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Er hatte soeben seinen Palast verlassen, um einkaufen zu gehen, denn er benötigte dringend eine neue Krone. Nun lebte er nicht mehr. Aber darüber In ihrer Freude wählten die Inselbewohner das bestand. Und das stimmt, so wahr ich hier stehe.
Ich schwang mich aut meinen treuen Hengst, um Jas Innere der Insel zu erkunden. An einem Fluß machten wir halt, um uns zu erfrischen. Kaum hatte ich mich zum Wasser hinuntergebeugt, als ich hinter mir ein zorniges Brüllen vernahm. Ich drehte mich um und erblickte einen riesigen Löwen. Ein wahrhaft beeindruckender Anblick! Er stürmte auf mich zu. Offenbar wollte er mich ' als Mittagsmahlzeit verspeisen und mein treues { ,. ' Reittier zum Nachtisch. Was sollte ich tun ? Mein Gewehr war nur mit Hasenschrot geladen — damit konnte ich dem Löwen also kaum einen ernsthaften Schaden zulugen. Ich bin allgemein als Tiertreund bekannt. Also schoß ich in die Luft — in der Hoffnung, das Untier dadurch zu erschrecken. Aber der Knall versetzte den Löwen nur noch mehr in Wut.

Inzwischen sind einige groteske Übertreibungen dieses Abenteuers in Umlauf gekommen. So wird zum Beispiel erzählt, der Löwe sei durch das Krokodil hindurchgcspningen, und als er dann zum Hinterteil wieder herauskam, hätte ich ihm den Kopf abgeschlagen. Das ist natürlich schlicht unmöglich, und ich bin entsetzt, wie leichtfertig so mancher mit der Wahrheit umgeht. Aber ich schweife ab. Ich suchte nun nach meinem treuen Hengst, der in Panik die Flucht ergriffen hatte. Schließlich fand ich ihn schlotternd in einem Kaninchenbau. Er hatte vor Angst so geschwitzt, daß er auf die Größe eines Dachses geschnimpft war.
Plötzlich riet eine Stimme vom Himmel: „Mein Sohn, diese edle Tat soll dir vergolten werden'“ Ich rin weiter. Der Schnee fiel in dichten Flocken, und es wurde langsam dunkel. Weit und breit war kein Dort zu sehen. Das ganze Land war mit Schnee bedeckt. Erschöpft stieg ich ab und band Regdichnichtaufs Zügel an ein spitzes Ding, das aus dem Boden ragte. Dann legte ich mich hin und schlief ein.





Das hätte durchaus das Ende meines treuen Reisegefährten sein können. Aber ich konnte die beiden Hälften von Regdichnichtauf wieder vereinigen, solange sie noch warm waren. Zum Nähen benutzte ich Lorbeerschößlinge, und bereits nach ein paar Stunden wrar mein Hengst wieder völlig genesen. Die Lorbeerschößlinge wuchsen im Laute der Zeit immer höher empor und bildeten schließlich einen prächtigen immergrünen Bogen, der mich auf so mancher Reise in südlichen Gefilden vor der stechenden Sonne schützte. Das ist die lautere Wahrheit. Ihr fragt, wie ich schlußendlich zu meinen Eltern und meinen 48 Geschwistern zurückkehrte, meine liehen jungen Freunde? Nun . . . diese Geschichte hebe ich mir besser für eine weitere Zusammenkunft auf, denn es ist recht spät geworden! Das ist für heute das ENDE
Regdichnichtauf keuchte vor Anstrengung. Ich ritt also zu einer Pferdetränke und ließ ihn seinen Durst löschen. Aber man stelle sich mein Erstaunen vor, als das Tier trank und trank und trank und kein Ende fand! Als ich mich umdrehte, sah ich, warum: Seine hintere Hälfte fehlte, so daß das erquickende Naß den Körper bereits auf halbem Wege wieder verließ. Wie konnte das geschehen ? Nun, als ich mit der vorderen Hälfte ganz langsam zum Westtor zurückritt, erfuhr ich es. Als wir das Tor passierten, hatte der Feind das schwere eiserne Schutzgitter heruntergelassen, welches meinen treuen Hengst in der Mitte durchteilte. Seine hintere Hälfte erwartete mich schon ungeduldig außerhalb des Tores — und ebenso meine Armeen.
Der erste Russe, den ich traf, umarmte mich, herzte mich und bedeckte mein Gesicht mit vielen feuchten Küssen. „Freiherr von Münchhausen!“ rief er. „Der bin ich“, entgegnete ich. „Und von wem habe ich die Ehre geküßt zu werden ?“ „Oh! Entschuldigung!“ sagte er. „Ich bin der Zar. Man nennt mich Peter den Großen.“ „Hallo, Peter!“ erwiderte ich. „Schön, dich kennenzu lernen.“ „Ich hätte eine Bitte, Freiherr!“ Der Zar sah mich flehend an. „Würden Sie meine Armeen gegen die Türken führen?“ „Selbstverständlich nicht“, antwortete ich. Aberda hättet ihr den Zaren erleben sollen, meine lieben jungen Freunde! Er bat und bettelte so lange, daß ich schließlich nachgab. Es wäre unbescheiden, von den vielen glorreichen Siegen zu berichten, die nun folgten. Soll der Glanz doch auf Peter den Großen fallen! Einzig von einer hochinteressanten Begebenheit möchte ich berichten. Es war, als wir Konstantinopel einnahmen. Wie st) oft war ich meinen Trappen weit voraus und trieb die türkische Armee vor mir her. Ich jagte sie durch das Westtor in die Stadt und zum Osttor wieder hinaus. Am Marktplatz hielt ich meinen treuen Hengst an, um die Flucht der Feinde zu beobachten. Eigenartig war nur, daß meine siegreichen Anneen noch immer nicht in der Stadt zu erblicken waren.
Ich träumte, ich wäre wieder in der tropischen Hitze Ceylons. Als ich auhvachte, war es heller Tag. Zu meinem Erstaunen fand ich mich in einem Kirchhof inmitten eines Dorfes wieder. Ich hörte Regdichnichtauf wiehern, allein, er war nirgendwo zu erblicken. Dann sah ich zum Himmel. Mein treues Pferd hing hoch oben an der Spitze des Kirchturms — festgebunden am Wetterhahn! Jetzt wurde mir alles klar: Als ich ankam, war das ganze Dort — bis zur Spitze des Kirchturms — mit Schnee bedeckt gewesen. In der Nacht war es wärmer geworden, und der Schnee war geschmolzen. Ich war ganz sachte mit dem schwindenden Schnee hemiedergesunken, während Regdichnichtauf an der Kirchturmspitze hängengeblieben war. Kurz entschlossen nahm ich meine Pistole und schoß die Zügel entzwei. Ich fing den armen Hengst mit den Armen auf, bestieg ihn und ritt in Richtung Rußland.
Da ich — wie bekannt — ein großer Tierfreund bin, fütterte ich den Hengst nun mit Sahnetörtchen und Bratkartoffeln, und als wir einen Monat später nach Polen kamen, hatte er wieder seine normale Größe erreicht. Tag um Tag ritten wir durch die endlose Schneelandschaft. Einmal entdeckte ich einen Bettler am Wegesrand. Der arme Teufel zitterte in den wenigen Lumpen, die er am ausgemergelten Körper trug. Obwohl mich selber fröstelte, wart ich ihm daher meinen samtenen Reisemantel über.
Man stelle sich meine Freude vor, als ich sah, daß der Kopf des Löwen im offenen Maul des Krokodils steckte! Die beiden Tiere steckten so fest ineinander, daß alles Ziehen und Zerren nichts nützte — sie konnten sich nicht befreien. Ich zog mein Schwert und hieb dem Löwen mit einem mächtigen Streich den Kopf ah. Mit meiner Flinte rammte ich den Kopf noch tiefer in den Rachen des Krokodils, so daß es erstickte — ein schneller, gnädiger Tod.
Ich wollte meine letzte Chance nutzen und davonlauten. Doch als ich mich um wandte, stand vor mir ein riesiges Krokodil mit weit autgerissenem Maul. Ich hätte in das Maul hineingehen können, ohne mich auch nur zu bücken. Nun w’ar guter Rat teuer! Vor mir lauerte das Krokodil, hinter mir brüllte der Löwe. Zu meiner Linken schäumte ein reißender Fluß, zu meiner Rechten gähnte ein Abgrund, in dem sich zu allem Überfluß grüne und gelbe Giftschlangen tummelten. Im Geiste machte ich schon mein Testament. Der Löw e stellte sich auf die Hinterbeine und setzte zum Sprung an. In diesem Moment stolperte ich und fiel zu Boden. Daher sprang die Bestie über mich hinweg. Einen langen Augenblick lag ich erstarrt da und fürchtete, der Löwe w ürde meinen Kopf packen und das Krokodil meine Beine. Dann hörte ich ein entsetzliches Geräusch. Ich setzte mich aut und sah mich um.

In Ceylon gingen wir vor Anker und nahmen Holz, Wasser und Sahnebonbons an Bord. Eigentlich war es ein sehr langweiliger Aufenthalt, einmal abgesehen von dem Orkan. Ein mächtiger Sturmwind entwurzelte nämlich sämtliche Bäume der Insel und trug sie in die Lüfte. Einige Bäume wogen mehrere Tonnen. Aber der Orkan hob sie so weit in die Höhe, daß sie für den Betrachter wie Streichhölzer wirkten. Gegen Morgen war der Sturm urplötzlich vorbei. Alle Bäume stürzten mehr als acht Kilometer in die Tiefe, landeten in ihren Löchern und schlugen wieder Wurzeln. Mit einer Ausnahme. Diese Ausnahme war der größte Baum der Insel. Als der Orkan ihn entwurzelt hatte, saß nämlich gerade ein älteres Ehepaar in seinen Ästen, um Gurken zu pflücken. Diese Last brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und der Baum fiel daher nicht in sein Loch zurück, sondern landete einige Meter daneben . . . auf dem König der Insel, der daraufhin sein Leben aushauchte.
ert. I Mit welchen vier Worten hatte ich nun den feurigen Hengst besänftigt? Ganz einfach: „Reg dich nicht auf!“ hatte ich ihm ins Ohr geflü Und auf diesen Namen sollte das Roß von nun an hören: Regdichnichtauf. Wir ritten über Berge und durch Täler, bis wi r zu einem großen Hafen kamen. Von dort aus stachen wir auf einem Zwanzigmaster in See. Nach zwei Tagen ließ plötzlich der Wind nach. Das Meer war so ruhig, daß ich sogar mit dem Finger meinen Namen in die Wasseroberfläche schreiben konnte. Selbst am folgenden Tage war meine Unterschrift noch deutlich zu lesen. Das Schiff bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle. Da kam mir eine Idee. Ich zwitscherte und tirilierte, so gut ich konnte, und lockte so einen Möwenschwarm und einige Albatrosse an. Dann sprach ich zu den gefiederten Freunden in ihrer eigenen Sprache und erklärte ihnen unsere Lage. Bereitwillig legten sie die von mir erfundenen Vogelhalfter an und zogen unser Schiff so geschwind über das Meer, daß das Wasser unter uns zu dampfen und zu zischen begann. Schon bald kamen wir wieder in günstige Winde. Wir belohnten unsere wackeren Helfer mit Orangenkrumen und Brotkemen und setzten
Schließlich raste der Hengst augenrollend auf mich zu. Ich erwiderte seinen Blick standhaft. Dann schwang ich mich auf seinen Rücken, packte seine Mähne und flüsterte ihm vier Worte ins linke Ohr. Auf der Stelle beruhigte sich das rasende Tier. Meine Familie hatte sich inzwischen in den Salon im oberen Stockwerk zuriickgezogen. • Glücklicherweise war ein Fenster offen. Ich brauchte meinem Hengst also nur die Sporen zu geben, und schon befanden wir uns mitten auf der üppig gedeckten Kaffeetafel. Auf mein Kommando stolzierte, trabte und galoppierte das wackere Tier über den Tisch, ohne auch nur einen einzigen Teller oder eine Tasse zu zerbrechen. Meine Familie entzückte dieses Schauspiel sehr. „Aber nun sieh dir die große, weite Welt an!“ sagten Mutter und Vater schließlich wie aus einem Munde. Nun gut — ein Satz beförderte mich und mein treues Roß wieder auf den Rasen, und Sekunden später waren w ir am Horizont verschwunden. Das ist die reine Wahrheit.
ch war kein Knabe mehr, aber auch noch kein Mann, als ich mich entschloß, meine Heimat zu verlassen und die große, weite Welt kennen- zu lernen. Mein Vater schimpfte, meine Mutter rang die Hände, und meine 48 jüngeren Brüder und Schwestern flehten mich an, nicht fortzugehen. Aber ich blieb so fest wie ein Fels in der Brandung. „Na schön. Wenn du gehen mußt, mußt du gehen!“ sagten meine Eltern schließlich wie aus einem Munde. (Das taten sie öfter.) Meine 48 Brüder und Schwestern legten ihr Taschengeld zusammen, um mir ein Abschiedsgeschenk zu kaufen. Sie überreichten mir das gewaltige Paket auf dem Rasen vor unserem Schloß. Ich schnürte es auf, und heraus sprang ein prächtiges Pferd. „Vorsicht!“ nefen Vater und Mutter zugleich. „Es ist wild! Wild wie eine Windsbraut!“ Der Hengst stellte sich auf die Hinterbeine, fletschte die Zähne und schlug mit den Vorderhufen aus. Er jagte meine Eltern und meine 48 Geschwister dreimal um unser Schloß (was einer Strecke von rund 45 Kilometern entspricht).