wir den präsenten Simultankomplex von Originalempfindungen, das »Jetzt«, nicht an die von seinen unmittelbaren Vorgängern hiuterlassenen simultanen Engramm- komplexe, sondern an weit zurückliegende Eugrammkomplexe anknüpfen unter Ignorierung der dazwischenliegenden Strecke. Die Polarisation des Engrammschatzes, soweit er eben ekphoriert wird, bleibt aber auch dann innerhalb dieser ekphorier- ten Strecke in der Hauptsache erhalten. Wir glauben dann wohl, obwohl tatsächlich jene Zeiten längst hinter uns liegen, wir müßten noch einmal ein Jahr lang in die Schule gehen, dann das Maturitätsexamen machen, wir glauben aber wir müßten zuerst das kann zwar überhaupt wirrungen in der nicht, Examen machen und dann noch mal das Gymnasium besuchen. in und ein- Die mangelnde Orientierung solchen Zuständen zu großen Ver- Verwertung unseres Engrammschatzes führen, wir können zwar einzelne Abschnitte zeitlich durcheinander — werfen in vor bezug — , auch bei normaler Orientierung kommt das ja auf die verblaßte Teile unseres Engrammschatzes einzelnen Abschnitte an sich aber zeigen sich 1
Ekphorische Wertigkeit. Nichtamkehrbarkeit mnemiscLer Abläufe. 209 doch durchweg entsprechend dem Früher und Später polarisiert. Genügen nun aber um die die bisherigen Auseinandersetzungen, Beobachtungstatsache mische Abläufe insgesamt oder, daß mne- zu erklären, voll um bei unserer spezielleren Fassung des Problems zu bleiben, daß mnemische Empfindungsabläufe nicht umkehrbar sind? nehme den kon- Ich kreten Fall, ich hätte vor zwanzig Jahren eine Melodie gehört, die damals großen Eindruck auf mich machte; seitdem hätte ich sie sie weder wieder gehört noch an sie gedacht. Spielt man mir jetzt wieder in der richtigen Folge vor, so erkenne ich sie sofort wieder ; man spielt sie aber in der umgekehrten Folge, so erscheint sie mir als etwas durchaus Fremdartiges. Wirkt da etwa auch mein präsenter Simultankomplex von Origiualempfinduugen als Orientierungsmarke und bewirkt über die ungeheure Reihe dazwischenliegender Bewußtseinsinhalte hin die Orientierung von kurzen Empfindungsstrecke ? Es Früher und Später ist ofi'enbar, in jener daß diese Er- klärung nicht ausreicht, und hier noch etwas Besonderes hin- zukommen muß. Dieses Besondere ist nun nichts prinzipiell Neues, sondern nur eine Konsequenz des bisher Angegebenen, ein notwendiges Produkt der Wechselbeziehung des Empfin- dungs- (bzw. Erregungs-jAblaufs mit den übrigen organischen Abläufen. Wir haben wieder von der Tatsache auszugehen, daß solche empfunden Ein Bewußtseinsinhalt enthält für uns eine Summe von Sukzession wird. die Bewußtseinsinhalte der als synchronen und akoluthen Empfindungen, die wir zusammen als Originalempfindungen bezeichnen, und von mnemischen Empfindungen, nebst den eventuell vorhandenen Geftihlsbetonungen beider Empfindungsgattungen. äumou, Mueme. II. Fassen wir zunächst 14
Die mnemischen Empfindungen. 210 der Einfachheit halber Komplexes ins nur Originalempfindungeu die des Auge, so enthält jeder Simultankomplex außer anderen Originalempfindungen immer noch eine Anzahl der Organempfindung sogenannten Orgauempfindungen. kanntlich ein Sammelname ist be- den verschiedensten Sinnes- für die Druckempfindungen und kinästhetischen qualitäten (besonders Empfindungen, ferner eigenartigen Qualitäten, wie Hunger, Durst usw.) angehörigen Empfindungen, die durch das Funkinnerer Organe uns ausgelöst tionieren verschiedener werden. Meistens werden sie von unserem Bewußtsein un- mittelbar (oder auch mittelbar durch erworbene Asso- auf die entsprechenden Organe, zuweilen werden ziationen) sie erst in aber auf den ganzen Körper und nicht auf ein einzelnes Das Vermögen, Organ bezogen. Empfindungen diese auf ein bestimmtes Organ zu beziehen, lokalisieren, ist zu je nach Eigenart der betreffenden Empfindungen und nach ihrer Intensität sehr verschieden. Einige von diesen Empfindungen verlaufen entsprechend der sie auslösenden rhythmischen Funktion der Organe in einem bestimmten Rhythmus. Es sind dies beim Menschen und überhaupt den lungenatmenden Wirbeltieren die empfindungen und die Kreislaufsempfindungen. Diese rhyth- Atmungs- mischen Empfindungen sind bei den betreffenden Organismen immer vorhanden, Alltäglichkeit achtet, freilich werden grade wegen ihrer sie und Allsekundlichkeit gewöhnlich nicht be- wie dies mit allen alltäglichen, stets vorhandenen oder regelmäßig wiederkehrenden Erscheinungen geschieht. Es genügt um ihre aber, bei Aufmerksamkeit auf Anwesenheit wahrzunehmen. rigkeit für die aber die Atmungsempfindungen; ruhigem normalem sie zu richten, Ohne jede Schwiefür Kreislauf den Herzschlag nur unter ange-
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehvbarkeit mnemlscher Abläufe. 211 spannter Aufmerksamkeit Ab- und bei Fernhaltung jeder lenkung. Alle hier in Frage kommenden Empfindungen der Natur sprechend der stellen ent- auslösenden Prozesse sie zwar zyklische aber ohne totale Veränderung ihres ursprünglichen Charakters nicht umkehrbare Abläufe dar. sind trotz Sie ihres zyklischen Charakters einsinnig polarisiert, insbesondere was die ihnen mitspielenden kinästhetischen Empfin- bei dungen sowie auch die Druckempfindungen anlangt. zwischen Aus- und Einatmen der Wechsel einem gegebenen Zeitabschnitt be- dergestalt, daß ich mit dem einen Prozeß liebig aber kann. lassen folgen in Jeder umkehrbar; nicht das des Einatmens. dieser Ausatmen sich ist weder mecha- ist Ausatmen und Einatmen sind funktionell Umkehrungen. Erweiterung und Verengerung die heißt, die an Prozesse zwar Gegensätze, mechanisch aber nicht wird und den anderen beginnen noch in seinem Empfindungsausdruck die Umkehrung nisch, in Zwar umkehrbar, ist Das des Brustkorbes durch dieselben einmal in der, das andere Mal nicht umgekehrter Richtung wirkenden Kräfte besorgt, sondern Einatmung durch Ausatmung die Kontraktion gewisser Muskeln, die nicht etwa durch entgegengesetzte Arbeit (aktive Streckung) derselben Muskeln, sondern vielmehr, bei bloßer Erschlaffung dieser Muskeln, durch die Schwere des Brust- korbes und die Elastizität der Lungen im Falle ruhiger Atmung; im Falle angestrengter Atmung aber durch Dem die müssen die mit diesen Vorgängen verknüpften Organempfindungen ent- Kontraktion sprechen, die ganz anderer einen Muskeln. einsinnig bestimmten Zyklus dar- stellen. Zu demselben Resultat gelangt man bei einer Analyse 14*
212 t>i6 der Mechanik mnemischen Empfindungen. des Kreislaufs und der mit diesem Kreislauf verknüpften Organempfindungen. Aber das gleiche gilt für jeden chemischen. flir jeden biologischen Ablauf, auch Die Stoffwechselsprozesse sind zwar meist zyklische, aber stets einsinnig bestimmte, nie umkehrbare dem Vorgänge, und müssen, soweit diese Vorgänge mit Er- regungen bzw. Empfindungen im weitesten Sinne verknüpft sind, die zugehörigen Erregungs- bzw. Empfindungsabläufe entsprechen. Von den durch lösten übrigen zyklischen Prozesse ausge- Empfindungen wollen wir jedoch hier absehen, da so gut wie nie mit sie hinreichender Klarheit ins Oberbewußt- und deshalb, gelangen sein die hier zur Diskussion stehende obwohl prinzipiell für die sie Frage mindestens ebenso wichtig sind, bei unserer jetzigen Betrachtungsweise besser im Hinter- gründe gehalten werden. Dagegen wollen wir betonen, daß die Atmuugs- und Kreislaufsempfindungen, jede Klasse in ihrer besonderen Rhythmik, von unserer Geburt an die begleitenden Stimmen in dem symphonischen Ablauf Empfindungen bilden. Oder, um ein aller unserer übrigen anderes Bild zu ge- brauchen, diese Empfindungen bilden das sich stetig wieder- holende Muster des Untergrundes, auf den alle übrigen Em- pfindungen gestickt werden. Nun werden natürlich nicht allein die Erregungsspuren der letzteren, nicht zyklischen und viel markanteren Empfin- dungen engraphisch auch noch so festgehalten, sondern mit ihnen ein, blasser Abklatsch jenes wenn Grundmusters von Atmungs- und Kreislaufserregungen, das von Phase zu Phase mit ihnen durch Simultanassoziationen unlöslich verknüpft Erfolgt dann einer später die Ekphorie eines ist. Engramms oder Engrammreihe von nicht zyklischen Empfindungen, so
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mnemischer Abläufe. wird, wie oben ausführlich dargelegt worden ist, 213 nicht das Einzelengramm, sondern, wenn auch noch so abgeschwächt, der ganze simultane Engrammkomplex ekphoriert, ohne daß allerdings diese Ekphorie in ihrem Empfindungsausdruck die Schwelle des Oberbewußtseins zu überschreiten oberbewußt zur Manifestation zu gelangen braucht. demnach auch eine Mitekphorie der Kreislaufs- und Es also erfolgt und Atmungs- erregungen, die ausnamslos als Begleitmotiv jedes Erregungsablaufs figuriert haben, ganz gleich, ob sie sich dabei durch Empfindungen manifestiert haben, oder nicht. Daß nun jene mnemischen Atmungs- und erregungen bzw. Empfindungen Moment verhindert durch die im wärtigen originalen Kreislaufs- Kreislaufs- umgekehrt ablaufen, wird der Ekphorie stets gegen- und Atmungsempfindungen, im Sinne eines homophonen oder annähernd homophonen die Ablaufs jener hinwirken. Auf diese Wirksamkeit der phonie gehe ich an dieser Stelle Homo- nicht näher ein, sondern verweise auf meine Ausführungen über die regulierende Wirk- samkeit der Homophonie in der »Mneme«, besonders 14. Kapitel, in deren sowie auf die folgenden Kapitel des vorliegen- den Buchs. Aus diesen Gründen erklärt sich vollständig die lichkeit des rückläufigen Ablaufs einer sion, ja es Ebbinghaus Wirkung erklärt einer nach rückwärts auf unser des auf aus ihnen erst so recht das von Stärkeverhältnis der ekphorischen mnemischen Empfindung nach vorwärts und in Schema Engramms allerdings sich ermittelte Unmög- mnemischen Sukzes- der Engrammreihe. S. 203 E (engr) zurück, zur dem Wege Ekphorie ebensowohl von so Greifen wir wieder führt die Ekphorie mnemischen Empfindung E (mn) der Simultanassoziation zu einer D (engr) wie F (engr). Da aber
Die mnemischen Empfindungen. 214 der Ablauf im ganzen aus den eben entwickelten Gründen sich vom Simul- der Phase 4 hin und zum Simultankomplex tankomplex der Phase 2 fortbewegt, Ekphorie des Einzelengramms D obwohl sie und diese Hemmung der Ekphorie von zu der von F (engr) kommt telten Stärke Verhältnis Wenn ich (engr) ermit- zum Ausdruck. umgekehrter Ordnung in im Vergleich dem von Ebbinghaus ich also die Originalreize, die eine geschaffen haben, löse in die an sich gehemmt, ebenso günstig zu £' (engr) steht, wie i^(engr), D auch wird so (engr), Engrammreihe wiederhole, so im besten Fall außer den neuen Originalempfin- dungen noch eine Anzahl von Einzelekphorien der mit diesen Originalempfiüdungen assoziierten dadurch vielleicht — erfolgt oft Engramme unter aus und erzeuge solchen Umständen wohl überhaupt keine merkliche Ekphorie — ein Mosaik von rückläufig angeordneten mnemischen Einzelempfindungen. Diese sind dann aber unter sich nicht unmittelbar verbunden, um Zug sondern bloß Zug dungen verknüpft. Sie hängenden mit den neuen Originalempfin- stellen deshalb mnemischen Ablauf auch keinen zusammen- dar, der sich in gewissem Sinne selbständig neben den gleichzeitigen originalen stellen könnte. Auf der Homophonie von originalem und mnemi- schem Ablauf beruht aber, wie ich unten zeigen werde, das Wiedererkennen und Unterschiedsempfinden. Es kann auch nichts dem Wiedererkennen irgendwie Ahnliches finden, wenn man also statt- eine Melodie in umgekehrter Tonfolge umgekehrtem Rhythmus spielt, die und Laute eines Satzes bei der phonographischen Reproduktion umdreht oder eine Folge von komplizierten Bewegungen im kinematographischeu Bilde umgekehrt ablaufen Unsere läßt. obenstehenden Erörterungen haben sich ganz
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mnemischer Abläufe. 215 wesentlich mit der großen Gruppe von Fällen beschäftigt, bei der es sich um Sukzessionen von durch Empfindungen mani- festierten Originalerreguugen handelt, engraphisch die fest- gehalten bei der Ekphorie als Sukzession von mnemischen Empfindungen zutage treten. kennen die gelernt, einen Ablauf der Sukzession mnemischen Keproduktiou lich machen. In der Hier haben wir die Gründe in bei der umgekehrter Eichtnng unmög- »Mneme« habe ich mich bemüht, nach- zuweisen, daß die mnemische Reproduktion, die sich durch Bewegungen, Sekretion, Wachstumsprozesse manifestiert, ganz denselben Gesetzen unterliegt wie diejenige, die durch Em- pfindungen zur Manifestation gelangt. geglückt ist, dem vorliegenden konkreten Fall die einen schen Ob mir will ich hier nicht erörtern. sicher, dieser Soviel Nachweis ist aber in daß dieselben Gründe, umgekehrten Ablauf einer Sukzession von mnemi- Empfindungen Fälle in Kraft treten, verhindern, auch für alle diejenigen in denen es sich um eine Reproduk- tion von Bewegungen, Stoffwechselsprozessen, Wachstumsvor- gängeu handelt. Das allen Fällen Gemeinsame ist der Er- regungsprozeß in der organischen Substanz, der durch den Reiz als Originalerregung gehalten und Ob wird. als festieren, ist Engramm als mnemische Erregung wieder sich Original- Empfindungen, ausgelöst, fest- ekphoriert und mnemische Erregungen durch Bewegungen oder Wachstum usw. von sekundärer Bedeutung. mani- Auch neben der mnemischen Reproduktion von Erregungsfolgen, die sich nicht durch Empfindungen manifestieren, läuft die mit diesen Er- regungen assoziativ verbundene mnemische Reproduktion der zyklischen und dabei einsinnig bestimmten Atmungs-, Kreislaufs-, alles Stoffwechselsprozesse einher, auch sie sind auf jenes durchziehende Gruudmuster gestickt. Und die Homophonie
Die mnemischen Empfindungen. 216 jener zyklischen mnemischen Prozesse mit den entsprechenden, stets gegenwärtigen zyklischen Originalerregungen verhindert eben allen in Manifestation durch Empfindungen stattfindet, eine ganz Fällen, ob gleich, eine Wege oder auf anderem Rückläufigkeit mnemischer Abläufe. In diesem Gruudmuster haben wir soeben einen weiteren wesentlichen und durchaus typischen Bestandteil und viduellen Engrammschatzes kennen gelernt, mir, nachdem diese des indi- es erscheint Ergänzung hinzugekommen ist, zweck- mäßig, nunmehr eine zusammenfassende Übersicht der Hauptkategorien der Engrammkomponenten zu geben, aus denen sich der individuelle Engrammschatz zusammensetzt. Wir haben aus Gründen, deren Berechtigung wir gründerwogen haben, die Gesamtheit des Engrammschatzes lich in eine kontinuierliche grammkomplexen tanen geteilt. Engrammkomplex simultanen En- Schichtenfolge von An den jeweilig simul- letzten schließt sich unmittelbar der präsente simultane Erregungs- (bzw. Empfindungs-) Komplex Wachstumsschicht des Engrammschatzes Jeder simultane Erregungskomplex 1. aus Originalerregungen, 2. aus mnemischen Erregungen. Die Originalerregungen befinden bestellt sich als die an. nun: entweder in ihrer synchronen oder in ihrer akoluthen Phase. Die mnemischen Erregungen (über deren Phasen wir im nächsten Kapitel sprechen werden) entstammen verschiedeneu Schichten des bisherigen Engrammschatzes, aus denen unmittelbar simultan (durch Originalerregungen), sie teils teils suk- zessiv (durch mnemische Erregungen) ekphoriert sind. Zu den Originalerregungen gehören auch in ihrer Empfindungsmanifestation als » diejenigen, die Organ empfindungen«
Ekphorische Wertigkeit. Nichtumkehrbarkeit mneiuischer Abläufe. Umständen unter gewöhnlichen anspruchen aber Hervorhebung, folge der insofern stark zurücktreten. eine 217 Sie be- besondere Beachtung und als diejenigen unter ihnen, die in der Schichten- Erregungskomplexe zyklisch wiederkehren, Schichtenfolge der Engrammkomplexe in der eine Art Grundmuster hinterlassen. Wenn der simultane Erregungskomplex präsente seinem Nachfolger Platz macht, läßt er bei also seinem Ver- schwinden einen simultanen Engrammkomplex zurück, dessen Komponenten sich ihrer Herkunft nach folgendermaßen ein- teilen lassen: Engramme von Originalerregungen: 1. a) von solchen in b) von solchen in akoluther Phase. synchroner Phase, Engramme von mnemischen 2. a) Erregungen: von solchen die simultan (durch Originalerregungen) ekphoriert sind, b; von solchen die sukzessiv (durch mnemische Er- regungen) ekphoriert sind. 3. lich Der Schichtenfolge des Engrammschatzes kommt end- noch ein Grün dm US t er zu, das von den zyklisch wieder- kehrenden Organerregungen hinterlassen, eine Art Hintergrund bildet, auf den die übrigen Engramme aufgestickt sind.
Zwölftes Kapitel. Die iimeraische Empfludung uud ihre Unterscheidung von der Originalempflndnng. Wir greifen hier einleitend auf folgende, in der ausführlicher behandelte Gedankengänge zurück. phorie eines Eagramms reizbaren Substanz, zeichne. liefert den ich »Mneme« Die Ek- einen Erregungszustand der als mnemische Erregung be- Nun können Erregungszustände der reizbaren Substanz von uns nicht unmittelbar vrahrgenommen werden. Wir schließen auf sie aus ihren Manifestationen. Unter diesen Manifestationen aber können wir zwei Hauptgruppen unterscheiden: erstens Bewußtseinsreaktiouen das , heißt Empfindungen im weitesten Sinne, mit oder ohne GefUhlsbetonung; zweitens Reaktionen in Gestalt plastischen und Stoffwechselsprozessen, sowohl bei sich selbst die man jektiv als die von motorischen, man als solche auch bei anderen nachweisen kann, deshalb als objektiv wahrnehmbare den nur sub- wahrnehmbaren Bewußtseinsreaktionen oder Empfin- dungen gegenüberstellen kann. Da wir uns in der vorliegenden Fortsetzung der »Mneme« ganz vorwiegend mit den Empfindungen, im weitesten Sinne, beschäftigen, fassen wir hier auch nur diejenigen Erregungen ins manifestieren. mnemischen Auge, die sich durch Bewußtseinsreaktionen Diese Bewußtseinsreaktionen bezeichnen wir
Unterscheidung der mnemischeu von der Originalempfindung. 219 mnemische EmpfiuduDgeu im weitesten Sinne; wenn es als sich um die Gefühlsbetonungen solcher Empfindungen handelt, mnemische Gefühle. als Wir nennen wenn eine sie also eine Empfindung dann eine mnemische, mnemische Erregung manifestiert, das heißt eine Erregung, die nachweislich nicht durch Originalreiz ausgelöst sondern sich aus der Ekphorie eines Engramms ist, herleitet. Wie wird nun der Nachweis geführt, daß es sich beim um Auftreten einer Erregung bezw. Empfindung nicht um wöhnliche Auslösung sondern Ekphorie handelt? ge- Über diesen Punkt haben wir ausführlich im sechsten Kapitel der »Mneme« und im zehnten Kapitel des vorliegenden Werks handelt. Das Unterscheidungsmerkmal besteht darin, ge- daß der mnemische Erregungsvorgang, ob er sich nun durch objektiv wahrnehmbare (motorische, plastische, sekretorische usw.) Reaktionen oder durch nur subjektiv wahrnehmbare (Empfindungs-) Reaktionen manifestiert, zu seiner Hervorrufung bloß einen Bruchteil der Bedingungen braucht, die zur Her- vorrufung derselben Erregung als Originalerregung notwendig gewesen sind. Dies Unterscheidungsmerkmal auf Grund des zweiten mnemischen Hauptsatzes bezieht sich demnach lediglich auf die Art der Hervorrufung der beiden zu unter- scheidenden Erregungen, nicht auf die Beschaffenheit dieser Erregungen selbst. Wir haben uns jetzt die Frage vorzulegen: Gibt es zwischen beiden Gruppen von Erregungen, oder da wir hier nur solche Erregungen ins Auge fassen wollen, die sich durch Bewußtseinsreaktionen manifestieren, zwischen beiden Gruppen von Empfindungen, neben dem Unterscheidungs- merkmal der andersartigen Hervorrufung Verschiedenheiten,
220 mnemischen Empfindungen. I^io selbst zu der Art und Weise in sich die des Bewußtseinsvorgangs erkennen geben, und sind diese Verschiedenheiten so beschaffen, daß durch ein durchgreifendes Unter- sie sich scheidungsmerkmal präzisieren lassen? Die Beantwortung dieser Frage, die gewöhnlich apodiktisch bald in diesem, bald in jenem Sinne entschieden wird, halte ich für so wichtig, daß ich ihr hier eine gründliche lung widmen will. nach erst Ansicht Ein richtiges Urteil kann Behand- man meiner wenn man den Gegenstand von fällen, verschiedenen Seiten her untersucht hat. Zunächst treten wir rein empirisch au die Frage heran. Wir nehmen säßen an, wir tuose hat seinen Platz kum am in Wir lauscht regungslos auf den Beginn. Augen geschlossen, um die einem Konzertsaal. tragenden und der Der Vir- Klavier eingenommen, das Publiselbst nicht durch das Bild Umgebung abgezogen haben des Vor- zu werden, und er- warten jeden Augenblick, die leisen Töne des Adagios der Beethovenschen Cis-moll Sonate zu hören. Mit vollkommener Deutlichkeit erklingen die allbekannten Tonfolgen, die ganzen und halben Noten der Baßoktaven, triolen des luter Gewißheit, hat, daß der Spieler daß das, was da gang ist. die schreitenden Achtel- Diskants in uns, und dennoch wissen wir mit abso- Da selbst noch nicht angefangen in uns erklingt, ein rein mnemischer Vor- fängt der Pianist an zu spielen, und in demselben Augenblick wissen wir mit derselben Bestimmtheit, daß die jetzt Was empfundenen wir leisen Tonfolgen Originalempiindungen sind. freilich meist nicht wissen, wessen wir uns wenig- stens gewöhnlich nicht klar bewußt Originalempfindungen mnemischen Empfindungen mit bunden und durchwoben erst später zurück. sind. sind, ist, wie stark diese ver- Doch darauf kommen wir Jedenfalls haben wir hier einen Fall, in
Unterscheidung der innemischen von der Originalempfindung. dem iu 221 unserem Bewußtsein sich die Originalempfindung von der entsprechenden mnemischen Empfindung auf das unver- Der Fall kennbarste unterscheidet. eine Unterscheidung auf wie ganz hier so gut ist auch so gewählt, daß Grund von begleitenden Momenten Die fortfällt. beiden Empfindungen werden zweifellos als solche im Bewußtsein unterschieden. Auf die Frage, worin das unterscheidende sie liegt, wollen wir erst nach Erörterung der Gegenbeispiele eingehen. Ein Gegenbeispiel Siunesgebiet. licher bringe Wir erwarten Ruhe und ich in zunächst aus Gegend, einer demselben die in länd- zusammen mit unseren Haus- Stille daliegt, genossen die Ankunft eines Wagens, der uns lange nicht ge- sehene Freunde zuführen hinaus, um den soll. Wir horchen in die Ferne ersten Laut des uns wohlbekannten fernen Rollens der Räder zu hören. Einer ruft »Jetzt!« Alle lauschen gespannt, und einige glauben es auch zu hören. »Ja, wirklich!« Aber es kommt nicht näher, verschwimmt, war nur mische Empfindung; Wieder hören, ruft einer nach mne- »Einbildung« des fernen Rollens. die »Jetzt«, wieder glauben wir etwas zu aber jetzt sind wir skeptisch und denken es sei nur mnemische Empfindung. die die umgekehrten Seite der zweifelnd Aber diesmal haben wir uns stehen, steigert geirrt, sich die während wir noch Empfindung zu einen solchen Grad der Lebhaftigkeit, daß wir an ihrem Charakter als Originalempfindung nicht mehr zweifeln können. In diesem Fall haben wir erhalten als also nahezu das entgegengesetzte Resultat im vorigen. empfunden, ob es sich um Wir haben eine erstens keine Gewißheit mnemische oder eine Original- empfindung handelt, wir haben uns nur zweifelnd entschieden und finden nicht getäuscht haben. selten, daß wir uns bei der Entscheidung
Die tanemischen Empfindungen. 222 Ganz ähnlich ergeht es uns, wenn wir kanntes, aber schwer wahrnehmbares ein uns gut be- optisches Phänomen, etwa den ersten Lichtschimmer beim Grauen des Tages oder Ähnliches erwarten, besonders wenn wir mit Spannung es erwarten; denn diese Spannung, die die Aufmerksamkeit auf das betreffende Gebiet konzentriert, eintretender Ekphorie lebhaftere dritter Stelle bringe ich eventuell Färbung mnemischen Empfindungen, gewöhnlichen Umständen aufzutreten als sie unter in bedingt bei bedeutend der entsprechenden (Vividität) An eine den Fall, in meiner subjektiven Erfahrung die pflegt. dem wenigstens zuweilen bestehende Unmöglichkeit, originale und mnemische Empfindungen als solche im Bewußtsein zu Ich hervortritt. blutsaugenden unterscheiden, gegen bin Insekten das am deutlichsten Speicheldrüsensekret außerordentlich der und empfindlich, weder meine Erfahrungen an Bord meines Luggers Hekla noch die Moskitonächte am Niger oder mich im geringsten abgehärtet. am Kap York^ haben Es genügt bei mir auf einer Reise abends beim Auskleiden der Verdacht, daß das Schlaf- zimmer Parasiten beherberge, um des Gestochenwerdens auszulösen. deutliche Empfindungen Unzählige Male muß ich mich dann durch den Augenschein überzeugen, daß ich mich getäuscht habe. wenn ich, habe, es ich ist Es ist mir aber auch schon begegnet, daß nach mehreren solchen Täuschungen gedacht wieder nur Einbildung, beim Zusehen entdecken mußte, daß ich diesmal die Originalempfindung für Einbildung gehalten hatte. Es geht wohl vielen empfindlichen Menschen so; solche 1 »Einbildung« gar nicht begreifen. R. Semon, 350 uBW. in Im dieser Beziehung andere können allerdings eine australischen Busch. 2. Ich führe diesen Auflage 1903, S. 341,
Unterscheidung- der mnemischen von der Originalempfindung. Fall, 223 wegen dessen etwas sehr persönlichen Charakters ich die Nachsicht des Lesers erbitte, deshalb hier besonders an, weil ich im Lauf der Zeit bei mir die sichere Beobachtung gemacht und in Wiederholungsfällen bestätigt habe, mir einfach unmöglich bloße aufmerksame ist, daß es unter derartigen Umständen durch Beobachtung des Bewußtseinsvorgangs darüber ins klare zu kommen, ob hier eine originale oder eine eben mnemische Empfindung vorliegt. Wir können aus den und Gegenbeispielen und un- augeführten Beispielen zähligen parallelen Erfahrungen den sicheren Schluß ziehen, daß wir im normalen Wachzustande in eine gewöhnliche Schwierigkeit haben, der Regel keine Originalempfindung von einer gewöhnlichen mnemischen Empfindung zu unterscheiden; eine nur eben merkliche Originalempfindung von einer infolge besonderer Umstände besonders mnemischen Empfindung aber Nun gibt es aber noch lebhaft betonten nicht. zwischen den hervorgehobenen beiden Gruppen von Fällen, die sich scheinbar gegensätzlich gegenüberstehen, unzählige Übergaugsfälle. Vor allen Dingen gelingt es manchen von uns, unter Umständen selbst im normalen Wachzustande, durch besondere Konzentration und Anspannung der Aufmerksamkeit, einer mnemischen Empfindung so starke Lebhaftigkeit zu verleihen, daß oder nahezu einer lebhaften Johannes Müller i, der sehr viel mentiert hat, berichtet darüber: einen ganzen Abend, still Originalempfindung in 1 ganz gleicht. dieser Richtung experi- »Ein einziges Mal, als ich und ruhig mit geschlossenen Augen daliegend, unaufhörlich vergeblich versucht hatte, haftes Rot sie im Sehfelde zu sehen, und deshalb, um ein leb- die plas- Johannes Müller, Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Coblenz, J. Hölscher 1826, S. 82.
Die mnemischen Empfindungen. 224 Phantasie zu unterstützen, Gegenstände von tische lebhaft roter Färbung, Vorhänge, Mäntel, bunte Fenster, rotes Feuer usw. auf das lebhafteste vorzustellen mich bemüht hatte, sah ich ein einzigmal einen Faltenwurf von Aber auch dieses hatte Umrissen einem lebhaft roten Tuche. ich nicht erst in diesen bestimmten Während diesem quälenden Bemühen vorgestellt. erschien das spezificierte Produkt der plastischen Phantasie und war auch bald verschwunden. urplötzlich Ganz ver- einzelt stehen daher die merkwürdigen Fälle einer leichten willkürlichen Einbildung leuchtender Das Sehfeld. bietet jener erste Mann, dem auch in das erwähnte wundersame Er erzählt von sich selbst, daß habe leuchtend einbilden können, was er gewollt. er sich Cardan. de varietate rer., lib. 519, seq. p. VIII. p. 160, seq.; de Subtilitate Hierher gehört auch ein von Gruithuisen, Fall eines Mannes, der in der Anthrop. § 449, mitgeteilter Jugend seinen Vater ihm Phantasmen die unwillkürlichen Phantasiebilder so zu- gänglich waren, Cardanus. XVIII. oft ^ sich leuchtend vorstellen konnte, was minder gut gelang. später wähnten Künstler H. gelingt im dunklen Sehfelde sich es Auch dem im § 117 eroft, das, was er mit Willen einbildet, leuchtend und farbig zu Diese willkürlichen Phantasmen entwickeln und ver- sehen. wandeln sich aber sofort ohne alle Willensbestimmung. « Jo- hannes Muller erwähnt dann noch die Fähigkeit, die Goethe in seinen jüngeren Jahren besaß, bei geschlossenen Li- dern eingebildete Blumen und Zierraten mit der Lebhaftigkeit von Originalempfindungen wahrzunehmen. zitierten 1 Fällen unterscheidet Unter »leuchtend« verstehen wie: tretend. ist hier sich der Von den vorher Goethesche dadurch, und im folgenden offenbar soviel zu mit der Lebhaftigkeit einer Originalempfindung auf-
Unterscheidung- der mnemischen von der Originalempfindung. daß das vorgestellte, aber mit der Lebhaftigkeit 225 von Original- empfindung geschaute Objekt nicht einen Augenblick seine Gestalt behauptete, sondern »aus der Mitte gegen die Peri- pherie sich immerfort veränderte, völlig wie die in unseren Tagen erst erfundenen Kaleidoskope «^ hier wie auch in dem von Charakteristisch ist Gruithuisen mitgeteilten Fall die Angabe, daß die Fähigkeit, mnemische Empfindungen mit der Lebhaftigkeit von Originalempfindungen zu erleben, mit den Jahren abgenommen hat. Ähnlichen Angaben begegnet Ich zweifle nicht, daß bei einem sorgfältigen öfters. man Sammeln der beschriebenen Fälle sich die Zahl der derartigen Beispiele nur sehr vermehren ließe, sondern auch Beispiele aus nicht anderen Sinnesgebieten beizubringen wären, B. die Steigerung z. mnemischer Gehörsempfindungen zur Lebhaftigkeit der entsprechenden Originalempfindungen im normalen Wachzustande. Für die prinzipielle Seite der Frage genügen aber die heran- gezogenen Beispiele aus der Sehsphäre und die augenzeuglichen Angaben eines Cardanus, Goethe und Johannes Müller. Aus diesen Beispielen geht unzweifelhaft hervor, daß es im normalen Wachzustande zwar sehr schwierig, aber, wie das Beispiel von Johannes Müller zeigt, durchaus nicht un- möglich ist, mnemische Empfindung durch besondere An- spannung der Aufmerksamkeit und Ausschaltung lenkung Lebendigkeit zur von aller Ab- Originalempfindungen zu Es gibt sogar, wie wir sahen, Personen, steigern. eine besondere Fähigkeit besitzen, ohne daß Recht hätte, sie als man die dafür deshalb das anormal zu bezeichnen. 1 Goethe, Zur Morphologie und Naturwissenschaft. Auch in den Wahlverwandtschaften hat sich Goethe an verschiedenen Stellen mit dem Verhältnis von mnemischer zu originaler Empfindung in bezug auf ihre Lebhaftigkeit beschäftigt. Vgl. darüber die Zitate bei Johannes Müller a. a. 0., S. Semon, Mneme. 22 und 44. LI. 16
226 I^ie mnemischen Empfindungen. Unüberbrückbar also deutlicher originaler die Kluft zwischen der Vividität ist und deutlicher mnemischer Empfindungen schon im normalen Wachzustande ganz abgesehen da- nicht, von, daß sie zwischen mnemischen Empfindungen und Original- empfindungen, die sich an der Grenze der Wahrnehmbarkeit Sobald es sich aber nicht befinden, überhaupt nicht existiert. um den vollen Wachzustand handelt, ist die Steigerung der Lebhaftigkeit von mnemischen Empfindungen auf das Niveau Originalempfindungen der sehr eine gewöhnliche Erschei- nung. Es braucht dabei der Wachzustand noch nicht eigentlich sondern nur leicht verändert, vor allem die Ein- verlassen, wirkung von kräftigeren Originalreizen möglichst ausgeschaltet zu werden. Dann tauchen bei Schluß der Personen optische Phänomene auf, Augen manchen bei Bilder von mannigfachen Gegenständen, Menschen,Tieren, Pflanzen, erleuchteten Räumen, die durchaus haben. den Charakter von unmittelbar gesehenen Bildern Für ihre nähere Beschreibung verweise eine hat zuteil werden erschöpfende Beobachtung Wichtig ist ich auf die von Johannes Müller, der diesen Phänomenen zitierte Schrift seine Angabe, daß er nicht in der lassen. Nacht allein, sondern zu jeder Zeit des Tages dieser Erscheinungen fähig war, und gar manche Stunde der Ruhe entfernt« mit geschlossenen Augen Auch an anderen zugebracht habe. hervor, daß er sie An Zustand direkt anderer Stelle als Stelleu hebt (S. 48) von aller sie er daß, wie er angibt, gekommen noch erlebe, Schwär- bezeichnet er aber den »Halbwachen«, und damit auch übereinzustimmen, ebenso schnell, wie Beobachtung bei ihrer »wachendem Zustande« in »fern von allem Aberglauben, merei«. »vom Schlafe weit sind, mit scheint mir diese Bilder dem Eintritt der
Unterscheidung der mnemischen von der Originalempfindung. Reflexion verschwinden 227 Ich selbst gehöre zu den- (S. 30). jenigen Personen, bei denen diese Erscheinungen lange nicht so schön und sicher wie bei Müller, Goethe und auftreten, Doch zeigen augenscheinlich vielen anderen. seit ich mich selten, wenn in ihrer ich sie sich mir, Beobachtung etwas geübt habe, nicht die Augen schließe und, wie Johannes Müller sich ausdrückt, »von allem abstrahiere«; wenn meist kurz und stören mich, meiner Ruhe sozusagen wieder auf. sie sind sie lebhaft aber werden, aus Es sind zuweilen Gesichts- empfindungen, häufiger aber die eigenen Gedanken, die laut gesprochene Worte scheinbar an mein Ohr als dringen. Gerade dies macht mich dann zusammenfahren und beendigt die Erscheinung, die bei mir ausgesprochen in einem halb- wachen, meistens nur wenige Sekunden dauernden Zustande stattfindet. Bei Müller waren sie, seiner Beschreibung nach, jedenfalls viel leichter hervorzurufen, fanden in einem statt. dem vollen waren andauernder und Wachen näher stehenden Zustand Bei ihm handelte es sich ausschließlich empfindungen, bei mir sowohl sichtsempfindungen. um um Gesichts- Gehörs- als auch Sehr interessant ist um Ge- endlich noch Müllers Angabe, daß er durch Fasten diese Phänomene zu einer wunderbaren Lebendigkeit bringen könne. Für den eigentlichen Traumzustand, zu dem wir uns wenden, kann man es als Regel bezeichnen, mischen Empfindungen, spinnt, mit der in jetzt daß die mne- denen sich das Traumleben hin- Lebendigkeit von Originalempfinduugen erlebt, ja in weitaus den meisten Fällen mit Originalempfindungen verwechselt, für solche gehalten werden. In letzterem scheint mir der Hauptunterschied in der Art des Erlebens der mnemischen Empfindungen im Traumzustande und im Halbwachen, wenigstens in der Art wie J. Müller dabei seinen »Phan15*
228 I^ic mnemischen Empfindungen. tasmen« gegenüberstand, zu bestehen. Trotz ihrer Lebhaftigkeit, ihres »Leuchtens« daß sie blieb er sich des Faktums bewußt, stets durch Originalreiz hervorgerufen seien, wohl nicht weil ihm stets gegenwärtig blieb, daß er die Augen geschlos- sen habe und er somit die Orientierung über den präsenten Simultankomplex und die Endschicht seines Engrammschatzes nicht verloren hatte. Johannes Müller In bewundernswürdiger Weise schildert (a. a. 0. S. 49) den Unterschied der Art, wie er im Halbwachen und im Traum den zur Lebhaftigkeit von Originalempfindungen emporgehobenen mnemischen Empfindungen anderes Einschlafen bei geschlossenen In erscheinen. ihrer der Regel Objektivität, oft sind nichts Phantasmen, welche vor dem die leuchtenden als Traumbilder »Die gegenübersteht. Augen in der bestehen Sehsinnsubstanz mit Anerkennung sie auch mit dem Bewußtsein, Im Traumbilder gesehen werden. daß nur Falle sind die letzteren Traumbilder gar nicht von den Phantasiebildern vor dem Einschlafen verschieden. die Phantasiebilder häufig über vor dem Anfange In den dem Selbstbeobachtungen über Einschlafen habe ich mich des wirklichen Traumes überrascht. Der wirkliche Traum, mit Einschläfern der Reflexion und Anerkennung der Objektivität der Phantasiebilder, leichtesten Stelle der und unmittelbarsten dann tritt am an die Dunkelheit nach und nach die innere subjektive Erhellung des Sehfeldes getreten ist. die einzelnen hellen Phantasiebilder obachtet, nach am Du hast lange Zeit im dunkeln Sehfeld be- und nach wird aber das ganze Sehfeld wie von einem Tageslichte innerlich scheinen wenn ein, Tageslichte erhellt, selbst deine Phantasiebilder zu wandeln. In die An- schauung dieses inneru Tageslichtes und dessen, was darin vorgeht, versenkt, und befangen hast du allen Grund deiner
Unterscheidung der luuemischen von der Origiualempfindung. 229 wirklichen Lage zu vergessen, die dir ja keine Sinneseindrttcke ihrer Wirklichkeit aufdringt.« Müller deutet hier auf das, was meiner Ansicht nach das Charakteristikum wesentliche Traumes dungen ist: als des Empfindungslebens des Deutung der mnemischen Empfin- die irrtümliche Origiualempfindungen. Dies geschieht wenigstens mit der Mehrzahl der mnemischen Empfindungen, die wir im Traum haben. Die Worte, die wir träumen, pflegen meistens zu hören, und nur selten träumen wir, etwas bloß denken; wir pflegen unsere Träume, wie treffend gesagt hat, zu »dramatisieren«. wir daß wir man Die mnemischen Bilder von Lebendigen und Toten, die in uns auftauchen, haben die Lebhaftigkeit von Originalempfindungen, werden von uns deshalb auch und nicht fast ausnahmslos für solche gehalten als subjektive Vorstellungen, sondern als objektiv auf unseren Gesichts- und Gehörssinn einwirkend angesehen. Wenn auf assoziativem Wege, vielleicht durch ein leichtes originales Unlustgefühl , etwa durch eine unbequeme Lage oder den Druck des zu schweren Deckbetts das mnemische Bild unseres alten Lehrers ekphoriert worden einigen ist, der vor 30 Jahren durch seine verständnislose Grammatik- paukerei und allgemeine Pedanterie das Hauptunlustobjekt unserer Knabenzeit war, dann »erinnern« wir uns nicht dieses vor 15 Jahren verstorbenen Mannes, lebend vor uns. Dann gewinnt sondern wir sehen ihn bald auch die ganze simultane Schicht des Engrammkomplexes, der er in der geträumten Situation augehört, und als deren Zentrum er ekphoriert Realität. ist, Sie erscheint nicht als das Produkt der Ekphorie einer der älteren Schichten unseres Engrammschatzes, sondern als dessen derzeitigen Abschluß, als der präsente Simultan- komplex der Originalempfindungen, als das »Jetzt«. Wir
230 I^ie sind dann selbst mnemischen Empfindungen. 30 Jahre jünger, müssen wieder in die Schule gehen und unser Maturitätsexamen machen. Zuweilen kommt daß trotzdem auch spätere Engrammkomplexe es vor, mitekphoriert werden und sich bemerklich machen. Wir machen dann im Traume den bescheidenen Einwand. Noch einmal das Maturitätsexamen? Aber ich habe doch schon längst das Doktor- und Staatsexamen gemacht!« Aber oft behauptet gerade jener mnemische Empfindungskomplex, der einer frühen Engrammschicht entstammt, die Vorherrschaft als scheinbarer derzeitiger schatzes und die durch Oft bleibt siegreich Endkomplex unseres Eugrammgegen die eventuellen Einwände, die Mitekphorie späterer Schichten bedingt sind. kommt es aber gar nicht zu solchen Einwänden, und wir verkehren ohne das mindeste Erstaunen mit Personen, deren Tod uns seit Jahren auf das genaueste bekannt ist. Als Regel können wir hinstellen: Wir nehmen die mnemi- schen Empfindungen eines weit zurückliegenden komplexes Engramm- für vollgiltige Originalempfindungen, verlegen das Ende unseres Engrammschatzes an jenen Punkt, und betrachten ihn somit als die derzeitige Wachstumsschicht unseres Engrammschatzes, als das »Jetzt«. Aus diesem Umstände erklären sich auch die Haupt- eigenheiten unseres Empfindungslebens im Traum, ich sage nicht alle Eigenheiten, aber die wichtigsten. Der noch übrig bleibende Rest versteht sich leicht aus der sonstigen Eigenart der mnemischen Empfindungen, der Art und Weise des Auf- baus unseres Engrammschatzes, sowie aus einigen physiologischen Besonderheiten des Schlafzustandesi. Ich kann an 1 Die Anschauung, daß jeder Traum eine Gestaltung sei, die sozusagen als Kern einen heimlich gehegten »Wunsch« enthielte, daß der Untergrund jedes Traums die Vorspiegelung der Erfüllung gehemmter
Unterscheidung der mnemischen von der Originalempfindung. Thema dieser Stelle dies erschöpfend behandeln und nicht Exkurs bewenden. lasse es bei diesem kleinen 231 Ich hoffe in nicht allzuferner Zeit Gelegenheit zu finden, die Abläufe der originalen mnemischen und und Empfindungen während des Traumzustand es in einer Gefühle besonderen kleineren Untersuchung darzulegen. Im halbwachen Zustande gewinnen, wie mnemischen Empfindungen nicht originalen, werden aber anderer Merkmale, vor trotz dieser Lebhaftigkeit durch allem die auf Grund Bewahrung der Endkomplex des Engramm- eigentlichen Traumzustand geht Im und diese Orientierung verloren, fast alle mnemischen Emp- findungen und Gefühle werden für originale gehalten. Johannes Müller hat Dinge in der a. a. wie er denn über- im Jahre 1826 geschriebeneu Untersuchung im Kapitel über das »magnetische Hellsehen« geradezu bewunderungswürdige Einsicht Hypnotismus die »magnetischer Zu- als stand« bezeichnet, ganz ähnlich liegen, haupt Schon 0. darauf hingewiesen, daß Hypnose, zu seiner Zeit in dieser die selten die Lebhaftigkeit der Orientierung über den wirklichen schatzes nicht verkannt. wir sehen, zeigt, und bekanntlich eine Einsicht, die mit viel später (S. in 53 — 59) eine das Wesen des ihm verloren ging neu errungen werden mußte. Er bespricht dann ferner noch eine Anzahl von Wachzuständen, in denen unter dem Einfluß besonderer Affekte die Lebhaftigkeit mnemischer Empfindungen gesteigert, sie selbst oft als Originalempfindungen angesehen werden; es sind Wünsche sei, wird mir weder durch das umfangreiche, zu meiner Verfügung stehende Material bestätigt, noch kann ich finden, daß der Urheber dieser Anschauung, S.Freud, zu ihrem Beweis irgend etwas anderes vorgebracht hat, als höchst gezwungene Deutungen von Tatsachen, die man ebensogut, ja größtenteils sogar viel besser und natürlicher, in durchaus anderem Sinne deuten köunte.
232 mnemischen Empfindungen. I^ie Zustände besonderer dies häufigsten der Ekstase, in religiösen am Erregung, leidenschaftlicher denen, wie bei den Selbstbeobachtungen Mtillers im halbwachen Zustande, längeres Fasten eine Steigerung der Lebhaftigkeit der mnemi- Auch gewisse Narkotika wirken schen Prozesse bedingt. dieser Richtung, und dann folgt in noch das ganze Heer der »Halluzinationen« in allen möglichen ausgesprochen patho- Was logischen Zuständen, ist und uns hier vorwiegend liche Bewußtseinslage, große Anzahl von gehalten wird, daß gemeinsam allen diesen Zuständen interessiert, ist eigentüm- die ihnen eine mehr oder weniger in mnemischen Empfindungen für original mit allen durch diese Verkennung bedingten Konsequenzen. Wir haben getragen, jetzt das Haupttatsachenmaterial zusammen- das zur Beurteilung der Unterscheidung von ginalen und mnemischen Empfindungen Betracht zu ziehen ist, ori- im Bewußtsein in und können aus diesen Tatsachen zunächst folgenden Schluß ziehen: Im normalen Wachzu- stand werden in der Regel die Originalempfindungen ohne weiteres auf Grund Vividität von den in ihrer viel größeren Lebhaftigkeit oder Dabei herrscht mnemischen unterschieden. bezug auf diese Lebhaftigkeit sowohl zwischen den ver- schiedenen mnemischen Empfindungen unter sich, auch als zwischen den verschiedenen Originalempfindungen unter sehr große Verschiedenheit. Empfindungen z. Die Vividität der mnemischen B. hängt ab einerseits des ekphorierten heit sich, von der Beschafi^en- Engramms, das heißt der Wirksam- keit der ehemaligen Engraphie, andrerseits vom Alter i Engramms, ferner von der homophonen Verstärkung, auf 1 Das Thema des Schwindens der Engramme ziehe in der »Pathologie der Mneme< ich vor, ausführlich zu behandeln. des die erst
Unterscheidung der mnemischen von der Originalempfindung. 233 wir erst im nächsten Kapitel eingehen, endlich von den be- Umständen gleitenden Einstellung bei der Ekphorie, besonders von der der Aufmerksamkeit. Die Vividität einer Ori- ginalempfinduug hängt in erster Linie von der Einstellung der Aufmerksamkeit ab, in weit geringerem man gewöhnlich annimmt, von engeren Sinne. ist, Auch Maße aber, als der Empfindungsintensität im die Vividität von Originalempfindungen wie wir gesehen haben, auf dem Wege der Homophonie einer Verstärkung fähig. Ehe wir auf die Unterscheidung der Vividität einer Emp- findung von ihrer Intensität im engeren Sinne näher eingehen, konstatieren wir zusammenfassend, daß zwischen der Vividität der blassesten mnemischen Empfindung und derjenigen der lebhaftesten Originalempfindung gleicher Art viele Über- gangsstufen vorhanden sind, und daß, die Kluft in der Lebhaftigkeit giualempfinduug wenn auch andererseits einer durchschnittlichen Ori- und einer durchschnittlichen mnemischen Empfindung im normalen Wachzustande sehr bedeutend in Es ist, sie keiner Weise als unüberbrückbar bezeichnet werden kann. existiert also in dieser Beziehung nur ein gradueller, kein Weseusunterschied zwischen beiden Empfiudungsarten. Dieser Standpunkt ist wohl zuerst von mit Nachdruck vertreten Hume (Treatise on human Understanding) worden und wird von Mach in fol- human Nature; Inquiry concerning the i gender Weise formuliert: >Eine neue Art von Elementen stellen sie unsere mnemischen Empfin* düngen] [die Vorstellungen, den Empfindungen [unseren Originalempfindungen] und Irrtum, 1905, S. 20 (vgl. auch Analyse Die Einwände, die Ziehen (Erkenntnistheoretische Auseinandersetzungen, 3, Zeitschr. f. Psych. Bd. 43, S. 243) in dieser Beziehung gegen Mach erhebt, darf ich wohl durch unsere eingehende Untersuchung der Frage als widerlegt betrachten. 1 E. Mach, Erkenntnis der Empfindungen, 1903, S. 159).
234 I^ie mnemischen Empfindungen. gegenüber nicht vor. Sie scheinen vielmehr von derselben Natur zu sein wie diese.« Freilich ist dieser graduelle Unterschied in der Vividität der originalen und mnemischen Empfindungen im normalen um Wachzustand, aber allerdings nur in diesem, gestützt auf ihn verschiedenartig hervorge- die beiden so rufenen Empfindungsarten weiteres zu dung derzeitigen dann weiter die ohne Fällen meisten Auf Grund unterscheiden. erfolgt den in groß genug, dieser Unterschei- korrekte Bestimmung des Endkomplexes und der Wachstumsschicht des Engrammschatzes und von aus Basis dieser die richtige Orientierung über den Engrammschatz und seine im gege- benen Augenblick ekphorierten Teile. Dies von eminenter ist Wichtigkeit, wie aus den Verwirrungen hervorgeht, die bei Verwechslung von mnemischen Empfindungen mit originalen und der daraus folgenden inkorrekten Bestimmung des derEndkomplexes und der Wachstumsschicht des En- zeitigen grammschatzes einzutreten pflegen. An wand dieser Stelle möchte ich mich gleich mit einem Ein- beschäftigen, den man vielleicht entgegenhalten gleich, unseren bisherigen Ausführungen könnte. Man könnte sagen: Ganz ob es alle möglichen Übergangsstufen in der Vividität der mnemischen und der Originalempfindungen gibt oder nicht, es gibt ein scharfes und durchgreifendes Unterscheidungs- merkmal des Bewußtseins. teiligung Dies ist oder Nichtbeteiligung des Sinnesorgans. Wenn wir z. B. in die Empfindung der Be- in Frage kommenden einem Falle einen sonnenbe- schienenen Platz wirklich sehen, und wenn wir ihn im anderen uns nur vorstellen, so besteht ein handgreiflicher Unterschied darin, daß wir uns im ersteren Falle der Mitbeteiligung des Sinnesorgans, in diesem Falle unserer Augen, in ausge-
Unterscheidung der mnemischen von der Originalempfindung. 235 sprochener Weise bewußt sind, im zweiten ebenso ausge- sprochen ihrer Nichtbeteiligung. Ebenso verhält es sich auf allen Sinnesgebieten. Daß dieses Unterscheidungsmerkmal indessen für eine ganze Reihe von Fällen keine Bedeutung besitzt, geht schon aus unseren Angaben im ersten Teil des vorliegenden hervor, in denen ausgeführt wurde 38, 49, 51), (S. Buchs daß wir unter gewöhnlichen Umständen sehen, ohne etwas von der Beteili- gung unserer Augen, ohne von der Beteiligung unserer hciren, Ohren, riechen, ohne von der Beteiligung unserer Nase zu Allerdings wissen. Anspannung ändert sich die sehen, hören wenn wir mit Sache, und riecheu, aber diese An- spannung nützt uns nichts für die korrekte Unterscheidung von mnemischen und originalen Empfindungen in zweifelhaften Fällen. Sehr instruktiv sind in dieser Beziehung die eben erst angeführten Beispiele, in denen wir darauf schwören würden, daß das ferne eingebildete Wagenrollen leibhaftig an unser Ohr dringt, der schwache eingebildete Lichtschimmer unser Auge berührt, der eingebildete Insektenstich die be- stimmte Hautstelle wirklich Wie der trifft. stark in vielen Fällen die Illusion der Mitbeteiligung peripheren Sinnesorgane bei der Auslösung von mne- mischen Empfindungen ist, das beweist die Behauptung eines Beobachters wie Gruithuisen, daß die Traumbilder nach Erwachen Freilich >Ich nie sich dem noch bei geschlossenen Augen mitbewegen. wird durch die Angabe J. Müllers (a. a. 0. S. 37): habe vor dem Einschlafen die phantastischen Bilder durch Bewegungen der geschlossenen Augen bewegen können«, diese irrtümliche Beobachtung mit Recht zurückgewiesen, aber daß über diesen Punkt eine Meinungsver- schiedenheit überhaupt möglich war, beweist, daß mit der
Die mnemischen Empfindangen. 236 sonstigen Orientierung über die Natur einer Empfindung als einer originalen oder mnemischen auch das Kriterium dafür verloren geht, ob die peripheren Abschnitte der Sehsubstanz au der Auslösung dieser Emp- (das eigentliche Sinnesorgan) findung beteiligt sind oder nicht. möchte Ich hier Tatsachen anführen, zum Schluß noch ebenfalls die Gruppe von eine sehr gegen stark Verwendbarkeit dieses Unterscheidungsmerkmals durchgreifenden Es sind dies spricht. Illusions Wirkung, die die eines als Tatsachen der die von Werken der bildenden Kunst, be- sonders der Flächenkunst auf uns ausgeübt wird. bezeichnet das betrefi'ende Phaenomen produktion« und bemerkt dazu: als Hering »ergänzende Re- »So genügen einige wenige Punkte und unzusammenhängende Striche, um uns das Ab- bild eines menschlichen Gesichts erscheinen zu lassen, und bemerken ohne besonders darauf gerichtete Aufmerk- wir samkeit daß wir dabei manches sehen, was gar nicht nicht, auf dem Papiere verzeichnet die ^ ist. Durchmustern wir freilich Zeichnung aufmerksam, so finden wir, daß stellenweise Umrisse die fehlen, nichts entspricht, entstandene Zutat anfangs wir die Dieses wirkliche Sehen von etwas, vielmehr das unseres als ist, sahen. wenn Reproduktion durch eine Nervenapparates wesentlichen dasselbe, was man, sehr stark entwickelt tatsächlich dem im Netzhautbilde bildet, es krankhafter Sinnesillusion ist im Weise bezeichnet. Die durch ergänzende Reproduktion hinzukömmenden Teile des Empfindungskomplexes übrigen Teile auf einer beruhen aber wenn auch mehr ebenso wie dessen indirekten Reaktion des Nervenapparates gegen das Netzhautbild, und so lange 1 E. Hering, Physiologie buch der Physiologie IH, 1, des S. 569, Gesichtssinnes, 1879. Hermanns Hand-
Unterscheidung der ranemischen von der Oiiginalempfindung. da sind, können wir sie sie eben aucli als 237 Empfindungen bezeichnen, denn sie unterscheiden sich während ihres Bestehens in nichts von den Empfiuduugen, welchen im Netz- hautbilde ein wirklicher Reiz entspricht.« In allen den unzähligen Fällen, in denen es sich gänzende Reproduktion handelt, in um deueu, um er- unserer in Sprache zu reden, mnemische Empfindungen sich ergänzend zu originalen hinzugesellen führlich erörterte Empfindungen nur unter fast stets immer besonderer z. unter dem Eindruck, daß die letzteren nehmen. auch also die Körper gesehen wird und Anstrengung werden kann), befinden wir uns Figur, mnemischen hinzutretenden als ein 156 aus- B. das oben S. planimetrischen der Beispiel Zwang von den durch (vgl. in gesehen planimetrisch ausgesprochener Weise die ersteren durchaus ebenso wie durch die Sinnesorgane in uns ihren Eingang Das betreffende Unterscheidungsmerkmal versagt in allen diesen äußerst zahlreichen Fällen, in wir beide Empfindungsarten zum Vergleich beieinander habeu, vollständig, und wir Grund unserer ganzen denen eigentlich direkt kommen nur in einem Sinne somit auf zu deutenden Beweisaufnahme mit Hume, Hering, Mach und anderen zu dem Resultat, daß es ein durchgreifendes Unterscheidungs- merkmal zwischen originalen und mnemischen Empfindungen für unser Bewußtsein ein durchgreifendes Empfindungsarten. nicht gibt. Nur objektiv gibt es Unterscheiduagsmerkmal zwischen beiden Es ist die verschiedene Art ihrer Aus- lösung. Wir haben zum Schluß noch auf zugeheu, die wir eine Frage näher ein- bisher nur hier und da gestreift, aber mit der nötigen Sorgfalt untersucht haben. nicht Die Emp- findungsintensität im engeren Sinne, das heißt die Seite der
Die mnemischen Empfindungen, 238 Empfindungen, die bei Origiaalempfindiiugen mit der Größe des auslösenden Eeizes in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis steht, (Vividität der ist, so sagten wir oben, mit der Lebhaftigkeit wurden wir Erkenntnis bereits bei dieser Erörterung der Homo- phonie von Originalempfindungen geführt sie Zu Empfindungen) keineswegs identisch. (vgl. und S. 94), wird eine wichtige Stelle in den späteren Kapiteln über mnemische Homophonie einnehmen. die Dieser Satz gilt sowohl beim Vergleich von Originalempfindungen unter sich und von mnemischen Empfindungen unter sich, auch als beim wechselseitigen Vergleich beider Empfindungsklassen. Was die Originalempfindungen anlangt, so hört aufmerksam etwa die Lauschende Tritte eines sehr ein vorsichtig schwaches immer als etwas durchaus B. der Geräusch, Heranschleichenden mit äußerster Lebhaftigkeit und Deutlichkeit, dabei z. er hört Leises, hat sie eine aber Emp- findung von großer Vividität aber sehr geringer »Intensität«. Das Pianissimo sten eines Gesanges, Nuancen vernehmen, das wir bis in seine fein- bleibt trotz der vollkommenen, gar nicht zu übertreflTenden Klarheit, in der atemlosen Stille des Konzertsaales, in der absorbierenden Stimmung, die Originallaute der berühmten Sängerin doch immer ein Pianissimo. zum ersten Male zu hören, Umgekehrt ist das Fortissimo einer lärmenden Gartenmusik, das wir ohne Aufmerksamkeit, zerstreut, einer »mit zwar sehr halbem Ohre« hören, das intensiven, aber dabei doch Gegenbeispiel wenig vividen Empfindung. Zu ganz ähnlichen Resultaten führt uns eine Untersuchung der mnemischen Empfindungen. volle Pianissimo jener Sängerin so daß es mir leibhaftig, Ich kann mir das wunder- auf das allerlebhafteste, aber immer nur als Pianissimo in
Unterscheidung der mnemischen von der Originalempfindung. die Ohren klingt, 239 wieder vorzaubern, und ich kann mich des langweiligen Lärms jener Gartenmusik nur ganz fern und nebelhaft, aber Am Lärm als deutlichsten aber tritt erinnern. die Eigentümlichkeit, daß In- im engeren Sinne und Vividität von Empfindungen tensität zwar immer oft parallel gehen, aber durchaus nicht identisch sind, wenn man das zutage, gegenseitige Verhältnis dieser beiden Eigenschaften beim Vergleich von mnemischen und Original- empfindungen ins Auge faßt. Zunächst lehrt eine einfache Betrachtung, daß sich Originalempfindungen von mnemischen im allgemeinen durch ihre keineswegs aber durch ihre eigentliche Intensität Vividität, Wir haben unterscheiden. allerdiogs gesehen, daß wenig intensive Originalempfindungen von mnemischen spielt zuweilen in der nicht äußerst entsprechenden zu unterscheiden sind. Hier Tat die Intensität der Empfindungen bei ihrer Unterscheidung oder richtiger Nichtunterscheidung eine Kolle. Die Sache liegt aber nicht etwa intensive Originalempfinduug, z. so, daß eine ungemein wenig B. ein kaum wahrnehmbares Geräusch, von einer in seiner Art besonders intensiven mne- mischen nicht zu unterscheiden originales Pianissimo ist, nicht so, daß etwa ein an ein mnemisches Fortissimo angrenzt. Sondern die wenig intensive Originalempfindung gleicht der wenig intensiven mnemischen, das kaum hörbare wirkliche Rollen des stellten, Wagens dem mnemischen, die leisen ebenfalls als kaum hörbar vorgedem schwachen der schwache originale Lichtschimmer leise originale BerUhrungsempfindung einer mnemischen und nicht etwa der Vorstellung eines heftigen Stoßes. Die Möglichkeit der Verwechslung beruht hier lediglich auf der Eigentümlichkeit, starken Sinken der eigentlichen daß mit dem äußerst Intensität von Original-
Die mnemischen Empfindungen. 240 empfindungen auch ihre Vividität auf ein sehr kleines Maß zurückgeht. Kann man somit zwar durch Abschwächung der Intensität einer Originalempfindung auch ihre Vividität auf das Niveau man doch umgekehrt Intensität einer mnemischen Empeiner originalen verleihen. Wenn der mnemischen herabdrücken, so kann nicht durch Steigerung der findung dieser die Vividität ich mir das Pflaster vor der Mittagssonne des meinem Hause im blendenden Glänze Juli vorstelle, so hat dies Bild keinem irgendwie nennenswerten Grade mehr Vividität in als das mnemische Bild desselben Pflasters bei der schwachen Laternenbeleuchtung und regnerischen Winternacht, einer unter gewöhnlichen Umständen außerordentlich viel weniger als Originalempfindung, die Pflasters bei die durch den Anblick jenes der schwächsten Beleuchtung ausgelöst wird. Will ich die Vividität einer mnemischen Empfindung erhöhen, so steigere ich nicht die etwa ihre Intensität, stelle mir also nicht möglichst hell vor, nächtliche Straße ebensowenig die Stimme meines Freundes möglichst schreiend, noch auch das Gefühl einer leisen Berührung wie einen heftigen Stoß. Sondern ich lasse die Intensität unverändert, konzentriere aber meine Aufmerksamkeit auf die betreffende mnemische Empfindung, schalte alle anderen mnemischen und vor allem Originalempfindungen möglichst aus. Dann nimmt die Vividität regelmäßig zu und zuweilen — bei den meisten Personen normalen Wachzustande allerdings nur selten — gelingt sie bis zu oder nahe zu alle im es, dem Grade von Originalempfindungen zu bringen. Nicht zu leugnen ist dabei, daß diese Prozedur der Steigerung der Vividität leichter bei intensiven als bei wenig intensiven Empfindungen gelingt. der beiden Eigenschaften ist Aber der Zusammenhang doch nur ein verhältnismäßig loser,
Unterscheidung der mnemischen von der Originalempfindung. 241 Steigerung der Intensität bewirkt nur innerhalb recht die enger Grenzen eine Steigerung der Vividität, und ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis wenn wir auch keineswegs leugnen sondern vielmehr zu seiner weiteren Untersuchung anregen wollen, so ist damit sehr wohl vereinbar die Erkenntnis, daß die Vividität einer Empfindung eine Eigenschaft ist, die von der durch die Eeizgröße bedingten »Intensität« in bestimmtester Weise zu trennen ist. Die Hauptresultate der nicht ganz leicht übersichtlichen Auseinandersetzungen des vorliegenden Kapitels fasse ich in folgenden drei Sätzen zusammen: 1. In unserem Bewußtsein unterscheiden wir im normalen Wachzustand originale von mnemischen Empfindungen in der Eegel unmittelbar an ihrer verschiedenen Vividität. 2. Sowohl mnemischen Emp- die originalen als auch die findungen besitzen sehr verschiedene Grade Ein durchgreifendes Vividität der Denn nicht. dität ersteren es Untersuchungsmerkmal und derjenigen der kommt vor, Vividität. zwischen letzteren der gibt es daß unter Umständen die Vivi- von Originalempfindungen bis auf die Stufe der mne- mischen heruntergeht und umgekehrt, mnemischen Empfindungen 3. von diejenige der bis zur Stufe der originalen steigt. Die Vividität einer Empfindung tensität daß ist eine von ihrer In- im engeren Sinne zwar nicht vollkommen unabhängige, aber von ihr durchaus zu unterscheidende Eigenschaft. Semon, Mneuie. II. 16
Dreizehntes Kapitel. Das Verhältnis des mnemisclien zum originalen EmpflndungsProportionale Veränderbarkeit. ablanf. Wir haben im vorigen Kapitel untersucht, wodurch sich mnemische Empfindungen von Originalempfindungen unter- und sind zu dem Kesultat gelangt, daß, abgesehen scheiden, von der verschiedenen Art der Auslösung, für die beiden Klassen von Empfindungen als gegebene Empfindungen betrachtet kein durchgreifendes Unterscheidungsmerkmal auf- zufinden sei. Denn im allgemeinen Unterschied als ein in sehr vielen Fällen charakteristischer zu bezeichnen; Fälle geltender, Kamen die Verschiedenheit der Vividität ist wohl ist ein wir somit dem zu Eesultat, ungleichheit zwischen originalen dungen in für das für alle daß eine Wesens- und mnemischen Empfin- Bewußtsein nicht besteht, und eine solche nur der Auslösung zu finden der verschiedenen Art bleibt die durchgreifender, er nicht. ist, so Frage zu untersuchen, inwieweit die mnemische Empfindung im gleicht, die die einzelnen derjenigen engraphische Basis für Die Antwort darauf Erörterungen eine Originalempfindung sie geschaffen hat. ist nach allen unseren vorangegangenen leichte. Die mnemische Empfindung gleicht der entsprechenden originalen Empfindung auf das vollkom-
"Verhältnis des mnemischen zum originalen Empfindungsablauf. 243 menste in allen an ihr erkennbaren Einzelheiten, wobei nur zwei Momente im Auge zu behalten man keinen sichtigung haben würde. vollen Überblick über den Tatbestand Erstens hat Abschwächung der ohne deren Berück- sind, man die gewöhnlich so bedeutende Vividität der mnemischen Empfindungen im Vergleich zu der der originalen zu berücksichtigen, deren Werk es ist, wie eine sehr daß der mnemische Empfindungskomplex meist schwächere und detailärmere Kopie des viel originalen erscheint. S. 148 gesprochen. Hierüber haben wir schon ausführlich Zweitens gesellen sich regelmäßig zu allen möglichen Teilen des originalen Empfindungskomplexes mnemische Empfindungen hinzu, die das ginale Bild ergänzen, ausschmücken, und gut häufig stark verändern. oft ursprüngliche ori- auch trüben, kurz Im Engramm werden dann auch diese Zutaten mit zurückbehalten und bei Ekphorie bei der nächsten Reproduktion mit Diese zum Vorschein neue mnemische Empfindung ist gebracht. infolgedessen kein getreues und ausschließliches Abbild der ehemaligen Original- empfindung allein, sondern der Originalempfindung mit allen ihren jedesmal hinzugekommenen mnemischen Zutaten. Natürlich bedingen aber die angeführten beiden keine eigentlichen Ausnahmen der Regel, sondern Momente sie führen nur in gewissem Sinne zu Verschleierungen, durch die eine geschärfte Beobachtung ohne weiteres hindurchsieht. Wenn wir nun aber sagen, daß der mnemische Empfin- dungskomplex die getreue, meist wenn auch abgeschwächte Wiederholung des in seiner Vividität originalen ist, so haben wir dabei bisher immer nur den Vergleich eines mnemischen Simultankomplexes ginalen im Auge gehabt. mit einem ebensolchen ori- Wir haben uns aber jetzt zu der Frage zu wenden, wie es sich bei dieser Reproduktion mit 16*
Die mnemischen Empfindungen. 244 der Dauer der mnemischen zeitlichen Werten, den Empfindungen im Vergleich zu den originalen Der empirische Nachweis, daß auch in ihrer zeitlichen deren Dauer die oder, korrekter verhält. mnemische Empfindung ausgedrückt, Werten, ein getreues Abbild der originalen Engramm sie ekphoriert wurde, ist ihren in ist, aus ohne Mühe zu führen. Eine Melodie, die ich gehört habe, und die dann später im mnemischen Ablauf Zeugnis dafür; mir wiederklingt^ in denn es ein sicheres ist Wiederholung findet nicht nur eine der einzelnen Tonempfindungen nach Höhe, Klangfarbe und ihrem gegenseitigen Intensitätsverhältnis statt, sondern auch die verhältnismäßige Dauer der einzelnen mnemischen Ton- empfindungen getreues Abbild der originalen. ist ein Ebenso verhält es sich bei einer Folge von optischen Empfindungen. Das Bild einer Bewegung z. B. ist eine solche Folge von Auch optischen Empfindungen von verschiedener Dauer. zeigt das mnemisch reproduzierte Bild genau zeitlichen Wertverhältnisse der verschiedenen originale. Ganz ähnlich verhält es mus der mnemischen Empfindungsfolgen die gleichen Phasen wie das sich mit und kinästhetischen Empfindungen. Auch hier den taktischen hier ist der Khyth- derselbe wie der- jenige ihrer originalen Vorbildner. Nehmen wir ein ein uns genau bekanntes Musikstück enthält. schrift können wir dann einmal trachten, nach Hand, das beliebiges Notenheft in die der wir als eine das Stück zu Die Noten- Zeichengebung bespielen, das heißt bestimmte akustische Reize hervorzubringen vermögen. kann aber auch als Sie eine graphische Darstellung der durch diese Reize hervorgerufenen akustischen Originalempfindungen gelten. die Wir können Richtigkeit beispielsweise mittels dieser Darstellung einer originalen Wiedergabe kontrollieren.
Verhältnis des inuemischen Aber ebensogut wie zum 245 originaleu Empfindungsablauf. die originalen sj^mbolisieren diese Zeichen auch die entsprechenden mnemischen Empfindungen, und sie tun es ganz ebenso iubezug auf die relative Empfindungsdauer wie inbezug auf gewisse Qualitäten der Empfindung, unter denen die Tonhöhe die wichtigste ist. Als Ergänzung einer solchen Niederschrift, die auf Emp- findungen bezogen bei Originalempfindungen nur die synchrone mnemischen Empfindungen nur deren mnemisches Phase, bei Äquivalent dienen, duugen (S. berücksichtigt, auch die akoluthe die (S. können dann unsere Schemata Phase der Originalempfin- 179) beziehungsweise der mnemischen Äquivalente 204) mit darstellen. Dabei ist immer im Auge zu tive, nicht die absolute behalten, daß nur die rela- Dauer der mnemischen Empfindung derjenigen der zugehörigen originalen genau entspricht. ist ein sehr gewöhnliches Vorkommnis, mnemisch rascher oder langsamer ab. werden die der einen eine Es Melodie mir abläuft, als ich sie Dies hängt von verschiedenen Begleit- original gehört habe. momenten in daß Wenn relativen die Engraphie aber eine gute war, Zeitwerte, das Verhältnis der Dauer Empfindung zur Dauer ihrer Vorgängerin und Nachfolgerin mit ziemlicher Genauigkeit innegehalten. Wir können die sich hieraus ergebende Regel folgender- maßen formulieren; Sowohl extensiv, das heißt inbezug auf räumliche Ausdehnung und zeitliche Dauer, als auch inbezug auf ihre Intensität im engeren Sinne ist die mnemische Emp- findung nur insofern das Abbild der originalen, als sie deren relative, Das heißt nicht deren absolute die betreffenden Werte getreulich wiedergibt. Werte der mnemischen Empfindung brauchen nicht absolut dieselben zu sein wie die der nalen Vorbildnerin : sie stehen aber in origi- demselben Verhältnis
246 mnemischen Empfindungen. I^ic entsprechenden Werten der übrigen dazugehörigen zu den Empfindungskomponenten in demselben Simultankomplex und zu denjenigen ihrer Vorgänger und Nachfolger in der Sukzessionsreihe der Komplexe. Werte Die absoluten Dauer sowie der der räumlichen Ausdehnung, der Intensität können im engeren Sinne bei der mnemischen Keproduktion innerhalb ziemlich weiter Gren- Proportional damit ändern sich dann aber die zen schwanken. entsprechenden Werte der übrigen dazugehörigen Empfindungs- komponenten des Simultankomplexes beziehentlich der sprechenden Glieder So kann z. B. ein Baum, einmal größer kleiner gestaltet werden. Mit diesem Teil vergrößert oder lichen Gebildes«, so sagte ich in der ein Vielfaches phoriert werden, je nach flusses oder einer Mneme, S. 361, vergrößert oder verkleinert ek- 2. Aufl. der Natur des ekphorischen Ein- eventuellen oder endlich je nach Ganze des »Das Engramm jedes räum- mnemischen Landschaftsbildes: um Mal ein anderes verkleinert sich dann aber auch entsprechend das »kann Komplexe. mnemischen Reproduktion einer Landschaft bei der ein Bestandteil, in der Sukzessionsreihe der ent- homophonen Originalerregung dem Mitwirken begleitender Assoziationen. Ein künstlerisch Veranlagter kann dies auch in jedem beliebigen durch Falle indem manifestieren, rungsbild wie objektive Reaktionen einem Dritten er das proportional veränderte Erinne- einen originalen Anblick in den veränderten Dimensionen, aber mit vollkommener Treue der Proportionen zeichnerisch oder plastisch Nichtkünstlern engeren Linien bewußt kleiner sie es für gelingt der schreiben als gewöhnlich reproduziert. objektive die meisten Aber auch Nachweis. Zwischen Menschen ganz un- zwischen weiten, überhaupt kleiner, tun, bei als wobei jeder Buchstabe das korrekt
Verhältnis des mnemischen zum originalen Empfindungsablauf. in allen seinen betreffenden 247 Proportionen verkleinerte Abbild des für den Menschen normalen Schriftzeichens ist. Pro- portionale Verkleinerung oder Vergrößerung der Handschrift kann auch als vorwiegend motorische Reaktion beim Schreiben Augen mit geschlossenen erfolgen. Ebenso vermag man eine Sukzession von mnemischen Erregungen langsamerem oder in viel in viel rascherem Tempo ablaufen zu lassen, als bei früheren Gelegenheiten die Folge der Originalerregungen ablief, wobei aber die ursprüngliche Proportion in der Aufeinanderfolge der Erregungen gewahrt bleibt. Man denke an Einfluß eines den ein Musikstück, das man unter dem Takt Schlagenden oder eines Mitsängers oder der Klavierbegleitung oder der durch Alkoholgenuß gesteigerten Stimmung ziehen — Tempo singt, als — noch vieles andere ließe sich heran- bewußt oder unbewußt man in einem viel lebhafteren es je zuvor getan hat.< In gleicherweise wird auch die »Intensität« von zusammen- gehörigen mnemischen Empfindungen sowohl innerhalb eines Simultankomplexes komplexe als auch in der Folge der Simultan- in ihren gegenseitigen Verhältniswerten, nicht aber notwendigerweise in den absoluten Werten der ehemaligen Originalempfindungen reproduziert. Ich habe das der mnemischen »Mneme« Thema der »proportionalen Veränderbarkeit Erregungen« ausführlich behandelt im vierzehnten Kapitel der und dort auf dieses Proportionssatzes besonders gewiesen, in die Wichtigkeit auch für die Fälle hin- denen sich die proportional veränderten Er- regungen nicht durch Empfindungen sondern durch plastische Reaktionen manifestieren. Auf diese Weise ließen sich die zahllosen Fälle von proportionaler Vergrößerung oder Ver- kleinerung der Körper der Organismen bei ihrer Ontogenese
Die mnemischen Empfindungen. 248 und bei der Regeneration den allgemeinen mnemischen Ge- setzen unterordnen, die, wie ich dort gezeigt habe, Ontogenese und Regeneration beherrschen. können wir hier unberührt Diese Seite des Gegenstandes lassen. Übrigens möchte ich hier noch erwähnen, daß die extensiven und intensiven Werte der mnemischen Empfindungen ^ zwar nicht absolut mit denen der betreffenden empfindungen übereinzustimmen brauchen, gewöhnlich, das heißt, wenn daß Originalsie aber sich nicht besondere Einflüsse gel- tend machen, annähernd diesen absoluten Werten entsprechen. In der Regel stellen wir uns eben den Kopf unseres Freundes »lebensgroße; vor, und weder vergrößert noch der Dimension einer Visitenkartenphotographie nicht etwa die letztere unserer grunde legen. in wenn wir mnemischen Reproduktion zu- Für gewöhnlich reproduzieren wir mnemisch eine gehörte Melodie nicht nur auch , in im richtigen Rhythmus sondern demselben absoluten Tempo, in dem wir sie gehört haben, und auch in annähernd denselben absoluten »Intensi- Auch für die absoluten Werte sind also Merkzeichen engraphisch zurückbehalten. Jemand täten«. mit gutem musikalischen Gedächtnis wird eine einmal gehörte Melodie nicht nur rhythmisch korrekt sondern auch annähernd metronomisch genau reproduzieren. Er hat ja in seinen ei- genen zyklischen Organempfindungen, auf deren Bedeutung wir bereits bei Gelegenheit der Nichtumkehrbarkeit der mne- mischen Abläufe näher eingegangen sind Uhr, man könnte stattet, . sie (S. 210) eine gute Körperuhr nennen, die ihm stets ge- mnemische Tempi mit ihren entsprechenden Origi- nalen in ziemlich genaue Übereinstimmung zu bringen. 1 Hier ist bei diesem Wort immer an nicht an Vividität zu denken. Intensität im engeren Sinne,
Verhältnis des muemischen zum originalen Empfindungsablaiif. 249 Einen gewissen Maßstab für die absoluten Werte unserer Raumempfindungen erhalten wir durch einen Komplex von Organempfindungen anderer Art. Es sind die Empfindungen, die wir fortgesetzt bewußt oder unbewußt von der Lage und den Dimensionen von Teilen erster Linie setzen sie sich unseres Körpers haben. In zusammen aus den Empfindungen des Drucks, die der stehende, sitzende oder liegende Körper von seiner Unterlage, teils auch von der gegenseitigen Be- rührung der Glieder empfängt. Diese Empfindungen sind mit den entsprechenden optischen Empfindungen auf das engste Da assoziiert. jedem charakteristische Merkzeichen von originalen vorhanden und jedem mnemischen Simultankomplex sind, so liefert ihr jeweiliger originaler seiner tant bei ihnen in Kepräsen- Homophonie mit dem entsprechenden mne- mischen eine Art von festem Maßstab auch für die absoluten Werte unserer mnemischen Raumempfindungen. Was die von der Reizgröße abhängigen »Intensitäten« der Originalempfindungen anlangt, so wird auch bei ihnen in erster Linie ihr komplexe halten Wert Verhältnis als sowohl innerhalb der Simultan- auch in den Sukzessionen engraphisch festge- und mnemisch reproduziert. wissen Grade der Genauigkeit Aber kommt bis zu einem ge- bei der mnemischen Reproduktion auch der absolute Grad der Intensität der ent- sprechenden Originalempfindungen zum Ausdruck. Dies be- ruht in diesem Falle auf einer besonderen Eigentümlichkeit der Intensitätsskala der Empfindungen. sich Punkt, bei dem demjenigen, bei z. Diese Skala bewegt nämlich zwischen zwei festen Punkten: die dem einerseits dem Empfindung unmerklich und anderseits sie schmerzhaft wird. B. das Pianissimo einer bestimmten So können wir Tonempfindung Uumerklichwerden nahe, das Fortissimo als als dem dem Schmerz-
250 I^iö mnemischen Empfindungen. haftwerden nahe, das Mezzoforte Mitte haltend kennzeichnen und dazwischen gerade die als entsprechend bei weiterer Halbierung noch ein einfaches Piano und einfaches Forte unterscheiden, und so fortfahren. Es ist Intensitätsmerkmale eine in gewissem nun klar, Umfang daß diese absolute Gel- tung haben, und daß, wenn eine Originalempfindung mit einem solchen Charakteristikum auf sie mich Eindruck gemacht hat, auch mit demselben Charakteristikum von mir mnemisch Ähnlich liegen die Dinge in dieser Be- reproduziert wird. ziehung auch auf den anderen Empfindungsgebieten, etwas anders, aber doch auch prinzipiell gleich, auf dem Gebiet der Gesichtsempfindungen. Vielfach werden übrigens des Intensitätsgrades noch allerlei der bei Abstimmung der feineren mnemischen Empfindungen auch sekundäre Hilfsmittel benutzt. Auf die da- durch bedingten zahlreichen Komplikationen kann ich aber hier nicht eingehen. Das durch welches bei der mnemischen Repro- Prinzip, duktion nicht nur die Wertverhältnisse getreulich reproduziert werden, was in der Empfindungen erster Linie geschieht, sondern unter gewöhnlichen Umständen mit annähernder Genauigkeit auch die absoluten Werte, gleiche. ist in allen Fällen das Stets beruht es auf der engraphischen Mitfixierung eines besonderen Merkmals, das bei der mnemischen Re- produktion sofort mit zeichen zur dem entsprechenden originalen Deckung gebracht und dadurch in Kenn- einen abso- luten Maßstab verwandelt werden kann, und nach dem sich dann die richten. zur Werte aller der übrigen mnemischen Empfindungen Für räumliche Ausdehnung ist Ausdehnung des eigenen Körpers, es die Beziehung für zeitliche Dauer die Beziehung zu den zyklischen Organempfindungen, für die
^ Verhältnis des mnemischen zum originalen Empfindungsablauf. »Intensitäten« endlich die Beziehung 251 zu den fixen Punkten der Intensitätsskala. Aus diesen Gründen erklärt es sieh auch, portionale Veränderung der daß eine pro- Werte der mnemischen Empfin- dungen doch nur innerhalb gewisser nicht zu weiter Grenzen leicht auszuführen ist. Freundes nicht nur in kann mir wohl das Gesicht eines Ich Lebensgröße, sondern auch tiberlebens- groß und unterlebensgroß vorstellen. kann In der Verkleinerung ich sogar fast beliebig weit herabgehen, ja die Gesichtszüge meines lichen Entfernungen, Dagegen wird man Bekannten schon denn ich habe in allen auch Verkleinerungen, also bei der mög- gesehen. mnemischen Vergrößerung über Lebensgröße bald an ein Maß kommen, über das hinauszu- gehen Schwierigkeiten macht, und nur wenige Nichtkünstler werden imstande gehörigen sein, sich das Gesicht ihrer nächsten genügender Ähnlichkeit in in An- Riesen projektion vorzustellen. Während rigkeit hat, ein sehr musikalischer Mensch keine Schwie- den mnemischen Ablauf eines ihm gut bekann- Musikstücks beliebig zu beschleunigen und zu verlang- ten samen, wird ihm dies einer Melodie gegenüber, die ihm nur wenig vertraut ist, schon bedeutend schwerer, und ein aus- gesprochen Unmusikalischer allbekannnte eine Melodie ist oft nicht einmal imstande, — ein später näher ein- wiederzuerkennen mnemisches Vermögen, auf das wir erst gehen — wird. Charles Darwin, indem er in seiner Autobiographie von wenn seiner 1 sie ihm mangelhaften in verändertem musikalischen Tempo vorgespielt Begabung spricht, Leben und Briefe von Charles Darwin mit einem seine AutoHerausgegeben von Francis Darwin. biographie enthaltenden Kapitel. Deutsche Übersetzung. Stuttgart 1887, Bd. I, S. 45.
« Die mnemischen Empfindungen. 252 erzählt folgendes charakteristische Vorkommnis: »Meine musi- kalischen Freunde erkannten bald meinen Zustand und amüsierten zuweilen damit, mich einer Prüfung zu unter- sich werfen, welche darin bestand, daß sie Melodien ich unterscheiden konnte, wenn oder langsamer als gewöhnlich >God save the King« es für mich in dieser Wenn wurden. gespielt Weise wieviel dieselben schneller gespielt wurde, war Es fand sich schwer zu lösendes Rätsel. ein noch ein anderer junger Mann, welcher unter den Leuten Ohr wie ein ebenso schlechtes ich genug, spielte er ein wenig Flöte. Triumph, ihn ermittelten, und, merkwürdig hatte, Einmal feierte den ich einer unserer musikalischen Prüfungen zu in besiegen. Besonders unmusikalische würden Menschen auch Schwierigkeiten haben, eine Melodie, sind pianissimo zuerkennen, die sie übrigens gewohnt mnemisch zu reproduzieren, dann wieder- wenn ihnen auf einmal fortissimo vorgespielt sie würde oder umgekehrt. Auf der anderen Übung dazu kann Begabung und vor allem Seite führen, ganz zu überwinden. die hier bestehenden Schwierigkeiten Ein großer Maler ist imstande, seine räumlichen Erinnerungsbilder ohne weiteres in jeder beliebigen Proportion vor ein tüchtiger Musiker bilder in sich zu sehen und wiederzugeben, vermag seine akustischen Erinnerungs- jedem beliebigen Tempo und beliebig in zartester oder grellster Intensitätsstufe in sich ablaufen zu lassen. Als Niederschlag unserer Erörterung des ganzen in dieser Frage vorliegenden Tatsachenmaterials ergeben sich uns fol- gende Resultate. 1. Engraphisch fixiert werden an und für sich nur die Verhältnisse der Originalempfindungen sowohl in ihren
I zum Verhältnis des mnemischen extensiven Werten 253 originalen Empfindungsablauf. (räumliche Ausdehnung, Zeitdauer) als auch in bezug auf ihre Intensität im engeren Sinne; nicht aber die absoluten Werte. Infolgedessen 2. eine ist proportionale Verkleinerung oder Vergrößerung der Raumwerte, der Zeitwerte und der in ihrer der innerhalb »Intensitäten« und Simultankomplexe einzelnen Sukzession bei der mnemischen Reproduktion möglich. 3. Indessen erfolgt infolge der engraphischen Mitfixierung von gewissen Merkzeichen die Reproduktion unter gewöhnlichen Umständen annähernd denselben absoluten Raum-, in und Intensitätswerten, wie Zeit- sie die betreffenden Origi- nalempfindungen besessen haben, und die proportionale Ver- größerung gewissen, oder Verkleinerung wenn auch zu überwinden. Häufige tionalen Vergrößerns dieser Werte hat einen meist nicht gerade starken Widerstand Übung der Fähigkeit des propor- und Verkleinerns bei der mnemischen Reproduktion läßt diesen Widerstand dann schließlich fast zu nichts zusammenschrumpfen. Aus diesen Sätzen ergibt sich, worauf anhangsweise ich noch kurz eingehen möchte, das Irreführende einer Angabe, die außerordentlich häufig die gemacht wird. mnemische Empfindung (Vorstellung) Man gibt an, daß im Vergleich zur Originalempfindung (Empfindung schlechthin) etwas Unbeständiges, Flüchtiges habe. Dadurch wird aber Grundlage des gegenseitigen Verhältnisses Beleuchtung dargestellt. in die eigentliche ganz falscher Die mnemische Empfindung hat, wie wir sahen, im wesentlichen dieselbe Dauer und in der Regel sogar absolut dieselbe Dauer, wie ihre originale Vorbildnerin, eine Tatsache, von der uns jederzeit die mnemische Reproduktion irgend einer allbekannten Melodie oder einer
Die mnemischen Empfindungen. 254 Gerade aus diesem Grunde Bewegungsfolge überzeugen kann. erklärt sich in große Mehrzahl die Denn auch Linie ihre Flüchtigkeit. erster unserer Originalempfindungen von ist kurzer Dauer und wird gewöhnlich von Sekundenbruchteil zu Sekundenbruchteil durch andere abgelöst, wenigstens in ihrem im Auftreten Oberbewußtsein, Vividität eine gesteigerte Engrammen vornehmlich ist, in währenddessen sie also als ihre Erzeugerinnen von Frage kommen. Nicht in bezug auf die Flüchtigkeit besteht zwischen mne- mischer und Originalempfindung ein Gegensatz, sondern in bezug auf ganz etwas anderes, was allerdings einen oberflächlichen Untersucher zu der Ansicht führen kann, der Original- empfindung wohne größere Beständigkeit empfindung kann man nämlich inne. Die Original- in vielen Fällen bis zu einer gewissen Grenze beliebig verlängern, nämlich immer dann, wenn die Dauer des auslösenden Reizes beliebig verlängert werden kann. Ich kann eine Figur viele Sekunden lang mit Aufmerksamkeit betrachten, auf das Rauschen des Baches längere Zeit achten, an einer Rose lange riechen und dies so lange ausdehnen, und dung es mir nicht einzustellen, Zeit erfolgt. gilt dies ein, was Grenze auf mehr tritt in verhältnismäßig kurzer manchen Reizen gegenüber, besonders Gebiete des Geruchssinns, bald Adaptation ebenfalls setzt. alles Aufmerksamkeit erlahmt, gelingt, sie auf diese Originalempfin- was bekanntlich Auch dem bis die Aber der Dauer der Originalempfindung eine trotz dieser Einschränkungen für die Originalempfindungen die Hauptregel, daß doch gilt sie durch Andauer der Wirkung der auslösenden Reize beliebig längert werden können, von determiniert sind. ver-j vorn herein also zeitlich nicht Die mnemischen Empfindungen sind da- gegen von vorn herein zeitlich determiniert. Sie sind es
Verhältnis des mnemischen durch die zum abgeschlossene Dauer Es nützt nichts, nerinnen. einzustellen, wenn man Aufmerksamkeit auf wenn Sie gleiten vorüber, ihre vorbestimmte Zeit abgelaufen sie sie behufs genauerer Untersuchung sie wenn man originalen Vorbild- ihrer die zum Verweilen bringen möchte. anderes übrig, 255 originalen Empfindungsablanf. und es bleibt nichts wieder da haben möchte, als sie ist, Nicht in der der Vorbestimmtheit immer wieder von neuem zu ekphorieren. größeren Kürze, sondern in seiner Dauer liegt das Charakteristische des mnemischen Ablaufs. Ganz etwas anderes als dieses ist das Unstete, kalei- doskopisch Wechselnde, das für das Schweifen unserer Phantasie also mnemischen Empfindungslebens unseres rein bezeichnend Wenn ist. merksamkeit richten, so werden wir Folge von Tönen und verfolgen unsere Wagen, darauf leisen so wir auf die Außenwelt unsere Aufoft lange durch eine Geräuschen gefesselt, dann wieder Augen minutenlang einen vorüberrollenden folgt eine Minute, in der Wind empfinden, uns Kühlung zuträgt. einen Schmetterling, wir mit Genuß den der durchs Fenster hereinstreichend Endlich bewundern wir längere Zeit der die Blumen vor unserem Fenster umgaukelt. um Anders verhält es uns vorgeht, das wenn wir von sich aber, allem, was heißt unseren Originalempfindungen, abstrahieren und unsere Aufmerksamkeit nur unseren mne- mischen Empfindungen zuwenden. lustvoller oder sehr unlustvoller wenn wir Nur beim Verfolgen sehr mnemischer Abläufe, ferner eine engraphisch vorgezeichnete Melodie oder ein Gedicht in uns ablaufen lassen, und endlich beim intensiven Nachsinnen pflegen wir dann einigermaßen bei der Sache zu bleiben. In der Regel aber irrt unsere Aufmerksamkeit,
256 I^ie wenn ausschließlich sie richtet mnemischen Empfindungen. unstet ist, in auf mnemische Empfindungen ge- den verschiedensten Schichten un- Engrammschatzes umher, sehr begreiflicherweise, weil seres keine äußere Konstellation ihr Gewicht in die Wagschale wie wirft, der Fesselung der Aufmerksamkeit für sie es bei Originalempfindungen die tut. Bei diesem Schweifen der Gedanken handelt es sich aber nur um einen besonderen Zustand der Aufmerksamkeit, nicht um eine Änderung des Tempos der mnemischen Ab- läufe. Die »Ideenflucht« des Fiebernden und des Geisteskranken beruht viel mehr auf den merksamkeit einer hochgradigen Unstetheit der Auf- Empfindungen, eigenen mnemischen Empfindungen gegenüber, als besonders den auf einer beson- ders aufi'allendeu Beschleunigung des Ablaufstempos dieser Empfindungen wenn die selbst. Dasselbe Aufmerksamkeit Feld begibt, wenn sie sich nur »klebt«, umgekehrt ist mühsam auf giftung) Daß bei und in Ermüdung, Vergiftung ein neues ist, wie wir dies (besonders Alkoholver- in vielen pathologischen Fällen beobachten. solchen Fällen außerdem auch der Abläufe selbst verändert gestellt Fall, und dadurch die Fähigkeit zu prompter Ekphorie stark beeinträchtigt häufig der werden. ist, soll das Tempo keineswegs in Abrede Es wird aber dadurch tungen kein neuer Gesichtspunkt oft für unsere Betrach- geliefert, zweite Satz unserer Zusammenfassung S. da ja bereits der 253 besagt, daß schon in normalen Zuständen eine proportionale Verkleine- rung oder Vergrößerung der Zeitwerte des Ablaufs mnemischer Empfindungen möglich ist. Die von uns aufgestellten Grundsätze stehen somit mit den Tatsachen der Pathologie des Empfindungslebens in keinerlei Weise im Widerspruch,
Verhältnis des mnemischen zum und wir können mithin auf terer originalen Empfindungsablauf. 257 die ausführliche Erörterung letz- Tatsachen und der interessanten Exi)erimente von Dietl und Vintschgau, sowie besonders von Kraepelin und seinen Schülern bei unseren jetzigen Untersuchungen verzichten und sie auf die spätere Behandlung der Pathologie der aufsparen. Semon, Mueme. II. 17 Mneme
Vierzehntes Kapitel. Allgemeines über die Homophonie der mnemischen Empfindungen. Im fünften Kapitel haben ginalen Empfindungen gebnis unserer dortigen naturgemäß stützen, wir die Homophonie von Untersuchungen wenn wir uns mnemischen Empfindungen unter werden wir jetzt zur sich, ori- Auf das Er- ausführlich behandelt. uns Homophonie von beziehungsweise von mnemischen und originalen Empfindungen wenden. Ich stelle deshalb unsere früheren Ergebnisse hier noch einmal zu- sammen: Unter Homophonie verstehen wir das eigentümliche Wech- und auf dieselben Em- selverhältnis, in das qualitativ ähnliche Wege pfindungsfelder angewiesene, aber auf verschiedenem simultan ausgelöste Empfindungen zueinander ihrer gleichzeitigen Anwesenheit in treten. Bei denselben Empfindungs- feldern verschmelzen sie nicht etwa zu etwas Drittem, Mitt- lerem, sondern: 1. Ihre gleichartigen Bestandteile kommen Deckung, wobei ihre »Intensität« sich in sozusagen zur der Regel nicht merklich ändert, wohl aber eine nicht unbeträchtliche Steige- rung ihrer Vividität nachzuweisen 2. ist. Ihre ungleichartigen Bestandteile treten bei der Homo- phonie mehr oder weniger deutlich in Opposition und er-
Allgemeines über mnemische Homophonie. 259 geben dabei häufig Empfindungen besonderer Art, die wir als Empfindung8difi"erentiale bezeichnen. In 3. manchen Fällen läßt sich experimentell nachweisen, daß die durch die homophonen Empfindungen zur Manifegebrachten Erregungen auch in ihren gleichartigen station Bestandteilen unverschmolzen nebeneinander ablaufen (Flim- merexperimente Sherringtons, Schallrichtungsempfindung). Diese Sätze ergaben sich zunächst nur aus dem Studium der Homophonie von Origiualempfinduugen unter sich, einem Vorgang, den wir beim binokularen Sehakt, beim diotischen Hören, beim Riechen mit sowie Es können. untersuchen fragt Riechzellen zahlreichen Kann nun zunächst: sich auch ein mnemischer Empfindungskomplex mit einem mnemische unter nalen, oder zwei sich zu origi- homophoner Dek- kung gebracht werden? zum Zustandekommen Die Bedingungen phonie zwischen einem Empfindungskomplex und einem mnemischen originalen dem Ganzen sind, das geht aus bisherigen Ausführungen ohne weiteres hervor, gegeben, wenn Wiederkehr ein ekphoriert hatten, wird. Originalempfindungen plex die A (engr), Engrammkomplex durch Komponenten, der Ä die partielle erzeugt Komplex von ekphoriere den Engrammkom- B (eugr) C (engr), , B. z. so es ist Bedingungen der Homophonie von geben immer dann ehemals ihn die unserer der Gesetzt (or) Homo- einer A (or) daß dann klar, mit A (mn) ge- Ich werde eine solche Homophonie durch die sind. (A A . (oy) \ \ \\ ausdrücken und werde unten (S. 267) (mn)/ über diese Schreibweise noch einige Worte sagen. Oder um einen zweiten Fall zu setzen. Empfindungskomplex C^ (mn) sei auf der Ein mnemischer Grundlage 17* der
Die lunemischen Empfindungen. 260 sukzessiven Assoziation zur Ekphorie gelangt und ekphoriere nun einen seinerseits sehr aber ähnlichen, anderen einer Engrammschicht angehörigen ranemischen Enipfindnngskomplex C2 (mn), Homophonie so H [ offenbar, ist J: {] , daß gegeben Bedingungen der die Es sind. bleibt aber zu yCsfmn)/ untersuchen, ob nun auch die charakteristischen Eigentümlichkeiten der in Homophonie beim Erscheinung Eintritt dieser die wir Eigentümlichkeiten, treten, Bedingungen in dem Ausdruck zusammenzufassen suchten, daß keine Verschmelzung der beiden Empfindungen zu etwas Drittem Mittlerem, sondern teile eine Art Opposition ungleichartigen Bestand- der der beiden Komplexe stattfände, während artigen Bestandteile bei der Homophonie die gleich- nicht an Intensität, Wir werden sondern nur au Yividität zunähmen. der Tat bei Eintritt der oben finden, daß in tion auch die für die Homophonie von Originalempfindungen charakteristischen außerdem bei der Erscheinungen vom Wesen treten, bemerkbar wird, dieses daß aber die unsere Auf- Vorganges nur bestätigen. Ich will nun zunächst an stellation bei der zutage mnemischen Homophonie noch eine Anzahl weiterer Erscheinungen fassung skizzierten Konstella- ein paar Beispielen die Kon- Homophonie von Originalempfindungen mit mnemischen Empfindungen, sowie mnemischen Empfindungen unter bei der sich Homophonie von erläutern, und dann zur Prüfung des Tatbestandes nach den verschiedenen, oben vorgezeichneten Gesichtspunkten übergehen. Zur Illustration der Homophonie einer Originalempfindung mit einer mnemischen Empfindung schildere ich einen Fall aus meiner Erfahrung, der sich nur dadurch auszeichnet, daß er verhältnismäßig unkompliziert ist. Homophonien von Ori-
Allgemeines über mneiiiische Homophonie. giual- mit uns muemischeu EDipfiuduugen werden von jedem von beinah erlebt; 261 jedem Augenblick unseres Wachzustandes in jeder kann sich deshalb diesen Fall in ein Analogon aus seiner eigenen Erfahrung übersetzen. Vor etwa 7 Jahren sah ich bei einem Besuch ein verschollen gewesenes und erst fundenes Bild Kembrandts ausgestellt Dieses Bild, die Harfe. für in Berlin kürzlich wieder aufge- David : spielt vor Saul als optischer Emptiudungskomplex mich ein durchaus neuer, originaler, machte einen starken Eindruck auf mich. merksamkeit und betrachtete Da kurz Augen kamen, imd es ich das Bild sah, mir ausgeprägten nur einmal zwar auf- Reproduktionen vor nicht auch meines Wissens nicht weiter an ich das Bild gedacht oder darüber gelesen habe annehmen, daß damit ein können wir so , einziger, gut eingeprägter optischer Engrammkomplex desselben Im September 1907 großer Auf- mit dadurch einen gut erhielt Engrammkomplex. merksam aber Ich bei mir vorhanden gewesen ist. und besichtigten bereisten wir Holland im Haag die uns schon von früher her bekannte Gemäldegalerie des Mauritshuis. Ganz unvermutet trafen dabei meine Augen auf ein dort früher nicht vorhanden gewesenes Bild Kembrandts, in ich auf den ersten Blick das Saul die Harfe spielend es wirklich dasselbe? erschien mir weniger in den <, wiedererkannte. Wie kam warm und Aber nein! es hierher? leuchtend. dem »David vor in Berlin gesehene. War Sein Kolorit Der Ausdruck den Zügen des weinenden Königs, der sein Antlitz Falten des Vorhangs verbirgt, Aber es war doch genau dasselbe derselbe David, weniger in ergreifend. Bild, dieselben Stellungen, dessen Modell Rembrandt offenbar vor der Tür seines Hauses in Breestraat aufgelesen hat. Vielleicht
Die mnemischen Empfindungen. 262 Aber eine Kopie im Mau- Bild bloß eine Kopie? ist dies Ich kann diese Zweifel nicht lösen Unmöglich! ritslmis? und frage den Diener, der mir Bild daß es dasselbe versichert, welches einmal in Berlin ausgestellt gewesen und sei, vor einiger Zeit von der Königlichen Gemäldegalerie im angekauft worden Worauf aber Haag ist. sind jene Zweifel, jenes eben beschriebene Schwanken zwischen einem Für und Wider zurückzuführen? Ganz auf eine läugere, einfach gebende Vergleichung des dem durch denselben plexes mit wechselnde Eesultate sind hier des einen Komplexes angewiesen ist wie jede Einzelkomponente des anderen, mit der weder Für eine Homo- auf dasselbe entsprechende qualitativ sie übereinstimmt oder stellenweise disharmoniert. ent- Kurz Komplex gesagt, als Ganzes betrachtet befindet sich der eine in daß Bedingungen dadurch gegeben, die jede Einzelkomponente Empfindungsfeld mnemischen, ekphorierten und zwar einer homophonen Vergleichung. phonie er- Empfiudungskom- originalen demselben Areal von Empfindungsfeldern wie der andere. Daß es nun bei dieser Sachlage doch einer Ver- nicht zu schmelzung der beiden Empfindungskomplexe kommt, son- daß dern treten, sein sie gewissermaßen Opposition in das Empfinden bald einer Gleichheit, wissen einander zu das äußert sich vor allem dadurch, daß im Bewußt- Ungleichheit der beiden bald Deckung zur einer ge- gebrachten Bilder bemerklich wird. Auf die Unterscheidung der beiden Empfindungen, die Bildung von Empfindungsdifferentialen, wollen wir siebzehnten Kapitel näher eingehen. Frage berührt, wie Fall überhaupt eine es zu erklären erst im Hier sei nur kurz die ist, daß im gegebenen Verschiedenheit der beiden Bilder in
Allgemeines über mnemische Homophonie. Gesiclitsausdruck usw. Kolorit, 263 War empfunden wurde. es doch dasselbe Bild, das sowohl jetzt den neuen originalen Eindruck hervorgebracht, aus hatte, Waren im die dem die als auch ehemals das Engramm geschaffen mnemische Empfindung ekphoriert wurde. Farben des Bildes nicht dieselben Haag? Psychophysiologe Jeder weiß, in Berlin wie daß das, sie zumal das Bild an beiden Orten sehr verschieden günstig gehängt ganz und gar nicht waren. war, Der originale Empfindungskomplex von Berlin war von demjenigen vom Haag nicht nur quantitativ (verschiedene Helligkeit) sondern auch qualitativ (verschiedener Lichteinfall, andersartige Reflexe, Kontrastwirkung verschiedenartige der Umgebung) abgesehen von der verschie- wesentlich verschieden, ganz denen Vorbereitung und Stimmung, mein Gehirn, mein ganzes Ich in der sich meine Augen, in beiden Fällen zweifellos be- funden hat. Auch der Umstand, daß der Gesichtsausdruck des weinenden Königs mir bei dem Berliner Eindruck greifender erschien als bei dem Haager, ist viel wohl zurückzuführen, daß bei der sehr viel ungünstigeren er- darauf Hängung des Bildes im Mauritshuis die Wirkung durch störende Reflexe beeinträchtigt und die Auffassung des feinsten physio- gnomischen Ausdrucks dadurch erschwert war. der Das Resultat Homophonie zwischen Haager Originalempfindung und Berliner mnemischer Empfindung verzeichnete also nur eine wohlbegrüudete Tatsache und beruhte keineswegs auf Täuschung, wenn es neben der generellen Übereinstimmung eine wesentliche Verschiedenheit Vordergrund rückte. in (or)\ H jA, (mn)/- Ui Eindrücke in den Wir werden den ganzen Tatbestand unserer Formelsprache drücken; der beiden am besten folgendermaßen aus-
Die mnemischen Empfiudungen. 264 Von dem eben erörterten Beispiel eines Falles von Ho- mophonie einer Originalempfiuduug- mit einer mnemischen Empfindung können wir ohne weiteres zu einem ebenso fachen unter Homophonie von Fall gelangen. sich meinem Besuche in der in den Gesetzt Fall, ein- Empfindungen ich hätte nach Haager Galerie nicht Avieder an das Vorkommnis gedacht, und Moment mnemischer es wäre im gegenwärtigen erst meinem Gedächtnis wieder aufgetaucht. lichkeit liegt der Fall ja ein wenig komplizierter. plikation betriift aber keinen wesentlichen In Wirk- Die Kom- Punkt und kann deshalb von uns vorläufig vernachlässigt werden. Stelle ich mir also jetzt, fern von Berlin, dem ehemaligen, und vom Haag, dem jetzigen Aufenthalt des Bildes, dasselbe habe ich ein lebhaftes, zunächst durchaus einheitlich vor, so erscheinendes Erinnerungsbild, auf Grund dessen ich das Kunst- werk ohne Mühe bis in viele seiner kleinen Details beschreiben Dabei bin kann. nachdem ich aber imstande, je ich meine Aufmerksamkeit mehr auf den Simultankomplex des Berliner oder des Haager Eindrucks bild dieses, das andere Ja einstelle, kann diese beiden, nunmehr ich einmal das Erinnerungs- Mal jenes Originaleindrucks zu sehen. rein mnemischen Empfin- duugskomplexe genau ebenso miteinander vergleichen, wie es seinerzeit ich im Haag mit dem dortigen Originalempfindungs- komplex und dem Berliner mnemischen Empfindungskomplex getan habe. Es besteht hier Homophonie H H bestand. { ,' \ ,| l J^ 1, jetzt also genau ebensolche wie seinerzeit im Haag eine solche Die Besichtigung einer photographischen Wiedergabe des Bildes würde zu einer neuen original-muemischeu Homophonie
\ Allgemeiues über mnemisclie Homoplionie. (A V (qy) , , 265 \ ; Wirkung von Anlaß geben, und aus der engraphisclien ^l / JL3 (or) würde dann bei späterer Ekphorie sich ohne Wiederholung der Originalempfindung die Homophonie H (Äi (mn), Ä2 (mn), A-^ (mn) ) ableiten. Ich habe soeben die Formel für die Homophonie anders und dies führt mich dazu, auf eine geschrieben als bisher, Unterscheidung zweier verschiedener Hauptformen der Homophonie einzugehen, auseinanderhalten komme am ich die wir auch können. Auf unserer Schreibweise in Schreibweise die selbst Schluß noch mit einigen Worten zurück. Gehen wir zunächst wieder von unserem konkreten Fall aus. Ich rufe mir das einmal in Berlin gesehene Bild ins Gedächtnis zurück, und einmal im Haag- um jemandem den Vor- gang, die auf dem Bild befindlichen Figuren, ihre Stellung und Kleidung zu beschreiben. um nicht die Ich kümmere mich dabei kleinen Differenzen der beiden mnemischen Empfindungskomplexe. Noch weniger natürlich, wenn ich mir inzwischen eine Photographie des Bildes gekauft, öfters, sagen wir dreimal, betrachtet und mir dadurch drei neue kräftige habe dieselbe ich Engramme verschafit habe. dem findungen: Ai (mn) aus dem Haager Engramm, grammen Bei erneuter Ekphorie dann eine Homophonie folgender mnemischer EmpBerliner A-i (mn), A^ Engramm, A2{mn) aus (mn), A^ (mn) aus den En- der verschiedenen Betrachtungen der Photographie. Bei einer solchen Homophonie erfolgt nun gewöhnlich keine Gegenüberstellung einer Komponente gegen den Best, keine Bildung von Empfindungsdifterentialen, sondern im Gegenteil ein Abstrahieren von den Verschiedenheiten homophonen Komponenten. Homophonie als nicht Ich der bezeichne diese einzelnen Form der differenzierende Homophonie
Die mnemischen Empfindungen. 266 und sehreibe A2 (mn), ^3 Formel die H{Ai folgendermaßen: einzeilig A^ (mn), J5 (mn) (mn), (mn), ). In einem gewissen Gegensatz dazu stehen die Fälle, in denen bei der Homophonie ein Empfindungsdififerential geDieses Differential wird. bildet ist das Resultat der stets Gegenüberstellung zweier Komponenten oder Komponenten- grnppen; ich bezeichne diese Form der Homophonie differenzierende und schreibe Ob im gegebenen eine differenzierende stattfindet, ab. und wenn an diesen Sang denke, so klingt ich mir in der Regel eine von abstrahierende, möchte ich Denke formulieren kann. klang es doch damals, damals hörte, als es der Homophonie zu an sagen abstrakte mnemische ( ^, , ich das Lied . . am zum mächtigsten Male ersten Sänger Niemann sang, so wird die \. { ü (5i_i2 (mn) — ich aber dann: einer differenzierenden ü \B2-i2 (mn) — : als in Einzelheiten der Wiedergaben fast Tonfolge wieder, die ich nicht anders als .) Siegmunds: Ich habe aus der Walküre ungefähr ein dutzendmal »Wintersttirme« . hängt in erster der Aufmerksamkeit, daneben aber auch von anderen Bedingimgen . als die Formel zweireihig. nicht differenzierende oder Fall eine Homophonie Linie von der Richtung gehört, die An und nimmt die Form letzterem Beispiel sieht man ./ bereits aus der unteren Reihe, daß bei einer differenzieren- den Homophonie jede einzelne der beiden einander gegenübergestellten Komponenten differenzierender Wo die ihrerseits das Homophonie sein kann. Gegenüberstellung zweier Komponenten oder Komponentengruppen bei der Homophonie, Bildung des Empfindungsdifferentials, tritt, Produkt von nicht möchte ich vorschlagen, die in das heißt die den Vordergrund zweireihige Schreibweise
Allgemeiues über mnemische Homophonie. zu wählen. (S. Also, um auf das Beispiel des Rembrandtbildes H \^2/ (mn)/' wenu ich 261) zurückzusTeifen, ich schreibe: mich später der beiden Eindrücke Wenn in ihrer 267 in Berlin teilweiseu ,|, \ und im Haag empfangenen Gegensätzlichkeit erinnere. dagegen die Erinnerung solcher Eindrücke unter ich Vernachlässigung etwaiger Verschiedenheit einfach zu einem Sammelempfindungskomplex zusammenfasse, wähnten Falle nur auf die was wenn man mich ich z. gestellten B. tun werde, druck dem auffordert, A^ (mn) ich: ). zum Aus- / ,| \^2 (mn)/ die zweireihige Schreibweise i7| Gegenüberstellung bei der er- den dar- Vorgang genau zu beschreiben, dann schreibe H {Ai (mn), Auf also in Hauptsachen des Bildes achte, der Homophonie zweier Empfindungen oder Empfindungsgruppen bin ich selbständig gekommen und habe ding sich erst viel gesehen, daß Höff- später zum Ausdruck des Wiedererkennens ähnlichen Schreibweise bedient bat. einer sehr So schreibt er in seiner (3. deutsche Ausgabe 1901 S. 168): »Diese mitt- lere Stellung zwischen Empfindung und Vorstellung Psychologie können wir theoretisch dadurch ausdrücken, daß im Wiedererkennen sowohl ein Vorstellungsvorhanden ist. Nennen als ein wir das Wiedererkennen durch {A-j- indem wir durch die Empfindungselemeut wir letzteres A, ersteres «, so können a) oder! Klammer bezeichnen, , jausdrücken, daß wir nur mittels Abstraktion zwischen den beiden Elementen unter- scheiden, die sich in der Tat nicht sondern lassen.« Ein aufmerksames Studium der Höfi'dingschen Publika-
268 I^ie lunemischen Empfindungen. tionen^ zeigt uns nun allerdings, von weise des der Aufstellung daß er bei seiner Schreib- der Begriffs Homophonie, überhaupt von der Erkenntnis der eigentümlichen Gegenüberstellung der beiden entfernt war. Er Emptindungen beim Wiedererkennen weit will vielmehr durch seine Formel nur aus- drücken, daß der betreffende Bewußtseinszustand beim Wieder- erkennen, zwei besonderen Bedingungen seine Entstehung verdankt, die jede für sich, die eine zur mnemischen Empfin- dung In die andere zur Originalempfindung a, dem A führen würden. betreffenden Bewußtseinszustand sind aber diese beiden Elemente zu einer unteilbaren Qualität, einem untrennbaren Ganzen verschmolzen (Höffdiug 1893, Höffding betont S. 90). Emp- aber nicht nur wiederholt die völlige Fusion der beiden findungen zu einem untrennbaren Ganzen, sondern offenbar diese Verschmelzung auch er dehnt auf die beiden physio- logischen Erregungsvorgänge aus, die durch die beiden Emp- findungen (Originalempfindung und mnemische Empfindung) gelangen. zur Manifestation ich folgende Zitate Für diese seine Ansicht reden lassen: »Was will ich theoretisch als das Verschmelzen einer Empfindung mit einer Vorstellung ausdrücke, das ist die Veränderung, die eine Empfindung durch Wiederholung erleiden kann« (Höffding 1889, >Wie man sich das denkt, was durch die kleinsten Teilchen des Organismus, hier des Hirns, in logischer Beziehung in geschieht, das S. 453). Übung in den physio- eine Sache für sich, ist welche wir uns hier nicht näher einzulassen brauchen. Die natürlichste Annahme wäre wohl 1 1887, H. Höffding. 3. die, daß durch den 1. deutsche Ausgabe Über Wiedererlceunen, Assoziation Psychologie in Umrissen. deutsche Ausgabe 1901. und psychische Aktivität. Vierteljahrs ehr. f. wisseusch. Phil. 4 Artikel 13. und 14. Bd. 1889, 1890. Zur Theorie des Wiedererkennens. Wundts Philosoph. Studien, 8. Bd., 1893. im
Allgemeines über mnemische ITomophonie. ersten Eindruck ein 260 Umlagern der Moleküle bewirkt wird, welches nach dem Aufhören des Eindrucks wieder von dem vorigen Zustand abgelöst wird, und zwar unsicherer, leichter Insofern ist. sition zu läßt es daß eine gewisse Dispo- sich sagen, Umlagerung erzeugt der nämlichen diese leichter von statten geht, wieder daß dieser nun so, ans dem Gleichgewicht zu bringen sei, daß so wenn der nämliche Eindruck Das Wiedererkennen oder vielmehr entsteht. die dann das psychologische Korrelat Bekanntheitsqualität bildet der größeren Leichtigkeit, mit welcher Änderung eine in der Lagerung der betreffenden HirnraolekUle hervorgebracht wird.« — Das wird dann im folgenden von Hötfding noch näher ausgeführt (Hötfding 1889, Aus den mitgeteilten mit seiner Formel I S. 432, 433). Proben geht klar hervor, daß Höflfding gar keinen eigentlichen Homophonie- .j vorgang, gar nicht das Miteinander zweier gesonderter Er- regungen ausdrücken will. Ich habe dies alles hier so ausführlich man auseinandergesetzt, damit lichen Schreibweise, nicht etwa, auf meine in Grund der ähn- diesem Punkt durchaus ab- weichenden Ansichten mit denen Höffdings zusammenwirft. Denn folgender wesentlicher Unterschied besteht zwischen unsern beiden Auffassungen. beim Wiedererkennen I , j, Nach Höffdings Meinung z. B. beim Wiedersehen des Berlin gesehenen Rembrandtbildes im Erregungsvorgang (ich fasse jetzt Haag nur die Weg statt, bereits gebahnt in ein einziger physiologische des Vorganges, die Erregungen, ins Auge) weil er sozusagen den findet Seite der aber, findet, bei der zweiten Gelegenheit mit größerer Leichtigkeit stattfindet als bei der ersten. Bildet doch nach seiner Meinung das Wieder- erkennen das psychologische Korrelat der größeren Leichtig-
Die mnemischen Empfindungen. 270 mit welcher die Änderuug in keit, der Lagerung der be- treffenden HirnmolekUle hervorgebracht wird. Ich dagegen glaube in einem solchen Fall und in allen verwandten Fällen zwei gesonderte Erregungsvorgänge nachweisen zu können, wie ich es ausdrücke, homophon die, Und nebeneinander herlaufen. um Annahme sondern um sich dabei nicht eine möchte betonen, daß es ich mehr oder weniger willkürliche einen auf Grund experimenteller Tat- sachen geführten Nachweis handelt, von Tatsachen, die die An- nahme einer Verschmelzung der Erregungen direkt widerlegen. Was zunächst Homophonie zweier Originalempfin- die dungen anlangt, so ist ein strikter Beweis für die Nicht- verschmelzung der durch das rechte und der durch das linke Auge ausgelösten Erregungsvorgänge, wie wir oben S. 87 sahen, durch die Flimmerexperimente Sherringtons erbracht. Vielleicht für die ließe sich ein ähnlicher Experimentalbeweis auch Empfindung des rechten und des linken Ohrs führen; vielleicht wird sprechenden leituüg aber die saubere Ausführung der ent- akustischen Experimente durch die Knochen- unmöglich gemacht werden, die eine hinlängliche Beschränkung einer bestimmten Reizwirkung bald auf das eine, bald auf das andere Ohr, wie durchführen läßt, verhindert. sie sich Doch beim Auge spricht leicht schon die Tat- sache, daß wir zu unterscheiden vermögen, ob die durch das rechte Ohr ausgelöste Tonempfindung stärker ist, als die durch das linke Ohr ausgelöste, oder umgekehrt, in hohem Maße dafür, daß eine Verschmelzung beider Erregungen nicht stattfindet. Wenden wir uns nun zu dem, was ich als Homophonie zwischen einer Original- und einer mnemischen Empfindung, bzw. zwischen zwei mnemischen Empfindungen unter sich <
Allgemeines über mnemische Homophonie. 271 bezeichne, so habe ich bereits bei Erörterung des Gegenspiels der Empfindungen (S. beim Wiedersehen des Rembrandtbildes 261) klar zu machen gesucht, daß unser Bewußtseins- zustand unter derartigen Umständen ein solcher einer einfachen sein kann. geht ist, daß von Verschmelzung der Empfindungen keine Rede Höffding, der eine solche Verschmelzung annimmt, bezeichnenderweise wahrnehmung in auf die Frage der Unterschieds- diesem Zusammenhang nirgends ein. Aus- schlaggebend für den Nachweis der Nichtverschmelzung der durch die Empfindungen manifestierten Erregungen in allen Fällen von mnemischer Homophonie scheint mir aber Tatsache zu sein, daß wir in jedem Falle Homophonie nur unsere Aufmerksamkeit auf ponenten einzustellen brauchen, um sie in einer die solchen eine der Kom- größter Reinheit und un vermischt von ihren Mitkomponenten herauszuempfinden. Wie wäre eine derartige Zerlegung der Homophonie, sozu- sagen das Herauspräparieren dieser oder jener Einzelkomponente möglich, wenn die Erregungen in solchen Fällen in eins zusammenfließen würden? So kann ich jederzeit das mnemische Bild des Haager Eindrucks ohne Beimischung des Berliner reproduzieren, und bei anderer Einstellung der Aufmerksamkeit den Berliner Ein- druck ohne Beimischung des Haager. Einem Menschen mit gutem musikalischem Gedächtnis macht es durchaus keine Schwierigkeit, eine hundertmal gehörte Arie mnemisch beliebig so zu reproduzieren, daß er sie genau so wiederhört, wie sie einmal vor 20 Jahren der Sänger X herausschmetterte, das andere Mal, wie sie vor 10 Jahren Fin seiner markigen Weise wieder- gab, dann wieder wie vor einem Jahre fülle und Schmelz alle Z damit an Klang- seine Vorgänger in Schatten stellte.
Fünfzehntes Kapitel. Die Wiederlioluuj;* der Erreguugeii als Schöpferin der Vorbedinguiig für miiemische Homophonie. Zum vollen Verständnis der im vorigen Kapitel zusam- empfehlen, zunächst mengestellten Tatsachen v^ird es sich Bedeutung der Wiederholung für die Zusammen- setzung des individuellen Engrammschatzes im Zusammen- die hang zu erörtern, und dieser Aufgabe wollen wir uns jetzt Die daraus für die Auffassung der Homophonie zuwenden. zu ziehenden Konsequenzen werden sich von selbst ergeben. Wir untersuchen Wie wirkt zuerst: Wie wirkt einer Originalerregung; sodann: einer mnemischen Erregung auf individuellen Eagrammschatzes? brandtbildes, keit, je so Wiederholung Die Antwort ist bezug auf in leicht zu ergibt durchaus duktion des sich aus der tatsächlichen Möglich- sauber in abgegrenzte mnemische Berliner Eindrucks, eine ebenso sauber abgegrenzte Haager Eindrucks geben. Beispiel des zweimal gesehenen Eem- nach der Einstellung der Aufmerksamkeit Fall eine beiden die Wiederholung Zusammensetzung des die Wiederholung einer Originalerregung Denken wir an das die in einem Repro- einem anderen Fall mnemische Reproduktion des zu erhalten, der Beweis, daß jede der Originalerregungen je ein durchaus selbständiges,
Wiederholung Vorbedingung als für vom anderen gesondertes Engramm selbe gilt sionen 273 mnemische Homophonie. Das- hinterlassen hat^. aus denselben Gründen für die Engrammsukzes- der vor 20 Jahren 10 Jahren aus Munde von aus dem Munde von Z. gehörten Arie dem Munde von X., vor Jahre aus dem vor Y., 1 und natürlich ebenso auch zwischendurch gehörten, wenn auch vielleicht die alle Engramme teren weniger kräftige hinterlassen für letz- haben mögen, und ihre mnemischen Empfindungen sich deshalb nicht mittels der Aufmerksamkeit aus der Jede Wiederkehr Menge herauspräparieren und damit Reizes eines einer lassen. Original- erregung erzeugt also ein neues Engramm, das, wenn durch nichts sich doch anderes, wichtigen diesen Unterschied von allen seinen Vorgängern unterscheidet, daß es eben Bestandteil integrierender ein durch jüngerer Schicht Man könnte Engrammkomplexes eines ist. mir hier vielleicht den Einwand machen, daß mnemische Empfindungen, die bloß ähnlichen Engram- men verschiedener Schichten entstammten, allerdings unter- schieden würden. Damit sei aber noch nicht bewiesen, daß eine Unterscheidung solcher mnemischer Empfindungen dann 1 Der Haager Eindruck oder richtiger, da es sich ja um eine längere Betrachtung handelt, die Folge der dortigen Eindrücke ist allerdings nicht ausschließlich die Hinterlassenschaft der Originalerregung A-i (or;, sondern entsprechend meinen eigenen obigen Angaben zeitweilig auch die Hinterlassenschaft der differenzierenden Homophonie ^ H ^2 (or , . , , \Äi (mn) Zustand hat während der Betrachtung nur vorübergehend den meisten Augenblicken habe ich mich selbstverständlich ganz der Originalempfindung ohne Rücksicht auf den früheren Eindruck hingegeben und habe dadurch ein selbständiges neues Engramm A-2 engr) erhalten, das durch das zeitweilige Dazwischentreten Aber letzterer geherrscht; in des Differentialengramms I ." "^"i!) in seiner Eigenart keineswegs be- einträchtigt wird. Semon, Uneme. H. 18
274 I^iß möglich wenn sei, Wiederholung der neue Ori- Vorgänger nicht zu unterschei- Vielleicht wird in diesem Fall nicht ist. Engramm neues gleich bei der von seinem ginaleindruck den gewesen mnemischen Empfindungen. ein sondern das bereits vorhandene geschaffen, Daß unsere Eegel von der Schaffung eines selbständigen neuen Engramms als integrierender Bestandteil des neuen Simultankomplexes auch gilt, wenn bei der Wienur verstärkt. derholung die neue Empfindung bzw. Erregung Vorgängerin nicht zu unterscheiden für holung einer neuen in wollen wir nunmehr den Fall beweisen, daß diese Wieder- gleich mit auch nicht ist, originalen, mnemischen Erregung (bzw. Empfindung) dies von ihrer sondern in einer Ich will besteht. an der Hand einer kleinen Reihe von an mir selbst ausgeführten Beobachtungen tun, die jeder an sich selbst nachprüfen und deren Beiwerk er seiner eigenen Umgebungentsprechend leicht passend abändern kann. das will ich gleich vorausschicken, derer Weise geführt werden, Fällen, in als muß hier Der Beweis, in etwas an- in den bisher erörterten denen die engraphisch wirkende Erregung be- ziehungsweise ihre im Empfindungsmanifestation Wieder- holungsfalle sich von ihrer Vorgängerin merklich unterschied. Ich stelle mir einen praktisch Engrammkomplex auf Grund komplexes her, indem ich in genommen neuen optischen eines originalen Empfindungs- meinem Arbeitszimmer an einem Tisch von zwei selten geöffneten Schubladen zunächst die linke herausziehe merksam Es als setzt sich und das Bild, das ihr Inhalt bietet, auf- Gesamtbild betrachte und in mich aufnehme. zusammen aus den Bildern von allerlei photo- graphischen Utensilien, wie Etuis mit Linsen, einem Expositionsmesser, einem Pinsel, einem Gummiquetscher für das Auf- kleben von Bildern, einem länglichen Karton, der Rollfilms
Wiederholung als Vorbedingung enthalten hat, und noch mnemische Homophonie. für manchem anderen. Alles dies liegt ganz bestimmten Anordnung vor mir und in einer 275 so füllt ziemlich den optischen Teil meines präsenten Empfindungs- komplexes aus. Wenn ich die Schublade wieder schließe, klingt der ge- samte simultane Empfindungskomplex bald ab, und es wird daraus eine genau determinierte Schicht meines individuellen Engrammschatzes, deren optischen Teilkomplex ich mit bezeichnen Nach B will. einer Weile ziehe ich die rechte Schublade selben Tisches heraus und betrachte deren Inhalt, des- der sich links hauptsächlich aus Glasröhren, zu oberst einer besonders und roten Gummischläuchen rechts aus schwarzen starken, von verschiedener Dicke zusammensetzt. nehme ich merksam in mich auf, schließe bezeichne den optischen Teil dieses Bild die Schublade wieder und des Engrammkomplexes, Abklingen dieses ganzen nach Auch mit seinen topographischen Besonderheiten auf- der Erregungskom- simultanen plexes zurückbleibt und eine Schicht meines Engrammschatzes ausmacht, als E. Eine Weile darauf gehe ich geschlossenen folgendermaßen Augen an meinem phoriere ich isoliert (durch Arbeitstisch vor. sitzend Mit ek- besondere Einstellung der Auf- merksamkeit) das Bild des Filmskartons aus Engrammkomplex B und im unmittelbaren Anschluß daran das Bild der starken Glasröhre Bilder plexe — — es setze aus sind ich ziehung zueinander, Engrammkomplex E. natürlich in mnemische Empfiudungskom- eine bestimmte topographische Be- bringe sie zum T zur Berührung, daß sie eine Art einigung ich sie eine Weile halte Diese beiden Beispiel bilden. unter so senkrecht In dieser Ver- Anspannung der 18*
Die mnemisclien Empfindungen. 276 Aufmerksamkeit und eventuell, wenn das aus ihnen kom- ponierte Bild entgleiten will, unter Erneuerung der Ekphorie Dann fest. lasse ich es entgleiten und ausklingen und den simultanen Engrammkomplex jener Augenblicke, in dieses kombinatorische Experiment vornahm, als ich will denen G be- zeichnen. Ich kann mich nun leicht durch entsprechende Ekphorien daß überzeugen, Glasröhre als zwar jedesmal handen plex B in Filmskarton in je die starke verschiedener topographischer Lage vor- Nachbarschaft von Pinsel und Gummiquetscher und zweitens im Engrammkomplex Gemeinschaft B in Beziehung zu der Die Glasröhre im Engrammkomplex starken Glasröhre. in sowohl wie zwei Engrammkomplexen und Der Filmskarton erstens im Engrammkom- sind. in der der Engramme mit anderen dünneren Glasröhren Gummischläuchen und im Engrammkomplex G in E und Beziehung zum Filmskarton. Ich behaupte nun, daß im Engrammkomplex G neues, von den gleichen Repräsentanten in unabhängiges Engramm handen und zu sind. Man einer wird je ein Komplex B und E des Kartons und der Glasröhre vor- neuen bleibenden Kombination vereinigt vielleicht dagegen einwenden, daß nur eine Verbindung zwischen dem Kartonengramm von Komplex und dem Glasröhrenengramm von Komplex schaft als sei. Komponenten dieser beiden E in B ihrer Eigen- Komplexe geschaffen Dies läßt sich aber durch die einfachste Beobachtung widerlegen. Ekphoriere ich Komplex B, so sehe ich den Filmskarton in seinen richtigen topographischen Beziehungen zu den übrigen Komponenten des Bildes der linken Schublade und ohne die Glasröhrentangente. Sollte etwa doch die letztere einmal auftauchen, so verschwinden in demselben
Wiederbolung als Vorbedingung für mnemische Homophonie. 277 Augenblick Pinsel, Gummiquetscher und der übrige Inhalt der Schublade, und nur die T-Figur bleibt im muemischeu Gesichtsfeld. Genau ebenso ihres trotz mit sich Die der Glasröhre. Engrammkombinationen von optischen drei stellen verhält es B, Zusammenhangs, der darin E und besteht, O daß Ekphorie der einen unter Umständen ekphorisch auf eine die anderen wirkt, der beiden und Selbständiges etwas Wenn dar. in sich Abgeschlossenes ich die T-förmige Kombination von Filmskarton und Glasröhre ekphoriere, wiederhole ich den Vorgang, den ich bei Entstehung übrigens nicht etwa G Engrammkomplexes des Denn vornahm. bei jenem ersten Zusammenbringen von Karton und Glasröhre mußten durch Aufmerksamkeit die komplexes bination Ist die B und E alle übrigen Bestandteile des Engramm- von der Teilnahme an der neuen Kom- im Simultankomplex O sorgfältig abgesperrt werden. Kombination aber einmal geschaffen, so bedarf es bei G dieser Tätigkeit der Aufum beim Erscheinen der T-förmigen Ekphorie des Simultankomplexes merksamkeit nicht mehr, Kombination von Karton und Glasröhre abzusperren, mit die Glasröhre Tauchen sie der Karton denen im Komplex etwa einmal E alle die Komponenten auf, so B und verschwindet sofort die T- Kombination, und es erscheint entweder das Bild plex B im Komplex topographisch verbunden sind. oder das von Komplex E. vom Kom- Jeder Mensch mit leid- lichem Gedächtnisvermögen und einiger Konzentrationsfähigkeit kann sich leicht der Richtigkeit dieser Ich will hier aber durch ein ähnliches Experiment von Angaben überzeugen. noch ein Beispiel bringen, das ein Jeder mutatis mutandis aus seiner eigenen Erfahrung ohne besonderes Experiment bestätigen kann. Ich habe einen
: Die mnemischen Empfindungen. 278 wie ein Mensch von furchtbaren Anblick, indem ich sehe, Trambahn umgestoßen und überfahren einer denke selben Augenblick sprechen: Das ohne es übrigens laut auszu- Wenn ja schrecklich! ist eignis wieder in ich, In dem- wird. dann das Er- ich mein Gedächtnis zurückrufe, fällt mir auch regelmäßig dieser mein an sich so farbloser Gedanke wieder und bei den Berichten, die ich meinen Bekannten von ein, dem Ereignis gebe, kann ich nicht umhin, das Als ich das sah, dachte ich: dieser vier Worte Engrammschatz, nichts wie findet auch sich Neues oder Besonderes, und sie sich so fest und in es eine neue und in enthält durchaus nicht einzusehen, ist und Komponenten des Simul- tankomplexes des Unfalls verbinden Engramm meinem in solcher Abgeschlossenheit präzisen Fassung mit den übrigen als Jedes ja schrecklich! ist nun tausendfach Kombination die einzuflechten sollte, wenn sie nicht gewissem Sinn abgeschlossene Schöpfung jenes Augenblicks wäre. Es ist natürlich, daß diese wichtige Frage einer viel aus- gedehnteren experimentellen und experimentell- statistischen Behandlung, besonders nach dem oben skizzierten Unter- suchungsmodus Karton- Glasröhre, zugänglich ist. An dem Macht Schlußresultat wird dadurch nichts geändert werden. doch jeder denkende Mensch ment. Vor allem unser fort und schöpferisches Komponieren usw. beruht auf einem unbewußten Kombinieren fort isolierter dieses Experi- Denken, Erfinden, teils bewußten, verschiedensten Schichten des Engrammschatzes. die Kombination einmal vollzogen, teils Komponenten aus den dann stellt schlossenes und verhältnismäßig selbständiges sie Ist aber ein ge- Gebilde dar, das bei jedesmaligem Neugebrauch nicht etwa erst wieder neu zusammengesetzt und, was für unsere Frage wichtiger
Wiederholung als VorbedingUBg für mnemische Homophonie. 279 nicht von den anhaftenden Mitkomponenten der verschiedenen Engrammschichten neu isoliert zu werden braucht. Diese Abgeschlossenheit kann eine solche Kombination aber nur erhalten, wenn sie ein neues Engramm ist, wenn nicht, ist, sie nichts weiter Auffrischung alter durch alle verstreuter ist als eine Verbindung und möglichen Engrammschichten Engramme. Dieser neugeschaffene Engrammkom- plex bildet dann einen integrierenden Bestandteil desjenigen simultanen Engrammkomplexes, mit und in wurde. Kurz zusammengefaßt: Jede dem er geboren mnemische Erregung homophone Reihe solcher Erregungen* erzeugt Komponente des simultanen Erregungkomplexes, in dem sie zur Ekphorie gelangt, ein neues Engramm, aus dem sich eine selbständige, von dem Mutterengramm trennbare Erregung ekphorieren bzw. als läßt. Durch diese Feststellung bestätigen und befestigen wir nur die Fundamente unseres ersten mnemischen Haupt- Erregungen innerhalb eines Orga- satzes: Alle gleichzeitigen nismus bilden einen zusammenhängenden simultanen Erregungs- komplex, der als solcher zusammenhängenden und grammkomplex engraphisch wirkt, das heißt einen insofern ein Ganzes bildenden zurückläßt. Im En- zwölften Kapitel haben wir gesehen, daß, abgesehen von der verschiedenen Art der Auslösung, kein durchgreifender Unterschied zwischen originaler und mnemischer Empfindung und ebensowenig zwischen der durch diese manifestierten regung aufzufinden ist. originalen In unserem ersten mnemischen Haupt- satz sind unter »alle gleichzeitigen 1 Auf die engraphische ich erst unten näher ein. und mnemischen Er- Erregungen« sowohl die Wirkung homophoner Erregungsreihen gehe
280 nmemischen Empfindungen. I^ie mnemischen Erregungen eiuzubegreifen. originalen als auch die Der gesamte simultane Erregungskomplex, ganz gleich, ob die Erregungskomponenten durch äußere Keize ausgelöst oder Engrammen aus ekphoriert sind, verewigt sich als ein Ganzes engraphisch, sozusagen auf einer noch unbeschriebenen Stelle der reizbaren Substanz. Wie ich wiederholt in der »Mneme« und anderwärts betont habe, halte ich es für durchaus verfrüht, die materielle Ver- änderung, die nach Ablauf einer Erregung in der reizbaren Substanz zurückbleibt, auf Grund unserer derzeitigen Kennt- näher nisse »molekular« bestimmen zn wollen, oder einen Einblick gewinnen zu wollen, wie die materielle Veränderung, die wir Engramm Erregung nennen, aus dem Denn der entsteht. genannten energetischen Vorgangs ganz fast in Dunkel treten, Die größte gehüllt. Ohne aus auch des für uns zur Zeit ist diesen Problemen scheint mir deshalb durchaus geboten. energetischen Vorgang der speziellere Charakter noch Zurückhaltung gegenüber vorläufig dieser Zurückhaltung herauszu- möchte ich aber au dieser Stelle zeigen, wie die zwar zweifellos vorhandene, aber uns noch ganz dunkle mechanische Beziehung zwischen nicht beschaffen Bei weitem logen ist Engramm und Erregung jedenfalls ist. am verbreitetsten unter Physiologen und Psycho- folgende hypothetische Versinnbildlichung der Bezie- hung von engraphisch wirkender Erregung, Engramm und mnemischer Erregung, die ich hier mit den Worten Höffdings 1889 S. 432) wiedergeben will: küle bewirkt wird, welches nach so, 0. »Die natürliche Annahme wäre wohl die, daß durch den ersten Eindruck wieder von dem (a. a. ein Umlagern der Mole- dem Aufhören des Eindrucks vorigen Zustand abgelöst wird, und zwar daß dieser nun unsicherer, leichter aus dem Gleich-
Wiederholung Vorbedingung als gewicht zu bringen 281 Homophonie. für raneraische Insofern läßt es sich sagen, daß ist. eine gewisse Disposition zu der nämlichen Umlagerun g er- zeugt Das klingt sehr sei.« sagen, daß selbst sie immer sich plausibel, und die meisten werden Mechanik der Gedächtnisvorgänge die Für mich wenig- so ähnlich vorgestellt hätten. stens, so lange ich mich nicht eingehender mit diesen Dingen beschäftigt hatte, trifft Seitdem ich dies aber getan es zu. habe, sehe ich, daß sich die Sache unmöglich so verhalten kann. Verhielte sich die reizbare Substanz in Bezug auf Original- Engramm und mnemische Erregung etwa erregung, schwer biegen ein elastischer Stab, der sich zunächst nur dem bei es aber so nach öfterem Biegen, obwohl er wie läßt, noch stets vollkommen zur Geraden zurückkehrt, nur noch einer ge- ringeren energetischen Einwirkung bedarf, um dieselbe Biegung hervorzubringen, verhielte sich die Sache beim mnemischen Prozeß auch nur einigermaßen analog, so wäre die durch die oben angeführten Tatsachen bewiesene Entstehung eines dem Mutterengramm gesonderten Engramms nach neuen, von der Ekphorie dieser ersteren durchaus unverständlich, ja undenkbar. Denn handelte durch Erregung rung«, so um würde es sich bei eine bloße eine » der Engrammbildung Umlagerungserleichte- Wiederholung der Erregung eine solche doch höchstens vergrößern, nicht aber ein neues, ge- sondertes und isoliert ekphorierbares Engramm gleicher Art aber in anderer Determination schaffen können, wie es bei dem betreffenden mnemischen Prozeß nachweislich der ist. Dies scheint mir ein zwingender Beweis dafür zu Fall sein, daß die Auffassung des Engramms als bloße »Um- lagerungserleichterung« mit der klaren Sprache der Tatsachen in offenem Widerspruch An steht. dieser Stelle möchte ich nur im Vorbeigehen darauf
Die mnemischen Empfindungen. 282 aufmerksam machen, daß in dieser höchst eigenartigen Eigen- schaft der reizbaren Substanz, von jedem simultanen Erregungs- komplex, sowohl soweit er aus originalen mnemischen Erregungen ^ aus besteht, als auch soweit er eine entsprechende Veränderung, einen simultanen Engrammkomplex zurückzubehalten und die chronologische Folge dieser Engrammkom- plexe in irgend eine räumliche Anordnung übersetzt zu be- wahren, — daß in dieser höchst eigenartigen Eigenschaft der reizbaren Substanz die Grundlage unserer ganzen Zeitvorstellung zu erblicken ist. Es würde mich aber zu weit führen, hierauf in diesem Buche näher einzugehen und die interessanten sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen. Vielleicht komme ich später einmal darauf zurück. Einen zweiten wichtigen Punkt streifen. will ich hier ebenfalls nur Ich sprach soeben von der eigenartigen Fähigkeit der reizbaren Substanz, die chronologische Folge der Engrammkomplexe in irgend eine räumliche Anordnung übersetzt zu bewahren, wobei sich, wie ich sagte, jeder simultane Erregungskomplex als ein Ganzes ver- ewigt, sozusagen auf einer noch unbeschriebenen Stelle der reizbaren Substanz. Das heißt, gewisse Strukturänderungen der organischen Substanz, die wir als simultane Engramm- komplexe bezeichnen, müssen, indem aus ihnen von Augenblick zu Augenblick der Engrammschatz erwächst, eine be- stimmte Lokalisation besitzen. 1 Natürlich wirken dabei die einzelnen Erregungen nicht dergestalt engraphisch, wie sie sich bei isolierter Auslösung darstellen würden, sondern dergestalt, wie sie aus dem gemeinsamen Zusammenfluß im Simultankomplex hervorgehen, also so modifiziert, wie es die gegenseitige Beeinflussung: Verstärkung durch Kontrast. Abschwächung bis zur Neutralisation, Vermischung, Homophonie, Differenzialbildung bedingt. Wir werden am Ende unserer Ausführungen über die Homophonie am Schluß des 17. Kapitels noch etwas näher hierauf eingehen.
Wiederholung Diese von ist allein Vorbedingung mnemische Homophonie. für chronogene Lokalisation sation, die ich Über diese zum Unterschied von ihrer Entstehung auf die bisher ja überhaupt bisher allein beachtet studiert, durchaus verschieden. ist, 283 des Engrammschatzes nach Sinnesgebieten, der Lokalisation genauer worden als letztere Lokali- der chronogenen nach Grund der besonderen topographischen topogene Konfiguration in den Zentralorgauen als bezeich- nen möchte, habe ich mich mit einiger Ausführlichkeit Mneme der (2. Aufl. 1908, S. 158 — 172) ausgesprochen. um habe zu zeigen versucht, daß es sich dabei keineswegs eine exklusive, sondern delt, und wie man vorzustellen sation nicht wieder ein. um sich das hat. eine graduelle Lokalisation han- Zustandekommen Auf dieses Thema gehe laufs der originalen Erregungen in der die verschiedene Lokalisation außerordentlich in auch die Hin- Hirnrinde ein anderer der der mnemischen Erregungen. und der »Erinnerungen« sind ich hier daß der Schauplatz des Ab- fälligkeit der Ansicht erweisen, für dieser Lokali- Ich werde dasselbe in einer späteren Fort- setzung ausführlicher behandeln und dabei sei als in Ich Die Gründe, die man der Originalempfindungen der Hirnrinde vorgebracht hat, schwach näheren Prüfung nicht stand. und halten gestützt Dann wird sich einer auch die Ge- legenheit ergeben, die chronogene Lokalisation eingehend zu untersuchen und zu zeigen, daß das Nebeneinanderhergehen dieser Lokalisation mit der topogenen keinerlei Schwierigkeiten in den Hier sei sation des führten Weg dem Verständnis legt. nur noch erwähnt, daß die chronogene Lokali- Engrammschatzes nicht nur aus den oben ange- psychologischen und physiologischen Tatsachen als ein notwendiges Postulat zu erschließen ist, sondern daß sie auch, ähnlich wie die topogene graduelle Lokalisation, durch
Die ninemischen Empfindungen. 284 pathologischen Tatsachen bewiesen wird. die Schädigungen des Nervensystems, Nach akuten z.B. Gehirnerschütterungen, schweren fieberhaften Erkrankungen usw. zeigt sich häufig der Engrammschatz nicht nur vom Beginn der Schädigung an ihrer Ausheilung in bis zu einem pathologisch veränderten Zustande, sondern diese pathologische Veränderung erstreckt sich auch zurückgreifend auf die vor dem Insult niedergelegten zunächst und bis dahin völlig normalen Teile des schatzes. das heißt Engramm- Die Engrammschichten, deren Erzeuger dem Insult unmittelbar vorausgingen, zeigen sich vernichtet, und sie sind, am meisten geschädigt, wie der weitere Verlauf zeigt, zwar nicht aber haben ihre Ekphorierbarkeit ganz oder fast ganz verloren. Je weiter in der zeitlichen Entstehung Insult entfernt, das heißt, je früher weniger zeigen sich die Engrammschichten wahrnehmbar verändert. sich nur in alteriert, dem älteren Engrammschichten, die chronogen nate vorhergingen, zeigen vom ihm vorhergehend, umso- Insult und die um Mo- sehr seltenen Fällen In umgekehrter Weise erfolgt dann die Heilung der Schädigung. Zuerst werden die vom Insult chronogen entfernteren, dann sukzessive die ihm näheren und nächsten Engrammschichten wieder ekphorierbar. in seinem interessanten Werk über die Ribot hat Störungen des Ge- dächtnisses (deutsche Ausgabe 1882) wohl zuerst auf die Be- deutung dieser eigentümlichen Tatsachen aufmerksam macht und aus ihnen sein »Gesetz der Regression« ge- hergeleitet. Ein besonders markanter Fall dieser Art wurde von Forel beobachtet und von Naef in der Zeitschrift für Hypnotismus beschrieben 1; in diesem Fall griff die Unmöglichkeit, den vor der Erkrankung erzeugten Teil des Engrammschatzes zu 1 5, Auch ausführlich Aviedergegeben in A. Forel, Aufl., 1907, S. 215-233. Der Hypnotismus,
Wiederholung als Vorbedingung für mnemische Homophonie. 285 ekphorieren, auf Schichten zurück, die viele Monate vor der Erkrankung erzeugt waren. Diese pathologischen Erschei- nungen der »retrograden Amnesie« sowie auch die oben schon charakterisierte gleichen, Art, wie sie sich allmählich wieder aus- weisen also ebenfalls mit Bestimmtheit auf eine gewisse chronogene Lokalisation des Engrammschatzes hin. Ein ausführliches Eingehen hierauf der Mneme vorbehalten. sei aber der Pathologie
Sechzehntes Kapitel. Manifestation der nicht differenzierenden Homopliouie. Abstraktion durch Homophonie. Das Hauptergebnis der Untersuchung des vorigen Kapitels besteht in der Erkenntnis, daß jede (wie wir noch sehen werden nach angemessener Pause erfolgende) Wiederholung einer Erregung, sei es in Form einer Origiualerregung , sei €S einer mnemischen Erregung, nach ihrem Ausklingen ein entsprechendes neues Engramm jüngsten Datums zurückläßt, das sich in die zuletzt gebildete simultane Engrammschicht einfügt und sich bei homophon erneuter Ekphorie Vorgängern hinzugesellt. Hieraus erklärt sich ordentliche Wirkung der Wiederholungen auf kommnung der mnemischen Leistungen. die die seinen außerVervoll- Denn mit der Zahl der homophon zusammenklingenden Empfindungen steigt, wie wir sehen, zwar in der großen Mehrzahl der Fälle nicht die Intensität im engeren Sinne, stets aber in ausgesprochenem Maße die Vividität der homophonen Gesamtempfindung. Irgend ein mir durchaus gleichgültiger optischer Eindruck, der sich täglich wiederholt, und dem ich vielleicht niemals eine eigentliche Beachtung geschenkt habe, wirkt doch schließlich durch die Häufigkeit der Wiederholungen mir die geringste Veränderung an ihm sofort auffällt, so, daß daß ich ihn ferner nach vielen Jahren sofort wiedererkenne und daß, wenn ich ein gutes visuelles Gedächtnis habe, ich ihn mir 1
Nicht differenzierende Homophonie. ohne Mühe lebhaft vor das geistige Auge zu viel lebhafter als einen seltner stellen vermag, wenn auch mit größerer Auf- merksamkeit betrachteten Anblick. unter ganz besonderen 287 Abstraktion. Nur Einzeleindrücke, Umständen aufgenommen, zum die Beispiel mit starker Lust- oder Unlnstbetonung versehen sind, können bei der mnemischen Reproduktion mit der Vividität der Re- produktion solcher an sich höchst gleichgültiger aber durch homophonen Zusammenklang außerordentlich gesteigerter Ein- drücke konkurrieren. Wir können getrost sagen : Je größer die Zahl der homo- phonen Empfindungskomponenten, beziehungsweise, v^enn wir die Genese dieser Komponenten zum Ausdruck bringen wollen, je größer die Zahl der vorausgegangeneu Wiederholungen, so vivider unter sonst Homophonie Es gleichen Bedingungen die aus um der resultierende Gesamtempfindung. gibt eine große Anzahl experimenteller Feststellungen, auf die ich unten kurz zurückkomme, aus denen sich unmittelbar oder mittelbar eine Bestätigung des eben ausgesprochenen Doch bedarf Satzes ergibt. schaftlichen Apparats, Erfahrung ihn fort und um es eigentlich gar keines wissen- ihn zu beweisen, da die alltägliche fort bekräftigt. Wie schattenhaft sind beispielsweise die meisten unserer mnemischen Empfindungen, wenn es sich indifferenter um einmalige, Natur handelt. etwas zurückliegende Eindrücke Wie unvergleichlich vivider sind solche Reproduktionen ebensoweit zurückliegender indifferenter und ebenso Eindrücke, wenn die letzteren seinerzeit nicht einmal, sondern häufig stattgefunden haben, wenn wir über jenen an sich gleichgültigen und uncharakteristischen Platz nicht einmal, sondern hundertmal gewandelt sind'. 1 Ich mache darauf aufmerksam, daß eine Erklärung dieser Erscheinung durch die Annahme, bei jeder Wiederholung werde das
Die mnemischen Empfindungen. 288 Wenn es sich um mischer Empfindungen Beispiel, tritt die Homophonie eine wie im handelt, lediglich eben mue- angeführten Verstärkung der Vividität mit dem Anwach- sen der Zahl homophoner Komponenten ohne weiteres zu Tage. Die Zunahme der Vividität bei der Homophonie der Originalerapfiudungen unter sich haben wir schon im fünften Kapitel S. 94 ausführlieh Sehr unzweideutig kann ich erörtert. sie an mir beim Vergleich des Hörens mit einem und mit zwei Ohren beobachten, aber noch wenn man tage, viel überzeugender tritt sie zu- einen Geruchsreiz von gleicher Konzentra- andere Mal aber durch tion einmal nur durch das eine, das beide Nasenlöcher zuführt. Eine Zunahme der Vividität dagegen dann nicht ist ein- wandfrei nachzuweisen, wenn zu einer kräftigen Original- empfindung eine oder zahlreiche, ja ein ganzer Chor homophoner mnemischer Empfindungen tritt. Kein Mensch wird von sich angeben, er habe unter sonst gleichen Bedingungen von einem in guter Beleuchtung und entsprechender Nähe zum hundertsten Mal sieht, wenn betrachteten Bild, er es eine lebhaftere Empfindung, als wenn wahrnimmt. Ebenso wird einem Vividität einer zum ersten oder Melodie ergehen. Aber man zieht, in Rechnung es ist als ersten Mal der zum hundertsten Mal gehörten wenn dies ist nur selbstverständlich, daß die Vividität einer gut ausge- sprochenen Originalempfindung mäßig stärker zum beim Vergleich er es in der diejenige einer Regel so unverhältnis- mnemischen Empfindung oder eines ganzen homophonen Chors mnemischer Empfin- vorhandene Engramm durch Zunahme der »Umlagerungserleichverstärkt oder es fände ein immer voUkommneres »Ausschleifen« ein und derselben Bahn statt, aus den S. 281 dargelegten Gründen vollkommen auszuschließen ist. bereits terung«
Nicht differeuziereude Homophouie. Abstraktion. 289 düngen, daß der Zuwachs, den das Hinzutreten dieses ganzen Chors bedingt, zu gering um ist, Ganz anders aber verhält um Wie wir oben handelt. Originalempfindungen auch nur wie wir ebenfalls nur die für homophonen in Vividität von die »Intensität« das, Form einfachen dieser Derartige gilt. gewinnen Hinzutritt mnemischen Vividität Verhältnis, ein Intensitätsgrade durch es sich besitzen schwacher äußerst oben sahen, geringer haben, Vividität, Originalempfindungen an ordentlich von niedersten wenig vivide äußerst ausgeführt schwache eine wenn sich die Sache, von (3riginalempfindungeu bemerkbar zu machen. sich nun außer- eines stärkeren Empfindungen. Bei sehr mangelhafter Beleuchtung sehen wir die Farben eines Chors uns gut bekannten Bildes entschieden deutlicher als die eines daneben hängenden unbekannten. fernen, kaum hörbaren Tönen. Ebenso geht es uns mit Sobald wir wissen, was sie zu bedeuten haben, welcher Melodie sie angehören, werden sie auch deutlicher, sofort weil den Originalempfin- sich dungen der homophone Chor der mnemischen hinzugesellt. Ähnliches läßt sich auch für wenig vivide Geruchs- Geschmacksempfindungen nachweisen. eine dankenswerte und nicht und Es würde übrigens allzu schwierige Aufgabe sein, diesen Gegenstand experimentell weiter zu behandeln, und der Vividität ebenmerklicher Originalemp- die Verstärkung findungen durch Homophonie mit mnemischen Empfindungen schärfer zu präzisieren. Wir können also getrost sagen, ferenzierende Homophonie auf daß sich dem Empfindungsgebiet mein durch eine Verstärkung der Vividität manifestiert Reaktionen sich oder, Semon, Mneme. II. aber auch vielleicht die nicht difallge- manifestiert. durch eine Anzahl besser gesagt, objektiver durch 19 Sie gewisse
290 I*i6 mnemischen Empfindungen. Diese verschiedene Mani- Modifikationen solcher Reaktionen. festationsart bedeutet aber nichts Eigenartiges, Neues, sondern ist nur eine andere Ausdrucksform derselben Eigentümlichkeit. Ehe wir hierauf näher eingehen, müssen wir einen Blick Frage der Abnahme bzw. Steigerung auf die Vividität, andrerseits der Intensität her werfen. Wenn einerseits der von der Erregungsseite wir betont haben, daß sich die muemische Reproduktion von ihrem Original, abgesehen von der verschie- denen Auslösung, wesentlich nur durch eine Abschwächung ihrer Vividität unterscheidet, so bezieht sich diese Ausdrucks- Die mnemische weise zunächst auf das Empfiudungsgebiet. Empfindung weniger vivid Bedingungen viel entsprechende Originalempfindung. Wie unter ist als die sonst verhalten sich aber dazu die gleichen Erregungen, durch die die betreffenden Empfindungen zur Manifestation gelangen? Natur- gemäß muß auch die mnemische Erregung, die durch eine weniger vivide Empfindung manifestiert wird, als es die ginale Empfindung abgeschwächt ist, ori- im Vergleich zur originalen Erregung sein. Nun haben wir bereits oben an verschiedenen Stellen daraufhingewiesen, daß zwischen der Vividität und der Intensität einer Empfindung scharf zu unterscheiden ist. Diesem Unterschied müssen natürlich auch auf physiologischem Gebiet verschiedene Charakteristika der durch die manifestierten Erregungen entsprechen. sich die Abschwächung, die im Vergleich zur originalen Vividität, nicht oder sität. Wie wir die reproduzierte erleidet, Empfindungen sahen, bezieht Empfindung wesentlich nur auf ihre wenn, dann nur indirekt, auf ihre Inten- Die Abschwächung der Erregung beim der mnemischen mit der originalen betrifft wesentlichen auch nur die Vividitätsseite. Vergleich naturgemäß im Auch bei der
Nicht differenzierende Homophonie. 291 Abstraktion. Erregung haben wir das Korrelat der Vividitätsab8chwächuDg vom Korrelat der Intensitätsabschwächung zu unterscheiden und nur das erstere als für die Reproduktion charakteristisch zu betonen. Ein Eingehen auf diese Fragen, so verlockend es tieferes würde uns hier zu weit führen. dazu eine Gelegenheit. v^äre, Vielleicht bietet sich später wenn Ich betone hier nur, daß ich im folgenden von Abschwächung der Erregungen bei der Reproduktion mit diesem Ausdruck das Korrelat spreche, der Vividitätsabschwächung gemeint Charakteristisch dieser für die ist. Homophonie daß nun, ist sie Abschwächung, die die mnemische Empfindung bzw. Erregung im Vergleich mit der originalen erkennen entgegenarbeitet. Ich habe Ä komplex [oy], B z. C (or); B. einen originalen (or), D (or), E läßt, Empfindungserlebt, (or) der nach seinem Auskliugen den entsprechenden Engrammkomplex A B (engr), hat. (engr), C (engr), C Später einmal wird originale D (engr), E (engr) zurückgelassen (engr) ekphoriert und zwar durch Wiederkehr der Komponente Die Ekphorie des Engramms C (engr) C, also ergibt sich daß außer dem durch direkten Reiz ausgelösten C fmni ist. wird. in Gestalt der Homophonie ^ Dies ergebe sich daraus, daß H\'(7 ^ C (or) } C durch C j (or). daraus, (or) auch vorhanden (mn)/ »wiedererkannt« (Auf den Prozeß des Wiedererkennens selbst gehen wir erst im folgenden Kapitel komplexes A (engr) — Der Rest des Engramm- ein.) E (engr) bleibt aber unekphoriert, bzw. es erfolgt keine Manifestation dieser Ekphorie. macht nun häufig die Beobachtung, und man kann experimentell bestätigen nur einmal erzeugten , daß wenn es sich nicht Engrammkomplex, sondern 19* Man sie leicht um einen um eine
: 292 mnemisehen Empfindungen. I^iß die sich bei der Ekphorie Vielheit handelt, sammenordnet, die Ekphorie einem, bei C von sagen (engr) nicht wir homophon öOstimmigen zu- Chor den Effekt: Ci_5o (mn) sondern D ^i_5o (mn), (7i_5o (mn), lind bei ,_5o (mn) einem 100 stimmigen Chor den Effekt: A-ioo (mn), -E'i_ioo (mn) mit einem Wort immer vollständigere Ai_ioo(mn), 5i_ioo(mn\ 6'i_ioo (mn), hervorruft. Es erfolgt Ekphorie des gesamten Simultankomplexes. wir, Teils Ferner vpissen daß die Ekphorie eines Simultankomplexes oder eines desselben bei hinreichender Stärke der mnemisehen Erregungen mit Notwendigkeit die Ekphorie seines unmittelbaren Nachfolgers nach sich zieht. oder des entsprechenden Teils desselben Da nun die Vividitätssumme der mnemisehen Erregungen, wie wir sahen, mit der Zunahme des homo- phonen Chors wächst, so hat diese Zunahme auch den Erfolg, die sukzessiven mnemisehen Abläufe zu befördern. In der psychologischen Literatur werden diese Beziehungen gewöhnlich in anderer Weise aufgefaßt und ausgedrückt. Man sagt nicht, daß die Vollständigkeit der Ekphorie eines Simul- tankomplexes und im Anschluß daran auch seines Nachfolgers mit der Zunahme der homophon zusammenwirkenden Kompo- nenten wächst, sondern was die man Homophonie genetisch legt den Nachdruck auf das, bedingt, nämlich die Wieder- holung des Reizes bzw. der Erregung, und spricht ferner nicht von der möglichst vollständigen Ekphorie eines Simul- tankomplexes, sondern faßt die Einzelkomponeuten des plexes ins Auge und sagt, die Kom- Wiederholungen begünstigten das Auftreten von Assoziationen (richtiger von Ekphorien auf dem Wege simultaner Assoziation), sie stärkten oder festigten
Nicht differeuziereude Homophonie. Abstraktiou. 293 Diese Ausdrucks weise, in der diese Assoziatiouen. man ja au sich eine Wiedergabe wenigstens eines Teils des Tatbestandes erblicken kann, die ihn aber weder vollständig noch in ganz richtigem Lichte Mangel eines Einblicks die verschiedenen mit einem Wort darstellt, ist in das Wesen der Homophonie, in »Umlagerungserleichterung« eine Bahnen« der derartiger angenommen Das, was Die ich wir an deren diesem Zusammenhang oder wird. Anschauungen habe nachgewiesen. Bedeutung der durch Wiederholungen geschaffenen Dispositionen, von den meisten Autoreu Stelle zurückzuführen auf den in die eigentliche »Ausschleifen ein Undurchführbarkeit oben bereits selbst als die (S. 281) eigentliche Grundlage dieser Erscheinungen betrachten, können wir folgenden kurzen Sätzen zusammenfassen: Jede muemische Empfindung bzw. Erregung und jeder mnemische Ablauf im Vergleich zum originalen Durch Schaffung zahlreicher ceteris in ist paribus abgeschwächt. Engramme häufiger mittels Wiederholung der Erregung und durch die durch Ekphorie dieser Engramme bedingte Homophonie kann man die mne- mischen Empfindungen und Abläufe wiederum verstärken. Wir betreten das in einzelnen sorgfältig den hier ein seiner weites und interessantes Abschnitte durchgearbeitet worden bereits oben besprochenen ist, experimentell Gebiet, bereits und auf dem außer grundlegenden Resultaten von Ebbinghaus noch viele andere schöne Früchte geerntet sind. Ebbinghaus* war der erste, der hier streng experi- mentell vorging und in seiner »Ersparnismethode« ein sehr zuverlässiges und auch verhältnismäßig empfindliches Maß- verfahren entwickelt hat. ^Man läßt Reihen, die teilweise aus solchen vorher assoziierten Gliedern 1 H. Ebbinghaus, Über das Gedächtnis. ganz oder zusammen- Leipzig 1885.
Die mnemischen Empfindungen. 294 gesetzt sind, bis zur ersten Reproduktion erlernen, fest, welche Ersparnis von Wiederholungen dabei verglichen mit dem und stellt stattfindet, Erlernen gleichartiger Eeihen unter gleich- artigen Umständen, zwischen deren Gliedern noch keine Asso- In mancher Beziehung der Ersparnis- ziationen bestehen« ^ methode noch vorzuziehen ist die »Treffermethode« von Müller und Pilzecker 2. Sie besteht darin, daß man den Versuchspersonen die engraphisch aufzunehmende Reihe eine gewisse Anzahl von Malen und ihnen dann später darbietet, einzelne Glieder dersel- ben vorzeigt und sich darauf das jeweilig folgende Glied angeben läßt. Die richtigen Antworten außerdem kann auch (Treffer) werden gezählt, die Zeit bestimmt werden, die jedesmal bis erforderlich war. Endlich gibt es noch zum Eintritt der Reaktion eine dritte Methode, die der »Hilfen«, die vonEbbinghaus (a.a.O. 1905) ausgebildet methode Das bildet. Es besteht dasselbe. und sozusagen das Negativ der ist der Häufigkeit, Grundprinzip aller dieser in der in Treffer- Methoden ist Ermittlung der Beziehung zwischen zweiter Linie auch der Verteilung der Wiederholungen zur Vollständigkeit und Promptheit (Schnelligkeit) der In der Ermittlung dieser Beziehungen Reproduktion. und verwandten Fragen einiger anderer ist man mit Hilfe der erwähnten und Methoden recht weit gekommen. Zum Teil handelt es sich bei diesen Untersuchungen allerdings nur die schärfere Präzisierung die alltägliche Erfahrung sind, die aber pädagogische 1 2 1900. gegeben und allgemein angenommen durch diese schärfere Präzisierung für Zwecke voll verwertbar werden. H. Ebbinghaus, Grundzüge der Psychologie. 2. Zum Teil 1. Bd., Beiträge zur Aufl., Leipzig 1905. S. 647. Lehre erst um von Tatsachen, die bereits durch Gr. E. Müller vom und A. Pilzecker, Gedächtnis, Zeitschr. f. Experimentelle Psj^chologie, 1. Ergänzungsband,
Nicht differenzierende Homophonie. haben sich aber 295 Abstraktion. auch verschiedene neue Funde ergeben, von denen allerdings keiner an Wichtigkeit an die Feststellungen von Ebbinghaus aus dem Jahre 1885 über die sogenannten Nebenassoziationeu und rückläufigen Assoziationen S. (vgl. oben 204) herankommt. Als besonders interessant erwähne ich die Ermittlungen von Ebbinghaus \ Jost^, Müller und Pilzecker 3 sowie Lipmann* über die Unterschiede, die sich für das Keproduktionsresultat aus der verschiedenen Verteilung der Wiederholungen ergibt. Es ist eine auswendig leichter daß allbekannte Tatsache, lernt, wenn man man beschäftigt. Natürlich wird man Gedicht am Tage wenn man sich sich viermal zu verschiedenen Zeiten je 15 Minuten, als hintereinander eine Stunde lang mit ein dem Auswendiglernen geneigt sein, bachtungstatsache lediglich auf die Wirkung der diese Beo- Ermüdung und das Nachlassen der Aufmerksamkeit zurückzuführen, der ja ein so bedeutender Einfluß auf die Vividität der Original- empfindungeu und damit auf die gute engraphische Wirkung derselben zukommt. Durch sinnreiche Versuchsanordnung wußte aber Jost diese Variable ganz auszuschalten und fand, daß trotzdem eine Verteilung der Wiederholungen über längere Zeiträume, also eine Unterbrechung der Engraphie durch längere Pausen von sehr bemerkenswertem Einfluß auf die Vervollkommnung der reproduktiven Leistung war. Meiner Ansicht nach ergibt sich aus diesen Versuchen mit 1 a. a. 0., 1885, S. 121. A. Jost, Die Assoziationsfestigkeit in ihrer Abhängigkeit von der Verteilung der Wiederholungen. Zeitschr. f. Psychologie, 14. Bd., - 1897. 3 a. * 0. Zeitschr. 0., S. 232—243. Lipmann, Die Wirkung a. f. der Psychologie, 35. Bd., 1904. einzelnen Wiederholungen.
296 I^ie mnemiscbeu Empfindungen. großer Bestimmtheit die Tatsache, daß die Empfänglichkeit engraphische der reizbaren Substanz immittelbar nach Schaffung eines neuen Engramms durch eine bestimmte Er- regung eben dieser P>regung gegenüber stark herabgesetzt und sich Den Einfluß ist nach einiger Zeit allmählich wiederherstellt. erst der Wiederholungen auf die Vervollkommnung der Keproduktiou führten wir in erster Linie auf die Schaffung Eugramme neuer Da nun stärken. zurück, den homophonen Chor ver- die aber die engraphische Empfänglichkeit der reizbaren Substanz für eine bestimmte Erregung immer erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit nach Schaffung eines bezüglichen Engramms durch erreicht, werden diese Engramme bei unablässiger Wieder- holung der und können betreffenden in größter Höhe diese Erregung ihre frühere Erregung immer unvollkommener Vollkommenheit nur bei einer durch angemessene Pausen unterbrochenen Wiederholung erzeugt werden. Eine Fortführung dieser Betrachtung würde noch manche interessanten Einblicke gewähren, müßte aber auf breiter Basis und unter Heranziehung des gesamten vorliegenden Beobachtungsmaterials erfolgen, fuhren. das, Das, was ihr was die und dies würde uns Engraphie überhaupt fördert entgegenwirkt, die weit hier zu störenden und sowie zerstören- den Einflüsse auf die bereits gebildeten Engramme sowohl unter normalen Bedingungen (z. B. durch den Zeitverlauf) als auch unter pathologischen Verhältnissen werde Pathologie der Mueme einer ich näheren Untersuchung in der unter- ziehen. Von weniger großem Interesse für die uns hier beschäf- tigenden Grundfragen sind die an sich ebenfalls sehr interes- santen Feststellungen, ob es für die engraphische Festhaltung
Nicht differenzierende Homophonie. einer Keihe günstiger dargeboten wird ist, (vgl. L. daß im Ganzen oder sie Steffens ^ 297 Abstraktion, in Teilen sowie Eberth undMeumann^), welchen Einfluß der Rhythmus auf die engraphische Festhaltung und Leichtigkeit der mnemischen Reproduktion hat besonders M. V. Smith ^ sowie Müller und Schumann-*), (vgl. welchen Unterschied es für die P^inprägung ausmacht, ob es um sich Gemenge ein sinnlos zusammengewürfelter Kompo- nenten handelt, oder ob eine sinngemäße Verbindung derselben dadurch außerordentliche Hilfen gewährt, von Hilfsassoziationen zur Verfügung stellt daß sie und ein Heer ferner eine willkommene Teilung sowie Zusammenfassung eine in als der Natur der Sache liegende Gabe mit sich bringt s. Für die folgen, dem die wir in Ziele, vorliegenden Buche ver- haben diese an sich bedeutsamen Fragen, bei denen es sich vielfach um ein höchst kompliziertes Ineinandergreifen sehr verschiedenartiger Einflüsse handelt, keine grundlegende Bedeutung. Wer sich über diese Fragen näher zu orientieren wünscht, findet vorzügliche kritische Darstellungen bei Claparede'' und bei Ebbinghaus sowie endlich bei Offner". (a. a. 0. 1905, Die Bibliographie S. 633—724), ist bis zum Lottie Steffens, Experimentelle Beiträge zur Lehre vom ökonomischen Lernen. Zeitsehr. f. Psychologie. 22. Bd., 1900. ~ E. Eberth und E. Meumann, Über einige Grundfragen der PsychoArchiv logie der Übungsphänomene im Bereiche des Gedächtnisses. 1 f. d. ges. •^ Psychologie, 4. Bd., Heft 1, 2, M. V. Smith. Rhythmus und Arbeit. 1904. Wundts Philosoph. Studien, 16. Bd., 1900. * G. E. Müller und F. Schumann, Experimentelle Beiträge zur Untersuchung des Gedächtnisses. Zeitsehr. f. Psychologie, 6. Bd., 1894. 5 Vgl. außer Ebbinghaus, Müller und Schumann, M. V. Smith, a. a. 0. noch Binet et Henry, La memoire des mots. La memoire des phrases. L'annee psychologique, 1. Bd., 1894. '' • E. Claparede, L'associatiou des idees. M. Offner. Das Gedächtnis. Paris 1903. Berlin 1909.
Die mnemischen Empfindungen. 298 Jahre 1898 mit großer Vollständigkeit von Kennedy an von Reuther^ Auch zusammengestellt. Monographie von Claparede findet sich am in der ', von da kleinen Schluß eine gute Zusammenstellung der einschlägigen Literatur. Die Technik der experimentellen Gedächtnisforschung Studium der Wirkung der »Wiederholungen* bei ihrem immer fast daß diese Wiederholungen aus neuen so vorgegangen, originalen Erregungen bzw. Empfindungen bestanden. der Tat werden auf diese Weise gramme erzeugt und somit die ders reiche und demzufolge geschaffen. ist Doch genügt die kräftigsten neuen Bedingungen In En- für eine beson- wirksame spätere Homophonie bei den Wiederholungen zur Er- zeugung neuer Engramme und somit Schaffung von Homophoniebedingungen die bloße Wiederkehr der mnemischen Erregung, wie wir dies schon oben an verschiedenen Stellen ausgeführt Damit stimmen auch haben. beim »Lernen« überein. Wir alle die Erfahrungen wissen, daß wir besser beim Memorieren den Lernstoff laut herzusagen. tun, dadurch bedingten akustischen und kinaesthetischeu Die Ori- ginalerregungen schaffen bei jedesmaliger Wiederholung ent- sprechend kräftige neue Engramme. wir zur Not auch mit Aber wir wissen, daß stummem Memorieren vorwärts kommen, obwohl der Erfolg entsprechend der geringeren Wirksamkeit engrammerzeugenden Erregungen der vieles schwächer diesen Punkt, z. ist. 1 Fr. diesem Falle um Experimentelle Untersuchungen über B. Vergleiche, regung die mnemische in um v^ie vieles die originale in der Eigenschaft als Er- Erzeugerin von Kennedy, On the Experimental Investigation of Memory. Psych. Review § 477-499, 1898. 2 Fr. Reuther, Beiträge zur Gedächtnisforschung. logische Studien, 1. Bd., 1904. Wundts Psycho-
Nicht differenzierende Homophonie. Engrammeu und Verbessererin der Reproduktion gen meines Wissens noch nicht vor. Aufgabe Ehe sein, hier die ich die 299 Abstraktion. übertrifft, lie- Es würde eine interessante genauere Maßformel festzustellen. Frage nach der Wirkung der Homophonie ibzw. der sie genetisch bedingenden Wiederholungen) auf die Vividität der mnemischen Empfindungen und überhaupt auf Vervollkommnung der mnemischen Reproduktion die verlasse, möchte ich noch auf einen Einwand eingehen, der meinen Ausführungen vielleicht entgegengehalten werden könnte. Die Wiederholung wirkt, wie ich nachgewiesen zu haben glaube, vor allem dadurch, daß sie neue Engramme schafft; diese ordnen sich bei ihrer Ekphorie zu mnemischen Erregungen homophon zusammen und bewirken dadurch bezug auf in ihre Empfindungsmanifestation eine Steigerung der Vividität der Empfindungen. Widerspricht dem aber nicht die Tat- sache, daß, je öfter ein Ablauf stattgefunden hat, er nicht um nur fälliger, so leichter um so und sicherer, sondern um auch so unauf- schwächer oberbewußt, vonstatten gehen kann? Ich könnte das an allen möglichen mnemischen Abläufen demonstrieren, die durch mehr oder weniger objektive Reaktionen, durch Handlungen der verschiedensten Art zur Mani- festation gelangen. mau ein in Ich will hier nur Fleisch und Blut daran erinnern, daß an übergegangenes Gedicht, ganz anderes denkend ableiern, eine sehr vertraute Melodie nahezu unbewußt vor sich hinträllern oder nahezu automatisch auf dem Klavier spielen kann. allen diesen Fällen die Es könnte scheinen, daß Homophonie, oder wenn man in sich genetisch ausdrücken will, die Häufigkeit der Wiederholung die Vividität der Empfindungen herabgesetzt Dieser Schluß wäre hätte. aber durchaus unrichtig. setzung der Vividität der Empfindungen ist in Die Herab- diesen Fällen ^ .
Die muemiscben Empfiudimg'en. 300 nicht etwa das immittelbare sie ist eine sekundär Werk der Homuphouie. sondern zustande deren Giund leicht zu erkennen kommende Erscheinung, Durch Homophonie ist. die finden wir nämlich, wie schon oben auseinandergesetzt, ganz allgemein die und Promptheit der Kepro- Vollständigkeit duktion in allen Kichtungen Eine homophone gesteigert. Vielheit mnemischer Erregungen wirkt energischer ekphorisch auf die simultan und sukzessiv assoziierten Eugramme, als die entsprechende Einzelerregung es tut. Erregungsabläufe erfolgen infolgedessen sicherer, je stärker Alle um mnemischeu so leichter und jede einzelne Stimme homophon besetzt Je leichter und sicherer aber ein solcher Ablauf erfolgt, um eher kann er der Leitung der Aufmerksamkeit entbehren, mehr kann man so die letztere ist. so um von ihm ab und anderen Original- und mnemischen Empfindungen zuwenden, so daß schließlich die den Erregungsablauf selbst manifestierenden Empfindungen fast ganz oder ganz unter die Schwelle des Oberbewußtseius sinken kijnnen. Denn jeden Augenblick Können, aber nicht müssen! man imstande, wenn man dem Ablauf seine ist Aufmerksamkeit wieder zuwendet, auch die betreffende Empfindungsmanifestawieder zur normalen Stärke zurückkehren zu lassen. tion erhöhte Sicherheit des erlaubt also nur als eine sekundäre Folge die Ausschaltung der*. Aufmerksamkeit und damit Empfindungsmanifestation, ui'd Die homophon verstärkten Erregungsablaufs kann ebensogut mit sie ihr wie Wir haben mit einem Wort uns, wie er sich bei eine Herabsetzung seiner verlangt sie aber keineswegs dem von uns ohne hier sie einhergehen. wieder einen Fall vor in der Einleitung (S. 12, 13) auseinandergesetzten Verhältnissen zwischen Empfindung und Erregung unter Umständen leicht ergeben kann. Es ist der Fall,
Nicht difterenzierende Homophonie. Abstraktion. 301 daß eine einzelne unter bestimmten Bedingungen vorliegende Emptindungsmanifestation einen nur sehr unvollkommenen Einblick den nicht nur aus in Daten ihr, sondern auch aus anderen zu erschließen den Erregungsvorgang gev^ährt. serem Fall ist Homophonie es die durch die samkeit der Erregungen, die zwar in In un- gesteigerte dem prompten und Wirk- unbeirr- baren Ablauf der Erregungen durch ihre sonstigen Reaktionen (motorische Reaktionen usw.) zutage tritt, deren Emptindungs- manifestation aber unter den geschilderten besonderen Umstän- den in den Hintergrund treten, ja ich wiederhole: kann, nicht ganz verschwinden kann. Aber muß. Die Giltigkeit des Satzes, daß unter sonst gleichen Bedingungen finduugsmanifestation durch die Vividität der Homophonie Emp- gesteigert wird, wird also durch diese besonderen Konstellationen, bei denen eben durch die (allerdings erst durch die Homophonie ermöglichte) Ausschaltung der Aufmerksamkeit die Bedingungen wesentlich geändert sind, in keiner Weise aufgehoben oder eingeschränkt. Zum Schluß haben wir noch eine besondere Eigentüm- lichkeit der nicht differenzierenden fassen. Werden eine so unbedeutend differenzierende Auge zu vollkommen gleich aber doch auch verschieden sind, Homophonie den, so geht dieser ins Anzahl von mnemischen Empfindungen, die untereinander nicht nur Homophonie daß sie eine nicht gestatten, solchergestalt Vorgang stets mit einer empfun- Verwischung der in diesem Falle nicht beachteten Unterschiede vor sich. Mau kann sich diesen Vorgang bei der nicht differenzierenden Homophonie zweier Originalempfindungen durch die binokulare Deckung der beiden umstehenden Marken vor Augen Die Deckung der beiden vom rechten und vom ausgelösten Empfindungen kann Kreuzen der Augenachsen, man oder führen. linken Auge dabei entweder durch zweckmäßiger, weil für
Die mnemischen Empfindungen. 302 längerdauernde Beobachtung bequemer, durch Benutzung eines Stereoskops oder Haploskops erzielen. Davon, daß vollkommene Deckung eingetreten zeugt man sich sodann dadurch, daß man ist, feststellt, über- ob man '^^ li^^J sowohl die zentralen Teile der Marke, auch den äußeren, als von einer Reihe schwarzer Punkte auf weißem Grunde gebildeten Rahmen Deutlichkeit sieht, während bildes (innerhalb des befindet, auf und einfach in Rahmens) in in Rahmen dem die einem Zustand der Unruhe daß im Zentrum der Marke Marke umgebenden die beiden zur es zu einer vollkommen un- Homophonie kommt. Die resultierende Erapfindungs- daß manifestation zeigt sich als ein Bild, das blick in allen zeichnerisch seinen Details wiedergeben Peripherie der eigentlichen punktierten Rahmen). in schwarzpunktierten Deckung gebrachten Empfindungen so übereinstimmend sind, gestörten Marken- den wir gleich noch näher eingehen werden. Die Dinge liegen dann so, nnd vollkommener Ruhe und sich die Peripherie des in jedem Augen- mit der größten Genauigkeit kann. Marke Anders verhält (innen von sich die dem schwarz- Dort herrscht stellenweise, das heißt manchen Empfindungsfeldern, der beiden zur man ebenfalls Übereinstimmung Deckung gebrachten Empfindungen, Feldern aber nicht, und wo letzteres der Fall ganz eigentümlicher Zustand, den man sich ist, am in anderen herrscht ein besten da-
Nicht differenzierende Homophonie. durch genauer klar machen kann, daß 303 Abstraktion. man sich bemüht, das Freilich wird Gesamtbild zeichnerisch wiederzugeben. mau dabei finden, daß auch in der Peripherie der Marke, selbst an Stellen, wo die beiden in dasselbe Empfindungsfeld getretenen Empfindungen einzige deutliche Dies sind, zeitweilig eine und ruhige Empfindung dann der ist verschieden Fall, wenn bei zusammen- dem in Erscheinung tritt. in diesen Bezirken herrschenden Wettstreit die eine Empfindung über die andere den entschiedeneu Sieg davongetragen eine Weile für Wenn man dann aber zu anderen Stellen wird zeichnerisch wiederzugeben versucht, bei finden, denen auch Ruhe und Bestimmtheit ehe Bild, man kommt und sie man stets einige Moment vollkommene einen nicht Bald erblickt herrscht. hat. man das eine es aber fassen kann, ist es durch das andere verdrängt, oder es entsteht auch für Augenblicke ein Mischbild, z. B. in einer Ecke eine durch scheinendes Viereck verschleierte Dies zweier das ist andere nicht einfach durch- 3, der Zustand bei einer Bilder, die soviel ein weißliches homophonen Deckung nur Gemeinsames haben, daß das eine ganz verdrängt, die aber doch stellenweise eine so ausgesprochene Verschiedenheit besitzen, daß an diesen Stellen streit gegeben ist. ein lebhafter Das Resultat und andauernder Wett- dieses Wettstreits ist in dem gegebenen Beispiel und wohl überhaupt immer dann, wenn eine liegt, Homophonie nur zweier mehr ein derartiger Empfindungen vor- Zustand der Unruhe und höchstens einer gewissen Unbestimmtheit als der einer ausgesprochenen Verwischtheit. Anders aber wird dies naturgemäß sein, wenn die Homophonie und der Wettstreit nicht zwischen zwei, sondern zwischen Dutzenden, ja Hunderten von in denselben Empfindungsfeldern auftretenden Empfindungen stattfindet, also in
304 I^ic mnemischen Empfiudungen. den unzähligen von uns oben behandelten Fällen nicht dififeren- Dann wivd notwendiger- zierender mnemischer Homophonie. weise bei der Menge der in Wettstreit befindlichen Empfindungs- komponenten im Bereich der betreifenden Empfindungsfelder nicht ein Zustand der Unruhe, sondern ein Zustand ausge- sprochener Verwischtheit herrschen. Dazu kommt noch ein zweites mentelles Beispiel habe ich Moment. Für unser experi- das durch das rechte und das durch das linke Auge ausgelöste Bild gleichfarbig gewählt. Hätte ich in in dessen links eine rote und rechts eine grüne, statt bezug auf ihre Konturen aber sonst gleiche Marke genommen, Anlehnung an die von Schenk zum Zweck binokularer ^ Farbenmischung gewählte Versuchsanordnung, so hätten wir bei Betrachtung des Bildes in den peripheren Teilen dieselbe Unruhe bzw. Unbestimmtheit wahrgenommen wie Innerhalb auf Seite 302. Bild überall da, wo des übrigen kein Wettstreit herrscht, mene Homophonie, hätte sich einem dunklen Grau gemischt. unserem Bildes, sondern das Grün mit Es bei also vollkom- dem Rot findet unter solchen zu Um- ständen bei der Homophonie eben eine Mischung bzw. Neutralisation der Farben Wir wollen nun für statt. die sich hieraus ergebenden Konsequenzen entsprechende aber komponentenreichere Fälle der mne- mischen Homophonie an einigen Beispielen erläutern. nehme habe, an, ich hätte ein in außerordentlich oft von einer betrachtet, dem ich lange Ich gewohnt bestimmten Stelle aus zu den verschiedensten Tages- und Jahreszeiten, wenn Schnee sein Dach bedeckte, wenn Vorgartens grün, wenn bei Sonnenlicht, 1 Landhaus, sie gelb und wenn die Bäume seines sie blattlos w^aren, grauem Himmel, im Nebel, im Regen und F. Schenk, Einiges über binokulare Farbenmischung. Marburg 1901.
Niclit differenzierende Homophonie. Abstraktion. 305 im Schneegestöber, bei Mond- und Laternenschein. nun das Bild dieses Hauses ekphorieren ich es tun, indem ich stelle, z. B. als ich es zum erhalte in zum erstenmal Engramm ein ich ich desselben ein- sah, oder als ich es später zeigte, oder endlich, als ich fortzog letztenmal nach ihm umwandte. determiniertes kann will, meine Aufmerksamkeit auf ein ganz be- stimmtes, zeitlich genau determiniertes einem alten Freund Wenn ganz konkretes, in und scharf umrissenes und mich In allen diesen Fällen jeder Beziehung genau Bild, das einem einzelnen, den Fokus der Aufmerksamkeit gestellten mnemischen Emp- tiudungskomplex entspricht, auf dessen Kosten die übrigen homophonen Stimmen ganz zurückgedrängt werden, wenn nicht überhaupt ihre Ekphorie unter diesen Umständen unterbleibt. Wird aber nicht auf die Komponente so ausschließlich eines bestimmten Simultankomplexes eingestellt, sondern läßt man Engramme alle jenes Anblicks des Hauses gleichmäßig homophon ansprechen, dann in dem erhält man ein Bild des Hauses, viele Einzelheiten der konkreten Einzelkomponenten undeutlich gemacht, weggewischt sind, ein Bild in gar keiner bestimmten Beleuchtung, auch im sonstigen Beiwerk unbekurz eine Art stimmt, abstraktes Bild des Hauses. Viel- kann sich dies nicht jeder ohne weiteres klar machen, leicht denn es gibt Personen, die gestellt sind, daß sie bei so auf konkretes Denken ein- jedem näheren Betrachten homo- phoner muemischer Empfindungskomplexe, besonders auf optischem Gebiet gern auf einen einzelnen Vertreter in einem besonderen Simultankomplex einstellen, wodurch natürlich unser Experiment zunichte gemacht wird. Auf akustischem Gebiet wird das Experiment aber wohl ohne weiteres gelingen. sich eine Sem 11, allbekannte Melodie wie: Mneme. II. vielen Ich denke, beinah jeder kann »Ich weiß 20 nicht, was
306 I^'G soll es rauemisehen Empfindungen. bedeuten«, so vorstellen, wie er sie einmal ein- oder vielstimmig gesungen, ein anderes Mal auf ein drittes dem Klavier gespielt, Mal von einem Blechorchester einem Garten- bei Er vermag aber auch, dieselbe konzert geblasen, gehört hat. Melodie sich abstrakt vorzustellen, sozusagen als Melodie sich, weder gesungen, noch vermag auch gespielt, ein Mensch, der die nicht etwa in der Lage sie ist, noch geblasen, und dies Noten gar nicht kennt, mit an dem inneren also Auge von einem vorgestellten mnemischen Notenbild abzulesen. Halten wir diesem eine nur ein oder wenige Male gehörte Melodie entgegen, vielleicht eine schön gesungene Opernarie oder einen von Dorfmusikanten getuteten Ländler, wie schwer ist es, eine solche Tonfolge bei der mnemischen Reproduktion von den charakteristischen Eigentümlichkeiten komplexes zu strakt zu befreien, sie mit dem ihres inneren Ohr ebenso ab- Es hören wie die tausendmal gehörte Melodie! bedarf schon einer weit größeren musikalischen um Simultan- Übung dazu, ohne Beihilfe der Homophonie diese Abstraktion vor- zunehmen. Derartige Prozesse, die innerungsbilder als zum Abstraktwerden unserer Er- Bilder führen, ohne daß der entschei- dende Schritt zum abstrakten Begriff bereits getan ist, sind Homovom Hund im Gegensatz zum außerordentlich häufig das Ergebnis von mnemischer phonie. Wenn wir allgemein Wolf sprechen, schwebt uns ebenfalls ein abstraktes Bild des Hundes, das Produkt der Homophonie von Tausenden von Eiuzelengrammen deutlichste vor. bewußt^ konkreten Hund, daß Ich ich persönlich dabei bin mir auf das mnemisch nicht einen auch nicht eine einzelne Hunderasse wie Bernhardiner, Teckel oder Jagdhund sehe, sondern ein recht verwaschenes Homophonieprodukt von mittlerer Größe und mit
Nicht diftereuziereude Homoplionie. 307 Abstraktion. allgemeiueu Huudemerkmalen, aber ohne die Merkmale einer bestimmten Rasse. Ahnlich geht es mir, wenn ich vom Menschen etwa im Gegensatz zum menschenähnlichen Atfen rede. jedes In »Mneme« der Ein Bilder hat etwas sozusagen Verallgemeinertes. dieser habe ^ ich es mit »jenen amerikanischen Photographien verglichen, die das Allgemeine eines Typus dadurch herauszubringen versuchen, daß sie eine große, sich deckende Anzahl von Aufnahmen verschiedener Köpfe auf Dieser Vergleich einer Platte vereinigen«. Er hinkt nur um insofern, als es sich bei ist ganz etwas starr Gewordenes, Stabiles, bei der Verallgemeine- rung durch Prototyp Homophonie um einen die in stetem Lebensprozeß handelt, für den belindlichen man 304 i Wechsel einfachstes als auf das Beispiel der zu homophoner lieber Deckung gebrachten, etwas verschiedenen Marken bis treffend. jenen Photographien (vgl. S. Bei diesem handelt es sich zurückgeht. bildliche Übertragung, sondern um um 301 keine- einen direkt dazugehörigen konkreten Fall von besonderer Einfachheit, der auch insofern sehr lehrreich ist, als Neutralisierung die denheit der beiden Empfindungen gleich bei der und Rot, schiede erfolgt. S. der Verschie- durch eine Art Aus- teils Homophonie (Entstehung von Grau aus Grün 304 , teils im Wettstreit Sicherlich durch Unbestimmtwerden der Unter- Konturen spielen beide in der Peripherie, Prozesse beim S. werden der Erinnerungsbilder durch Homophonie eine Selbstverständlich werden Ausgleich schwimmen der Unterschiede bei und einer 302) Abstrakt- besonders Rolle. Ver- mnemischeu Homo- phonie von sehr zahlreichen Komponenten viel vollkommener sein als unserer originalen Markenhomophonie von nur bei zwei Komponenten. 1 Mneme, 2. Aufl., S. 217. 20*
308 nmemischen Empfindungen. I^ie Schon in der »Mneme habe ich (S. 219) darauf aufmerksam gemacht, daß das Auftreten derartiger abstrakter Bilder der von abstrakten Begriffen. erste Schritt ist zur Bildung Ich habe das Zustandekommen von solchen gewissermaßen abakustischen optischen, strakten und sonstigen sinnlichen Bildern mittels muemischer Homophonie als »physiologische Abstraktion« bezeichnet und in dieser Abstraktion die Vorder läuferin oder begrifflichen logischen Abstraktion er- Ich möchte diese Bezeichnung aber aus verschiedenen blickt. »Abstraktion durch Homophonie« ab- Gründen jetzt in ändern. Ein derartiges Abstraktionsvermögen befindet sich durchaus nicht im Alleinbesitz des Kulturmenschen, sondern wird von jedem Australneger, jedem Weddah geübt, der ab- Begriffe noch nicht kennt, ja strakte sie ist überhaupt kein Monopol des menschlichen Geschlechts, sondern manifestiert auf sich verschiedenartigem Wege auch bei höher allen organisierten Tieren. Der Gedanke, daß eine Vorstellung dadurch einen allge- meinen, generischen Charakter annimmt, daß die einzelnen konkreten Erinnerungsbilder sich in Masse dem Geiste vorstellen, ist In seinem zuerst Avohl geistreichen Hume ausgesprochen Buch über Hume hat dann von Gedankengänge entwickelt, die sich, was worden. Huxley^ die Zurückführung der ersten Anfänge des Abstraktionsvermögens auf das Zu- sammentreten vieler konkreter Erinnerungsbilder anlangt, noch näher mit meinen oben gemachten Ausführungen über einfachste die Form der Abstraktion berühren. Vergleich mit den Typenphotographien, dene ^ Aufnahmen Th. Huxley, Macraillan & auf einer Platte Hume. London Co., 1902, S. 92—94.) 1879. Auch der die durch verschie- gewonnen werden, (Letzte Auflage, ist London,
Nicht differenzierende Homophonie. bereits von Huxley (a. a. 0. S. 95) Abstraktion. 309 gemacht worden. Ich hebe diesen Tatbestand hier ausdrücklich hervor und betone, daß die Priorität auch Hume in gebührt. diesem Punkte Huxley und ein wenig Unvergleichlich unbestimmter äußert sich W. Roux in einer entfernt an diese Vorgänger erinnernden Bemerkung seines bekannten Buchs: Der Kampf der Teile im Org:anismus. Leipzig 1881, S. 234. Roux hat die Darlegungen HuxleyS; die zwei Jahre vor seiner Äußerung erschienen sind, offenbar nicht gekannt. weitere Eindringen zichtet, ist in die Frage Währender auf jedes als Nichtfachmann ver- Vorgänger bereits zu einer verhältnismäßig sein klaren Anschauung des Problems vorgedrungen, aber auch dem englischen Biologen fehlt zur eigentlichen Lösung des- selben die Erfassung und Durcharbeitung des Homophoniebegriffs. Ich selbst bin ohne Kenntnis der Huxleyschen Vorgängerschaft zu meinen oben ausführlicher dargelegten Gedanken- gängen gelangt, nie ernstlich ins des Begriffs als ich mein Auge gefaßtes bisher wohl noch eigentliches, Ziel verfolgte der Homophonie, seine : Die Aufstellung Ausdehnung von dem Bereich der mnemischen auch auf das Bereich der originalen Empfindungen bzw. Erregungen, das Studium der Kombinationen der Homophonie, ihrer verschiedenen Erscheinungs- formen, unter denen die Abstraktion durch Homophonie nur einen besonderen Fall darstellt. Dadurch ist meiner Ansicht nach diese ursprünglichste Form der Abstraktion feste Basis gestellt S. 302 lehrt, und auch, wie z. B. unser erst auf eine Markenversuch der experimentellen Untersuchung zugänglich gemacht worden.
Siebzehntes Kapitel. Das Empfiiiduugsdiffereiitial als Manifestation der diö'ereiiziereudeu Homophonie. Die beiden Modalitäten des Ver-gleicliens. Engraphisclie Wirkung homophoner Komponenten. Wir haben zwei verschiedene Empfindungsmanifestationen der Homophonie unterschieden, die wir als die nicht differenzierende und die differenzierende bezeichnet haben. differenzierende Homophonie immer dann, wenn sagen, besteht, so Nicht können wir die Unterschiede der kurz homophonen Erregungskomponenten, Unterschiede, die in gewissem Um- fange immer vorhanden sind, in ihrer energetischen Wirkung und Gegenwirkung einen so geringen Ausschlag bewirken, daß eine Empfindungsmanifestation des Resultats dieser Gegen- Kommen sätzlichkeit unterbleibt. als solche, auch in das heißt der als dagegen Empfindung des Unterschieds oder Übersetzung eigener Art zur die Unterschiede in Wahrnehmung, einen Empfiudungsausdruck so besteht differenzierende Homophonie: Den Empfiudungsausdruck des Unterschieds von homophonen Komponenten, welcher Art ich als er auch sei, bezeichne Empfindungsdifferential. Der Prozeß dieser Differenzierung besteht nun, soweit sehe, ausnahmslos in der Gegenüberstellung ich von zwei Kom- ponenten bzw. Komponentengruppeu, und das Empfindungs- differential ist der Empfindungsausdruck der anta-
Das Empfinclungsdifferential. üomophone Vergleichung. 311 gonistischen Wirkung der Uuterscliiede dieser bei- den im übrigen bomoplionen Komponenteugruppen. Eine gleichzeitige Unterscheidimg und Differenzierung dreier oder noch mehr Komponentengruppen bei einer Homophonie kommt augenscheinlich nicht vor und dürfte wohl die Fähig- keit der menschlichen Organisation übersteigen. von den in der Dagegen kann Zweizahl ohne Schwierigkeit opponierbaren Komponenten oder Komponentengruppen jede wiederum nicht differenzierende Homophonie darstellen. Ich will dies an einem Beispiel erläutern. Hand Mal Während die dortige Darstellung der Böcklius. > Toteninsel« von der Ich vergleiche die dortige Fassung mit der anderen, die der Meister demselben Vorwurf gegeben und ich — die sagen wir zwölfmal Privatsanniiluug gesehen habe. sich mir eine eines Leipzig sehe ich im Museum der Stadt zum Aufenthalts in ersten eine — Berliner einer ersten Blick drängen Auf den Anzahl Abweichungen in hat, auf, und aus dieser Er- scheinung ergibt sich, daß im Augenblick folgende differenzierende Homophonie besteht: ^13 jji Ui (mn), ^2 (or) \ A^^ (mn)/ (mn) Bleibe ich dann einige Zeit in Leipzig, sehe dort das Bild zu verschiedenen Zeiten, und vergleiche später zusammen ein halbes dutzendmal, bei Gelegenheit einer Unterhaltung die beiden Fassungen im Gedächtnis miteinander, so ergibt sich folgende differenzierende Homophonie: iÄi H Ml Ui3 (mn) Äi2 (mn)\ Äis (mn)/ (mn) (mn) In Zeiten aber, wo ich die beiden nicht einander entgegensetze Komponentengruppen und nur den Böcklinschen Ent-
Die mnemischen Empfindungen. 312 wurf im ganzen Auge ins fasse, gruppieren sich dieselben Elemente zu der nicht differenzierenden Homophonie: H(Ai Ä2 (mn), Die Entscheidung, ob (mu) .... Reihe von homophonen einer in Komponenten H{Äi (mn) Ä^^ (mn)) A^g (Junl) überhaupt eine Differenzierung eintritt oder nicht, und in welcher Weise die Komponenten zu je zwei Gruppen zusammengefaßt Averden, hängt nicht nur von der Natur der Unterschiede der ponenten, sondern auch in hohem Maße von im Augenblick des Konstellation Eintritts der der Homophonie Tritt aber eine Differenzierung ein, so erfolgt, ab. schon sahen, stets eine Kom- ganzen wie wir Bildung von zwei Gruppen, nie von mehr, und eine dementsprechende Differenzierung. Folgende Empfindungsdifferentiale beider differenzierenden Homophonie zweier Originalempfindungen bereits oben kenneu gelernt. haben wir Auf optischem Gebiet: 1. die Tiefenempfindung 2. die Abblendungsempfiudung (S. 103), 110); (S. auf akustischem Gebiet: 3. die Empfindung der Scluillrichtung (S. 101). Diesen Empfindungsdifferentialen bei der Homophonie von Originalempfindungen gesellen sich nunmehr zwei weitere Klassen hinzu, die aus der differenzierenden Homophonie zweier Empfindungen denen die eine oder aber originaler, die beide findungsdifferentiale 4. 5. die die Empfindungsgruppen) (bzw. die andere von resultieren, mnemischer Natur mnemischer Natur sind. Diese ist, Emp- sind: reine Bekanntheitsempfindung (Wiedererkennen), mit Ungleichheitsempfindungen Bekanntheitsempfindung. einhergehende
Homophone Das Empfind ungsdift'erential. Diese letztere Emptinduugsart der durchsichtigste, um mancher Beziehung leichtesten verständliche Denn Emptinduugsdifferentials. eines in ist 313 Veigleichung. hier wird Ausdruck eben das und Resultat der Ditlerenzierung unmittelbar als Unterschied sozusagen nicht in eine Da empfunden. Ohiifre übersetzt damit aber, soweit nämlich eine Kongruenz der originalen und muemischen Komponenten bei der immer auch Bekanntheitsempfindung verbunden ist, zugleicli eine halte ich es für richtiger, kann und somit auftreten die reine zumal hier zuerst zu behandeln, docli Homophonie vorhanden Form ja auch sie ist, der letzteren allein für sich den im Grunde weniger kom- plizierten Fall vorstellt. Die Bekanntheitsempfindung differenzierenden ist die Manifestation Homophonie gewöhnlich zwischen einer einer Ori- ginalempfindung und einer mnemischen Empfindung, in sel- teneren Fällen aber auch zwischen zwei mnemischen Empfin- dungen (bzw. zwei mnemischen homophonen Empfindungsgruppen). Betrachten wir zunächst ein Beispiel des erster en, häufigeren Falls. Ich sehe beim Spazierengeheu in einem Teile der Stadt, den ich noch nie betreten habe, ein Haus, bei dessen Betrachtung ich die deutliche Empfindung habe: Das ist dir bekannt, dies Haus hast du schon einmal gesehen.« Dabei gelingt es mir Anspannung nicht, here Eindruck erfolgt das Original sehe, trotz allen in diesem Fall selbst bei der größten mich zu erinnern, wo und wann der ist ist. Die Umgebung, in der ich jetzt mir völlig fremd und unbekannt; und Nachsinuens will auch keine begleitende Assozia- tion auftauchen, die einen Schlüssel gibt. dige ich mich, wer dort wohnt, Bildhauer H. ich das frü- und Schließlich erkun- erfahre: der berühmte In demselben Augenblick weiß ich auch, daß Haus nach einer vor Jahren in einer Kunstzeitschrift
314 mnemischen Empfindungen. t)ie gesehenen Photographie wiedererkannt habe lediglich das Bild ; des Hauses, ohne jede Mitwirkung nen. Hier lag, Ä a ou begleitenden Assoziatio- wenn wir den Empfiudungskomplex des Bildes mit bezeichnen, die Homophonie H ,^ i :\ , vor. Der Emplin- duugsausdruck der Differenzierung bei dieser Homophonie, das Empfindungsdifferential, bezieht sich hier lediglich auf die zeitliche Bestimmung; sie besagt: dieses Bild erscheint mir nicht nur als ein gegenwärtiger, originaler plex, sondern auch als Empfindungskom- ein einer älteren Engrammschicht an- gehörigermuemischer. Weiter geht dieUnterscheidung zwischen homophonen Komponenten diesen beiden zusammen nur nicht. Sie ergeben einen einheitlichen Empfindungsausdruck und das Ergebnis, daß doch sie in gewissem Sinne unterschieden werden, analog der Unterscheidung der rechten und linken optischen Erregung beim stereoskopischeu Sehen, oder der rechten und linken akustischen Erregung beim Schallrichtung, manifestiert sich Hören der unter der Chiffre der hier Bekanntheitsempfindung. Man wird vielleicht einwenden, daß mit der Bekanntheits- empfindung nicht notwendig immer ein deutliches zeitliches Element von der Art: lich zeitliche liegt Beziehung stets wendet, umso deutlicher »nicht nur jetzt, als auch früher« ausdrück- der Empfindung in die Aufmerksamkeit sowohl Aber wenn nicht mehr, so doch mitempfanden wird. weniger deutlich sich »jetzt »bekannt« mit eingeschlossen, und je stärker einer Bekanntheitsempfindung tritt eine zu- auch die zeitliche Beziehung: sondern auch früher <^ ins Bewußtsein und charakterisiert diese Bekanntheitsempfindung als ein die zeitliche Lokalisation dungsdifferential. im Engrammschatz betreffendes Empfin-
Das Eiupfindungsdiftercntial. Übrigens erweist sieb ein Homophone Vergleicbung. 315 Empfindungsdifferential not- wendigerweise nur durcb die Art seiner Entstehung als Produkt einer differenzierenden Homophonie, nicht aber unbedingt auch durch seinen läßt sich z. dem Bewußtsein unmittelbar gegebenen Inhalt. So B. die Tiefenempfindung beim binokularen Sehen durch die Art ihrer Entstehung, nicht aber durch ihren dem Bew'ußtsein unmittelbar gegebeneu Inhalt als Empfindungsdifferential erkennen. Ahnlich verhält es sich auch mit der Empfindung der Schallrichtung beim diotischen Hören. Bei der Bekanntheitsempfindung dagegen verrät schon der Empfin- dungsinhalt als solcher den Charakter der Empfindung als Empfindungsdifferential und bestätigt damit nur das Kesultat, das wir durch die Analyse des Zustandekommens der Er- scheinung erhalten haben. Fast immer findet man die Sache so dargestellt, das Wiedererkennen ausschließlich dann stattfindet, als ob wenn man einen originalen Eindruck gleichzeitig als solchen und dabei als etwas Bekanntes empfindet, so daß Höö'dingi dem Wiedererkennen eine »mittlere Stellung zwischen Empfindung und Vorstellung«, also zwischen originaler und mnemischer Empfindung zuweist. Eine Bekanntheitsempfindung, ein Wiedererkennen kann aber auch bei der differenzierenden Homophonie zweier mnemischer Empfindungen auftreten. Jedem wird es schon begegnet sein, daß er einen Menschen sah, dessen Anblick zunächst mit keinerlei Bekanntheitsempfindung verbunden war. Einige Zeit, vielleicht bei der Erinnerung an den Anblick jener Person merkt man plötzlich, mehrere Stunden später daß mau dasselbe Gesicht schon früher gesehen ohne deshalb immer gleich zu wissen, ^ H. Höffdiug-, Psychologie in Umrissen. 1901, S. 168. in 3. hatte, welche ältere En- deutsche AuH. Leipzig
Die mneiniscbeu Empfindungen. 316 grammschiclit es gehört, ohne daß sich zu der Bekanutheits- empfindimg sonst begleitende Assoziationen gesellen. Hier entwickelt sich also die Bekanntheitsempfinduug als Konse- quenz der differenzierenden Homophonie Um H /^ l \. zu der oben vorgetragenen Auffassung des Wieder- erkennens als Empfindungsdiflferential zuvor der Begriff der aufgestellt dingung ist mußte gelangen, zu Homophonie mit der nötigen Schärfe Ohne und durchgearbeitet werden. diese Vorbe- mög- ein völliger Einblick in die Sachlage nicht lich, und man wie mau genötigt, auf ist dies halbem Wege stehen zu bleiben, B. bei Höffding sehen kann, durch den eine z. nähere Untersuchung dieses Problems eigentlich erst in Fluß gekommen Wie wir sahen, macht ist. er in bezug auf den Vorgang des Wiedererkennens auf dessen »mittlere Stellung zwischen Empfindung und Vorstellung« aufmerksam, sagt sogar (a. a. 0. S. 168), ein Vorstellungs- als ein ja er »daß im Wiedererkennen sowohl Empfindungselement vorhanden ist«. aber er sieht nicht nur diese beiden Elemente innerhalb ihrer Manifestationssphäre als schmolzen an, worüber sich nicht Empfindungen für ohne weiteres widerlegen läßt, durchaus ver- oder besser was sich streiten ließe, sondern er dehnt diese Verschmelzung sogar auf die beiden, durch die Emp- findungen manifestierten Erregungen aus. Denn sein Gedanken- gang ist folgender: Durch den ersten Eindruck wird eine Umlagerung der Moleküle bewirkt. Durch diese wird eine gewisse Disposition zu der nämlichen Umlagerung erzeugt, so daß diese leichter Eindruck wieder mehr die von statten geht, wenn der nämliche entsteht. »Das Wiedererkennen oder Bekanntheitsqualität bildet dann das viel- psycholo- gische Korrelat der größeren Leichtigkeit, mit welcher eine
Das Änderung- größten Letztere Auffassung steht im denk- Gegensatz zu derjenigen, und man Begriff der Homoplionie ableite, gar nicht, 317 der Lagerung der betreffenden Hirnnioleküle in hervorgebracht wird« \ bar Hoiuophone Verglcicbung. Empfinduugsdiflferential. wie sie sich Nach zusammenreimt. mit Höffdings aus der den ich begreift eigentlich Schreibweise I , 1 seiner oben wiedergegebenen Erklä- rung enthält das Wiedererkennen doch bloß das Originalemptindungselement A, nicht aber das elemeut ^Vorstelluugselement >grüßere Leichtigkeit«, mit der die mnemische Empfindungs- sondern an seiner Statt nur ff, Ä auf Grund der vorauf- gegangenen molekularen Veränderungen nunmehr nung tritt. in Erschei- Dieser innere Widerspruch in den Darlegungen Höffdings zusammen mit seinen, wie ich im zehnten Kapitel hervorgehoben habe, den Gegenstand ebenfalls nicht bereits durchdringenden Ausführungen über Ahnlichkeitsasso- völlig ziation haben es verhindert, daß man dem gesunden Kern seiner Auffassung volle Gerechtigkeit hat widerfahren lassen. Wie es oft geschieht, man hat über der Bekämpfung der Schwächen die guten Seiten übersehen. Als Höft'dings Hauptgegner ist A. Lehmann'^ zu nennen, der Höffding vor allem darin angreift, daß dieser das Wieder- erkennen auf die Ähnlichkeitsassoziation zurückführt, während Lehmann Daß die Berührungsassoziation dafür verantwortlich macht. ein solcher Streit bei 1 einem sachgemäßen Auseinander- H. Höffding, Über Wiedererkennen, Assoziation und psychische Aktivität. S. 433. Vierteljahrszeitschr. Vgl. f. wissenschaftl. Psycho!., Bd. 13, 1889, ferner die Fortsetzung dieser Aufsätze ebenda Bd. 14, Phüoso- 1880, sowie IL Höffding, Zur Theorie des Wiedererkennens. phische Studien, Bd. 8, 1893. A. Lehmann, Über Wiedererkennen. Phil. Studien, 5. Bd., 1889. Kritische und experimentelle Studien über Wiedererkennen, Philoso- phische Studien, 7. Bd., 1892.
Die mnemisclien Empfindungen. 318 halten der beiden Begriffe Ekpliorie standslos wird, ist im zehnten Kapitel des vorliegenden bereits Lehmann Buchs auseinandergesetzt worden. davon, Höffding klarere Vorstellung als und Assoziation gegen- hat eine viel daß > in gewissen »das Wiedererkennen wirklieh aus einem Vergleich Fällen« resultiert«. Aber durch die der Berührungsassoziation ist Einmischung der Frage nach die ganze Diskussion zu einer äußerst verwickelten geworden und häufig ganz auf Abwege, die geraten, sofort Abwege vermieden werden, wenn man den Begriff der Ekphorie von dem der Assoziation gebührend trennt, mit einem Wort auf der Grundlage unserer beiden mnemischen Hauptsätze richtigen fußt. Gedanken, daß es Auch ist Lehmann durch den beim Wiedererkennen sich um einen Vergleich handelt, nicht zu einer klaren oder überhaupt greifbaren Fassung des Homophoniebegriffs gelangt. So es, kommt daß eine Orientierung über das Richtige und das Unrich- tige in den Anschauungen bei ihm als bei seinem Gegner Höffding, und daß fassung kritisch referiert wird, wie von Mc. C. z. fast B. noch schwieriger da, wo seine Auf- von Claparede Gamble und Calkins^ regelmäßig nur ist * sowie ein Teil und gewöhnlich nicht der beste Teil zum Ausdruck gelangt. Den letztgenannten Untersuchern verdanken wir wertvollen experimentellen Nachweis, übrigens den daß das Wesentliche beim Vorgang des Wiedererkennens nicht die begleitenden Assoziationen sind, denen Lehmann eine große Bedeutung beimißt. Die Frage, ob es richtiger 1 ist, die Bekanntheitsempfindung E. Claparede, L'association des idees. Paris 1903. S. 336. A. Mc. C. Gamble und M. W. Calkins, Die reproduzierte Vorstellung beim Wiedererkennen und beim Vergleichen. Zeitschr. f. Psychologie d. Sinnesorgane, Bd. 32, 1903. 2
Das Empfindungsdiflferential. als Empfindung oder diskutiert worden als ist, Homophone 319 Gefühl zu bezeichnen, die ebenfalls hat für uns kaum beim Wiedererkennen nicht bloß sich Vergleicliang. Interesse. um Daß es einen mit Lust- betonung versehenen Komplex von Organempfiudungen handelt, man die Stimmung der 'Beruhigung oder Entspannung als kann, was auch behauptet worden bezeichnen mir sicher zu Wie oft kommt uns, scheint ist, wenn unser Auge und ohne jede Spannung über eine fremde Um- gleichgültig gebung sein. etwas bekannt vor. hingleitet, urplötzlich irgend hätten Avir dann, wenn jene Anschauung Hier richtig wäre, das Gefühl der Entspannung ohne jede vorherige SpaonuDg. So verhält es sich offenbar nicht. erkennen ein, erst Spannung wenn wir versuchen, das Empfundene im Engrammschatz genauer, gegeben folgt, als es als bekannt uns zunächst zu lokalisieren, und lustbetonte Entspannung er- ist, wenn beim Wieder- tritt dies lustbetonter nach einiger Anstrengung Entspannung ist gelingt. Dies Gefühl aber mit jeder unter Anspannung Aufmerksamkeit erfolgenden Ekphorie verbunden und der eben für den Eintritt einer solchen Ekphorie charakteristisch. Die genauere Lokalisation des Wiedererkannten ist aber nichts anderes als ein besonderer Fall einer solchen Ekphorie. Für unsere Zwecke ist weder eine genauere Analyse des der Bekanntheitsempfindung noch auch eine Klassi- Inhalts fikation dieses Bewußtseinsvorgangs nur Manifestation als einer notwendig, differenzierenden da er uns Homophonie, nur in seiner Eigenschaft als Empfindungsdifferential interessiert. Auf heißt wenn kommen sein Auftreten unter anormalen die Bedingungen für sein Umständen, das normales Zustande- nicht voll oder gar nicht gegeben sind (Illusion und Erinnerungstäuschung), werden wir erst in der Pathologie der Mneme näher eingehen.
^'6 mnemisehen Empfiudimgen. 320 Bisher haben wir das bloße Wiedererkennen, den Fall, daß eine Originalerapfindung bei ihrem Auftauchen mit Bekanntheitsempfindung verbunden haben ist, ins Auge ein findungsdiffereutial, Wir Emp- gefaßt. Bekanntheitsempfindung bereits dieser in ein Produkt der Unterscheidung zweier homophon zusammenwirkender Empfindungsgruppen erkannt, entweder einer originalen und einer mnemisehen oder aber zweier mnemischer. Wir wenden uns differentiale, die jetzt zu dem zweiten der Emptiudungs- aus der differenzierenden Homophonie zweier Empfindungsgruppen Empfindungen bzw. denen die eine originaler, die andere von resultieren, mnemischer Natur oder aber die beide mnemischer Natur sind: ist, der mit Un- gleichheitsempfindungen einhergehenden Bekanntheitsempfindung. Wie ich schon oben hervorgehoben habe, ist diese Ausdrucksform eines Empfindungsdifferentials ihrem Inhalt nach die einfachste und sozusagen direkteste von allen, wird. eben weil der Unterschied Diese Unterschiedsempfindung des Antagonismus der als solcher ist die empfunden Manifestation ungleichen Komponenten, bezug in auf die in diesem Falle eine ausgesprochene Inkongruenz der Homophonie, also strenggenommen gar keine Homophonie sondern Wettstreit herrscht. In der »Mneme« habe eigentümliche Manifestation, die dieses Gegenspiel gruenter, teils inkongruenter Komponenten liefert, ich die teils kon- an folgenden Beispielen erläutert: »Erblicken wir eine uns bekannte Landschaft wieder, so reagieren wir auf kleine Veränderungen, die Abwesenheit eines mittlerweile abgeholzten Wäldchens, die Anwesenheit eines neuen Bauwerks, mit großer Bestimmt- heit. Ein guter Kapellmeister, Orchesterwerk dirigiert, der auswendig ein großes nimmt das Ausbleiben der einen
Homophone Das Empfindungsdifferential. 321 Vergleicliung. Stimme, den zu frühen Einsatz einer anderen, jede leichte Variante des Sängers, kurz jede Inkongruenz des mnemischen dem Prozesses mit gleichzeitig ablaufenden originalen, mit erstaunlicher Schärfe wahr.« Ebendort (II. habe ich dann an die weitere Aufl. S. 202) Besprechung dieser Erscheinung die Bemerkung geknüpft: > Unser ganzes Unterscheidungsvermögen beruht lediglich auf diesem Vorgang.« Von diesem spruch möchte ich ausgehen, Form des dieser bei größerer sprechender zweifellos nicht richtigen Aus- um so noch tiefer in Wesen das das Empfindungsdififerentials einzudringen, Inkongruenz originaler einzelner mnemischer und Komponenten bei ent- Homophonie der auftritt. Unser »Unterscheidungsvermögen« ist nämlich durchaus nicht lediglich auf das Eintreten einer Konstellation der mophonie angewiesen, es um in äußert sich als solches Wirksamkeit zu auch schon in treten, Ho- sondern der Tatsache des Nebeneinanders der Empfindungen. Jede Mehrheitsempfindung bedingt ja schon ich höre eine als: ich die eine Unterscheidung. Wenn ich Terz oder eine Quart, so heißt das nichts anderes »unterscheide« 3 oder 4 Töne. Mitwirkung der Homophonie Im Nebeneinander ohne bietet mir allerdings sich nur die Möglichkeit der Ungleichheitsempfindung, völligen Gleichheitsempfindung. zeitige angebe, Zwar kann nicht der ich die gleich- Anwesenheit des gleichen Rot an verschiedenen Stellen des Sehfeldes konstatieren, dungen unterscheiden sich aber diese gleichen Kotempfin- doch durch ihre Lokalisation verschiedenen Empfindungsfeldern, und dasselbe simultane Hautempfindungen usw. Empfindungen kann sich nie gilt für in gleiche Eine völlige Gleichheit von im Nebeneinander ergeben, son- dern nur dergestalt, daß eine Originalempfindung mit einer Semon, Mneme. II. 21
I^iö 322 mnemischen Empfindungen. ehemaligen originalen jetzt aber mnemischen (bzw. akoluth + mnemischen) bracht wird, gleich Empfindung nur dergestalt, in homophone Opposition ge- daß ein homophoner Ver- stattfindet. Hieraus ergibt sich bereits, daß die Gleichheits- Ungleichheitsreaktion bei der Homophonie einer synchron originalen mit einer mnemischen (bzw. akoluth dung + mnemischen) vollkommenste Art der Vergleichung die EmpfinFreilich ist. können wir auch zwei synchron-originale Empfindungskomim Nebeneinander plexe vergleichen. So kann ich ohne weiteres sagen: Diese beiden Bücher, die nebeneinander in der Mitte meines Sehfeldes liegen, sind ungefähr gleich groß, oder das eine bald ist wenn man aber, zweifellos größer als das andere. sich selbst beobachtet, finden, man ganz genau rückt dann, wenn Man wird daß man, vergleichen will, anders verfährt. um es sich nachdem man hat, rasch so Felder des Man optische Vergleiche handelt, die Objekte möglichst dicht aneinander, fixiert das eine springt, so- sich einen guten und Eindruck verschafft auf das andere hinüber, daß die entsprechenden akoluth-mnemischen Bildes auf die entsprechen- den des originalen fallen. Einer der Hauptgründe, züglich darin, ist warum dies Verfahren so vor- und mit solcher Vorliebe augewendet wird, liegt wohl daß in diesem Fall mit genau denselben Instrumenten gemessen wird, das heißt, daß synchrone Empfindungen mit akoluth-mnemischen verglichen werden, die genau denselben Netzhautstellen ihre Auslösung verdanken. aber noch einen anderen Vorzug vor Außerdem dem Verfahren hat es der Ver- gleichung synchroner Originalempfindungen im Nebeneinander eines Gesichtsfeldes. manifestiert sich Bei der differenzierenden Homophonie jede Erregungskomponente des Original-
Das Empfindangsdiffereutial. Homophone Vergleichung. 323 komplexes a zusammen mit der entsprechenden des mit ihm verglicheneu mnemischen (bzw. akoluth Homophonie Kongruenz plexes a, falls die eine mnemischeu) Kom- -f- durch je ergibt, einzige beständige Empfindungskomponente, eben das Produkt einer Homophonie. nenten der Komplexe ist Bei den inkongruenten Kompo- das nicht der Fall, zwischen ihnen herrscht im Gegenteil Wettstreit, und aus diesem Grunde hebt sich das Gleichartige bei dieser Art der Vergleichung von dem Ungleichartigen in ganz anderer, viel ausgeprägterer Art ab, als beim Vergleich im Nebeneinander, wo auch das verhält- nismäßig Gleichartige in den beiden verglichenen Komplexen durch je eigene selbständige, feldern befindliche in Komponenten verschiedenen Empfindungsvertreten ist. Von der Über- legenheit der ersteren Methode über die letztere können wir uns durch folgende Analogie eine noch deutlichere Vorstellung Wir wollen zwei einander macheu. gleiche ähnliche, aber nicht ganz Kurven möglichst genau miteinander können dabei so verfahren, wie möglich, ohne daß vergleichen. Wir daß wir beide Kurven, so nahe sie sich schneiden, und in ihren ent- sprechenden Abschnitten so parallel wie möglich, nebenein- ander zeichnen. Eine viel vollkommenere Vorstellung von ihrer Gleichheit bzw. Ungleichheit wenn wir die eine werden wir aber Kurve auf Pauspapier zeichnen und entsprechender Weise auf die andere legen. wirklich gleichen Abschnitte sammen ; erhalten, tiberall Dann fallen die zu je einer Linie zu- davon hebt sich das Ungleiche tiberall ohne weiteres durch die Verschiedenheit der doppelten Linie ab. haben also eine Methode angewendet, die ein der differenzierenden in Homophonie in dieser Wir Beziehung analoges Resultat liefert. Die Überlegenheit der letzteren Art der Vergleichung über 21*
324 I^ic mnemischen Empfindungen. den Vergleich zweier Originalempfindungen im Nebeneinander ihrer synchronen Phase ist aus dem Gesagten ohne Sie beruht vor allem auf der verständlicli. weiteres homophonen Ver- einheitlichung des Gleichwertigen im Gegensatz zum Ungleich- wertigen. Aber darüber hinaus riorität ganz allgemein eine Infe- läßt sich der Vergleichung bei simultaner Reizung gegenüber Die der Vergleichung bei sukzessiver Reizung nachweisen. Autoren meisten übrigens sprechen im ersteren von Fall Simultanvergleich, im zweiten von Sukzessivvergleich. Diese Bezeichnungen, auf die ich zunächst eingehen möchte, können zu Mißverständnissen Anlaß geben. zung im zessive, Allerdings ersteren Falle eine simultane, und ist Rei- die im zweiten eine suk- allerdings verlaufen im ersten Falle die beiden verglichenen Originalempfindungen simultan, im zweiten aber verlaufen sie simultan. Im empfindungen, sukzessiv. Der Vergleich aber erfolgt stets ersten Falle erfolgt er zwischen zwei Originaldie sich beide in ihrer synchronen Phase im zweiten dagegen zwischen einer synchron-ori- befinden; ginalen Empfindung und einer mnemischen (bzw. akoluth + mnemischen) Empfindung, also einer Empfindung, deren synchrone Phase bereits vorüber sei ist. Der Vollständigkeit wegen auch auf die seltneren Fälle hingewiesen, denen in solcher Vergleich zwischen Empfindungen erfolgt, beiden tan ist die synchrone Phase bereits vorüber also ein Vergleich im der sukzessiven Reizung ist ist. ein denen bei Simul- Grunde immer. Bei aber wenigstens für die eine der verglichenen Empfindungen die synchrone Phase, die Phase, in der die Erregung und damit auch die Empfindung mittelbarster Abhängigkeit von steht, bereits vorüber. dem synchronen in un- Originalreiz
Das Empfiadaugsdifterential. Um Homophone nicht mit allzu schwerfiilligeu zu müssen, will icli synchron ist, als Ausdrücken arbeiten synchrone Phase einer Empfindung die bzw. Erregung, diejenige Phase in der reiz sie mit ihrem Original- Symphase ihre bezeichnen. Aufhören des Reizes gelaugt die Empfindung dann akoluthe Phase, 325 Vergleichung. Nach iu ihre und während oder nach dem Abklingen kann aus dem zurückgebliebenen Engramm eine mne- dieser mische Phase derselben Empfindung neu hervorgerufen oder, wie wir es nennen, ekphoriert werden. Akoluthe und nmemische Phase künueu gemeinschaftlich der synchronen Phase insofern gegenübergestellt und ihrerseits trotz ihrer sonstigen Verschie- denheit zusammengestellt werden, als sie beide zeitlich auf den Originalreiz folgen, Nachphaseu als solche zusammen Vergleichungeu fizieren 1. als sind. Metaphase. von Empfinduagen Ich bezeichne sie Wir können nun die folgendermaßen klassi- : Vergleichung zweier Empfindungen, der Symphase befinden, kurz: die sich beide in Vergleichung zweier Sym- phasen. 2. Vergleichung der Symphase einer Empfindung mit der Metaphase einer anderen, kurz: Vergleichung von Sym- Die Metaphase kann dabei eine phase mit Metaphase. akoluthe oder eine mnemische Phase, unter Umständen auch eine Mischung beider sein. 3. Vergleichung zweier Empfindungen, der Metaphase befinden, kurz: phaaen. Auf die sich beide in Vergleichung zweier Meta- diese Vergleichung werden wir im folgenden nicht näher eingehen, weil sie uns für unsere wesentlich neuen Gesichtspunkte höhere Geistesleben aber ist liefern Zwecke keine würde. Für das auch diese Art der Vergleichung von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
326 mnemischen Empfindungen. I^ic Wolfe fand bei seineu Versuchen über die Beurteilung 1 von 2 Sekunden an intervall unter bis zu einem Intervall von Abnahme chung einhergeht. Ich möchte dies Engramme nach von möchte viel in der sächlich die erblicken. in ist Vergessen« nicht als Funktiousfähigkeit Verbindung bringen, die meiner Ansicht größeren Zeiteinflüssen abhängig sondern ist, von Wolfe beobachteten Erscheinung haupt- Wirkung des Ausklingens der akoluthen Phase um Dies so vyisse Periodizität (An- worden der Genauigkeit der Verglei- dem Nachlassen der bezeichnen und mit Wolfe (vgl. empfindungen mehr als von Wolfe selbst eine ge- und Abschwellen) beobachtet dabei S. 20, 23, 24), die einigermaßen an Schwankungen beim Abklingen von die periodischen diese einer, Umständen auch mehreren Minuten mit der Verlängerung der Intervalle eine der daß von einem Zeit- einfacher Töne, aufeinanderfolgender (vgl. oben Schwankungen zu S. 119) erinnert. Wolfe Gesichts- erörtert, um erklären, die Frage, ob sie vielleicht auf das Hineinspielen akustischer »Nachbilder« zurückzuführen seien. Lehmann 2, der Sinnesgebieten ähnliche Versuche auf verschiedenen ausgeführt hat, ist zu einer noch klareren Auffassung der Sachlage gelangt als Wolfe, und führt die verhältnismäßige Deutlichkeit der Empfindung in der Meta- phase dann, wenn die Vergleichung nicht später als ungefähr innerhalb der ersten Minute nach Aufhören des ersten Originalreizes stattfindet, offenbar auf ein Zusammenwirken von >zentralem« Nachbild und Erinnerungsbild zurück. Weise erklärt 1 er mit 2 3. Wundts Bd.. 1886. A. Lehmann, Über Wiedererkennen. Bd., 1889. diese Kecht das rapide Verblassen der Emp- H. K. Wolfe, Untersuchungen über das Tongedächtnis. Philosoph. Studien, 5. Auf Vgl. bes. S. 127, 128. Wundts Philosoph. Studien.
Das Homophone Vergleichung. Empfindungsdiflferential. 327 iinduDg in der Metaphase innerhalb der ersten Minute nach Auch Aufhören des ersten Originalreizes. die Oszillationen, Wolfe in der Deutlichkeit der Empfindung der Metaphase, die besonders während der ersten 30 Sekunden beobachtet hat, sprechen meiner Ansicht nach durchaus für diese Auffassung. Die Abnahme der Funktionstüchtigkeit der Engramme durch die zeitlichen Einflüsse folgt dagegen ganz anderen Gesetzen. Die Anwesenheit einer akoluthen Empfindung in der ersten Minute Aufhören von nach Empfindung chroner ständlich ist ist vielleicht sprechenden verständlich; gewöhnlichen Umständen zum Zweck syn- weniger ver- die gleichzeitige Anwesenheit der ent- mnemischen Empfindung ist eine der Vergleichung Unter in dieser Zeit. solche Wohl aber bewirkt nicht vorhanden. die leicht und Originalreiz auch in der Tat die zweite vorgenommen Eeizung, wird, eine Ekphorie des durch die abgelaufene synchrone Phase der Erregung erzeugten Engramms, und unter diesen Verhältnissen besteht die Empfindung der Metaphase aus Kombination von akoluther Nachdem wir uns einer und mnemischer Empfindung. hierüber klar geworden sind, brauche ich wohl keine Mißverständnisse zu befürchten, wenn ich für gewöhnlich die Empfindung in mnemische bezeichne und als der Metaphase schlechthin den schwerfälligen Zusatz: »bzw. akoluthe« oder »bzw. akoluthe Eventualität + mnemische« einer Beobachtung in der für die ersten Minute nach Aufhören des Originalreizes weglasse. Die Tatsache, daß die Vergleichung von Symphase mit Metaphase der Vergleichung zweier Symphasen tiberlegen ist, ist seit lange bekannt. E. H. Weber ^ sagt darüber: E. H. Weber, Tastsinn und Gemeingefühl. Wagners Handwörterbuch der Physiologie III 2, S. 544. Braunschweig 1846. 1
^i^' 328 »Zwei gleichzeitige mnemiachen Empfinduugeu. Tastempfindungeu lassen sich nicht so gut untereinander vergleichen, als zwei aufeinanderfolgende. Gewichte sie daß von Versuchen hat bewiesen, Reihe Eine am vergleichen kann, allergenauesten sukzessive auf dieselben Teile von derselben Etwas Aveniger vorteilhaft ist Hand zuerst auf die eine man Avenn es, Gewicht das hinwegnimmt und es wieder legt, man zwei wenn mau Hand legt. hierauf das andere zu vergleichende Gewicht auf die andere Am Hand legt. beide Gewichte gleichzeitig auf beide Hände wenigsten Emptindung vorteilhaft ist wenn man es, Denn legt. indem sich beide Empfindungen vermischen, auf ähnliche Weise wie zwei eine die gleichzeitige Töne, deren so gut aufgefaßt zeitigen, denen von Abstand werden kann noch der als als eine in das rechte, kaum linke Nasenloch geleitet wird, sondern sich gewöhnlich mischen wir oben der von zwei ungleich- heran, Beispiel (S. 42) sahen, auch nicht in der Tonleiter von denen der eine auf den anderen dann zieht andere, die stört , Weber folgi;. « daß zwei der andere Gerüche, das in zu unterscheiden sind, eine Tatsache , die , wie von Zwaardemaker unter verbesserter Versuchsauordnung bestätigt und durch die interessante Beobachtung ergänzt worden ist, Originalgerüche nicht selten bis daß sieh solche synchronen zum Ausbleiben jeder Emp- findungsmanifestation neutralisieren. gleichung anlangt, so kam Fechner' Was die Gewichtsver- bei seinen Gewichts- versuchen zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie Weber. leicht am Viel- markantesten aber zeigt sich die Überlegenheit der Vergleichung von Symphase mit Metaphase über die Ver- gleichung zweier Symphasen in bezug auf die Lokalisation 1 1907, G. Th. Fechner, 1. Teil, S. 88, 94. Elemente der Psychologie. 3. Aufl.. Leipzij;
Homophone Vergleichung. Das Empfiudimgsdifferential. der Hautempfinduugeu. Während wir 329 bei sukzessiver Reizung zweier benachbarter Hautstellen noch wahrnehmen, daß bei der zweiten Reizung eine andere Hautstelle berührt wurde als bei der ersten, wenn die Entfernung der Reizstellen der muß Distanz zweier Druckpunkte entspricht, bei simultaner Reizung, damit empfunden werde, daß zwei und nicht bloß eine Stelle berührt wird, die Distanz sehr viel (bis hundert- mal genommen werden und größer i Körperstellen bis 50 mm kann an und darüber betragen gewissen Wie eben- i. schon E. H. Weber gewußt hat, und wie dann später falls von Anderen, worden besonders Stumpft genauer von festgestellt unterscheiden wir kleine Verschiedenheiten in ist, um der Tonhöhe wenn sehr viel besser, die Töne nachein- ander, nicht aber gleichzeitig angeschlagen werden. geschieht auch dann, wenn es sich um gleichstarke Dies Töne ohne Schwebungeu handelt. Daß bei optischen Vergleichen die wurde schon oben auseinandergesetzt. Dinge ebenso liegen, Nur wenn man Far- ben oder Helligkeiten durch unmittelbares Aneiuanderlegen im Kontrast vergleichen kann, Dies ist Grund aber sich ganz ein leicht nicht bracht werden können, so die eine, • Vgl. 183-1: ,1829;, bald E. die läßt. Ausnahmefall, Ist die ist in z. B. weil unmittelbare Berührung ge- es ebenfalls vorteilhafter, bald andere Farbe zu H. Weber, dessen Herstellung Kontrastwirkung unmöglich, Farbflecke die beiden besonderer durchschauen einer unmittelbaren verhält es sich hier anders. fixieren, als sie beide Auuotationes auatomicae et physioiogicae Das Sinnesgebiet der Haut. Vorlesungen ferner M. v. Frey, über Phj^siologie, 1904. 2 C. Stumpf, Tonpsychologie. über die Vgl. den Abschnitt über die Be- Töne im 1. Bd. 1883 und besonders Beurteilung gleichzeitiger Töne im 2. Bd. 1890. urteilung aufeinanderfolgender
330 mnemischen Empfindnngen. I^iö gleichzeitig aber durch eine dritte getrennt im Nebeneinander des Gesichtsfeldes zu vergleichen. Aus dieser Zusammenstellung dürfte Überlegenheit die Symphase mit Metaphase über von der Vergleichung Wenn Vergleichung zweier Symphasen deutlich hervorgehen. wir uns es dieser nun auch nicht zutrauen wollen, schauen, so wird die Erscheinung vollständig eigentümlichen doch uns eine die Gründe zu durch- Hervorhebung gewisser Eigentümlichkeiten und Bedingtheiten der beiden verschie- denen Phasen einen Weg zum Verständnis eröffnen. Es würde uns befremdlich erscheinen, die Intensitäten (im richtiger bei der Vergleichung abschätzen, als bei daß wir selbst engeren Sinne) zweier Empfindungen der von Symphase mit Metaphase Vergleichung zweier Symphasen, wenn wir auf dem gevföhnlich eingenommenen Standpunkt stünden, daß die synchrone Origiualempfindung die mnemische Empfindung an haben aber schon oben der Fall ist. außerordentlich Intensität (S. überträfe. Wir 239) gesehen, daß dies keineswegs Ein mnemisches Fortissimo ist, so schattenhaft wir vielleicht auch nur die damalige Klangwirkung zu ekphorieren vermögen, ein Fortissimo und hat mit einem originalen Wie wir schon Pianissimo nicht die geringste Ähnlichkeit. oben ausführlich dargelegt haben, ist nicht die Intensität, sondern die Vividität in der mnemischen Metaphase eine ganz ungleich geringere als in der Symphase. unsere jetzigen gewiß bei gemacht. der Betrachtungen noch Wie wäre Vergleichung Dies wird durch weiter bestätigt und es möglich, Intensitäten von synchronen Original- empfindungen mit mnemischen Empfindungen auf das schärfste abzuschätzen, wenn nicht die Intensität der Empfindungen in der Metaphase, ich will
Das Empfindungsdifferential. Homophone sagen konstant wäre, stantes Element enthielte? nicht Daß dagegen aber die Vividität einer doch Empfindung lich in der Metaphase ganz außerordentlich als in der Symphase, haben wir oben i,S. 331 Vergleicliung. ein kon- gewöhn- für viel geringer ist 220 — 234) bereits ausfuhrlieh erörtert. Wenn wir zwei Empfinduugskomplexe in der Symphase vergleichen, so verhalten sie sich also ceteris paribus aller- dings in bezug auf ihre Vividität ungefähr gleich; dabei sind sie aber in jeder Beziehung durch die sie auslösenden Reize bestimmt und müssen beide als etwas Starres, nicht Ak- fest komodierbares hingenommen werden. Höchstens dadurch, daß man die Aufmerksamkeit je auf gewisse Teile der Komplexe und andere Teile vernachlässigt, einstellt freilich sehr ist eine gewisse, geringe Akkomodation möglich. Bei der Vergleichung der Symphase mit der Metaphase liegen kehrt. die die Dinge in diesen Beziehungen nun gerade umge- Die Empfindung in der Metaphase, ganz besonders mnemische Empfindung jenseits der akoluthen ganz ungleich weniger vivide empfiudung und hält in »Vergleich« ihren aus. In als dieser die Phase ist synchrone Original- Beziehung mit ihr keinen übrigen Werten dürfen wir sie aber als eine treue Wiederholung der synchronen Original- empfindung bezeichnen, was allein schon durch die Grund- tatsache, mit der wir uns eben beschäftigen, die vorzüglichen Resultate der Vergleichung von Symphase mit Metaphase, bewiesen wird. Ob der große Unterschied in der Vividität zwischen syn- chroner Originalempfindung und mnemischer Empfindung bei der Vergleichung ein Nachteil Schluß untersuchen. ist oder nicht, wollen wir Zunächst wollen wir aber einige am oflfeu-
332 mnemischen Empfindungen. I*iG bare Vorteile der homophonen Vergleichimg von Symphase mit Metaphase im Gegensatze homophonen Ver- zur nicht gleichung zweier Symphaseu aufzählen. Wenn ich zwei Emptindungskomplexe auf ihre Überein- stimmungen und Verschiedenheiten prüfen sie will, so suche ich im übrigen unter möglichst gleiche Bedingungen zu bringen. Räumliche Gebilde z. Wenn Verlauf haben. daß ihre Achsen parallelen B. stelle ich so, es möglich reduziere ich auch ihre ist, Größenverhältnisse auf ein gleiches Maß. So wird ein Zoo- der Bilder eines Krokodil- und eines Eidechsenschädels log, zum Vergleich nebeneinander Größenmaß, also dieselben gern in gleichem setzt, den ersteren stark verkleinert, den zweiten stark vergrößert, wiedergeben. Zwei Vergleichsobjekte tung bringt man ferner für gleichzeitige optische Betrach- möglichst in gleiche Beleuchtung. Zu vergleichende Tonempfindungen sucht man in Wenn man gleicher Stärke zu erzeugen usw. möglichst synchrone Originalempfindungen vergleichen will, sind dies unumgäng- Es notwendige Vorbedingungen. lich die etwas lich, ist z. verschiedenen Wappenadler etwa der Einmarkstücke von 1875 und 1899 feld zu. vergleichen, daß ihre bildend B. ganz Mittellinien Ebenso ist wenn man einen in zweier Münzen, einem Gesichts- so nebeneinander legt, sie stumpfen Winkel es äußerst schwierig, geschlagene, in der Tonhöhe nur unmög- miteinander gleichzeitig an- um wenige Schwingungen voneinander abweichende Töne zu unterscheiden, oder gar, wenn die Unterscheidung höhere, welches der tiefere gelingt, sei, zu wenn der sagen, welches der eine ganz laut, der andere ganz leise angeschlagen wird. Über die Bedingiiugeu für das Vergleichen und Wiedererkennen von Gestalten vgl. auch Mach, Analyse d. Eiupf. 4. Aufl., 1903, S.87— 89. 1
Homophone Dae Empfiuduugsdiffereutial. Ungleich besser gelingt dies bei 333 Vergleichuug-. der Vergleichuug der Syrapbase mit der Metaphase, weil es keine Schwierigkeit macht, die mnemische optische Empfindung der Metaphase im Gesichtsfeld beliebig zu verschieben und zu drehen, oder mnemische akustische Empfindung der Metaphase unter die Belassung in ihrer Tonhöhe, in ihrer »Intensität« entsprechend so zu verstärken, daß ein Vergleich mit einer viel mehr oder weniger intensiven Originalempfindung möglich wird. viel Aus dem Umstände, daß bei der homophonen Vergleichuug von Symphasc mit Metaphase das eine Vergleichsobjekt, die hohem Grade beweglich und mnemische Empfindung, in zusagen verstellbar ergibt ist, sich eine legenheit dieser Vergleichungsart über diejenige zweier phasen, bei der es sich so- Über- sehr große Sym- in Gestalt der beiden durch die sozusagen in Fixation gehalteneu synchronen Originalreize Empfindungen um zwei nicht gegeneinander verschiebbare, unverstellbare Vergleichsobjekte handelt. Dazu kommt der bereits oben (S. 323) dargelegte Vorzug der homophonen Vergleichuug über die nicht homophone, der darin besteht, daß bei ersterer die kongruenten infolge der Deckung einheitlich Komponenten empfunden werden, wodurch das Inkongruente umso deutlicher hervortritt. Damit sind wohl übrigens die Gründe für -die augenscheinliche Überlegenheit der mit Homophonie verbundenen Vergleichuug von Symphase mit Metaphase über die im Nebeneinander erfolgende ^ Ver- gleichuug zweier Symphaseu noch nicht erschöpft. Die differenziereude Homophonie zweier synchroner Empfindungen beim binokularen Sehakt ;Tiefenwahruehmung) und beim diotischen Hören Empfindung der Schallrichtung) sind Fälle ganz besonderer 1 Art, die man man nicht schlechthin als Vergleicliung auffassen wird. Will doch tun, wogegen sich nichts einwenden ließe, so sind dies eben homophone Vergleichungen zweier Symphasen, und es zeigt es
334 mnemischen Empfindungen. I^Je Nachdem wir uunmebr in dem vorliegenden Kapitel die Grundphänomene der differenzierenden Homophonie, soweit sie uns Selbstbeobachtung und experimentelle Untersuchung des Menschen lehren, entwickelt haben, möchte ich noch kurz daraufhinweisen, daß der Wirkungskreis der differenzierenden Homophonie ein sehr viel weiterer ist. Ebenso nämlich, wie wir in der nicht differenzierenden Homophonie die eigent- Wurzel der Abstraktion zu erblicken haben, deren Vor- liche handensein, wie oben (S. 308) gezeigt, nicht erst beim Men- schen, sondern viel tiefer unten in der Stufenleiter der Or- ganismen nachgewiesen werden kann, ebenso verhält es sich dem Empfindungsausdruck der differenzierenden Homodem Wiedererkennen und homophonen Unterschieds- mit phonie, empfinden. In der gezeigt, Mneme (2. Aufl., S. 205—209) habe ich bereits daß ein Wiedererkennen sowie ein Unterschiedsemp- finden bei Homophonie eines synchron- originalen und eines mnemischen Empfindungskomplexes sich bei vielen höheren Tieren nicht etwa bloß auf Analogieschlüsse hin annehmen, sondern experimentell aus gewissen Reaktionen nachweisen um ein besonderes Vorrecht des menschlichen Geistes, sondern um läßt, einen woraus hervorgeht, daß es weitverbreiteten, in sich hierbei gewissem Sinne nicht fundamentalen sich dabei auch, wie sich beim binolcularen Sehakt nachweisen laßt, die uns hier beschäftigende Überlegenheit der homophonen Vergleichung über die nicht homophone. Denn wie bereits früher erwähnt, wird beim uniokularen Sehakt eine Unterscheidung von 10 Winkelsekun- den nur unter ganz besonders günstigen Umständen erreicht. Bei der Homophonie des binokularen Sehakts werden dagegen Tiefenunterschiede von 10 Sekunden unter fast allen Bedingungen erkannt und unter den günstigsten Bedingungen geht die Unterscheidungsmöglichkeit auf Grund dieses Empfindungsdifferentials bis auf 5 Sekunden herunter.
Das Homophone Vergleichnng. Empfindungsdiffei-ential. 335 Die dort angeführten Beispiele möchte ich Vorgang handelt. hier nicht wiederholen, sondern bitte gegebenen Ort nachzulesen. den Leser, am sie an- den höheren Tieren sind Bei die dort verzeichneten motorischen Reaktionen unzweifelhaft von den entsprechenden, uns von uns selbst bekannten Empfindungen begleitet, in diesen Fällen tinden und es wird niemand Bedenken haben, von Wiedererkennen und Unterschiedsemp- ähnlich dem, wie wir es bei uns selbst introspektiv beobachten können, zu sprechen. An der betreffenden Stelle im siebenten Kapitel der war mein Bestreben in Linie erster Mneme darauf gerichtet, das Vorhandensein und die Wirksamkeit einer differenzierenden Homophonie aus objektiv wahrnehmbaren Reaktionen nachzuweisen, ja auch Fälle beizubringen, in denen eine Manifestation (a. a. ein durch oberbewußte Empfindungen Es 0. S. 212;. liegt in letzteren Fällen Erregungsdifferential vor, offenbar fehlt dann jedenfalls das sich nicht durch ein oberbewußtes Empfindungsdifferential manifestiert, sondern durch Reaktionen anderer Art, objektive Reaktionen, die aber ihrerseits beweisend sind für eine Inkongruenz bei der Ho- Ob mophonie. differentiale in solchen Fällen vorhanden unterbewußte Empfindungs- sind, ist eine Frage für sich, auf die wir hier nicht weiter einzugehen brauchen, auf die ich aber vielleicht einmal bei anderer Gelegenheit zurückkommen werde. Wie dem auch sei, Erregungsdifferentiale als Resultat der Inkongruenz bei der Homophonie von Erregungen nicht nur im Instinktleben der Tiere, wo sie sich spielen uns vor- wiegend durch Bewegungsreaktionen manifestieren, sondern auch da, wo sie durch plastische Reaktionen zum Ausdruck gelangen, bei der Regulation, Regeneration und verwandten Prozessen eine Rolle von grundlegender Bedeutung.
336 muemischen Empfinduiigen. l^ie Am Schluß dieses Kapitels und die differenzierende Avill noch kurz auf eine ich die nicht differenzierende gemeinsam betreffende Frage eingehen : Homophonie auf die engraphische Wirkung homophoner Erregungen und der Erregungsdifferentiale. Wir haben oben (S. 282) die eigenartige Fähigkeit der »von jedem hervorgehoben, reizbaren Substanz simultanen P>regungskomplex, sowohl soweit er aus originalen als auch soweit er aus muemischen Erregungen besteht, eine entspre- chende Veränderung, Dem zurückzubehalten«. gegebenen Stelle einen die simultanen Eugramnikomplex habe ich dann gleich au der an- Anmerkung hinzugefügt: »Natürlich wirken dabei die einzelnen Erregungen nicht dergestalt enwie graphisch, sich sie bei isolierter Auslösung würden, sondern dergestalt, wie aus sie darstellen dem gemeinsamen Zusammenfluß im Simultankomplex hervorgehen, modifiziert, wie kung durch die gegenseitige es Kontrast, also so Beeinflussung: Verstär- Abschwächung bis zur Neutralisation, Vermischung, Homophonie, Differentialbildung bedingt.« Wenn ich mich also in einem bestimmten Augenblick eines früher bei zehn verschiedenen Gelegenheiten gesehenen Bildes erinnere, und demgemäß die Ekphorie der zehn En- gramme, welche zehn verschiedeneu Schichten meines Engrammschatzes angehören, eine Homophonie von zehn entsprechenden muemischen Erregungen dingungen gegeben sind, so lassen jene ergibt, wenn diese Be- zehn homophonen, als solche nicht verschmolzenen Erregungen in der Schicht, in der sie ekphoriert worden sind, gramme nicht etwa zehn neue En- zurück, sondern nur ein einziges von allerdings eigen- artiger Beschaffenheit, das sultante, Produkt ihrer energetischen Re- die in der entsprechenden einheitlichen, in der Vividität verstärkten Empfindung ihre Manifestation gefunden
Das Empfindungsdifferential. Homophone 337 Vergleichung. Die Homophonie der Erregungen bedingt also nach der hat. Seite der Empfindungsmanifestation eine Steigerung der Vividität; nach der engraphisehen Seite wirkt Engramm daß ein so, sie besser definiertes, nicht so leicht ^erwischbares kräftigeres, zurückbleibt, dem aus sich eine nicht vividere, aber eine intensivere muemische Erregung ekphorieren Das heißt, die aus rierte läßt. einem so entstandenen Engramm ekpho- mnemische Empfindung erscheint, wenn um es sich ein Gewicht handelt, nicht schwerer, ein Grau erscheint nicht weißer, ein Piano erscheint nicht als Forte; die Empfindungen werden uns nur in allen ihren Eigentümlichkeiten deutlicher, verglichen mit solchen, die einem weniger kräftigen Engramm entstammen. Ebenso verhält es sich mit der engraphisehen Wirkung eines Erregungsdifferentials. Die differenzierten Komponenten müssen nicht etwa bei jeder Ekphorie aufs neue sition gebracht werden, um in Oppo- das neue Erregungsdifferential zu liefern, das sich im neuen Empfindungsdifferential manifestiert. Sondern engraphisch wirkt bereits die ener- getische Resultante der beiden nenten, das Erregungsdifferential, gehalten wird. Daß differenzierten Kompo- das also als solches fest- dies sich so verhält, läßt sich dadurch beweisen, daß dieses Differential bei der Ekphorie stets sofort und unabhängig von der neuen Konstellation wieder auftritt. Übrigens verhält dukten stets der es sich nicht allein so mit den Pro- Homophonie, sondern notwendigerweise wirkt die energetische Resultante zweier einander beeinflus- sender Erregungskomponenten engraphisch, auch wenn diese Resultante sich als Kontrastverstärkung, Abschwächung, Neutralisation oder Mischung zu erkennen Semon, Mneme. II. gibt. Dies 22 ist vom
338 1*16 Standpunkt energetischen Dennoch ist mnemischeu Empfindungen. es aus eine Selbstverständlichkeit. notwendig, nachdem wir uns so tief in die Analyse versenkt haben, daraufhinzuweisen, daß hier wiederum eine synthetische Betrachtung am Platze ist, und daß durch sie der ganze, scheinbar ungeheuer komplizierte Prozeß wieder in viel einfacherem Licht reichen und verwickelten erscheint. Wir haben Momente kennen die gelernt, zahl- die die simultane Auslösung sehr zahlreicher Erregungen, originaler sowohl wie mnemischer, bedingen. Sich gegenseitig in mannigfacher Weise sammen beeinflussend liefern alle eine neue allerdings keineswegs Ohne daß es dabei diese Faktoren homogene zu- Einheit. zu einer Gleichwerdung der zusammen- getretenen Komponenten kommt, tritt bei diesem Prozeß aber doch eine bedeutende Vereinfachung des sehr komplizierten energetischen Wechselspiels auf
Achtzehntes Kapitel. Wettstreit originaler und mnemischer Empfindnngeu innerhalb der gemeinsamen Empfindungsfelder. Alternativen, Bei unseren bisherigen Betrachtungen haben wir gesehen, wie originale Empfindungen bzw. Erregungen die mnemischen Engramme auslösen, wie originale sowie ranemische Empfindungen sich innerhalb der Simultankom- durch Ekphorie der plexe gegenseitig beeinflussen, sich stärken, in ein anlaugt, so Originalerregungen vermischen, ver- bilden, haben sich wir Was abschwächen. gesehen, daß sich zwei so ab- Umständen bis zum sie sich unter oberbewußten jeder treten, (Geruchserregungen) gegenseitig schwächen können, daß Ausbleiben B. homophones Verhältnis zueinander Empfindungsdiflferentiale letzteres z. Empfindungsmanifestation neutralisieren. Wir wollen jetzt in hier zum Schluß Auge fassen, denen das Vorhandensein einer bestimmten Empfindung die Manifestation einer anderen ein die Fälle ins gleichzeitiges dungen nicht derart, daß Zurgeltungkommen möglich an ausschließt, das und ist. für Sind sich der dann jede beiden die der heißt, wo Empfin- Bedingungen beiden Empfin- dungen bzw. Erregungen ausgelöst werden würde, wenn die Bedingungen zum Zustandekommen der anderen nicht da wären, so herrscht das, was ich als eine Empfindungs- bzw. 22*
Die mnemisc'hen Empfindungen. 340 Erregimgs-Alteruative Alternative fuhrt Die Entsclieidimg- bezeicline. zum Ausschluß der der einen oder der anderen Empfindung; die beiden Empfindungen stehen zueinander im Verhältnis der gegenseitigen Exklusion. Die so gelagerten Fälle bilden zwar eine Gruppe für sich, gesonderte Betrachtung erfordert, und die, worauf wir die noch am Schluß hinweisen werden, kurz ziehung von ganz besonderer in mancher Be- biologischer Wichtigkeit ist. Andererseits steht diese Gruppe der sich gegenseitig ausschlie- ßenden Empfindungen der viel schließenden isoliert nicht völlig Übergänge verschiedener Art, größeren der sich nicht ausgegenüber. und so tun Es gibt da wir gut, bei unserer Untersuchung von der größeren Gruppe der sich nicht gegenseitig ausschließenden Empfindungen auszugehen, heißt von denjenigen, die simultan im Nebeneinander funden werden können. Dagegen können wir von das emp- einer Be- rücksichtigung solcher Empfindungs Verhältnisse absehen, bei denen zwei Empfindungen zu einer dritten verschmelzen oder zusammen eine einheitliche, in der Vividität gegen die Einzel- komponenten gesteigerte Manifestation besitzen (Homophonie) oder aber sich gegenseitig mehr oder weniger neutralisieren. Wir wollen hier also nur die Klasse von Empfindungsverhält- nissen berücksichtigen, in der die Zweinatur der betreffenden beiden Empfindungen unter allen Umständen gewahrt Mit der Tatsache, bleibt. daß wir zwei Empfindungen simultan als eine Zweiheit unterscheiden oder nebeneinander empfinden, ist nicht gegenseitig ausschließen. bereits anders ausgedrückt, gegeben, daß sie sie sich Andrerseits aber lehren Ver- suche, die wir mit verschiedener Einstellung der Aufmerk- samkeit auf bald die eine bald die andere machen, daß alle fast Empfindungen eines Nebeneinanders im Verhältnis fakulta-
Wettstreit. tiver Exklusion Je mehr es stehen. 341 Alternativen. uns nämlich gelingt, Aufmerksamkeit auf die eine Empfindung zu konzen- die um trieren, so mehr tritt andere Empfindung zurück, die wird schwächer und schwächer bewußt, schließlich unter- bewußt in unter sie einem Maße, daß wir nicht mehr das Recht haben, Empfindungsmanifestationen des betreffenden die simultanen Erregungskomplexes zu rechnen. Wir können im Bewußtsein Wirkung hat, sagen, daß der Vorgang, dessen Manifestation wir daß als Aufmerksamkeit die Yividität gewisser bezeichnen, Komponenten die eines Simultänkomplexes gesteigert, die der übrigen Komponenten entsprechend herabgesetzt wird. ceteris paribus um so größer, setzung der Mitkomponenten klusion herausläuft, und je Dabei Steigerung die ist je vollständiger ist, mehr je mehr dadurch die Herab- auf eine Ex- sie die Zahl dieser Mitbewerber verringert wird'. Für einen Menschen, der sich z. B. angestrengt bemüht, einen möglichst genauen Schuß auf eine entfernte Scheibe abzugeben, besteht für Augenblicke sein oberbewußter präsenter Empfindungskomplex aus fast nichts als aus einer kleinen Gesichtsempfindung in der Mitte seines Gesichtsfeldes. Er hat keine oberbewußten Empfindungen von seinem mittleren und peripheren Gesichtsfeld, hört nicht die Laute Ein näheres Eingehen auf die Gesetze, nach denen sich diese abspielen, ist für unsere Zwecke nicht notwendig. Glücklicherweise nicht, da es uns z. T. weit von unserem Thema wegführen und einen unverhältnisuiäßigeu Raum in Anspruch nehmen würde. Nur das möchte ich liervorheben. daß dem. was wir als Aufmerksamkeit bezeichnen, zwar besondere, zum Teil erst noch näher zu ergründende Gesetze im Wechselspiel der simultanen und sukzessiven Erregimgen bzw. Empfindungen entsprechen. Daß diese Gesetze aber nur ein besonderes Kapitel desselben Gesetzbuchs bilden, das wir im übrigen Text der vorliegenden Arbeit zu studieren unternommen haben. 1 Vorgänge
Die mnemisclien EuipfinduDgen. 342 Umgebung, in seiner ihm fallen; brennt, fühlt nicht die Sonne, die nicht riecht nicht einmal die Schüsse, Dafür sieht er aber das Korn wenn als es der Fall vräre, Landschaft, befindet, der ihn er auch Emp- der übrigen Scheibe und umgeben- findungsmanifestationen wirkenden ihm auf den Rücken und die zentralen Partien der fernen Scheibe viel deutlicher, den neben den Geruch des Pulvers, der von den Nachbarständen herüberzieht. seines Visiers die soweit sie sich in seinem Gesichtsfeld umschwirrenden Gespräche, der auf ihn Temperatureinflüsse, Gerüche usw. hätte. ein- In gleichem Verhältnis, wie sich die Aufmerksamkeit über mehr Komponenten des simultanen Empfindungskomplexes wie sich ihr Umkreis vergrößert, wie sie sich ausbreitet, »teilt-, nimmt die Vividität der innerhalb des vergrößerten Umkreises ge- legenen Komponenten Entsprechend Zahl der Anteilhaber ab. fällt Anteil an Vividität zu, Maß grenztes besitzt. die in ihrer vergrößerten der jedem einzelnen nur ein geringerer Gesamtwirkung Wir können uns also ein be- bildlich so ausdrücken, daß die verschiedenen Komponenten eines simultanen Empfindungskomplexes sozusagen in einer Mitbewerbung um die Verteilung der Das charakteristische Vividität stehen. ist nur, eines ten um im in dieser Mitbewerbung Bilde zu bleiben, die weitgehende Möglichkeit Kompromisses können im gegebenen Augenblick verfügbaren Die betreffenden Empfindungskomponen- die eine die andere verdrängen, sie können aber auch, allerdings jede dann mit verhältnismäßig schwächerer Vividität, nebeneinander da sein, gleichzeitig empfunden werden. Ich möchte das Ilesultat der vorangegangenen Betrachtungen durch folgenden Proportionalsatz ausdrücken: Je mehr die Vividität eines Empfindungs-Teilkomplexes gestei- gert wird, um so mehr verdrängt dieser Teilkom-
343 Alternativen. Wettstreit. plex die übrigen, neben ihm in demselben Simultan- komplex befindlichen Empfindungskomponenten aus dem Bewußtsein, das heißt schwächt sie in ihrer Vividität. Man kann auch sagen, der ganze Vorgang beruht auf einem Mitbewerb der Komponenten des Nebeneinanders um die Vividitätsstufe. Wir haben nun aber bereits im Laufe der vorangegangeneu Untersuchungen Fälle kennengelernt, ist, denen es unmöglich in gewisse an sich verschiedene Empfindungen nebeneinander zu empfinden es sind dies die Fälle, in ; Empfindungen zu findungsfeldern gezwungen sind denen es sich einem Auftreten losen Wettstreit (vgl. 4. Kap. um den um einen in S. 72, 74), in eine bedingungs- Platz im Empfindungsfelde Bisher haben wir die Fälle aber nur in bezug auf das gleichzeitige erörtert. denselben Emp- in im Gegensatz zu dem eben besprochenen Abstufung auslaufenden Wettbewerb handelt. denen die betreffenden Auftreten von zwei Originalempfindungen Wie wir gefunden haben, ergeben sich die Be- dingungen für das Auftreten von qualitativ verschiedenen Originalempfindungen in denselben Emptindungsfeldern dann, wenn die betreffenden Empfindungen von korrespondierenden Reizpforten aus ausgelöst werden. Das bekannteste Beispiel dafür liegt uns auf optischem Gebiet im sogenannten »Wettstreit der Sehfelder« vor, Was beschäftigt hat. richtiger, statt der (rechts der uns ja schon oben mehrfach die Bezeichnung anlangt, so wäre es vom Wettstreit der Sehfelder vom Wettstreit und links gemeinsamen Sehfeld ausgelösten) zu sprechen. diesen Wettstreit beobachten, Empfindungen im Am besten kann man wenn man den beiden Augeu ganz verschiedene Bilder darbietet und durch geeignete Ver- suchsanordnung verhindert, daß das Bild des einen Auges
Die mnemischen Empfindungen. 344 unbeachtet bleibt, einfach Mikroskopieren Am schieht). wird ignoriert man bedient einfachsten (was dem man den beiden Augen Objekte darbietet. Man an kularen) Gesichtsfeld beim B. dazu sich Stereoskops, unter erblickt z. unbeschäftigtem Auge mit geöffnetem, eines verschiedene dann im gemeinsamen einigen ge- (bino- Komponenten Stellen die durch das rechte, an anderen solche, die durch das linke Auge ausgelöst Gesichtsfelds mehr vom mehr vom Inhalt des anderen Bildes Inhalt des einen, bald erfüllt. ganz durcheiuandergewürfelt, bald Hälfte des gemeinsamen eine die sind, bald Zuweilen dominiert auch der Anteil des einen Auges zeitweilig fast ganz über den Anteil des anderen. sprechender Anordnung des Versuchs mäßiger aber andauernder Wechsel zu beobachten (vgl. auch ist Bei ent- meist ein unregel- in diesen Erscheinungen S. 302). Der Fall des binokularen Wettstreits ist einer der aus- Aus dem Umstand, gesprochensten Empfindungsalternativen. daß zuweilen im Nebeneinander des gemeinsamen Gesichtsfeldes verschiedenartige rechts und links ausgelöste Empfindungen durcheinandergewürfelt sind, darf man natürlich nicht schließen, daß hier die wettstreitenden Komponenten nebeneinander empfunden werden. Bezeichnen wir f/,. . . . und zuweilen «;, «,., links Z>/, nie by neben aj, C/, Z>/, c,., di 6;, nie . . . c,. dj . . ., sie als rechts: so «;., i»,, c,? empfinden wir Avohl nebeneinander, aber nie «^ neben neben c^, Wohl aber können usw. wir es durch besondere Versuchsanordnuug erzwingen, z. B. dadurch, daß wir eine Vereinigung der streitenden Parteien durch Identität der Konturen herbeiführen und den Wett- streit auf die Verschiedenheit der es in dem oben (S. Farben beschränken, wie 304) zitierten Schenkschen Briefmarken- versuch geschieht, daß eine Mischung der wettstreitendeu
Wettstreit. Emptindungeu stattfindet. 345 Alternativen. Wir haben hier dann also einen der schon oben erwähnten besonderen Fälle, in denen die Alternative nicht sondern durch ein Kompro- entschieden, miß ausgeglichen wird. Es interessant, ist daß beim bino- kularen Sehakt die Möglichkeit eines solchen Kompromisses nur unter ganz bestimmten Bedingungen, nämlich unter Zwange Für die nicht. identischer Konturen für farbige Flächen dem existiert. Konturen besteht die Möglichkeit eines Kompromisses Für bedingungslos sie ist die Alternative Wir haben gestellt. unserem vierten Kapitel gesehen, daß es in noch auf zwei anderen Sinnesgebieten möglich ist, durch Aus- lösung von korrespondierenden Eeizpforten aus das Auftreten von zwei Originalempfindungen zu bewirken, auf sinns. löste dem Gebiet in des Gehörs- und des Geruchs- Zwei von korrespondierenden Eeizpforten aus ausgeGehörsempfinduugen sind aber, wie wir gesehen haben, stets kommen (S. 71 Anm.) qualitativ gleich; zwischen ihnen kann Homophonie herrschen, und also nicht Wettstreit sondern nur sie demselben Empfindungsfeld deshalb für uns hier nicht in Betracht. Dagegen befinden sich, wie ich gezeigt habe, alle simultanen inspiratorisch ausgelösten findungsfeld, Geruchsempfindungen und hier ist schen Wettstreits gegeben. in demselben Emp- vollauf die Möglichkeit eines typi- Löst man z. B. zwei verschiedene Geruchsempfindungen getrennt durch Zuführung durch das rechte und das linke Nasenloch aus, so herrscht, wie schon Valentin, Aronsohn und Zwaardemaker hervorgehoben haben, bei entsprechender Abtönung der ein ganz ähnlicher Wettstreit wie Intensität der beiden Reize beim Auge. Nun findet aber ein solcher Wettstreit nicht nur zwischen den vom rechten und vom linken Auge oder von der rechten und der linken Hälfte unseres Geruchsorgaus ausgelösten
Die mnemischen Empfindungen. 346 Originalempfinclungen statt, sondern auch zwischen einer ori- ginalen und einer mnemischen Empfindung oder auch zwischen zwei (oder mehr) mnemischen Empfindungen, seits falls sie einer- auf dieselben Empfindungsfelder angewiesen, andrerseits unter sich qualitativ verschieden sind. Fall, so erfolgt, Ich möchte, Ist letzteres nicht der wie wir gesehen haben, Homophonie. ehe ich auf diesen Wettstreit selbst näher eingehe, hier noch einige ergänzende Betrachtungen zu un- seren bisherigen Ausführungen im dritten, vierten über die Empfindungsfelder und dreizehnten Kapitel hinzufügen. vom Wettstreit zwischen den rechten und vom linken Beim Auge ausgelösten Empfindungen lehrt die unmittelbare Beobachtung ohne weiteres die grundlegende Tatsache, daß beide Augen zusammen nur aller optischen ein gemeinsames Gesichtsfeld (als Inbegriff Empfinduugsfelder) besitzen, in denen die von ihnen ausgelösten Originalempfindungen zusammen hausen, Wie sich vertragen oder sich gegenseitig verdrängen müssen. verhält sich der sichtsfeld Auge ein feld nun aber dieses gemeinsame binokulare Ge- Originalempfiudungen schließe, das Originalempfindungen) der (bzw., wenn ich dann vorhandene uniokulare Gesichts- Empfindungsfelder, in denen unsere zu dem Inbegriff der mnemischen optischen Empfindungen auftreten, dem Gesichtsfeld unseres inneren Auges? Fügen sich auch die mnemischen Sehempfindungen mit in die Empfindungsfelder der originalen Sehempfindungen, oder haben sie ihre eigenen Gebiete? Unbedingt und ausschließlich Haben wir doch dungen in wie S. das erstere zu. die Einfügung der die Empfindungsfelder der Stellen des vorliegenden sich, trifft Die Antwort lautet: mnemischen Empfinoriginalen an vielen Buchs zu verzeichnen gehabt. Wenn 156 gezeigt, zu den durch die lineare Zeichnung
Wettstreit. Alternativen. 347 nusgelösten Originalempfindnugen in eigenartiger Weise mne- mische Empfindungen gesellen und aus der planimetrischen Figur das körperliche Bild eines Würfels machen, so ge- schieht dies notwendigerweise in einem beiden Empfiudungsarten gemeinsamen entsprechend für Dasselbe Gesichtsfeld. alle gilt natürlich Sinnesgebiete, nicht nur für den Ge- sichtssinn. Ich brauche ferner nur daran zn erinnern, daß die Deckung, die, wie wir sahen, beim Vorgange der Homophonie zwischen und muemischen Empfindungen originalen findet, als ein vollgültiger sich die betreffenden originalen in denselben tatsächlich statt- Beweis dafür anzusehen daß ist, und mnemischen Komponenten Empfindungsfeldern befinden. hier durch die Beobachtungstatsache der Aber ebenso wie Deckung läßt sich auch durch die unter anderen Umständen zu beobachtende Tatsache der Nichtdeckuug und Wettstreits die originalen des daraus resultierenden Gemeinsamkeit der Empfindungsfelder für die und muemischen Empfindungen nachweisen. Wir wollen dabei zunächst wieder von den Gesichtsempfindungen ausgehen und den Versuch so anstellen, daß wir uns bemühen, an einer Stelle unseres originalen Gesichtsfeldes, an dem sich das Bild eines undurchsichtigen Körpers befindet, gleichzeitig einen anderen, Wenn misch vorzustellen. ebenfalls undurchsichtigen ich mne- den Versuch mit der nötigen Konzentration bei mir anstelle, so beobachte ich deutlich die Phänomene des Wettstreits. Wenn das mnemische Bild die Oberhand gewinnt, so verschwindet das originale und umgekehrt. Eine Schwierigkeit bei diesen Versuchen liegt darin, daß das mnemische Bild häufig ein wenig durchsichtig, wie ein durchscheinender vorgestellt wird. Körper oder Durch ein auf Glas gemaltes Bild ein solches sieht man dann die von
348 mnemischen Empfindungen. I^iß ihm verdeckten Teile des originalen Bildes durchschimmern. So geht es mir z. wenn B., gut bekanntes Ge- ein mir ich mälde mnemisch vor den originalen Hintergrund den in meinem Zimmer Titel der die Bücherwand projiziere, Die goldenen hildet. Bücher leuchten dann durch das mnemisch vorgeDies widerspricht aber keineswegs der stellte Bild hindurch. Auffassung, daß hier ein Wettstreit der originalen und mne- mischen Empfindungen innerhalb ihres gemeinsamen Gesichtsfeldes vorliegt. wie ich sie Dies sind Mischerscheinungen des Wettstreits, auch beim binokularen Wettstreit der originalen durch das rechte und das linke Auge ausgelösten Empfin- dungen beobachte, z. B. wenn ich das Bild eines zarten pho- tographischen Diapositivs mit einem verschiedenen Buntdruck unter bringe. Dann siegt dem Inhalt nach ganz dem Stereoskop unter Umständen in Wettstreit an manchen Stellen des Gesichtsfelds das Bild des Diapositivs im Wettstreit; an denselben Stellen manifestieren sich aber doch auch gewisse Details des Buntdrucks ^ Gelingt es aber bei dem Wettstreitversuch zwischen dem mnemischem Komplex des Gemäldes und dem originalen der Bücherwand, dem mnemischen Komplex durch intensive Hin- lenkung der Aufmerksamkeit hinreichende Vividität zu verleihen, so siegt es definitiv im Wettstreit und verdrängt den entsprechenden Abschnitt des originalen Gesichtsfeldes völlig. 1 daß es mir 2 allerdings nur sehr selten Ich gestehe, Vgl. auch das ähnliche binokularen Wettstreit. Es wäre übrigens S. 303 beschriebene Vorkommnis beim interessant und lohnend, diese Vorsuche solchen Versuchspersonen fortzusetzen, die wie manche besonders beanlagte bildende Künstler ein über das gewöhnliche Maß hinausgehendes optisches Vorstellungsvermögeu weiter auszubilden und und eine große Übung mit in seiner Anwendung besitzen.
Wettstreit. willkürlich dem au sich man originalen Komplex, gerade den achtet, zu lesen, so siegt er sofort Nebenbuhler indem man auf man den originalen Komplex zu im gar, fixieren, sein Verschwin- während des Versuchs z. auf B. die Büchertitel zu und Wettstreit, verschwindet richtiger, bis er günstiger gestellten viel Aufmerksamkeit und damit Vividität viel Versucht zufließen läßt. erzielen. bei diesem willkürlichen Versuch, diesem Wettstreit in 349 völlige Verdrängung zu gelingt, eine Dies liegt daran, daß Alternativen. sein mnemischer Nimmerwiedersehen, oder von neuem ekphoriert und die Aufmerksam- keit gleichzeitig umgeschaltet ist. markant und besonders gut nachzuweisen Äußerst dieser Wettstreit zwischen dem Komplex von Gesichtsempfindungen, und ist und mnemischen originalen bei hinreichender Vividität des letzteren sein Sieg über den Rivalen, bei Hallu- zinationen von Geisteskranken oder auch von normalen aber in hypnotischem bzw. posthypnotischem Zustand befindlichen Menschen. als Halluzinationen sind ja im Grunde nichts anderes mnemische Empfindungskomplexe von daß sie für originale schluß »Mneme« der gehalten werden. an meine Ausführungen aufmerksam »Wenn man suggeriert, gemacht 1 Journ. in hat, berichtet zum wird die Lücke des Raumes, die dieser Gegendurch eine positiv hallu- Farbe oder Form ausgefüllt. Tatsache Alternativen das Verschwinden eines Gegenstandes stand in Wirklichkeit einnimmt, zinierte ForeH, der im Andie zuerst auf die alternativen Erscheinungen bei Halluzinationen Beispiel: über so starker Vividität, ist, Die Konsequenz dieser daß umgekehrt auch jede positive Halluzination A. Forel, Eine Konsequenz der Semonschen Lehre der Mneme. f. Psych, u. Neurol., 5. Bd., 1905, S. 201. Vgl. auch A. Forel, Der Hypnotismus, ö. Aufl. Stuttgart 1907, S. 82—86.
Die mnemischen Empfindungen. 350 das Verschwinden (oder Nebelhaftvverdeu, wenn sichtig das ist) Bewußtsein bewirkt. sie durch- liegenden Gegenstände für der hinter derselben Eine intelligente periodische Geisteskranke, die in einem Bett in einem Schlafsaal lag und dabei halluzinierte, sie sei in und wohne einem unterirdischen Gang einer Hinrichtung bei, erklärte mir nachher ganz deutlich auf meine Frage hin, daß sie, während sie dieses hal- den ganzen Schlafsaal samt Betten nicht mehr sah und luzinierte, auch den Lärm der Kranken im Nebensaal nicht mehr Auf meine Bitte hat Professor Forel die diese Frage noch weiter experimentell zu verfolgen, ist ihm gelungen, bei einer geeigneten, sigen Versuchsperson posthypnotisch Halluzination daß eine hinter dieser Halluzination reale, befindliche, mit so (eines Papageis) und kräftige es und zu erzeugen, (dem imaginären deutlichen Buchstaben großen ^ durchaus zuverläs- eine undurchsichtige Vogel) hörte. Güte gehabt, auf weißes Papier geschriebene Sentenz für die Versuchsperson nur soweit lesbar blieb, als von der Halluzination nicht sie überdeckt wurde. Es ist selbstverständlich, daß ein derartiger Wettstreit nicht nur auf optischem Gebiet, sondern ganz allgemein tiberall da auftreten muß, wo mehrere qualitativ verschiedene originale und mnemische Empfindungen (oder auch mehrere verschiedene mnemische Empfindungen) bei qualitativ simultaner Ek- phorie auf dasselbe Empfindungsfeld angewiesen sind. Abwesenheit der qualitativen Verschiedenheit würde (Bei in diesen Fällen Homophonie resultieren.) So gelingt es mir wohl, eine mnemische Kälteempfindung an einer bestimmten Hautstelle, z. B. einer Fingerspitze, her- vorzurufen, mir eine Kälteempfindung an jener Stelle »vorzustellen«. Aber dieser Versuch mißlino;t durchaus — oder
Wettstreit. mnemische Empfindung verschwindet die bereits vorliandene sofort — , wenn 351 Alternativen. eine andersgeartete Originalerapfinduug in jenes Empfindungsfeld dadurch eindringt, daß ich die betreffende Stelle durch Druck oder warme Bestrahlung wenn jener Reiz äußerst schwach oder noch die kann man durch die sich wenn ist Suggestion in der Hypnose erreichen kann), gegen die Originalempfindung doch letztere Dann behaupten. besser, mnemische Empfindung äußerst vivid vorgestellte (was Freilich, reize. aber doch hinwieder unter geschieht dies Verdrängung der Originalempfindung aus dem gemeinsamen Empfindungsfelde, und auch dies daß diesen unter herrscht, Bedingungen eine Alternative kann man auf findungen liegen dungen, ganz streit ein gestellt wirklicher Wettstreit Ahnliche Versuche ist. aus den sie insofern anders, als es S. 71 Anm. innerhalb desselben ist, Gehörsempfin- verschiedene qualitativ gleich, dem- Auf dem Gebiet der Gehörsemp- Gründen nicht möglich Empfindungsfeldes zeugen. bloß wieder ein Beweis, allen anderen Empfindungsgebieten mit selben Erfolg anstellen. mitgeteilten ist ob originale oder mnemische, zu er- Bei ihnen kann also auch kein eigentlicher Wett- zwischen mnemischen und herrschen, und man kann ganz originalen Empfindungen gut einen Ton original hören und dazu einen anderen von ihm verschiedenen mnemisch mitklingen lassen. Zwischen verschiedenen simultan ausge- lüsten Gehörsempfindungen, mischer Herkunft, herrscht seien also sie nie originaler ein oder mne- Wettstreit, Kampf um den Platz im Empfindungsfeld, sondern Mitbewerb um die Vividitätsstufe. Wie wir oben kein nur ein gesehen haben, kann ja auch ein Unterliegen bei diesem Mitbewerb zu einer führen. faktischen Es handelt Ausschaltung sich gewisser aber dabei um Komponenten keine absolute
: 352 I^J6 mnemischen Empfindungen. sondern Alternative, um eine fakultative, nicht unbedingt notwendige gegenseitige Exklusion. Wir können nunmehr das Be- der bisherigen Resultat trachtungen dieses Kapitels in folgenden zwei Aufstellungen zusammenfassen Sind die Bedingungen für die gleichzeitige Auslösung 1) verschiedener Empfindungen gegeben, Produkte dieser Auslösungen, soweit funden werden können, sich aber der in dabei die Vividitätsstufe. nicht. Sie müssen es Wir sprechen in die Vividitätsstufe. aber die Möglichkeit eines Ist unterein- Mitbewerb der Komponenten um des Nebeneinanders sich die nebeneinander emp- ausschließen, der Fälle diesen Fällen von einem 2) um gegenseitig Mehrzahl sie mehr oder weniger alle ander in einer Art Mitbewerb können befinden so Nebeneinanders betreffenden Empfindungen ausgeschlossen, der sind sie auf ein und dasselbe Empfindungsfeld (oder auf einen und denselben Komplex von Empfindungsfeldern) angewiesen, hinreichender qualitativer Verschiedenheit das als Wettstreit bezeichnen. Um um den was wir statt, Platz im Empfindungsfelde dasselbe Empfindungsfeld aber können kon- einerseits kurrieren: so findet bei zwei Originalempfindungen, korrespondierenden Reizpforten aus ausgelöst die sind von (korre- spondierende Gesichts- und Geruchsempfindungen, aber nicht korrespondierende Gehörsempfindungen, gleich qualitativ mnemische sind); Es ist letztere andrerseits eine Original- Empfindung; Empfindungen unter weil endlich verschiedene stets und eine mnemische sich. einleuchtend, daß, um jetzt speziell von den mne- mischen Empfindungen zu sprechen, je nach dem Zustande- kommen der oben skizzierten Kombinationen sehr mannig-
Wettstreit. fache Bedingungeu für Alternativen. 353 und die Elkphorie mnemisclien Emptiudungeu gegeben sind. Andauer der die Vorhandene mne- mische Empfindungen werden in ihrer Vividität abgeschwächt (Bedingungen sub 1) Ekphorie von neuen oder verdrängt (Bedingungen sub wird erschwert 2), (Bedingungen sub oder unmöglich gemacht (Bedingungen sub 2), 1) nachdem je andere originale oder mnemische Empfindungen bereits an- wesend sind oder Es den. wäre gleichzeitig ausgelöst bzw. ekphoriert wer- eine dankenswerte und nicht besonders schwierige Aufgabe, alle derartigen Möglichkeiten zusammen- und systematisch durchzuarbeiten. zustellen dies aber zu weit fortführen Es würde uns von den allgemeinen Fragen, deren Behandlung wir in diesem Buche unternommen haben, um dem weiteren, kommen. zu *Mneme« gesteckten in der Ziele näher So müssen wir in Hinblick auf die Ökonomie Gesamtwerks auf die weitere Durcharbeitung des dieses Teilgebiets verzichten. Nur einer besonderen Gruppe von Fällen wollen wir hier noch zum Schluß unsere Aufmerksamkeit zuwenden, weil ihrem aus Studium Licht auf gewisse mnemische Es handelt um probleme fällt. »Mneme« als alternativ ekphorierbare habe. native Wegen sich das, was ich Hauptin der Dichotomien bezeichnet der fundamentalen Bedeutung, die die alter- Ekphorie solcher Engrammsukzessionen auf dem Gebiet der plastischen Manifestationen muemischer Erregun- gen besitzt, in der habe ich gerade dieser Seite des Gegenstandes »Mneme« meine Hauptaufmerksamkeit zugewandt. Es dürfte aber von Nutzen sein, meine dortigen Ausführungen hier in bezug auf die Empfiudungsmauifestationen alternativ ekphorierbarer Engrammdichotomien zu ergänzen. Wir knüpfen dabei zunächst an Sem on, Mneme. II. die Ergebnisse unserer 23
Die lunemischen Empfindutogeu. 354 bisherigen Betrachtungen in diesem Kapitel an, die wir auf S. 352 in zwei kürzere Thesen zusammengefaßt haben. haben bei diesen Thesen sowohl Fällen, aus denen Komponenten abgeleitet sind, sie dungen vor Augen gehabt bzw. chen Empfindungskomplexes, nicht Es daß die Regeln, die zelnen Komplexes stalt als sol- Sukzession aber eine ist die Empfin- von Bedingungen eines die von Empfindungskomplexeu. verständlich, immer zunächst Simultankomplexes eines Wir auch bei den konkreten als nun eigentlich selbst- sich innerhalb jedes ein- herrschend ergeben, keine andere Ge- bekommen, wenn man Synthese übergeht, daß insofern von man nicht der Analyse zur mehr bloß den einzelnen Simultankomplex, sondern eine ganze Reihe aufeinanderfolgender zusammen ins Auge unsere Wir könnten faßt. in der Tat Thesen von der Simultaneität zweier momentaner Empfindungszustände auf die Simultaneität der Abläufe zweier längerer und in ihren Bestandteilen wechselnder Empfindungsketten ausdehnen. Es treten sodann nicht zwei simultane Empfindungszustände, sondern zwei Empfindungsketten in Mitbewerb zeitlich parallel laufende um die Vividitätsstufe, bei der Auteil der einen so klein ausfallen kann, fast ganz aus dem Oberbewußtsein verschwindet, auch überhaupt nicht mehr manifest wird. Umständen aber, wenn daß wosie vielleicht Unter anderen ein eigentlicher Wettstreit zwischen zwei Empfindungssukzessionen stattfindet, weil bei ihnen im Sinne unserer zweiten These möglich ist, zessionen (S, 352i ein Nebeneinander un- besteht natürlich auch in bezug eine auf die Suk- scharf ausgesprochene Alternative, die für gewöhnlich nur mit dem völligen Siege der einen über die andere Reihe endet, nur ganz ausnahmsweise zu einer Mi- schung (nie zu einem Nebeneinander) führt.
« um die also einer Reihe von in mit Vividitätsstnfe in gerechte oder Verdrängung der einen anderen Reihe von Fällen einer in Fällen Wettbewerb dem Ausgang ungerechte Teilung, eventuell völlige Komponente, 355 Alternativen. Wettstreit. Wir haben < Wettstreit mit scharf ausgesprochener Alternative. echten Alles dies: entweder zwischen zwei originalen Sukzessionen, oder einer originalen und einer mnemischen Sukzession, oder zwischen zwei mnemischen Sukzessionen. letzteren Fall wollen w'n hier näher ins Nur diesen fassen, und unter den mannigfachen Mijglichkeiten, denen er in Erscheinung treten kann, herausheben; die nämlich, Auge unter nur eine besonders daß die beiden rivalisierenden Sukzessionen ein gemeinsames Anfangsglied (bzw. eine ge- meinsame Kette solcher Glieder) besitzen. Ich will dies zunächst an demselben konkreten Beispiel erläutern, der von dem ich bereits bei meinen Erörterungen Mneme (2. oder lese ich«, Aufl., S. 146, 221) so sagte ,Über allen Gipfeln in ist ich dort, ausgegangen bin. in »Höre »das berühmte Gedicht: Ruh' zuweilen in der ersten, zuweilen der zweiten Goetheschen Fassung, so prägt es sich mir in folgender alternativ dichotomischer Fassung ein: Wäldern hörest du /keinen Hauch ^ < „„ „ \Wipfeln spurest du kaum einen Hauch — >Uber allen Gipfeln Es ist bleibt also eine Ruh, in allen , .. , — Engrammdichotomie zurück, die von der Teilungsstelle an nur alternativ ekphoriert werden kann. Um das Beispiel noch schärfer zu fassen, nehmen wir an, das Gedicht sei uns sowohl in der ersten wie in der zweiten Fassung je dreimal vorgetragen worden. dann die einzelnen durch die gesprochenen Bezeichnen wir Worte erzeugten 23*
: 356 I^ie mnemischen Empfindungen. Eugramme mit Buchstaben und geben den Buchstabenzeicheu den der Nummer ihrer Wiederholung entsprechenden Index, so erhalten wir, wenn wir nur die Sukzession der ersten neun Engramme ins Auge fassen, folgendes Schema homophon ekphorierbarer Engramme 1
Wettstreit. einander Engramme Am in Erscheinung zwei Sukzessionen solcher treten, nebeneinander gleichzeitig kann man leichtesten 357 Alternativen. ablaufen zu lassen. davon durch folgenden Ver- sich Man rezitiere ein daß man es »im Schlaf man such überzeugen: Gedicht, gut kennt, hersagen könnte<:, laut das so vor sich her oder richtiger schnurre es ab und lasse gleichzeitig ein anderes, ebensogut gekanntes, geistig an sich vor- überziehen. Ich bin in einem gewissen, allerdings beschränkten Maße dazu imstande. Freilich erziele zweifelloses ich ein Nebeneinander immer nur für sehr kurze Zeit; bald stockt entweder die Rezitation oder, wenn ich auf sie achte, hört die andere, in diesem Fall lediglich innere, Reproduktion auf, oder ich bemerke, daß ich durch ein Springen von Ablauf zu dem anderen, Ein solches raubt aber Oszillieren weisende Kraft für ein dem einen mühselig im Gange erhalte. beide dem Versuch jede be- Nebeneinander der um ein in eigentümNacheinander dieser Abläufe inwirkliches Abläufe, da es sich dabei größtenteils licher Form folge des Oszillierens eine auftretendes kürzere Zeit Doch der Ekphorie handelt. ein ist für Nebeneinander mit Sicherheit nach- zuweisen, und so kann ich meinen früheren Ausspruch, daß simultane grammen Manifestation ekphorierter Erregungsketten unmöglich sei, nicht aufrecht erhalten. festationen sich verschiedener aus Worten- zweier Freilich sind in unserem Fall die Mani- verschiedener Art: die eine durch oberbewußte Empfindungen, gleichzeitige motorische Reaktionen. von wenn auch vielleicht Reihe die Aber manifestiert andere die durch Anwesenheit nur sehr schwach bewußten Empfin- dungen beim Herunterschnurren eines Gedichts, während man an etwas ganz anderes denkt, und so ist nicht in Abrede zu stellen, müssen wir zugeben, daß die Alternative in diesem
358 I^i^ mnemischeu Empfindungen. Fall keine so unbedingte ist, wie etwa, wenn an uns die immöglieli zu erfüllende Forderung gestellt wird, man solle au derselben Stelle des Gesichtsfeldes gleichzeitig zwei verschiedene undurchsichtige Bilder (original-original, oder ori- ginal-mnemisch, oder mnemisch-mnemisch) empfinden. Aber wenn auch keine absolute Unmöglichkeit einer gleich- zeitigen Manifestation, selbst nicht einer gleichzeitigen tindungsmanifestation Worteugramme Ekphorie der vorliegt, liegt zweier Emp- verschiedener doch im Falle des in zwei Fassungen gelernten Goetheschen Gedichts und überhaupt in der großen Mehrzahl aller Fälle von Ekphorie dichotomisch (bzw. trichotomisch usw.) sich gabelnder verhältnismäßig bestimmte wenn auch Engrammreihen eine nicht unbedingte Alter- und zwar aus ganz besonderen Gründen, native vor, hier noch kurz ins Auge Wir wählen dazu die wir fassen wollen. dem au und für sich durchaus keine Schwierigkeiten machen würde, die beiden Aste der dichotomischen ekphorieren Dies zum ist folgen. einen Fall, bei es Engrammreihe nebeneinander zu und nebeneinander oberbewußt zu empfinden. Beispiel der Fall mit zwei verschiedenen Ton- Komponisten lassen häufig genug zwei oder mehr verschiedene in dieser Themen gleichzeitig nebeneinander erklingen Form werden sie i; empfunden, wirken eugraphisch und werden bei Ekphorie von musikalischen Menschen genau demselben Nebeneinander mnemisch reproduziert. in Ob- wohl also keine Unmöglichkeit, nicht einmal eine Schwierig1 Fast in jeder Fuge des Baclischen wohltemperierten Klaviers kann mau einfache Beispiele hierfür auffinden. Man sieht diesen Tatbestand beim ersten Blick auf die Noten. Die verschiedenen Themeu aber auch herauszuhören, dazu besonders wenn es mehr als zwei sind, einige musikalische Schulung bzw. eiue genauere Kenntnis des betreffenden Musikstücks. gleichzeitig ablaufenden gehört,
für keit 359 Alternativen. Wettstreit. den simultanen Ablauf zweier verschiedener aku- stischer Sukzessionen vorliegt, wenn schon bereits die ein solcher tritt doch nur die Originalreize simultan gewirkt haben, ein, wenn Engraphie der beiden Reihen simultan erfolgt Andernfalls tritt stets Nehmen nur alternative Ekphorie ist. ein. wir als konkretes Beispiel die beiden folgenden Tonsukzessionen aus der bekannten Beethovenschen Sonate. * Erste Sukzession: äi?^Si=^ m tE^ ^EJffrFJ^ Zweite Sukzession: Diese beiden Sukzessionen stellen insofern eine Engrammdichotomie von der Art —d— —h—g c e h — d eis — c spielt sicher oder c e — d— c — h — g reproduzieren wird. nie, nicht Vielleicht welchem Ast Unter keinen Umständen aber wird seinen Gedanken, gemein- und ihn auffordert fortzufahren, ganz einen Augenblick schwanken, in die im richtigen Rhythmus vor- entweder die Sukzession — —a—g eis g — h — d vorsingt, g wenn man ihm dar, als ein Beethovenkenner, same Anfangsreihe —ß— er, er oder wird er folgen soll. und wenn auch nur beide Aste simultan ekphorieren und einmal innerlich, ein Klauggebilde folgender Art reproduzieren: Mischform: ?=f=Pit ^F^£J
Die mnemischen Empfindungen. 360 obwohl an sich Empfindung und Reproduktion dieses Klangmindeste Schwierigkeit bereiten und ohne nicht die bildes wenn weiteres realisiert werden würde, position sie in einer Kom- im Original gegeben wäre. Der Grund Mitbewerb hierfür liegt meiner Ansicht um die Vividitätsstufe nach herrscht in folgendem. beim Nebenein- ander aller gleichzeitigen Empfindungen verschiedenen Inhalts, und zwar dieser Mitbewerb ist am lebhaftesten je zwischen den Komponenten eines und desselben Empfindungs- Von zwei gleichzeitigen originalen Tonempfindungen man würde das zwar zunächst nicht annehmen, aber dennoch gebiets K ist daß wir es eine Tatsache, Aufmerksamkeit stets bei polyphoner Musik unsere nur verhältnismäßig wenigen Kompo- nenten zuwenden, und es einer ganz besonderen Anstrengung und, wenn es großen Übung bedarf, zeitigen (S. sein erfolgreich Stimmen zu sie einer außerordentlich gleichmäßig auf die vielen gleich- verteilen. 359) gleich als solche, soll, d. h. Höre in ich nun Form von die Mischform Originalemi)fin- dungen, so spielt sich der Mitbewerb unter den an sich so viel Während nahezu unmöglich ist, zwei heterogene Tonsukzessionen und nebeneinander zu empfinden, macht es durchaus keine Schwierigkeit, einen solchen Ablauf zweier verschiedener Empfindungsreihen nebeneinander zu erzielen, wenn sie ganz verschiedenen Empfindungsgebieten angehören. Zum Beispiel: Ich habe einmal auf einem Ball ein Paar sehr schön Walzer tanzen sehen und kann mir dies lebhaft vergegenwärtigen, ohne mich der Musik zu erinnern, nach der dies damals geschah. Dann macht es nicht die geringste Schwierigkeit, neben der Sukzession von mnemischen Bildern die Melodie irgend eines beliebigen Walzers muemisch mitzuempfinden, der mir gut bekannt ist. Paulhan, Revue scientifique, Bd. 39, 1887, S. 684, hat eine Anzahl sehr interessanter Experimente angestellt, aus denen die an sich schon offenbare Tatsache noch einen schärferen wissenschaftlichen Ausdruck findet, daß gleichzeitige mnemische Abläufe, die auf nahe benachbarten Empfindungsgebieten stattfinden, sich viel mehr gegenseitig beeinträchtigen als solche aus ganz verschiedenen Gebieten. 1 es gleichzeitig zu ekphorieren
Wettstreit. 361 Alternativen. dem Kompro- vivideren Origiualempfiudungeu ab und endet mit miß des Nebeneinander, wobei aber auch eine Komponente bei der die andere überflügelt, fast regelmäßig die was sich besonders muemischeu Reproduktion und besonders beim »Ver- gessen« nach längerem Zeitverlaul' bemerklich man macht. Hat aber nie beide Sukzessionen gleichzeitig gehört (bzw. auch was gelesen, bei einem geübten Musiker auf dasselbe fast herauskommt), so erfolgt bei der Ekphorie der Engrammdichotomie , 9 -h -d — d — — eis — c — (^ c nach Ablauf von y der Mitbewerb rein e a li — g —g —h—d muemischen akustischen Empfindungen zwischen e und eis den und endet regelmäßig mit der völligen Niederlage des Vertreters der einen Sukzession. Nur ein besonders musikalischer Mensch wird einen anderen Ausgang erzwingen können, indem er durch entsprechende Verteilung der Aufmerksamkeit beiden Asten der Dichotomie genau gleiche Vividität verleiht. Ein solcher Mensch Dichotomie wird gleich in dem imstande zweifellos S. 359 ander zu ekphorieren. als sein , diese Mischform bezeichneten Nebenein- Aber auch er müßte sich jedenfalls besondere Mühe geben, und so existiert für ihn und noch mehr für gewöhnliche Sterbliche auch ausgesprochene, Wenn selbst es, wenn auch in diesen nicht unbedingte Alternative. wie gesagt, bei mnemischen Reproduktionen von Tonengrammen ungemein schwer librieren, Fällen eine ist, so zu äqui- daß beide Aste der Dichotomie nebeneinander ekphoriert werden, und bei Wortengrammen und in vielen an- deren Fällen für längere Reihen geradzu unmöglich, so es doch andrerseits nicht selten vor, kommt daß durch Überspringen
Die mnemischen Empfindungen. 362 der Ekpliorie von eiuem EngTammast auf den anderen reaktionen Sie resultieren. übrigens sind Misch- häufiger bei Reproduktionen von Worten, Silben, oder von kinästhetischen Reaktionen wir z. als S. 223) (IL Aufl. vor B. von darüber: uns, In Melodien. Mneme der sagte ich »Eine solche Mischreaktion haben wenn was ja sehr wir, leicht ge- schehen kann, die beiden Alternativen folgendermaßen kombinieren: ,Uber allen Gipfeln du kaum einen Hauch'. ist Kuh, in allen Wipfeln hörest Solche Mischreaktionen sind weder den Äußerungen der individuell erworbenen bei Mneme eine Seltenheit, noch fehlen sie bei der Manifestation von ererbten Immerhin dichotomischen Engrammsukzessionen. sowohl bei ererbten als alternativen Dichotomien Gabelungsstelle auch bei in der Mehrzahl die Ekphorie der anderen Bahn, in der die homophonen dem der Fälle an der nur entweder der einen oder erörterten Falle Engramme folgt erworbenen //»i-s oder ^ werden r4_(i also entwe- ekphoriert. Wie mnemische Alternative beantwortet wird, hängt davon diese ob der ekphorische Einfluß ab, individuell oder r^^^ //i_3 überwiegt, und Faktoren der mannigfaltigsten Art können die Wagschale nach der einen oder der anderen Seite hin zum Sinken bringen. In der ein Mehrzahl der Fälle besteht schon von vornherein dadurch Übergewicht nach der einen Seite hin. daß die Zahl der Wiederholungen gewöhnlich nicht für beide Gabeläste eine so ganz gleiche sein wird, wie wir genommen haben. sie in unserem Schema an- Ein weiteres Übergewicht kommt derjenigen Seite zugute, auf der die zeitlich späteren, weniger verblaßten Wiederholungen liegen. Moments wird auf morphogeuetischem Infolge noch dieses Gebiet, wie wir später sehen werden, das Einschlagen atavistischer Bahnen für ge' Vgl. S. .356 des vorliegenden Werkes.
AVühnlicli 363 Alternativen. Wettstreit. Feruer können aber noch neu hinzu- vermieden. tretende Originah-eize aller Art der einen oder der anderen Ekphorie das Übergewicht verleihen und dadurch ein bereits bestehendes Übergewicht der anderen Seite überkompensieren. Wenn einem Rezitator, der zwei Fassungen seines Vor- ich kennt, tragsgedichts gewohnt aber es ist, in der zweiten Fassung vorzutragen, an der Gabelungsstelle das Stichwort der ersten Fassung souffliere, in unserem Goetheschen Gedicht also , Wäldern' statt , Wipfeln', wird es zuweilen gelingen, durch Hinzufügung dieser Originalerregung, ihn in die andere Bahn zu lenken. Daß unter Umständen auch hemmende Ein- das Einschlagen oder Verfolgen flüsse des einen Astes der Weggabelung verhindern und dadurch die Bahn der Ek- phorie nach der anderen Seite lenken, wird später im Kapitel über die morphogenetischen Dichotomien ausführlicher erörtert werden.* Die Tatsachen, auf die wir uns bei unserer im vorliegenden Kapitel gegebenen Untersuchung der Empfindungsmanifestationen von alternativ haben, stützt sind ekphorierbaren Dichotomien solche, die wohl jeder schon oft jeden Augenblick leicht an sich selbst erproben Außerdem kann. und und die deutlich ausgesprochen an sich selbst erfahren hat, er jedenfalls ge- liegt uns aber noch ein sehr sorgfältig durch- gearbeitetes Versuchsmaterial vor, das wir den Arbeiten von Schumann G. E. Müller und seinen Mitarbeitern F. Pilzecker 2 verdanken. Besonders in dem ^ Werke von und A. Müller G. E. Müller und F. Schumann, Experimentelle Beiträge zur Untersuchung des Gedächtnisses. Zeitschr. f. Psych, u. Phys. d. Sinnes' organe. 2 Lehre 6. Bd., 1894. G. E. Müller vom und A. Pilzecker, Experimentelle Beiträge zur Gedächtnis. Ergänzungsband 1, 1900. Zeitschr. f. Psych, u. Phys. d. Sinnesorgane.
Die mnemischen Empfindungen. 364 und Pilzecker wird der Untersuchung der Wechselwirkung und dem Mitbewerh bzw. Empfindungen ein weiter unterscheiden eine mnemischer Erregungen gleichzeitiger Raum »generative Die Verfasser gewährt. Hemmung«, wenn en- die graphische Wirkung bestimmter Erregungen durch die An- wesenheit anderer mnemischer Erregungen bzw. Empfindungen abgeschwächt wird, und eine »effektuelle Hemmung«, wenn die Gegenwart einer mnemischen Erregung die Ekphorie einer anderen hemmt, das heißt entweder verzögert, Vividität schwächt, oder sie ganz inhibiert. Ein näheres Ein- gehen auf die zahlreichen Versuchsreihen von G. seinen Mitarbeitern und heiten ihrer Resultate E. Müller und bemerkenswerten Einzel- die vielen würde uns sie in ihrer hier zu weit führen. Be- sonders möchte ich aber auf den interessanten Abschnitt über die »Mischwirkung konkurrierender Assoziationen« und Pilzecker, a. a. 0. S. (Müller 159—165 und 225—230) hinweisen, dem Gebiete der Worte und die sich auf Mischreaktionen auf Silben beziehen, und möchte nebenbei auf die von Münster- berg i erwähnten Mischreaktionen in Gestalt von Mischbe- wegungen aufmerksam machen. Bei den Reaktionen, aus denen man das Vorhandensein der dichotomischen Engrammsukzessionen und die Alternative bei ihrer Ekphorie sowie die verschiedene Art der Beant- wortung bzw. Ausgleichung dieser Alternative sich es bei den suchungen haben lich zuletzt in erster Linie erwähnten um abliest, handeft experimentellen Unter- motorische Reaktionen. Frei- die Untersucher die Versuchspersonen in vielen Fällen auch nach den gleichzeitigen Empfindungen befragt, und so den Ablauf der Erregungen sozusagen durch eine doppelte 1 S. 78, H. Münsterberg, Beiträge znr experimentellen Psychologie, Heft Freiburg 1892. 4,
Au Ablesung verzeichnet. üb 365 Alternativen. Wettstreit. sich ist die Ablesung gleichwertig-, auf Emptindungsreaktionen oder auf motorische sie sich oder auf plastische oder endlich auf Stoffwechselreaktioneu stützt, wie ich dies ausführlich in der bis 215) auseinandergesetzt habe. Mneme Aber erst Aufl. S. 214 wenn man die (2. Ergebnisse aller dieser Ablesungen zusammen ins Auge kann man die ganze faßt, Bedeutung der alternativ ekphorierbaren Dichotomien ermessen. Die wichtigsten Konseciuenzen, die sich aus einer derartigen Anordnung der Engramme ergeben, finden sich jedoch dem Gebiet des individuell erworbenen Engrammdem wir uns in dem vorliegenden Werk ausschließlich beschäftigen, sondern auf dem des ererbten Ennicht auf schatzes, mit Auf letzterem grammschatzes. Gebiet, besonders beim Studium der Ontogenese, bietet die richtige Auffassung des Baues der ekphorierbaren alternativ Engrammdichotomieu und seiner Entstehung den Schlüssel für zahlreiche der wichtigsten Vererbungsprobleme, stehen, so der die heute Bedeutung der Mendelschen Regeln, des Auf- tretens von Atavismen, der reagenz usw. Alternativen, um im Mittelpunkt des Interesses Überall um Fremdkreuzung handelt da es sich ihre entscheidende ihren Ausgleich durch den als Aktivierungs- um mnemische Beantwortung oder aber Kompromiß der Mischreaktionen. Bedingt doch jede Vereinigung zweier Keime, indem sie eine Vereinigung des ererbten Engrammschatzes des einen Elters mit dem des anderen mit sich bringt, eine Fülle neuer Alter- nativen, und erklärt sich aus ihnen doch in einfacher und, nen wenn man Wege die in unseren Weise Untersuchungen eingeschlage- weiter verfolgt, auf der Grundlage physiologischer Tatsachen, die eigentümliche Mischnatur, in der das Ahnenerbe jedes Menschen, ja jedes organischen Wesens in Körper-
Die mnemischeu Empfindungen. 366 bescliaffeuheit und Instiukten, Anlagen und Charakter zur Erscheinung- gelangt. Ein näheres Eingehen hierauf gaben des vorliegenden Buchs. liegt außerhalb der Auf- Bei der fundamentalen Be- deutung der mnemischen Alternativen auf diesem Gebiet aber auf die Behandlung hingewiesen, die ich stand im 12. und 13. Kapitel der lassen. worden. öifnen, Dort sind freilich Mneme habe dem Gegenangedeiheu nur die Grundlinien gezeichnet Eine Fülle weiterer Einblicke wird sich noch er- wenn man die Probleme von diesem aus und mit Benutzung der im vorliegenden neneu Ergebnisse Standpunkt Werk gewon- bis in ihre Einzelheiten durcharbeitet. Aufgabe muß vorläufig einer ferneren bleiben. sei Diese Zukunft überlassen
Schluß

Neunzehntes Kapitel. Ergebnisse im Sinne einer Vereinfachung und Vereinheitlichung. In den Schlußbetrachtungen der »Mneme« habe ich ein Hauptergebnis jener Arbeit mit folgenden Sätzen zusammen- »Und indem wir bei diesem näheren Studium ge- gefaßt: funden haben, daß sich alle diese scheinbar so ganz hetero- genen Manifestationen [der mnemischen Erregungen] auf einige Grundsätze zurückführen lassen, die sich ihrerseits als bloße Konsequenzen der synchronen Reiz Wirkung ergeben: Asso- und Gesetze der mnemischen Homophonie, ziationsgesetze haben wir meiner Ansicht nach durch diese Vereinfachung unserer Anschauungen auch einen Schritt in der wirklichen Im vorliegenden Werk haben Erkenntnis vorwärts getan. kleineres Feld wir ein Mueme dem auf weiten Gesamtgebiet der eingehender behandelt, das Gebiet der durch ober- bewußte Empfindungen manifestierten, individuell erworbenen Mneme, das wir auch das Reich des höheren Gedächtnisses Wir wollen nun nennen können. benutzen, um festzustellen, auf diesem engeren Gebiet auf Wege dieses Schlußkapitel dazu inwieweit es uns gelungen dem von ist, uns eingeschlagenen die außerordentliche Fülle höchst verschiedenartig er- scheinender Vorgänge auf ein Minimum einfacher Grundsätze zurückzuführen, dadurch zu einer wesentlichen Vereinfachung Semon, Mneme. II. 24
Schluß. 370 und Vereinheitlichung unserer Anschauungen zu gelangen und somit einen Schritt in der wirklichen Erkenntnis vorwärts zu tun. Als das Charakteristische für das Wesen der mnemischen Prozesse im weitesten Sinne habe ich es stets ^ bezeichnet, daß sie, als eintreten, Reproduktionen früherer Erscheinungen betrachtet, ohne eine vollständige "Wiederkehr derjenigen Be- dingungen, die zur Hervorrufung jener früheren Erscheinungen, notwendig waren. ihrer Vorgänger, Diese Besonderheit in der Möglichkeit der Hervorrufung (Ekphorie) der mnemischen Erscheinungen hat aber ihrerseits zur unbedingten Vorausvorherige Anwesenheit eben jener Vorgänger. setzung die Wir drücken sagen, dieses Abhängigkeitsverhältnis so aus, Vorgänger oder die Originalerregungen hinter- die lassen nach ihrem Verschwinden »Engramme« dieser daß wir bleibende Veränderungen, in der organischen Substanz, Engramme und auf dem Boden erfolgt bei bloß partieller Wiederkehr der- jenigen energetischen Situation, die engraphisch gewirkt hat, eine vollständige wiewohl ihrer Lebhaftigkeit meist sehr in abgeschwächte Reproduktion der früheren Gesamterscheinung, Die eben dargestellten Beziehungen enthalten das Grundprinzip aller vorliegenden mnemischen Phänomene. Ich bin dazu gelangt, im Werke dieses Grundprinzip Thesen zu formulieren, die ich Hauptsätze bezeichnet habe. als die in Gestalt zweier beiden mnemischen Sie gelten für alle mnemischen Erscheinungen, nicht nur für die Phänomene des durch ober- bewußte Empfindungen manifestierten höheren Gedächtnisses, und bei ihrer Fassung habe ich deshalb auch nicht auf die 1 Vgl. außer Antikritik der 2. dem Mnemewerk Mneme, im Archiv Heft, 1907, S. 205. auch den Aufsatz; Kritik und Easaen- und Gesellschafts-Biologie, selbst f.
Vereinfachung und A^ereinheitlichung. 371 der betreöenden Erregungen Rücksicht Manifestatiousweise genommen, sondern von Erregungen schlechthin gesprochen. mnemischer Erster graphie): Alle Hauptsatz gleichzeitigen der En- Erregungen innerhalb eines (Satz Organismus bilden einen zusammenhängenden simultanen Erregungskomplex, der als solcher engraphisch wirkt, das heißt einen zusammenhängenden und insofern ein Ganzes bildenden Engrammkomplex zurUckläßt. Zweiter mnemischer Hauptsatz (Satz der Ekphorie): Ekphorisch auf einen simultanen Engrammkomplex wirkt die partielle Wiederkehr derjenigen energetischen Sidie tuation, vormals engraphisch gewirkt hat. In engerer Fassung: Ekphorisch auf einen simultanen Engrammkomplex wirkt die partielle Wiederkehr des Erregungskomplexes, der seinerzeit den Engrammkomplex hinterlassen hat, und zwar eine Wiederkehr, sei es Es es sei in Gestalt von Originalerregungen, von mnemischeu Erregungen. ist daß diese beiden Hauptsätze auf das offenbar, innigste unter sich zusammenhängen und erst in ihrer Ver- einigung die Quintessenz der mnemischeu Gruiidgesetzmäßigkeit wiedergeben. Denn durch Engraphie überhaupt erst zu die Ekphorie gelangt die unserer Kenntnis, und ohne vorhergegangene Engraphie gibt es keine Ekphorie. seits die Andrer- aber gewähren uns die beiden Sätze in dieser Fassung Möglichkeit Engraphie in einer vollkommen scharfen Trennung der allen ihren Erscheinungsformen von der Ek- l)horie. Aus unserem Satz der Engraphie leitet das ab, was wir als Assoziation bezeichnen: es sammenhang der einzelnen Komponenten plexes. Wenn unmittelbar sich eines ist der Zu- Engrammkom- unser erster Hauptsatz lehrt, daß schon die 24*
Schluß. 372 sämtlichen Komponenten eines Erregungskomplexes ein Ganzes bilden, und daß das Gleiche für den von diesem Erregungs- komplex zurückgelassenen Engrammkomplex so gilt, ist der je nach Umständen hervortretende Zusammenhang einzelner Engrammkomponenteu S. deren , aus Auftreten isoliertes der 148 erörterten Fragmentierung jedes mnemischen Simul- tankomplexes zu erklären eine selbstverständliche Konse- ist, quenz dieses Hauptsatzes. Nachzuweisen der ziation« Engrammkomponenten verdient, immer freilich »Asso- diese erst durch Die Tatsache der Verbindung der En- erneute Ekphorie. grammkomponenteu, ziation Zusammenhang, dieser ist also das, ist was Namen Assovon dem Vorgang, den allein selbstverständlich durch den diese Tatsache nachgewiesen wird, logisch scharf kurz gesagt ein Ergebnis der Engraphie, das bei Gelegenheit der Ekphorie zu trennen. in Assoziation Erscheinung ist tritt. Über diese Sachlage scheint mir bisher weg keine genügende eigentlich durch- Klarheit geherrscht zu haben, und gemein hat man den Begriff der Assoziation Sinne gebraucht: einmal ganz sachgemäß vollzogenen Verbindung in all- doppeltem im Sinne einer Engrammen bzw. zwischen mnemischen Empfindungen (latenten bzw. aktuellen Erinne- rungsbildern); aber bei dem gleichzeitig diese Verbindung offenbare Inkonsequenz ist heiten und unfruchtbarer besonders dichtet um den haben. in die auch Quelle Streitigkeiten Begriff der Anwendung seine Entstehung verdankt. den Vorgang, Diese tritt. zahlreicher Unklar- geworden, die sich Ahnlichkeitsassoziation Letzterer Begriff der doppelsinnigen als Erscheinung ist ein Wechselbalg, ver- der des Grundbegriffs Assoziation Begünstigt werden die dadurch
Vereinfachung und Vereinheitlichung. 373 gegebenen irrtümliclien Auffassungen durch folgende KompliÄhnlichkeit, kation. das heißt teilweise Übereinstimmung der Komponenten innerhalb des präsenten Erregungs- und eines beliebigen Engrammkomplexes, bewirkt des letzteren durch den ersteren. dann als Folgeerscheinung die Ekphorie Durch diese Ekphorie ist Anwesenheit die gleichzeitige der Bestandteile beider Komplexe in ein und demselben simul- tanen Erregungskomplex gegeben, und dadurch werden die von Kompouentengruppen beiden simultan assoziiert. die Ekphorie, einer und diese erläutert. Engramme Die Ähnlichkeit bedingt hier schafft eine Neubildung Ich habe dies Simultanassoziation. einem Beispiel zurückgelassenen Auch das oben also in Gestalt (S. 184) an kann Beispiel S. 165 als Illustration dienen. Eine Ähnlichkeitsassoziation gibt es also nicht. darunter versteht, ist Was man Ahnlichkeitsekphorie, das heißt Ekphorie durch partielle Wiederkehr des Komplexes, der ehemals engraphisch gewirkt hat. Es gibt überhaupt streng genommen nur eine einzige Art Assoziation, nämlich die aus unserem ersten Hauptsatz abzuleitende, und diese ist, wie aus dem Wortlaut des Satzes hervorgeht, Simultanassoziation. Wer tiellen mit uns den Kernpunkt der Ekphorie in der par- Wiederkehr einer bestimmten energetischen Situation erblickt, der versteht ohne weiteres, daß die partielle Wiederkehr sich auch auf solche Komponenten dieser Situation beschränken kann, die sich nicht durch deutlich ausgesprochene oberbe- wußte »Ideen« manifestieren. So erklärt sich die chronogene Ekphorie, so erklären sich Ekphorien auf Grund unbestimmter Gefühle und bloßer Stimmungen, so erklären sich Herbarts >frei steigende Vorstellungen«. Fassen wir das jeweilige Gesamtresultat aller Engraphie
Schluß. 374 ins Auge, die ein Organismus so erfahren hat, stellt in dasselbe seinem individuellen Leben dar als der im vor- sich Werke näher untersuchte individuell erworbene Engrammschatz; das Studium des ererbten Engrammliegenden schatzes hat uns hier nicht beschäftigt. Wir haben gesehen, daß der individuell erworbene Engrammschatz gebildet wird von den kontinuierlich aneinandergereihten simultanen En- grammkomplexen. Entstanden nach der im ersten Hauptsatz aufgestellten Regel bildet jeder dieser Simultankomplexe in gewissem Sinne eine zusammenhängende Einheit. ist die aus verschiedenartigen Komponenten zum einen Teil die hiuterlasseuen Spuren erregungen, Jeder sind. zum anderen Teil von Simultankomplex, Dieselbe zusammengewirkt, von Original- mnemischen Erregungen den wir bildlich als eine »Schicht« des Engrammschatzes bezeichnen können, schließt sich kontinuierlich an die unmittelbar Schicht an, und ebenso verhält sich ihm gebildete vor ihm gegenüber jüngere Schicht des Engrammschatzes. die nächst Infolge der ununter- brochen fortschreitenden Bildung der Schichten stoßen die Komponenten der einen Schicht unmittelbar an älteren Teil und der nächstjüngeren. die der nächst- Ein nicht unbeträchtlicher der Komponenten setzt sich aber unverändert von der einen Schicht in die teren Nachfolger fort, folgende, und abgeschwächter Gestaltung, günstigt, eventuell auch in diese Fortsetzung, die wei- allerdings in wird noch weiter dadurch be- daß jede Originalerregung den auslösenden Reiz Auf in ihrer akoluthen Phase erheblich überdauert. gelang es uns, die sukzessive Assoziation auf die simultane zurückzuführen. ohne Ausnahme dieser Basis Die Assoziation zweier Engramme ist also das Ergebnis der gleichzeitigen Anwesenheit ihrer »Aszendenten« in demselben simultanen Erregungskom-
Vereinfachung und Vereinheitlichung. plex; die einzige Grundform der Assoziation tanassoziatiou, und die Sukzessivassoziation 375 ist ist somit Simul- nur eine Unter- art derselben. Aus besonderen Eigenschaften des individuell erv^orbenen Eugrammschatzes, sein durch die zyklischen Zirkulations-, Atmungs- und Stoffwechselprozesse geschaffenes Grundmuster, dessen Vorhandensein Hauptsatz erklärt, aller wiederum aus unserem ersten aus gewissen Eigentümlichkeiten organischer Abläufe zyklischer ferner die sich sowie ergab Lösung der wichtigen Frage, warum Abläufe als solche nicht umkehren lassen. dieser Eichtuug Bedeutung ich und auf sich uns dann sich mnemische Auf Näheres die sonstigen Eigenschaften des individuell erworbenen hier nicht noch einmal ein. und in die Engrammschatzes gehe Es lag mir nur daran, großen Zügen zu zeigen, wie sich die Mehrzahl aller in mne- mischen Vorgänge sowohl in ihren Hauptgesetzmäßigkeiten als auch in ihren spezielleren Eigentümlichkeiten in höchst ein- facher und selbstverständlicher Weise aus dem von uns in den Vordergrund gestellten und durch unsere beiden Hauptsätze zum Ausdruck gebrachten mnemischen Grundprinzip ableiten Nur auf eine den individuellen Engrammsschatz Frage möchte ich lassen. betreffende noch mit einigen Worten eingehen: Lokalisation in der reizbaren Substanz des Organismus. ich seine Wie an verschiedenen Stellen der »Mneme« und in anderen Veröffentlichungen hervorgehoben habe, können wir über die speziellere Beschaffenheit der Veränderung, die die nach ihrem Ablauf in Gestalt Erregung einer veränderten Disposition, des »Engramms«, zurückläßt, keine näheren, wissenschaftlich begründeten Angaben machen. gramm definiert habe Wenn ich übrigens das En- als eine bleibende aber bis zur näch- sten Ekphorie latente Veränderung, die der energetische
Schluß. 376 Vorgang der Erregung zurückläßt, 80 reizbaren Substanz der in damit bereits ausgesprochen, daß unter ist dieser Veränderung der >Substanz« eine substanzielle oder materielle Veränderung zu verstehen Wesen über das nicht Mehr aber ist. dieser Veränderung auszusagen vermag ich und bin der Ansicht, daß der Wissenschaft wenig damit gedient ist, wenn man, Umlagerungen Boden der Erfahrung um stellen zu können. bei einer ist Aussage ist, es sich dabei um materielle Veränderungen Veränderung der organischen Substanz glaube Ich selbstverständlich. Richtige Daß physikalische oder chemische oder physikalisch- chemische mit einem Wort handelt, kleinster Teile er- Hypothesen auf einen irgendwie festeren geht, ohne derartige entweder Unvermögen einzugestehen, statt dieses sich in Spekulationen über Kenntnis turveränderung erschöpft daß das es einzig daß mit dieser allgemeinsten bekennen, zu bis jetzt unsere aber, vom Wesen dieser Struk- ist. Diesen meinen Standpunkt, der einfach der Standpunkt vorsichtiger Zurückhaltung ich möchte fast sagen, selben glaubt mich haben einige meiner Kritiker, ist, grausam mißverstanden. Einer der- daraufhin vitalistischer Tendenzen über- führen zu können, obwohl ich den Vitalismus stets für den größten Rückschritt gehalten habe, in den das naturwissenschaftliche Denken verfallen kann, und mich auf das bestimmteste ausgesprochen habe. geständnis, man dem keineswegs entfernt, die sei zur Zeit als in diesem Sinne Wenn noch außerordentlich unerreichbar anzusehenden das ZuAveit von »Endziel Lebenserscheinungen in allen ihren uns entgegen- tretenden Äußerungen auf rein physikalisch-chemischer Grundlage beschreiben zu können« \ i Mnerae. 2. Aufl., S. 385. wenn dieses Zugeständnis mit
Vereinfachung und Vereinheitlichung. dann würde Vitalismiis gleichbedeutend wäre, als sie tatsächlich ist. Dann würde man überhaupt wissenschaftlichem Sinne schäftigenden Forscher es letztere Richtung- mehr Existenzberechtigung haben und weit harmloser viel in 377 dürfte dieses Zugeständnis der Ding loses ist bezeichnen müssen; denn AVeit keiner zu nicht machte. weder der ältere Aber noch der Wenn wieder aufgelebte Vitalismus. zeichnung den Lebensvorgängen be- mit als Vitalisten wohl auf der ganzen in soll, so kann finden sein, ein so harm- unseren Tagen diesem Wort einer wissenschaftlichen Richtung Sinn innewohnen sein, alle sich als Be- überhaupt ein es doch nur der sein, daß in den Lebensprozessen ein gewisses Etwas, ein vitaler Rest, kurz das Mysterium der Lebenskraft stecke, das sich auf Geschehen überhaupt und von ihm dem Wesen, ein physikalisch-chemisches nicht zurückführen lasse nicht bloß der Komplikation nach verschieden Ein anderer Kritiker will, weil ich jede Diskussion über hypothetische Umlagerungen kleinster Teile ablehne, Anschauungen als »unvorstellbar« scheint mir grade so, als ob sei. zurückweisen. jemand meine Dies er- die Forschungsergeb- der Muskelphysiologie zurückweisen würde, weil ihm nisse eine plausible Erklärung für das Zustandekommen des Grund- phänomens, der Muskelkontraktion, bisher noch nicht gegeben oder als ob jemand sich weigert, ist, die Schwere als ein wissenschaftlich verwertbares Prinzip anzuerkennen, Aveil er sich nicht »vorstellen« könne, wie denn nun die Attraktion der Körper zustande käme. Ich wäre sehr wohl imstande, irgendein Schema nach dem Muster dann des Determinantenschemas zu ersinnen, die ihrerseits in naiver Substanzpartikelchen in das Weise abgegrenzten, zu winzigen schematisierten Engramme hineinge-
Schluß. 378 packt werden könnten. entgegenkommen, solchen wird, Schema und deren ich vielleicht denjenigen verlangt und durch ein einem nach Kausalitätsbedürfnis solches befriedigt die sich nicht dazu verstehen, eine derartige offen zu lassen. vorläufig vom Wesen Frage Ich habe eine andere Auffassung der induktiven Forschung und messe einem ein- Fragezeichen fachen Damit würde Konstruktionen, bei einen höheren Wert bei als solchen denen die Vorstellbarkeit auf Schein- vorstellungen beruht. mich Statt habe ich aber mit Molekularhypothesen bereits in der Seite des Engrammschatzes, zu beschäftigen, »Mneme« einer strukturellen seiner Lokalisation, meine be- sondere Aufmerksamkeit zugewendet, und habe in bezug auf den individuell erworbenen Eugrammschatz die Befunde erörtert, aus denen zweifellos hervorgeht, »daß im menschlichen Organismus ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen räumlich abgrenzbaren Teilen und dem Vorhandensein oder keit der Großhirnrinde vielleicht richtiger der Möglich- Ekphorie von gewissen individuell erworbenen En- grammen«!. dem der Dieser Untersuchung habe ich ebendort unter graduelle Lokalisation der individuell erworbenen Titel: Engramme, einen längeren Abschnitt des fünften Kapitels gewidmet und bin dabei zu der Aufstellung einer besonderen Form von Lokalisation gelangt, Werke als topogene bezeichnet eine graduelle Im Laufe nun noch die ich im vorliegenden habe, und die, wie gesagt, ist. der jetzt vorliegenden Untersuchung haben wir ein zweites Prinzip kennen gelernt, das für. die Lokalisatiou des Engrammschatzes von Bedeutung ist. haben diese Lokalisation im Gegensatz zur topogenen 1 Mneme, 2. Aufl., 1908, S. 159. Wir als
Vereinfachung und Vereinheitlichung. chronogene 379 bezeichnet und ihr Vorhandensein erstens aus der ganzen Beschaffenheit des individuell erworbenen En- grammschatzes, zweitens aber auch aus gewissen Tatsachen der Pathologie des Gedächtnisses erschlossen stehen wir vor also die vorläufig wenigstens dern zu geführt nicht zu einer Komplikation haben. Ich gebe (S. 282). Hier unserer Untersuchungen, Ergebnissen einer Vereinfachung, son- des sie betreffenden Problems dies unumwunden Ob aber zu. im Augenblick hervortretende Komplikation nicht eine die neue Handhabe bietet, um tiefer in das bisher noch niemals von diesem umfassenderen Standpunkt aus behandelte Lokalisationsproblem einzudringen, das kann nur eine weitere, von diesen neuen Gesichtspunkten ausgehende Untersuchung lehren. Bei dieser Gelegenheit sei auch noch an die wichtige Vereinfachung erinnert, die sich für die Engraphie der zahlreichen gleichzeitigen Erregungen daraus ergibt, daß bei Ho- mophonie, Differentialbildung, Kontrastversärkung, Abschwächung, Mischung der verschiedenen Erregungen nur immer die jeweiligen Resultanten des komplizierten energetischen Wechselspiels eine engraphische Wirkung ausüben (vgl. S.337). Die obige Übersicht hat gezeigt, daß wir die Grundzüge Lehre der von den mnemischen Empfindungen ohne Zu- ziehung von Hilfsannahmen in einfacher und widerspruchsloser die Weise aus einer Grundgesetzlichkeit entwickeln können, wir in Gestalt der beiden zusammengehörigen mnemi- schen Hauptsätze, des Satzes phorie formuliert haben. nicht allein und der Ek- der Engraphie Ein Hauptproblem läßt von dieser Grundlage aus lösen, dazu ein noch weiteres Ausgreifen erforderlich: sich aber vielmehr es ist ist das Problem der Homophonie. Den Begriff der mnemischen Homophonie habe ich be-
Schluß. 380 »Mneme« und ausführlich sowohl ana- reits in der lytisch wie synthetisch behandelt. aufgestellt Der Überzeugung, daß diese Behandlung noch keine hinreichend erschöpfende war, verdankt das vorliegende Werk zum Teil seine Entstehung. Ich habe nämlich inzwischen erkannt, daß der Wirkungskreis der Homophonie über das mnemische Gebiet hinausragt, daß eine Homophonie nicht nur zwischen mnemischen Empfindungen unter sowie auch zwischen mnemischen und origi- sich, nalen Empfindungen stattfinden kann, ein Ergebnis, zu ich schon in der dem »Mneme« gelangt bin, sondern daß auch Homo- phonie zwischen Originalempfindungen unter sich vorkommt. Um einen vollständigen Überblick über das Gesamtproblem zu erhalten, war also die Gewinnung deren Standpunkts notwendig. Tatsache teils des eines noch umfassen- Indem wir zunächst von der Nebeneinanders zahlreicher teils originaler, mnemischer Komponenten eines simultanen Empfindungs- komplexes ausgingen, wurden wir auf den Begriff der Empfindungsfelder geführt. Damit war eine prinzipielle Erweite- rung unserer Raumvorstellungen, eine Ausdehnung zwar nicht des engeren Raumbegriffs, aber dessen, dungsgebiet zugrunde liegt, Wir fanden nämlich, daß auf alle alle was ihm im Empfin- Sinnesgebiete gegeben. Empfindungen, nicht nur die Tast- und Gesichtsempfindungen, in gewissem Sinne räumlich determiniert mit der und daß diese Determination genetisch sind, Reizpforte, von der aus die betreffenden Empfin- dungen ausgelöst werden, zusammenhängt. Ich habe dies so ausgedrückt, daß jede Empfindung, auch jede Tonempfindung und Geruchsempfindung, in einem beFreilich vermögen wir Felder der verschiedeneu Empfindungs- stimmten Empfindungsfeld erscheint. die verschiedenen modalitäten nicht durchweg miteinander in Beziehung zu
Vereinfaehnng und Vereinheitlichung. Während wir imstande setzen. den zwischen äußeren Feldern sind, Zusammenhang einen des Gesichtssinns und inneren Tastsinns 381 mit denen Grundlage das aufbauen, was wir gemeiniglich dieser »Raum« bezeichnen, befinden einander und von jenem »Gemeinraum« Originalempfinduug lösung; dem dem mnemische Empfindung deren hinterlassenem Engramm Aus der Verteilung in eine aller auf- Auslösung ihrer originalen das heißt derjenigen Originalempfindung, Vorläuferin, komplexes eine Reizpforte der die in durch die Reizpforte ihrer Aus- auftritt, dasjenige, in durch in unter- ^ abgesperrten Be- Bestimmt wird das Empfindungsfeld, zirken. als Ton- und sich die Felder der der inspiratorisch ausgelösten Geruchsempfindungen tritt, des und wir auf herzustellen, sie ekphoriert worden aus ist. Empfindungen eines Simultan- Empfindungsfeldern ergeben sich einerseits die Tatsachen des Nebeneinanders, andrerseits die der Homophonie der originalen wie der mnemischen Empfindungen. Für muß den spezielleren Nachweis dieser Ableitungen auf die Ausführungen des vorangegangenen Textes hingewiesen wer- Nur den. will ich hier die Ableitung der Grundlehren der Homophonie noch in ihren allgemeinsten Umrissen wiedergeben. Homophonie liche entsteht Empfindungen dasselbe immer dann, wenn ihrem qualitativ ähn- simultanen Auftreten auf Empfinduugsfeld angewiesen sind. Es kann sich bei diesem bei Zusammentreten einmal bloß anderes Mal bloß um mnemische, ein um drittes originale, Mal Beteiligung von beiderlei Erapfindungsarten handeln. tativ ähnliche Empfindungen fast schiedenheiten besitzen, so 1 Bei den mit kommt immer auch eine ein um eine Da quali- kleine Ver- vollkommene Deckung dem >topochemi8chen Sinn« Insekten verhält sich dies wohl sicher anders. Foreis ausgestatteten Vgl. oben S. 46.
382 Schluß. und damit eine eigentliche Homophonie nur innerhalb der wirklich übereinstimmenden dabei Komponenten zustande. Verschiedenheiten die Komponentengruppen differenzierende was ignoriert, so entsteht das, entsteht »differenzierende oder ich »nicht Werden Homophonie« genannt habe. gleichen Komponenten dagegen in Werden Komponenten gewisser die un- Opposition gebracht, Homophonie«. Ein Ergebnis der nicht differenzierenden Homophonie die Abstraktion durch so Homophonie von mir (früher ist phy- als siologische Abstraktion bezeichnet), in welcher wir die erste Stufe der Abstraktion überhaupt erblicken, eine Stufe^ die schon von vielen etwas höher organisierten Tieren erreicht wird. Werden die ungleichen Komponenten zweier phoner Empfindungskomplexe oder auch zwei nur in Opposition um wobei sich es eine Opposition von je zwei, nie von handelt, so Als tialen. gebracht, kommt homo- im übrigen Komplexe gleiche, aber in ihrer »Intensität« verschiedene Ganzes sonst als aber immer mehr Gruppen es zur Bildung von Empfindungsdifferen- Empfindungsdifferentiale von Originalempfindungen entstehen so Homophonie der bei die differentiale des stereoskopischen Tiefensehens Empfindungs- und der bino- kularen Abblendungsempfindung. Ein Empfindungsdifferential, das sich nicht auf die Opposition einzelner verschiedenartiger Komponenten, sondern gleicher zieht, auf eine Opposition Tonempfindungen in bezug auf ihre zweier »Intensität« be- manifestiert sich durch die Empfindung richtung. Erfolgt sonst der Schall- Homophonie und Opposition zwischen ori- ginalen und mnemischen oder auch ausschließlich zwischen mnemischen Komplexen, differentiale empfindens. resultieren die Empfindungs- des Wiedererkennens sowie des Unterschieds- so Auf der Feinheit des Unterschiedsempfindens
Vereinfachung und Vereinheitlichung. 383 bei Homophonie beruht vorwiegend die Überlegenheit der phonen Vergleichung über Für ein noch tieferes im Nebeneinander. die Vergleichung Eindringen in die Art und Weise der Empfindungsdifferentiale wird meiner An- der Bildung nach eine auf neue Experimente sicht homo- basierte, eine noch viel umfassendere Behandlung der überhaupt Phänomene des erforderlich sein, als wir ihnen hier, bei aller Wettstreits Aufmerksamkeit, die wir ihnen geschenkt haben, Unter den den lassen konnten. in dieser zuteil Richtung bereits erreichten Resultaten scheint mir besonders wichtig der Teil auf wer- zum Grund der Forelschen Beobachtungen und Schluß- folgerungen (vgl. S. 349) geführte Nachweis, daß ein genau ebenso typischer Wettstreit zwischen einer mnemischen und einer originalen Empfindung (bzw. zwischen zwei mnemischen Empfindungen) eintritt dungen, wenn wie zwischen zwei Originalempfin- beide bei hinreichender Verschiedenheit auf dasselbe Empfindungsfeld angewiesen sind. tigen Feststellung Von dieser wich- und überhaupt dem Thema des notwen- digen und des fakultativen gegenseitigen Ausschlusses zweier gleichzeitiger Empfindungen wurden wir dann auf das Gebiet der Alternativen geführt. Die Frage nach dem Bau und der Entstehung der nativ ekphorierbaren Dichotomien ist auf dem alter- Gebiet des ererbten Engrammschatzes von fundamentaler Bedeutung für viele Hauptfragen der Vererbungslehre. liefert Ihre Beantwortung uns erst den Schlüssel zum Verständnis der Resultate von Paarung und Kreuzung, für die Verteilung oder Mischung der Merkmale, für die richtige Auffassung der Mendelschen Regeln, des Atavismus diese Alternativen Mneme behandelt. usw. Dementsprechend habe ich ausführlich im 12. und 13. Kapitel der Einfacher gestalten sich diese Fragen,
Schluß. 384 wenn man sich bei ihrer Untersuchung auf den individuell erworbenen Engrammschatz beschränkt, und dementsprechend konnten wir im vorliegenden Werk sie kürzer behan- viel Die Ergebnisse dieser unserer Behandlung gliedern deln. harmonisch an und liefern sehr willkommene Ergän- sich zungen und Erläuterungen zu den auf dem Gebiet der Mneme erbten er- erreichten Resultaten. Durch eine derartige Durcharbeitung des Homophonie- und des mit ihm in enger Beziehung stehenden Wettstreit- problems scheinen mir sehr viele bisher zusammenhanglose Tatsachen und Gruppen von Tatsachen unter einen einheitlichen Gesichtspunkt gebracht. Wir sehen, wie vieles in den Erscheinungen, die beim binokularen Sehen, dem diotischen Hören, dem Riechen Regio olfactoria, mit größereu Abschnitten beim Wiedererkennen der und Unterschieds- empfindeu, bei der Reproduktion wiederholter Eindrücke hervortreten, Gesetzt- gemeinsamen Gesetzen lassen sich unterworfen ohne weiteres aus dem Diese ist. allen diesen Erscheinungen gemeinsamen Vorgang der Homophonie, es sei der nicht differenzierenden, sei es der differenzierenden, die zur Bildung von Empfindungsdifferentialen führt, ableiten. Im einzelnen sind ja einige dieser Gesetze bald bei dieser, bald bei jener Erscheinungsgruppe bereits studiert worden, am tiefgründigsten auf Aber dem Gebiet des binokularen Sehens. selbst auf diesem Gebiet ist ein Verständnis der gegen- seitigen Beeinflussung der beiden homophonen Originalemp- findungen erst bei einem vollen Einblick in das Homophonievorgangs möglich, und noch für die anderen für die in viel gilt dies Frage kommenden Sinnesgebiete, sowie originalen Emp- und von mnemischen Empfindungen unter sich. Homophonie von mnemischen mit findungen Wesen des mehr
Vereinfachung: und Vereinheitlichung. diesem Erst auf Wege des Wiedererkennen^ zum völlig , erofiuet dem auf ein volles Verständnis sich ersten aber no'.h nicht die im Ziele führenden Schritte -;85 Streit der Meinungen von Höffding und Lehmeann getan worder sind, ferner des Unterschiedsemptindens und vor allem auch der Bedeutui: j der Wiederholungen für die Leistungen des Gedächtnisses, über die man ohne Verständnis des Homophoriey<rganges Kegel der unter an- kommen kann und die mau sich in dem nachweislich falschen Bi'de eines möglich zur Klarheit , »Ausschleifens der Bahnen« zu veranschaulichen gesucht hat. Durch das eingehende Studium der Homophonl^'erscheinungen sind wir daß die schließlich »Intensität- einer noch zu dem Resultat gelangt, Empfindung von ihrer Ivelhaftig- keit oder Vividität auf das bestimmteste zu trennen können Hand Eigenschaften aber keineswegs. wir in ist. Beide Hand gehen, brauchen es Unter Intensität im engeren Sinne haben die Eigenschaft der Empfindungen verstanden, einem bestimmten Verhältnis mit der Reizgröße also die Helligkeitsgrade auf dem die in wechselt, optischen, die Tonstärken auf dem akustischen Gebiet, die Stärke eines Drucks, die Heftigkeit eines Schmerzes, die Konzentration eines Geruchs oder Geschmacks. betrifft nicht Auch die Lebhaftigkeit der deren extensive Seite, sondern Empfindungen kann dieser, mit der Intensität im engeren Sinne zusammen, gegenübergestellt Von werden. letzterer kann sie aber, wie mir jeder aus seiner eigenen Erfahrung bestätigen wird, in vielen Fällen und muß sie, wie die Ergebnisse unserer Studien gelehrt haben, prinzipiell unterschieden werden i. Erst durch diese bewußte Sonderung der beiden BegriflTe 1 Dem Ausspruch, daß neben der Intensität einer Empfindung auch begegnet man hier und ihre Lebhaftigkeit eine gewisse Rolle spiele, Semon, Mneme. II. 25
Schluß. 386 wird man sich über wesentliche Eigentümlichkeiten bei der Manifestation homophoner Vorgänge, beim binokularen Sehen, beim diotischen Hören, beim Riechen, sowie über die Bedeutung Die homo- der Wiederholungen für die Reproduktion klar. phone Empfindungsdeckung Steigerung der Vividität, ist eben mit einer beträchtlichen dagegen keiner oder einer nur minimalen Steigerung der Intensität verbunden. Die Untersuchung der Vividität von der Erregungsseite aus und den diesbezüglichen Vergleich mit der Intensität im engeren Sinne haben wir Wie wir sahen, Erregung in in der vorliegenden Arbeit kann man nur gestreift. die Empfindungsmanifestation einer bezug auf ihre Vividität dadurch steigern, daß mau mehrere Erregungen homophon zusammenwirken läßt. Und zweitens dadurch, daß von der für den ganzen jeweiligen Simultankomplex verfügbaren Vividität die Hauptsumme auf einen bestimmten Teil des Nebeneinanders, auf einige wenige Empfindungsfelder konzentriert wird. Wir bezeichnen von der Empfindungsseite her betrachtet, Aufmerksamkeit. In beiden erwähnten als dies, Wirkung der Fällen findet bei dieser Vividitätssteigerung keine oder doch keine nennens- werte Steigerung der Intensität statt. Wichtig für den Vergleich der Vividität und im engeren Sinne von der Erregungsseite aus Intensität ist endlich noch die Tatsache, daß die Vollkommenheit der Engraphie wesentlich nur von der Vividität und nicht oder doch nur in ganz sekundärer Weise von der eigentlichen Intensität der Erregungen abhängt. Ein noch tieferes Eindringen in alle diese wichtigen Fragen behalte ich mir für weitere Untermeine Kenntnisse reichen, hingeworfene Bemerkung und ohne alle Feststellung und genauere Prüfung der eine solche Unterscheidung erfordernden und begründenden Tatsachen. da in der psychologischen Literatur; soweit aber immer nur als
Vereinfachung und Vereinheitlichung. suchungen Der Ausbau des vor. 387 so außerordentlich ausge- dehnten Gebiets kann eben nur allmählich erfolgen. Die sinngemäße Unterscheidung der Intensität im engeren Sinne und der Vividität und die Auffassung der letzteren als Empfindungen eine selbständige Eigenschaft der mchtig durch Würdigung für die die sich die ferner ist der charakteristischen Merkmale, Empfindungen mnemischen den von Originalempfindungen, als unmittelbare Bewußtseinsvorgänge Die Hauptverschiedenheit der bei- betrachtet, unterscheiden. den Empfindungsarten beruht auf ihrer der Regel in nicht aber Intensität. verschiedenen Vividität, greifendes Unterscheidungsmerkmal ist sehr Ein durch- dies aber nicht; solches fehlt, wie wir gesehen haben, überhaupt, von der verschiedenen Genese absieht und nur ein wenn man die unmittelbar im Bewußtsein wahrgenommenen Eigenschaften der Empfin- dungen selbst vergleicht. Vielfach wird als charakteristischer Unterschied zwischen mnemischen und originalen Empfindungen außer der geringeren Deutlichkeit, wie wir sagen Vividität, der ersteren auch ihre größere Flüchtigkeit Diese angegeben. Aussage ist zwar nicht direkt unrichtig, aber sie stellt den Sachverhalt in einem schiefen Lichte dar. Daß eine so wie die mnemische es in der Regel wenig vivide Empfindung, ist, leichter unter das des Oberbewußtseins untertaucht, eher im Mitbewerb Aufmerksamkeit unterliegt in der Natur der Sache. kein charakteristisches dungen. Dieselben Niveau um als eine Originalempfindung, »Flüchtigkeit« ist die liegt aber im übrigen Merkmal der mnemischen Empfin- sind nämlich an sich genau so lange dauernd wie diejenigen Originalempfindungen bzw. -erregungen, durch die sie engraphisch vorbereitet sind. Dies lehrt die mnemische Reproduktion jedes beliebigen Musikstücks. 25* Cha-
Schluß. 388 rakteristisch für die innemischen daß sondern daß flüchtig, sie früherer Reize determiniert Empfindungen durch die Dauer sie zeitlich sind, also nicht, ist während Dauer der die Originalempfindungen von der Dauer gleichzeitiger Reize Bezüglich des Näheren über dieses sowie über die abhängt. proportionale Veränderbarkeit mnemischer Empfindungen und über die Möglichkeit ihrer Reproduktion in den absoluten Werten ihrer originalen stäbe muß Ich »Aszendenten« auf Grund mitfixierter Maß- auf den vorangegangenen Text verwiesen werden. damit schließe tungen, in zeigen, wie deren diese zusammenfassenden Betrach- erster Hälfte ich mich bemüht habe zu im Lichte des mnemischen, in den beiden Haupt- sätzen ausgedrückten Grundgesetzes, unsere Auffassung der mnemischen Phänomene wesentlich vereinfacht und vereinDie zweite Hälfte unserer Übersicht war dem heitlicht wird. Nachweis gewidmet, daß die Durchführung konsequente unserer Methoden zu einer vereinfachten Auffjissung der Grund- phänomene des Empfindungslebens überhaupt gestattet, nicht nur die führt und es originalen Empfindungen der ver- schiedensten Sinnesgebiete, sondern auch originale und mne- mische Empfindungen zusammen nach durchaus einheitlichen Gesichtspunkten aufzufassen und zu behandeln. Sollte ich mich darin nicht täuschen, so würde dies einen Fortschritt bedeuten und damit bewiesen sein, daß die in der »Mueme« eingeschlagenen Gedankengänge sich beim praktischen Gebrauch in einem speziellen Wissensgebiet als fruchtbar erwiesen haben. Gleichzeitig liätteu wir dann aber durch die vorliegenden Untersuchungen die Instrumente ver- vollkommnet und geschärft, die uns bei der Fortführung der uns gestellten Aufgabe zu dienen haben werden.
Sachregister. Abblassung (der mnemischen EmpAbblenduugsempfinduug 110, 382. Homophonie, (durch früher von mir physiologische Abstraktion genannt 308. 382. Adaptation 90. Ahnlichkeitsassoziatiou 183, 317. Akoluthe Phase 26. 117, 127, 130. Akoluthe Reizwirkungen 115. Alternativen 340, 353, 359, 383. Amnesie, retrograde 285. Analyse (der Empfindungskomplexe; 15. Anklingen Farbenmischung 72, 304. Gemälde Böcklinsches Abstrakte Bilder 305. Abstraktion Berührungsassoziatiou 317. Binokulare tindiing) 148. Bei- (als Ho- spiel einer ditferenzierenden mophonie) 311. Briefmarkenexperiment 83, 302, 304. Brustregister 54. Capri (Beispiel) 175, 193, 201. Cardanus (Phautasiebilder) 224. Chronogene Ekphorie 190, 373. Chronogene Lokalisation 282, 379. Cortisches Organ 40, 61, 62. 115. Assimilation nach Wundt) 157 372; der Anui. 152. Assoziation 196, Ähnlichkeit 183, 372; des Kontrasts 187; kombinatorische 165; JDauer (von Empfindungen) 244. Dichotomien (alternativ ekphorierbare) 353, 383. Diotisches Hören (Vividität) 94, 384. simultane 176, 185, 195. 197, 373; Druckpunkte sukzessive 177, 374. Dunkeladaptation 35. 90. Assoziatiousformen 182. Atmungsemptindungen 210. Aufmerksamkeit 150, 153, 233, Effektuelle 255, 295. 340, 386. Ausschleifeu der Bahnen 269, 280, 288 Aum.. 293, 317. 385. Atavismus 362. 365. Basilarmembran 61. Bekanntheitsempfindung 313, 319. Hemmung 364. alternative Ekphorie 172, 196; 359; chronogene 190, 373; pha- sogene 194; simultane 166, 184. Ekphorie (Satz der) 173, 371, 379. Ekphorische Wertigkeit 198. Elementarempfinduugen 15. Empiristen 50. Empfänglichkeit, engi-aphische 296.
; 390 Sachregister. Empfindung nmemische 5; 19; ori- ginale 19; riinmliche Kontinui- Geruchssinn 31, 42, 64, 72 Kompensationen 74; Lokalisationen ; 73; spezifische Energie 73 tät 76. Empfindungsdeckung 98. Empfindungsdifferential 101, 310, Geschmackssinn 31, 36, Kompensationen 74. Anm. 65: 48, Gesichtsfeld 58. 382. Empfinduugsfeld öS, 380. Empfindungskomplex, Analyse 14 Teilnngsprinzip 28. Energetische Resultante (engra- phischer Wirkungen) 337. Engramm Gesichtssinn 37, 62. Goethe (Phautasiebilder) 224. Goethesches Gedicht (als Beispiel einer Alternative) 355. Gruithuisen (angebliche Bewegung Traumbilds bei Augenbewegung) 235. Grundgesetz (mnemisches) 370,379. des 138, 376. Engramraschatz 159, 374. Engraphie, Satz der 146, 173, 371. 379. 388. Engraphlsche Empfänglichkeit 296. Engraphische Wirkung 158, 336, Grundmuster (des Engramm- schatzes) 212, 216, 375. Gustatorisches Riechen 65. 386. Erinnerungstäuschuug 319. Erregung Halluzination 332, 349. 5. Hauptsatz, erster mnemischer 146, Erreguugsdilferential 325. Ersparnismethode 293. 173, 379; 371, zweiter mnemi- scher 174, 371, 379. Farbenmischung (binokulare) 72, 344. Fasten (Steigerung der Vividität mnemischer Empfindungen) 227 232. Flimmerexperimente 87. angebliche, mnemi- Flüchtigkeit, scher Empfindungen 253, 387. Fragmentierung der Repro- (bei Hautsinn 35. Herbarts >frei steigende Vorstellungen« 193, 373. Hilfen (Methode der) 294. Höffdingsche Formel 267. Homophonie 98, 154, 265, 379, Homophoner Vergleich 322, 382. 327, 383. Hypnose 231. duktion) 148. Frei steigende Vorstellungen 193. Ideenflucht 256. Hlusion 236, 319. 373. Fremdkreuzung Instinkt 366. 365. Intensität, «efühle 16. Gehörsempfindungen 88; , korrespon- binokulare Steigerung im engeren Sinne 382, 385; proportionale 238, 245, Verände- rung 247. dierende 92. Gehörssinn 39, 51, 59. Gemeinraum Generative 50, 55, 381. Hemmung 364. üakifrucht (Beispiel) 168. Karton-Ghtsröhre (Experiment) 274.
391 Sachregister. Körper 5. Körperuhr 248. Komplikation (nach Herbart und Wundt) 157 Anm. schatz) 207. Oszillieren der akolnthen Empfin- dungen 119; der Ekphorie Kontrastassoziation 187. Konturen Organempfiudungen, zyklische 210. Orientierungsmarke (im Engramm- 357. 344. (Parallelismus Kopfregister 54. Korrespondierende Empfindungen 9 , psychophysischer Anm. Phantastische Gesichtserscheinun- 71. gen 223. Kreislaufsempfindungen 210. Polarisation liebhaftigkeit einer Empfindungl9. Lernen (im Ganzen oder in Teilen) (der Ekphorie) 199, 202. Proportionale Veränderung 245. Pyi-ola (Beispiel) 193. 296. Lokalisation 375 ; cbronogene 282, 379; topogene 282, 378. Lokalzeichen 66. (Raumsymbolik 53. Raumvorstellungen iTIarkenexperiment 83, 302, 304. Regressionsgesetz (von Ribot) 284. Reizpforten 10, 34, 380; des Riech- Maßstäbe (absolute) 249. Mendelsche Regeln 365. Merkzeichen (der absoluten Werte) Rembrandtsches Gemälde (Beispiel einer Homophonie) 261. 364. Mischreaktionen 344, 348, 360, 362, 364. Mitbewerb (um die Vividität) 343, 352. Molekularhypothesen 378. Müller, J. organs 85 korrespondierende 83. ; Reproduktion, ergänzende 236. Resouanztheorie 39, 61. 248. Metaphase 325. Mischbewegungen 56, 59, 380. (Phantasiebilder) Retrograde Amnesie 285. Rhythmus (beim Lernen) 297. Riechen mit einer oder mit beiden Hälften des Riechorgans 85. Rückläufigkeit, Verhinderung der 213. 223. Schallrichtungsempfindung 226, 228. 55, 84, 101, 333, 382. I¥achbild 120, 126; »zentrales« 326. Schichtung (des Engrammschatzes) 162, 374. Nativisten 50. Nebeneinander 33, 380. mnemischer Nichtumkehrbarkeit Abläufe 205, 375. Niveauabfall der Intensität 132. Schmerzpunkte 35. Schreibweise (der Formeln für Ho- mophonie) 266. Schweifen der Gedanken 256. Niveauhaltung der Intensität 125. Sehraum Oberbewußte Empfindungen Sehsubstanz 79. Simultane Assoziation 139. Ölgeruch (Beispiel) 175, 193, 201. 50, 59. 195, 197, 373; 176, 185, Ekphorie 166, 184;
392 Sachregister. Engrammkomplex regungskomplex duktion 78; 161, 374 207 161, ; ; Er- gramms) In- 293, 317. Kontrast 78; Rei- zung 324; Vergleich 324. Skala 52. Stäbchen und Zapfen 38. Sukzessive Heizung 324. Anra., Unterbewußte Empfindungen 139. Unterscheidung (von originaler und ranemischer Empfindung! 219. 387. 320, 334. 382. 325. Unvorstellbarkeit 377. Synchrone Phase 26. S^'uclirone Reizwirkung Vergleielmng, homophone 262, 322, 26. 327, 383: Talbotsches Gesetz 72. Tapetenmuster (Beispiel; 28. Tastraum 50, 55, 59. Tastsinn 46, 59, 63 subkutaner Temperaturpunkte 135. Tempo der Abläufe 256. ; Verteilung (der Wiederholungen) 295. 36. Verwischung der inkongruenten Komponenten) 301. Vitalismus 376. Vividität 19, 222, Tiefenwahrnehmung 103. 333. 382. Tonemplindungen 39, 51, 59, 64; korrespondierende im Kontrast 329; von Intensitäten 330. Tiefensehschärfe 108. Tonhöhe Tonraum 288 280. Unterschiedsempfinden Sukzessivvergleich 324. Symphase 269, Abnahme 93 148, —96, 386 figkeit der 92. 232, 299; 238, 385; Steigerung abhängig von HäuWiederholungen 286. ; Vorstellung 18. 52. 62. 56. Topochemischer Sinn der Insekten (nach Forel 42. 46, 381. Topogeue Lokalisation Wachstumschicht des Engrammschatzes 208. 282, 378. Wettstreit 88. 339, 343, 352, 382. Wiedererkennen 313, Wiederholung 272. Traumbilder 228. Traumzustand 227. Wortengramme Treflfermethode 294. Typenphotographien 307, 334, 382. 356. 308. Zeitempfindung 206 Uralagerungserleichterung (als molekulare Bedeutung des En- Zeitwerte 244. Zyklische Organempfindungen 210. Druck von Breitiopf & Härtel in Leipzig. %
;; TEBLAO VON WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG :: Vorträge und Aufsätze über Entwickelungsmechanik der Organismen herausgegeben von Wilhelm Roux Heft 1 : Heft 2: Die Eutwickelnngsmechanik, ein neuer Zweig der biologischen Wissenschaft. Eine Ergänzung zu den Lehrbüchern der Entwickelungsgeschichte und Physiologie der Tiere. Nach einem Vortrag, gehalten in der ersten allgemeinen Sitzung der Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte zu Breslau am 19. September 1904 von Wilhelm Eoux. Mit 2 Tafeln und 1 Textfigur, gr. 8. Jl 5.— Über den chemischen Charakter des Befruchtungsvorganges und seine erscheinungen von Heft 3 : Bedeutung für die Theorie der Jacques Loeb. Anwendung elementarer Mathematik auf Lebens- M — .80 gr. 8. biologische Probleme. Nach Vorlesungen, gehalten an der Wiener Universität im Sommersemester 1907 von Hans Przibram. Mit 6 Figuren im Text. gr. 8. Jl 2.40 Heft 4: Über umkehrbare Entwickelungsprozesse und ihre Bedeutung für eine Theorie der Tererbung vc Eugen Schultz, gr. 8. Jl - Heft 5: Über die zeitlichen Eigenschaften der Entwi ^ TOrgänge von Wolfgang Ostwald. Mit 43 Text und auf 11 Tafeln, Heft 6: gr. 8. Über chemische Beeinflussung der Organ* Vortrag, gehalten am 9. Dezem^ einander. Naturforschenden Küster, Heft 7 : Der Gesellschaft zu Halle gr. 8. Bestitutionsreiz. Eede zur für experimentelle Zoologie des 7 kongresscs zu Boston von Han '
;; TEBLAG VON WILHELM ENGEtMANN IN LEIPZI Qi Mechanismus und Vitalismus in der Biologie des neunzehnten Jahrhunder"^ Ein geschichtlicher Versuch Karl Braeunig Oberarzt im Füs.-Reg. No. 90 Geheftet Jt 2.40 gr. 8. Über die Zelle Nachgelassene Schiift von Nach dem Tode A.lfred. Schiaper des Verfassers herausgegeben von Wilhelm Bonx Mit 3 Teitfiguren. Gr. 8. Jt —.60 Von dem verdienten, so früh aus dem Leben geschiedenen Forscher lagcL seinem Tode nur einige Abschnitte der Zellenlehre, '^ie er erst als »Lehrb herauszugeben beabsichtigt hatte, vor. Seinem Wursche entsprechend, hat" Herausgeber, Herr Geheimrat Prof. Dr. Wilhelm Ro .x in Halle a. S., für die, öffentlichling dieser, über die geschichtliche Ent^vicklunp des Zellbegriffes organischen Individulalitätsstufen und über den Bau und die elementarsten Lei ^r'^cheinungen der Zelle, speziell des Protoplasma handelnden Kapitel ges' lei geologischen G-rundlagt er Abstammungslehre Gustay Steinmann Diu<Mit 172 Figuren M — 7. , in 2ljj" im Text Leinen geb. Ji *IiVrtel in Leipzig. 8.-