Author: Massoud S.  

Tags: recht   wirtschaft   menschenrechte   rechtswissenschaft  

ISBN: 978-3-662-56779-1

Year: 2018

Text
                    
Interdisciplinary Studies in Human Rights Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten Band 2 Reihenherausgeber Markus Krajewski Fachbereich Rechtswissenschaft Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Erlangen Deutschland Petra Bendel Zentralinstitut für Regionenforschung Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Erlangen Deutschland Heiner Bielefeldt Institut für Politische Wissenschaft Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Erlangen Deutschland Andreas Frewer Institut für Geschichte und Ethik der Medizin Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Erlangen Deutschland Manfred L. Pirner Evangelische Religionspädagogik Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Nürnberg Deutschland
Menschenrechte sind einer der Eckpfeiler der Global Governance und des geltenden Völkerrechts. Aufgrund der Komplexität tatsächlicher und potenzieller ­Menschenrechtsverletzungen und angesichts aktueller Krisen, ist innovative und interdisziplinäre Forschung dringend angezeigt. Die Serie „Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten“ greift diesen Bedarf auf und enthält Monografien sowie Sammelbände, die sich menschenrechtlichen Fragestellungen aus unterschiedlichen und interdisziplinären Perspektiven annehmen. Die einschlägigen Fachgebiete umfassen in erster Linie Philosophie, Recht, Politikwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Medizinethik, ohne hierauf beschränkt zu sein. Schwerpunkte der Reihe bilden neue und umstrittene Fragen wie die extraterritoriale Wirkung von Menschenrechten, ihre Bedeutung für nicht-staatliche Akteure sowie theoretische und philosophische Grundlagen der Menschenrechte. Die Reihe befasst sich auch mit Politikfragen wie Menschenrechte von Flüchtlingen, Rechte von LGBTI-Personen und Bioethik sowie Wirtschaft und Menschenrechte. Die Herausgeber sind Mitglieder des interdisziplinären Forschungszentrums Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Mehr Informationen zu dieser Reihe auf http://www.springer.com/series/15339
Sofia Massoud Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen
Sofia Massoud Wiesbaden Deutschland Diese Publikation geht hervor aus dem DFG-geförderten Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. ISSN 2509-2960    ISSN 2509-2979 (electronic) Interdisciplinary Studies in Human Rights Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten ISBN 978-3-662-56779-1    ISBN 978-3-662-56780-7 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Publikation ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die 2016 als Dissertation am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main angenommen wurde. Sie geht aus der Nachwuchsgruppe „Wandel des transnationalen Arbeits- und Wirtschaftsrechts“ am Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität hervor. An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich während der Anfertigung dieser Arbeit unterstützt und motiviert haben. Zuerst gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Florian Rödl, der meine Arbeit betreut und begutachtet hat. Für die hilfreichen Anregungen und die konstruktive Kritik bei der Erstellung dieser Arbeit möchte ich mich herzlich bedanken, insbesondere aber auch dafür, überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet zu haben, diese Arbeit zu schreiben. Danken möchte ich hier auch dem Exzellenzcluster, ohne dessen Förderung diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Des Weiteren bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Günter Frankenberg, der die Arbeit von Beginn an begleitet und das Zweitgutachten erstellt hat. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Markus Krajewski, der insbesondere in der Phase der Veröffentlichung große Unterstützung geleistet hat. Danken möchte ich auch dem Dekanat des Fachbereiches Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, insbesondere Frau Uta Bredemeier für ihre immer freundliche und tatkräftige Unterstützung. Ganz besonderer Dank gebührt meiner Kollegin und meinem Kollegen aus der Nachwuchsgruppe, Frau Rhea Tamara Hoffmann und Herrn Alexander Wagner. Beide standen mir mit viel Geduld, Interesse und Aufmerksamkeit zur Seite. Frau Rhea Hoffmann war mir während jeder Phase der Arbeit eine unermüdliche Diskussionspartnerin und hat mich stets motivierend begleitet – ihr gebührt mein besonderer Dank. Frau Naira Simonyan und Frau Hatice Yilmaz danke ich für den starken emotionalen Rückhalt und ihr unerschütterliches Vertrauen in mich. Auch Herrn Michael Lidauer gilt mein Dank für seine Unterstützung während der gesamten Zeit. Abschließend möchte ich mich bei meiner Familie bedanken. Meine Eltern, Frau Abeda Massoud und Herr Said Enajat Massoud, haben mich durch ihr unentwegtes VII
VIIIVorwort Vertrauen stets bestärkt. Ohne meine Schwägerin und meinen Bruder, Frau Julia Massoud und Herrn Mostafa Massoud, wäre die Fertigstellung und Abgabe dieser Arbeit nicht möglich gewesen. Wiesbaden, im März 2018 Sofia Massoud
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil I Transnationale Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung zu den UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    9 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fallbeispiele aus dem gesamten Spektrum der Menschenrechte . . . . II. Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen. . . . . . . . . . . 1. Übergriffe gegen Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwangs- und Pflichtarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kinderarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4 Transnationale Unternehmen und transnationale Lieferketten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Transnationale Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und inhaltliche Bestimmung transnationaler Unternehmen �������������������������������������������������������������������������������� 2. Rechtliche Verfasstheit transnationaler Unternehmen. . . . . . . . . . II. Transnationale Lieferkette. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nationale Steuerungsmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berichtspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerbsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exportkredit- und Investitionsgarantien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 19 24 25 27 30 32 35 35 36 39 41 43 43 44 46 47 IX
XInhaltsverzeichnis 4. Strafrechtliche Haftung von Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zivilrechtliche Haftung von Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationale Steuerungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare völkerrechtliche Pflichten von Unternehmen. . . . . 2. Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Welthandelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Internationales Investitionsschutzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Extraterritoriale Staatenpflichten der Heimatstaaten. . . . . . . . . . III. Freiwillige Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                            48 50 51 51 53 53 54 55 55 Kapitel 6 ILO Kernarbeitsnormen – ein Überblick ����������������������������������    I. Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen. . . . . .    II. Abschaffung der Zwangs- oder Pflichtarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . .    III. Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung und Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit��������������������    IV. Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte und Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf������������������������������������������������������������������    V. Innerstaatliche Bindung und Umsetzung im nationalen Recht. . . . .    59 61 63 64 65 66 Teil II Ausgewählte Ansätze zum möglichen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen. . . . . . .    71 I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland����������������������������������������������������������������������������������    76 1. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    77 a. Internationale Zuständigkeit heimatsstaatlicher Gerichte. . . .    77 b. Anwendbares Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    80 aa. Regelfall: Anwendung des gaststaatlichen Rechts nach Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO����������������������    81 bb. Ausnahme: Anwendung des heimatstaatlichen Rechts. . .    85 2. Materiell-rechtliche Ausgestaltung der Unternehmenshaftung im deutschen Deliktsrecht����������������������    89 a. Geschützte Rechtsgüter der unerlaubten Handlung. . . . . . . . .    92 b. Durchgriffshaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    94 c. Sorgfaltspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    96 II. Neuere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    98 1. Rechtsprechung im Vereinigten Königreich. . . . . . . . . . . . . . . . .    99 2. Rechtsprechung in den Niederlanden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Rechtsprechung in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Gesetzgebung in Frankreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen ������������������������������������������������ 106 1. Haftung der Mutterunternehmen im Wege des Durchgriffs. . . . . 107
InhaltsverzeichnisXI 2. Haftung der Mutterunternehmen wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten������������������������������������������������������������������ IV. Bedenken gegen eine zivilrechtliche Unternehmenshaftung . . . . . . 1. Gesellschaftsrechtliche Bewertung einer Unternehmenshaftung������������������������������������������������������������������ 2. Völkerrechtliche Bewertung einer Unternehmenshaftung. . . . . . V. Fazit zur zivilrechtlichen Haftung transnationaler Unternehmen. . . Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht �������������������������������������������������������������������� 1. Fehlende Einbeziehung von Menschenrechten in internationalen Investitionsschutzabkommen������������������������������ a. Materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Investitionen���������������������������������������������������� b. Fehlende Bindung von Unternehmen an Menschenrechte im internationalen Investitionsschutzrecht ���������������������������� c. Fehlende Staatenpflichten in internationalen Investitionsschutzabkommen�������������������������������������������������� aa. Staatenpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Fehlende Pflichten und Rechte der Gaststaaten und Heimatstaaten in internationalen Investitionsschutzabkommen ������������������������������������������ 2. Fehlende Durchsetzung von Menschenrechten im Wege der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit ���������������������������������������� II. Möglicher Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch das internationaleInvestitionsschutzrecht���������������������������������������� 1. Internationale Investitionsschutzabkommen. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedenken gegen eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationaleInvestitionsschutzrecht������������������������������������ IV. Fazit zur Durchsetzung von Menschenrechten durch das internationaleInvestitionsschutzrecht���������������������������������������� Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Staatenpflichten. . . 1. Bindung an Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Resultierende Staatenpflichten – respect – protect – fulfil. . . . . . 3. Extraterritoriale Aspekte – Abgrenzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Status quo extraterritorialer Staatenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ILO Übereinkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte. . . . 110 115 115 117 119 123 126 126 127 128 133 133 134 136 141 142 147 149 152 155 157 157 160 164 166 168 171
XIIInhaltsverzeichnis 3. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte������������������������������������������������������������������ III. Möglicher Schutz durch extraterritoriale Staatenpflichten. . . . . . . . 1. Extraterritoriale Respektierungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Extraterritoriale Schutzpflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedenken gegen eine Annahme extraterritorialer Staatenpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Völkerrechtliche Staatenverantwortung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handlung oder Unterlassen eines Staates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Eigene Handlung oder Unterlassen des Staates. . . . . . . . . . . . b. Verantwortlichkeit der Heimatstaaten im Wege einer Zurechnung ���������������������������������������������������������������������������� 2. Völkerrechtswidriges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit zu extraterritorialen Staatenpflichten der Heimatstaaten. . . . . 173 175 178 180 183 185 186 186 187 188 189 Teil III Wirtschaft und Menschenrechte im Kontext globaler ökonomischer Bedingungen Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Herausbildung des „Wettbewerbsstaates“ . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ablehnung einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen. . . a. Handelsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Haftungslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Freiwillige Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte . . . . e. ATCA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. . . . . . g. Zwischenstaatliche UN Arbeitsgruppe zu Menschenrechten und Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen�� 2. Ablehnung einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht ������������������������������ a. UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. . . . . . b. Strukturen des internationalen Investitionsschutzrechts . . . . . 3. Ablehnung extraterritorialer Staatenpflichten. . . . . . . . . . . . . . . a. Deutsche Position zu extraterritorialen Staatenpflichten. . . . . b. UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. . . . . . Kapitel 11 Konsequenzen fehlender Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlende Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen. . . . . . . . . . II. Konsequenzen der fehlenden Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen ���������������������������������������������������������������������� 1. Ausschluss progressiver Ideen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfestigung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung. . . . . . . . 195 195 199 202 203 203 204 206 207 208 211 211 212 214 217 217 219 221 221 224 225 229
InhaltsverzeichnisXIII Teil IV Schlussbetrachtung Kapitel 12 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
Kapitel 1 Einleitung Grund- und Menschenrechte sind heute ein wesentliches Fundament nationaler und regionaler Rechtsordnungen sowie des Völkerrechts. Mittlerweile haben sich auf nationaler Ebene vielfach Menschenrechts- und Grundrechtssysteme entwickelt, die Menschenrechte durch Grund- und Freiheitsrechte verfassungsrechtlich verankern.1 Auf regionaler Ebene ist insbesondere auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die Amerikanische Erklärung der Rechte und Pflichten der Menschen und die Afrikanische Charta für Menschenrechte und Rechte der Völker zu verweisen.2 Den völkerrechtlichen Kernbestand der Menschenrechte bilden die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) sowie die beiden Menschenrechtspakte von 1966, der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR).3 Hinzukommen weitere neun UN Menschenrechtsübereinkommen.4 Für eine differenzierte Darstellung Krajewski, Völkerrecht, § 12, Rn. 6 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 605 ff.; Kau, in: Völkerrecht, S. 209, Rn. 229. 2 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 836 f.; von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 604 ff. 3 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 820 ff. 4 Folgende neun UN Menschenrechtsübereinkommen sind gegenwärtig in Kraft: das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination/ICERD, 1965), der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights/ ICCPR, 1966), der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights/ICESCR, 1966), das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women/CEDAW, 1979), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment/CAT, 1984), das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child/CRC, 1989), das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer 1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_1 1
2 Kapitel 1 Einleitung Im Gegensatz zu diesen rechtlichen Kodifikationen, der völkerrechtlichen und regionalen Ausgestaltung sowie der nationalen Umsetzung und Verankerung, steht die tatsächliche Verletzung von Menschen- und Grundrechten. De facto stellt die Verletzung von Menschen- und Grundrechten gegenwärtig weltweit Teil des alltäglichen Geschäfts dar. Nach wie vor kommt es zu massiven Verletzungen von Menschen- und Grundrechten.5 In einem bedeutsamen Ausmaß handelt es sich hierbei um erhebliche Eingriffe in bürgerliche und politische sowie in wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Die Formulierung „Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen“ wird im Folgenden vermieden, da nach dem gegenwärtigen herrschenden Völkerrechtsverständnis eine Bindung von Unternehmen an Menschenrechte nicht besteht und eine Verletzung durch Unternehmen daher strikt betrachtet nicht möglich ist.6 Stattdessen wird die Formulierung „Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen“ gewählt. Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen finden in unterschiedlichen territorialen Kontexten statt. Der vorliegenden Arbeit liegen Sachverhalte zugrunde, bei denen einerseits Menschenrechtsverletzungen überwiegend im globalen Süden auftreten,7 andererseits Unternehmen aus Industriestaaten mittelbar oder unmittelbar in die betreffenden wirtschaftlichen Aktivitäten involviert sind.8 Die unter Verletzung von Menschenrechten hergestellten Konsumgüter und gewonnenen Rohstoffe werden nicht primär in den Gaststaaten vertrieben, sondern für ausländische Unternehmen bzw. für den Export in ausländische Märkte hergestellt.9 Dieser Warenfluss ins Ausland begründet einen transnationalen Kontext, der den Blick von nationalen, unmittelbar an der Warenproduktion und den Rechtsverletzungen beteiligten Unternehmen in den Gaststaaten hin zu verbundenen und belieferten Unternehmen im Ausland führt. Die transnationale Perspektive erweitert das Blickfeld somit auf faktische Nutznießer der Menschenrechenrechtsverletzungen im Ausland. Familienangehörigen (International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families/ICMW, 1990), das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance/CPED, 2006), das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities/CRPD, 2006). Siehe Überblick des Business and Human Rights Resource Center, abrufbar unter http://www. business-humanrights.org/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 6 In diesem Sinne McCorquodale, in: Research handbook on international human rights law, S. 97: „Non state actors cannot breach international human rights law.“; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 64. 7 Vgl. University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 17: „90 % of all alleged human rights violations considered took place outside Europe and North America.“; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 4. 8 Zur Rolle von Unternehmen aus den Industriestaaten (Europäischen Union, USA, Japan) siehe Fallbeispiele in Teil I, Kapitel 3. 9 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2002, S. 85 ff. 5
Kapitel 1 Einleitung3 Anders als im rein innerstaatlichen Zusammenhang ist der Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen im transnationalen Kontext derzeit unzureichend ausgestaltet. Es besteht mittlerweile überwiegend Zustimmung, dass Unternehmen – mangels effektiver nationaler und internationalen Regulierung – in einem „Vakuum“10 außerhalb des Rechts agieren.11 Dies umfasst zum einen das Recht der Gaststaaten und auch dessen Durchsetzung. Betroffen ist aber auch das Recht der Heimatstaaten, das in solchen transnationalen Kontexten wenig Abhilfe gegen Menschenrechtsverletzungen bereitstellt. Auch das Völkerrecht bietet gegenwärtig keinen Schutz gegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen begegnet ein intensiver, teils sehr engagierter Diskurs. Dieser findet nicht allein in der Wissenschaft statt, sondern ebenso in Politik auf nationaler, supranationaler und internationaler Ebene. Darüber hinaus sind zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen engagiert. Auch die „Wirtschaft“ selbst nimmt Teil an der Auseinandersetzung um Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Unter dem Stichwort Wirtschaft und Menschenrechte (Business and Human Rights) sammeln sich verschiedenste Akteure und ebenso unterschiedliche Ansätze, die sowohl die Verantwortung der Staaten als auch der Unternehmen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen einfordern. Sie versuchen, bestehende Defizite zu überwinden und damit einen effektiven Schutz gegen transnationale Menschenrechtsverletzungen herzustellen. Vor dem Hintergrund zahlreich bestehender Ansätze unterlässt es die Arbeit, einen weiteren innovativen Ansatz anzubieten, der vermeintlich die bestehenden Probleme in der Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen überwinden könnte. Gegenstand der folgenden Arbeit ist es zudem nicht, einen detaillierten Überblick über alle in der Auseinandersetzung vertretenen Überlegungen zu geben. Die vorliegende Arbeit dient vielmehr einer vertieften Auseinandersetzung mit ausgewählten Ansätzen aus der Debatte Wirtschaft und Menschenrechte, um aufzuzeigen, dass de iure durchaus überzeugende Steuerungsmechanismen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen bestehen. Die Arbeit stellt anhand dieser Ansätze heraus, dass keine rechtliche Notwendigkeit für den gegenwärtigen Zustand eines defizitären Schutzes vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen besteht. Darauf aufbauend wird dargelegt, dass vorrangig Strukturen ökonomischer Globalisierung einem Schutz der Menschenrechte entgegenstehen. Im Anschluss an die Analyse ausgewählter Ansätze und der Kinley/Tadaki, in: Virginia Journal of International Law 2004, S. 935 („legal vacuum“). Woodroffe, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 133: „corporations operate above the realm of governments“. 10 11
4 Kapitel 1 Einleitung Bedeutung ökonomischer Strukturen werden keine konkreten Lösungsvorschläge angeboten. Die Arbeit beschränkt sich darauf, dieses Spannungsverhältnisses darzustellen, und auf die Annahme, dass diesem Spannungsverhältnis nicht hinreichend Bedeutung beigemessen wird. Im Einzelnen ist die Arbeit wie folgt strukturiert. Teil I stellt eine Einführung in die Thematik transnationaler Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen dar. Dies umfasst neben einer Einführung in die Thematik von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen Fallbeispiele, die der Auseinandersetzung typischerweise zugrundeliegen. Des Weiteren erfolgt eine Darlegung der Grundbegriffe transnationale Unternehmen und transnationale Lieferkette sowie eine Darstellung des wissenschaftlichen Diskussions‐ und Forschungsstands. In Teil II der Arbeit findet dann eine vertiefte Auseinandersetzung mit drei ausgewählten Ansätzen aus dem Bereich Wirtschaft und Menschenrechte statt. Erster Untersuchungsgegenstand ist die Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen durch das nationale Haftungsrecht in den Heimatstaaten der Mutterunternehmen. Auf internationaler Ebene wird – als zweiter Untersuchungsgegenstand – das internationale Investitionsschutzrecht, das Unternehmen einen effektiven Schutz gegen staatliche Eingriffe gewährleistet, als mögliches Steuerungsinstrument untersucht. Flankierend wird – mit dem dritten Untersuchungsgegenstand – der Frage nachgegangen, inwieweit extraterritoriale Staatenpflichten eine Pflicht der Heimatstaaten begründen, Ansätze wie eine zivilrechtliche Haftung oder ein internationales Investitionsschutzrecht mit effektivem Menschenrechtsschutz umsetzen zu müssen. Teil III adressiert jene Strukturen ökonomischer Globalisierung, die einer Umsetzung von Ansätzen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen diametral entgegenstehen. Hierbei wird auch die Tatsache herausgearbeitet, dass trotz entgegenstehender globaler Wirtschaftsstrukturen solche Hindernisse in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte nicht adressiert werden. Teil IV dient der Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse. Dabei steht der Gegensatz zwischen dem Potential der ausgewählten Ansätze und der Bedeutung ökonomischer Bedingungen im Kontext Wirtschaft und Menschenrechte im Mittelpunkt. Während die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte das gesamte Spektrum von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen umfasst, erfährt die vorliegende Arbeit durch einen Fokus auf internationale arbeitsrechtliche Normen eine grundlegende Einschränkung. Diese Einschränkung dient zunächst einer notwendigen Eingrenzung des Materials. Zudem kommt dem Arbeitsrecht im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte durch die unmittelbare Nähe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Unternehmen eine besondere Stellung zu. Entsprechend betrifft eine Vielzahl
Kapitel 1 Einleitung5 von Fällen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte die Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen.12 Relevante Rechte in Bezug auf internationale arbeitsrechtliche Normen sind unter anderem das Recht zur Bildung von Gewerkschaften und zur Bildung von Gewerkschaftsverbänden, das Recht auf Streik, das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit, der Schutz von arbeitenden Kindern und Jugendlichen, das Recht auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, das Recht auf Arbeit und das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, das Recht auf angemessenen Lohn, das Recht auf angemessenen Lebensunterhalt (durch Arbeit), das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, das Recht auf Arbeitspausen, das Recht auf regelmäßigen bezahlten Urlaub, das Recht auf Vergütung gesetzlicher Feiertage, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Mutterschutz und auch das Recht auf bezahlten Mutterurlaub.13 Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich im Folgenden auf den Bereich der sogenannten ILO Kernarbeitsnormen, auch Grundprinzipien oder Core Labour Standards (CLS) genannt.14 Erfasst werden hierdurch folgende vier Kernbereiche: • • • • die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, die Abschaffung der Kinderarbeit, die Beseitigung der Zwangsarbeit sowie das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Dem Schutz der Kernarbeitsnormen dienen acht Übereinkommen der ILO. Hier handelt es sich um • die ILO Übereinkommen 87 und 98 (Schutz der Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Kollektivverhandlungen), • die ILO Übereinkommen 138 und 182 (Abschaffung der Kinderarbeit und Übereinkommen über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit), Einer Studie (2008) des Sonderbeauftragten Ruggie zufolge betrafen mehr als 40 % der in der Studie ausgewerteten Fälle die Verletzung der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 17 ff.; siehe auch Oxfam International, Trading Away Our Rights Women Working in Global Supply Chains, S. 1 ff. 13 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 17 ff.; detaillierter Überblick bei Business and Human Rights Resource Centre, abrufbar unter https://business-humanrights.org/ en/issues/labour (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); McBeth/Nolan, in: International corporate legal responsibility, S. 205 ff. 14 Tully, in: International corporate legal responsibility, allgemeiner Überblick unter S. 245 ff., zu den Kernarbeitsnormen S. 263 ff. 12
6 Kapitel 1 Einleitung • die ILO Übereinkommen 29 und 105 (Zwangs- oder Pflichtarbeit und Verbot der Zwangsarbeit) sowie • die ILO Übereinkommen 100 und 111 (Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit und Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf). Die Übereinkommen gehen bis in die Anfänge der Arbeit der ILO zurück. Das Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (Nr. 29) stammt aus dem Jahr 1930. Das jüngste dieser Übereinkommen, das Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (Nr. 182), trat 2000 in Kraft.15 15 Für eine Übersicht zum Schutz der Kernarbeitsnormen durch die ILO Übereinkommen und verschiedene internationale Übereinkommen Kaufmann, Globalisation and labour rights, S. 79 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 107 ff.
Teil I Transnationale Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen Die folgende Einführung in die Thematik von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen beginnt nach einem historischen Abriss (Kap. 2) mit Fallbeispielen, die der Auseinandersetzung typischerweise zugrunde liegen (Kap. 3). Die Fallbeispiele behandeln zum einen das gesamte Spektrum von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen und zum anderen die Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen. Im Anschluss an die Fallbeispiele werden die Grundbegriffe transnationale Unternehmen und transnationale Lieferkette dargelegt (Kap. 4). Es folgt eine Darstellung des wissenschaftlichen Diskussions‐ und Forschungsstands in Bezug auf Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen (Kap. 5). Da Fokus der vorliegenden Arbeit auf dem internationalen Arbeitsrecht liegt, wird zunächst ein Überblick über die ILO Kernarbeitsnormen und die sie schützenden acht ILO Übereinkommen sowie ihre grundsätzliche nationale Verankerung und Umsetzung gegeben (Kap. 6).
Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung zu den UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte Die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte ist keineswegs neu. Die Verantwortung von Unternehmen wurde – wenn auch in anderen Kontexten und mit anderen Schwerpunkten – bereits seit den 1920er Jahren diskutiert.1 Der Schutz von arbeitenden Kindern und Jugendlichen reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück.2 Die Ursprünge der heutigen Debatte um Wirtschaft und Menschenrechte finden sich aber vor allem in den 1950er und 1960er Jahren.3 Seither wird die Frage der Bindung von Unternehmen an Menschenrechte immer wieder diskutiert. Teil dieser Diskussionen waren auch die Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung (New International Economic Order) in den 1970ern.4 Hier ging es um eine Reform der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den sogenannten Entwicklungsländern und Industriestaaten. Transnationale Unternehmen waren in Misskredit geraten.5 1973 wurde der Ruf nach einer neuen Wirtschaftsordnung als 1 Siehe Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 297; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 15 f.; zu Corporate Governance siehe Berle/Means (Hrsg.), The modern corporation and private property. 2 Durch das Preußische Regulativ wurde 1839 Kindern bis zum neunten Lebensjahr die regelmäßige Arbeit in der Fabrik sowie in Berg-, Hütten- und Pochwerken verboten. Die Arbeitszeit der Jugendlichen unter 16 Jahren durfte zehn Stunden nicht überschreiten, Preußisches Regulativ abrufbar unter http://www.zaar.uni-muenchen.de/download/doku/historische_gesetze/mo_nr_3_regulativ__. pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); zum Preußischen Regulativ Derleder, Die Verletzung von Menschenrechten bei der Warenproduktion und das deutsche Wettbewerbsrecht, S. 19. 3 Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 106. 4 Kinley/Chambers, in: Human Rights Law Review 2006, S. 447 ff.; Paul, in: Die Privatisierung der Weltpolitik, S. 104 ff. 5 Siehe Moran, in: Transnational Corporations 2009, S. 92: „The entry of the United Nations into exploration of what this volume calls the TNC problématique came in the midst of severe turbulence. In 1972, Jack Anderson, an investigative reporter in the United States, asserted that the © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_2 9
10 Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung… Reaktion auf die Ölkrise laut. 1974 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die „Erklärung über die Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung“,6 in welcher die Entwicklungsländer sich unter anderem für günstigere Bedingungen in der Rohstoffpolitik und im Welthandel, für eine Schuldenentlastung, eine Änderung des Weltwährungssystems und höhere Entwicklungshilfe einsetzten. Im selben Jahr verabschiedete die Generalversammlung die „Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“.7 Artikel 2 der Charta betont die Souveränität der Staaten und das Recht der Staaten, transnationale Unternehmen zu regulieren und zu überwachen. 1974 kam es auch zur Einrichtung des United Nations Centre on Transnational Corporations (UNCTC) und der United Nations Commission on Transnational Corporations.8 In der Folge begann eine UNCTC Arbeitsgruppe (Intergovernmental Working Group on a Code of Conduct) einen Verhaltenskodex für transnationale Unternehmen zu entwerfen.9 Die Arbeit an dem Verhaltenskodex ging von 1975 bis 1992.10 Mehrere Entwürfe wurden vorgestellt.11 Anfang 1992 wurde die Arbeit an dem Verhaltenskodex eingestellt.12 Von 1993 an wurden Aktivitäten transnationaler Unternehmen institutionell im Rahmen der Konferenz der Vereinigten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development, im Folgenden UNCTAD) behandelt.13 International Telephone and Telegraph Company (ITT) had plotted with the United States Central Intelligence Agency in 1970 to block the election of Salvador Allende – who had threatened to nationalize ITT’s 60 per cent share of the national phone company – in Chile. These allegations prompted the United States Senate Foreign Relations Committee to establish the Subcommittee on Multinational Corporations, which held highly publicized hearings critical of TNCs in the developing world under Senator Frank Church from 1973 to 1976. On another front, critics accused the Swiss giant Nestlé of dressing its sales personnel to look like doctors and nurses to discourage breastfeeding of babies and to substitute what the sales people claimed to be medically superior baby formula.“ 6 United Nations General Assembly, Declaration on the Establishment of a New International Economic Order, A/RES/S-6/3201, 01.05.1974. 7 United Nations General Assembly, Charter of Economic Rights and Duties of States, A/RES/S6/3201, 12.12.1974. 8 Zur Einrichtung siehe United Nations Economic and Social Council, Resolution 1913 (LVII), 05.12.1974; zur Arbeit des United Nations Centre on Transnational Corporations und der United Nations Commission on Transnational Corporations siehe Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 145 ff. 9 Jägers, Corporate human rights obligations, S. 119 f.; Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 145 ff. 10 Moran, in: Transnational Corporations 2009, S. 93. 11 Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 146, 242 ff.; Feldt, in: Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 3. 12 Moran, in: Transnational Corporations 2009, S. 93; Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 145 ff. 13 Paul, in: Die Privatisierung der Weltpolitik; Sagafi-Nejad/Dunning/Perlmutter, The UN and transnational corporations; McBeth/Nolan, in: International corporate legal responsibility, S. 188 ff.
Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung…  11 Von 1994 bis 2003 befasste sich dann der Unterausschuss zur Verhütung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten (United Nations Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities), und nachfolgend der Unterausschuss für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte (United Nations Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, im Folgenden UN Unterausschuss), mit dem Thema transnationale Unternehmen und Menschenrechte. Auf Grundlage der Resolution 2001/3 erarbeitete die Arbeitsgruppe zu den Arbeitsmethoden und Aktivitäten transnationaler Unternehmen (Working Group on the Working Methods and Activities of Transnational Corporations) Normen in Bezug auf transnationale Unternehmen.14 Nach einer Erarbeitungszeit von 1993 bis 2003 kam es dann zur Vorlage des Entwurfs der Normen für die Verantwortlichkeit transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte (Draft Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights, im Folgenden Draft Norms).15 Die Draft Norms stellten ein durchaus umfassendes, jedenfalls grundlegend neues Dokument mit möglichen verbindlichen Verpflichtungen auch für Unternehmen dar.16 Bereits innerhalb der Sessional working group war allerdings die Frage der Verbindlichkeit der Draft Norms von Anbeginn umstritten.17 Auch wenn die Annahme der Draft Norms durch die Sub-Commission oder die UN Menschenrechtskommission (United Nations Commission on Human Rights) nicht notwendig zu einer Verbindlichkeit der Normen geführt hätte, so hätte United Nations Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, The effects of the working methods and activities of transnational corporations on the enjoyment of human rights, Resolution 2001/3, U.N. Doc. E/CN.4/SUB.2/RES/2001/3, 15.08.2001. 15 United Nations Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, Draft Norms on Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights, E/CN 4/Sub 2/2003/12/Rev.2, 26.08.2003. 16 Ausführlich zu den Draft Norms siehe Nowrot, Die „UN-Norms on the responsibility of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights“. Gelungener Beitrag zur transnationalen Rechtsverwirklichung oder das Ende des Global Compact?; Muchlinski, in: Non-State Actors and International Law 2003, S. 135 ff.; Kinley/Nolan/Zerial, in: Company and Securities Law Journal 2007, S. 30 ff.; Deva, in: Journal of International and Comparative Law 2004, S. 493 ff. Zur Frage der Verbindlichkeit der Draft Norms siehe auch von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 6; Hamm, in: Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen 2008, S. 219 ff. 17 Im Hinblick auf den Rechtscharakter als verbindliches völkerrechtliches Instrument oder als unverbindliche Empfehlung, United Nations Commision on Human Rights Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, Report of the sessional working group on the working methods and activities of transnational corporations on its second session, E/CN.4/Sub.2/2000/12, 28.08.2000, Rn. 52–54; Report of the sessional working group on the working methods and activities of transnational corporations on its third session, E/CN.4/Sub.2/2001/9, 14.08.2001; Report of the sessional working group on the working methods and activities of transnational corporations on its fourth session, 15.08.2002, E/CN.4/Sub.2/2002/13; besonders deutlich auch Report of the sessional working group on the working methods and activities of transnational corporations on its fifth session, E/CN.4/Sub.2/2003/13, 06.08.2003, Rn. 12 und 13. 14
12 Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung… die Annahme doch den Weg für ein darauf aufbauendes verbindliches völkerrechtliches Instrument darstellen können.18 Die Vorlage des Entwurfes löste schließlich heftige Diskussionen aus. Während Rückhalt von seiten der Zivilgesellschaft kam, richtete sich gerade der Unmut der Wirtschaft, vertreten durch Verbände der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber,19 gegen die Draft Norms. Der Entwurf der Arbeitsgruppe wurde zwar von dem befassten UN Unterausschuss gebilligt20; zu einer Annahme durch die damalige UN Menschenrechtskommission kam es 2004 allerdings nicht.21 Welche Widerstände letztlich zum Scheitern der Draft Norms in der damaligen Menschenrechtskommission führten, seien es die Widerstände von Staaten oder jene der Wirtschaft gewesen, muss hier offen bleiben. Die Menschenrechtskommission führte an, dass ein solcher Entwurf nicht vom ursprünglichen Mandat gedeckt gewesen sei.22 Anstelle einer Annahme der Draft Norms kam es zur Ernennung des Sonderbeauftragten des UN Generalsekretärs für Menschenrechte und Unternehmen (Special Representative of the UN Secretary-General on Human Rights and Transnational Corporations and Other Business Enterprises, im Folgenden Sonderbeauftragter) John Gerard Ruggie. Seine Arbeit hat sich von 2005 bis 2011 besonders prominent positioniert. Statt Annahme der Draft Norms kam es zu seiner Ernennung.23 Die rechtspolitische Kontroverse um die Draft Norms ebenso wie ihr Scheitern bildeten das Erbe für den Sonderbeauftragten Ruggie und die Grundlage für sein Mandat – ein in der Folge begrenztes Mandat.24 Die Position des Sonderbeauftragten zu den Knox, The Human Rights Council Endorses „Guiding Principles“ for Corporations. International Organisation of Employers/International Chamber of Commerce, Joint views of the IOE and ICC on the draft „Norms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights“. 20 United Nations Commision on Human Rights Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, Responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights, Resolution 2003/16, 13.08.2003. 21 United Nations Commission on Human Rights, Responsibilities of transnational corporations and related business enterprises with regard to human rights, Decision 2004/116, 20.04.2004; so auch United Nations Economic and Social Council, Responsibilities of transnational corporations and related business enterprises with regard to human rights, Decision 2004/279, 22.07.2004. 22 Nowrot, Die „UN-Norms on the responsibility of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights“. Gelungener Beitrag zur transnationalen Rechtsverwirklichung oder das Ende des Global Compact?; Hillemanns, in: German Law Journal 2003, S. 1065 ff.; Deva, in: Journal of International and Comparative Law 2004, S. 493 ff.; Feldt, in: Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 3 f.; Backer, in: Columbia Human Rights Law Review 2006, S. 287 ff.; Kinley/Nolan/Zerial, in: Company and Securities Law Journal 2007, S. 30 ff. 23 United Nations Commission on Human Rights, Human rights and transnational corporations and other business enterprises, Resolution 2005/69, 20.04.2005; United Nations Economic and Social Council, Human rights and transnational corporations and other business enterprises. Decision 2005/273, 25.07.2005. 24 Bilchitz, in: SUR – International Journal on Human Rights 2010, S. 199 ff.; Ruggie, Response to Joint NGO letter on the work of the mandate. 18 19
Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung…  13 Draft Norms war ablehnend und das neue Mandat sollte einen Gegenpol darstellen („a new process“25).26 Seit 2005, dem Beginn des Mandats,27 ist die Arbeit des Sonderbeauftragten Ruggie in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte gerückt. Nach zwei Mandatsjahren legte der Sonderbeauftragte 2007 einen ersten Zwischenbericht vor.28 Von 2005 bis 2008 entwickelte der Sonderbeauftragten das UN Rahmenwerk „Schutz, Respektierung und Abhilfe“,29 das einstimmig vom UN Menschenrechtsrat begrüßt wurde.30 Das UN Rahmenwerk besteht im Wesentlichen aus drei Säulen: der Schutzpflicht der Staaten (state duty to protect),31 der Unternehmensverantwortung für die Respektierung von Menschenrechten (corporate responsibility to respect)32 und dem Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung (access to remedy).33,34 Die staatliche Schutzpflicht hat die Pflicht der Staaten United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Introduction Rn. 3. 26 Ruggie, in: The American Journal of International Law 2007, S. 824 ff.; United Nations Commission on Human Rights, Interim Report of the Special Representative of the Secretary-General on the Issue of Human Rights and Transnational Corporations and Other Business Enterprises, E/ CN.4/2006/97, 22.02.2006, Rn. 59. 27 Zum ersten Mandat des Sonderbeauftragten Ruggie siehe United Nations Commission on Human Rights, Human rights and transnational corporations and other business enterprises, Resolution 2005/69, 20.04.2004; United Nations Economic and Social Council, Human rights and transnational corporations and other business enterprises, Decision 2005/273, 25.07.2005; im Wesentlichen werden zwei Mandatsperioden unterschieden: die erste umfasst den Zeitraum von 2005 bis 2008 und die Vorlage des „Protect, Respect, and Remedy“ Frameworks. Die zweite Periode geht von 2008 bis 2011, die schließlich zum Entwurf der UN Leitprinzipien führte. Ursprünglich war das Mandat indes auf zwei Jahre begrenzt und reichte nur von 2005 bis 2007 und wurde erst später, 2007, um ein drittes Jahr verlängert, vgl. United Nations Commission on Human Rights, Resolution 2005/69, 20.04.2004, Rn. 1. 28 United Nations Human Rights Council, Business and human rights: mapping international standards of responsibility and accountability for corporate acts, A/HRC/4/35, 19.02.2007. 29 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008. 30 United Nations Human Rights Council, Mandate of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Resolution 8/7, 18.06.2008, Rn. 1. 31 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 27 ff. 32 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 51 ff. 33 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 82 ff. 34 Ausführlich zu Einzelheiten des „Protect, Respect and Remedy“ Rahmenwerks siehe McCorquodale, in: Journal of Business Ethics 2009, S. 385 ff.; Jerbi, in: Human Rights Quarterly 2009, S. 299 ff.; Burghardt/Hamm/Scheper, in: Handbuch der Menschenrechtsarbeit, S. 213 ff. 25
14 Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung… zum Gegenstand, vor Verletzungen sie bindender völkerrechtlicher Normen – auch durch private Dritten wie Unternehmen – zu schützen.35 Die Unternehmensverantwortung bezieht sich insbesondere auf eine Unternehmenssorgfalt („due diligence“) und Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen („human rights impact assessments“) seitens der Unternehmen.36 Die dritte Säule des Zugangs zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung betrifft den Zugang zu Beschwerdemechanismen und Sanktionen, durch gerichtliche Verfahren (judicial mechanisms), aber auch durch außergerichtliche Mechanismen (non-judicial mechanisms).37 In der zweiten Mandatsperiode38 von 2008 bis 2011 kam es zur Erarbeitung der UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte39 als Mittel der Implementierung des zuvor entworfenen Rahmenwerkes.40 Die UN Leitprinzipien orientieren sich an der bereits im Rahmenwerk angelegten 3-Säulen Struktur. Bemerkenswert ist, dass weder das Rahmenprogramm noch die Leitprinzipien vom Mandat her gefordet waren. Dennoch wurden die UN Leitprinzipien – anders als die Draft Norms – vom UN Menschenrechtsrat einstimmig begrüßt.41 Auch die EU stand der Annahme der UN Leitprinzipien deutlich positiv gegenüber.42 Die Zahl der Kritikerinnen und Kritiker United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 27 ff.; ausführlich zur staatlichen Schutzpflicht unten Teil II, Kapitel 9. 36 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 56 ff. 37 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 82 ff. 38 Zum zweiten Mandat des Sonderbeauftragten Ruggie siehe United Nations Human Rights Council, Mandate of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Resolution 8/7, 18.06.2008, Rn. 4. 39 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011. 40 Ausführlich zu Einzelheiten der UN Leitprinzipien Mares, The UN guiding principles on business and human rights; Aaronson, ‘Re-Righting Business’: John Ruggie and the Struggle to Develop International Human Rights Standards for Transnational Firms; zur fehlenden Reichweite der UN Leitprinzipien European Center for Constitutional and Human Rights/Grabosch, SRSG John Ruggie’s Draft Guiding Principles for the implementation of the United Nations ‘protect, respect, and remedy framework’. 41 United Nations Human Rights Council, Human rights and transnational corporations and other business enterprises, A/HRC/RES/17/4, 06.07.2011. 42 Siehe Beitrag der Europäische Union zur ersten Sitzung der Arbeitsgruppe zu Menschenrechten und transnationalen Unternehmen und anderen Wirtschaftsunternehmen, European Union Permanent Delegation to the United Nations Office and other international organisations in Geneva, Ambassador, Subject: Business and Human Rights, Human Rights Council Resolution 17/14, abrufbar unter http://www.ohchr.org/Documents/Issues/TransCorporations/Submissions/UNAndIGOs/ EuropeanUnion.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Faracik, Study on the Implementation of the UN Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 15 mit Verweis auf Europäische Kommission, Eine neue EU-Strategie (2011–14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR), KOM(2011) 0681 endgültig. 35
Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung…  15 blieb gering.43 Vielmehr stellen die UN Leitprinzipien nun den „Focal point“ für die Debatte Wirtschaft und Menschenrechte dar.44 Die Arbeit des Sonderbeauftragten Ruggie wurde und wird nunmehr fortgeführt durch die im Juli 2011 als Follow-up ernannte fünfköpfige Expertengruppe, der Arbeitsgruppe zu Menschenrechten und transnationalen Unternehmen (Working Group on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, im Folgenden UN Arbeitsgruppe (2011))45 und ein Interessierten offen stehendes Forum Wirtschaft und Menschenrechte (Forum on Business and Human Rights). Im Juni 2014 beschloss der Menschenrechtsrat das Mandat der UN Arbeitsgruppe (2011) für einen Zeitraum von drei Jahren zu verlängern.46 Ihrem – mit schwachen Kompetenzen ausgestatteten – Mandat nach soll die UN Arbeitsgruppe (2011) zu Menschenrechten und transnationalen Unternehmen die effektive und umfassende Verbreitung und Umsetzung der UN Leitprinzipien fördern, gute Praktiken und Erfahrungen in der Umsetzung der UN Leitprinzipien identifizieren, austauschen und fördern sowie Empfehlungen abgeben. Weiterhin soll die UN Arbeitsgruppe (2011) Möglichkeiten ermitteln, wie auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene eine Verbesserung des Zugangs zu wirksamem Rechtsschutz erreicht werden kann sowie in enger Zusammenarbeit und in Abstimmung mit anderen einschlägigen Sonderverfahren des Menschenrechtsrates und anderen relevanten internationalen Organisationen zusammenarbeiten. Das UN Forum 43 Kritisch Alianza Social Continental, FIAN International, Habitat International Coalition, Plataforma Interamericana de Derechos Humanos, Transnational Institute and La Via Campesina, Statement to the Delegations on the Human Rights Council 2011, 17th Session, Agenda Item 3; siehe auch Aaronson, „Re-Righting Business“: John Ruggie and the Struggle to Develop International Human Rights Standards for Transnational Firms; European Center for Constitutional and Human Rights/Grabosch, SRSG John Ruggie’s Draft Guiding Principles for the implementation of the United Nations „protect, respect, and remedy framework“; Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation; Mares, The UN guiding principles on business and human rights. 44 Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation, S. 2; Harrison, An Evaluation of the Institutionalisation of Corporate Human Rights Due Diligence; Ausgangspunkt auch für viele NGOs vgl. Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen, S. 5; kritisch (auch zur Inklusion um Preisgabe höherer Ansprüche und Einigung auf den kleinsten Nenner) Bilchitz, in: SUR – International Journal on Human Rights 2010, S. 199 ff. 45 Zum Mandat der Arbeitsgruppe siehe United Nations Human Rights Council, Human rights and transnational corporations and other business enterprises, A/HRC/RES/17/4, 06.07.2011; für den bisherigen Stand der Arbeit der Arbeitsgruppe siehe Informationen des Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/Issues/ Business/Pages/WGHRandtransnationalcorporationsandotherbusiness.aspx (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 46 United Nations Human Rights Council, Human rights and transnational corporations and other business Enterprises, A/HRC/26/22, 23.06.2014.
16 Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung… Wirtschaft und Menschenrechte kam 2016 das fünfte Mal zusammen.47 Unter den zahlreichen Teilnehmern aus einer Vielzahl von Ländern teil fanden sich Vertreterinnen und Vertreter von NGOs, Gewerkschaften, aus der Wissenschaft und von Unternehmensseite.48 Auf der 26. Sitzung des UN Menschenrechtsrats wurde auf Grundlage einer Initiative von Ecuador und Südafrika eine Resolution verabschiedet, in der es um die Einrichtung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe zu Menschenrechten und Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen (Open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, im Folgenden UN Arbeitsgruppe (2014)) geht.49 Die Resolution zur Einrichtung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe wurde zum Teil mit dem Argument kritisiert, sie sei zu trennend („divisive“50). Für die Resolution stimmten 20 Staaten, dagegen stimmten 14 Staaten und 13 Staaten enthielten sich. Deutschland stimmte gegen die Annahme der Resolution.51 Die UN Arbeitsgruppe (2014) soll ein internationales verbindliches Instrument ausarbeiten, um die Aktivitäten von transnationalen Unternehmen im Völkerrecht zu regulieren.52 Im Mittelpunkt steht dabei unter anderem die Frage nach der Verbindlichkeit eines entsprechenden Abkommens. Die Arbeitsgruppe thematisiert Fragen einer zivilrechtlichen und strafrechtlichen Haftung von Unternehmen, extraterritoriale Staatenpflichten, aber auch das Spannungsverhältnis zwischen United Nations Office of the High Commissioner on Human Rights, 2016 Forum on Business and Human Rights, Informationen abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/Issues/Business/Forum/ Pages/2016ForumBHR.aspx (10.08.2017). 48 United Nations Office of the High Commissioner on Human Rights, 2016 Forum on Business and Human Rights, Übersicht zu den Teilnehmenden (Companies, law firms & investor organisations, Civil Society; Business and employer organisations, International & regional bodies) abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/Issues/Business/Forum/Pages/2016ForumBHR.aspx (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 49 United Nations Human Rights Council, Elaboration of an international legally binding instrument on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, A/HRC/RES/26/9, 14.07.2014. 50 Zitiert nach Love, in: SUR – International Journal on Human Rights 2014, S. 109. 51 Business and Human Rights Resource Centre unter http://business-humanrights.org/en/bindingtreaty/un-human-rights-council-sessions (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017) 52 United Nations Human Rights Council, Elaboration of an international legally binding instrument on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, A/HRC/RES/26/9, 14.07.2014, Ziff. 1: „[…] whose mandate shall be to elaborate an international legally binding instrument to regulate, in international human rights law, the activities of transnational corporations and other business enterprises.“; Zu verschiedenen Vorschlägen siehe Martens/Seitz, Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln Der „Treaty-Prozess“ bei den Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen, S. 23. 47
Kapitel 2 Von Verhandlungen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung…  17 Menschenrechten und internationalem Investitionsschutzrecht.53 Seit Juli 2015 wird auf Grundlage des Mandats von 2014 über ein mögliches Abkommen diskutiert.54 Der ersten Sitzung der UN Arbeitsgruppe (2014) im Juli 2015 blieb Deutschland weitestgehend fern.55 United Nations Human Rights Council, Report on the second session of the open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, A/HRC/34/47, 04.01.2017; Martens/Seitz, Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln – Der „Treaty-Prozess“ bei den Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen, S. 1 ff. 54 Zur ersten Sitzung der UN Arbeitsgruppe (2014) im Juli 2015 siehe United Nations Human Rights Council, Report on the first session of the open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, with the mandate of elaborating an international legally binding instrument, A/HRC/31/50, 05.02.2016; zur zweiten Sitzung der Arbeitsgruppe im Oktober 2016 siehe United Nations Human Rights Council, Report on the second session of the open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, A/HRC/34/47, 04.01.2017. 55 Zu verschiedenen Vorschlägen siehe Martens/Seitz, Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln – Der „Treaty-Prozess“ bei den Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen, S. 23. 53
Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Den Entwicklungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte liegt eine Vielzahl unterschiedlicher Fallkonstellationen zugrunde. Anhand ausgewählter Fallbeispiele wird im Folgenden der negative Einfluss, den wirtschaftliche Aktivitäten privater Unternehmen auf die Verwirklichung von Menschenrechten haben können, veranschaulicht. Die Fälle umfassen unterschiedliche, aber typische Konstellationen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Die Darstellung ist dabei untergliedert in einen Überblick über das gesamte Spektrum von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen (I.) und in eine Übersicht über die Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen (II.). I. Fallbeispiele aus dem gesamten Spektrum der Menschenrechte Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen sind weder neu noch finden sie im Verborgenen statt. Wirtschaftliche Aktivitäten privater Unternehmen wirken sich dabei auf das gesamte Spektrum der Menschenrechte aus, auf bürgerliche und politische Rechte ebenso wie auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, einschließlich Arbeitsrechte.1 Zahlreiche Studien dokumentieren das gesamte Spektrum von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten 1 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 52 ff.; United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 16 ff.; European Coalition for Corporate Justice, With Power Comes Responsibility; The Corporate Responsibility Coalition & The London School of Economics, The reality of rights. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 19 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_3
20 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte von Unternehmen.2 Betroffene Rechte sind – neben der Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen3 – beispielsweise das Recht auf Leben, das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit, die Freiheit von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die Gleichberechtigung von Mann und Frau und das generelle Verbot der Diskriminierung ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten. Weitere relevante Rechte sind das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, das Recht auf angemessene Ernährung, das Recht auf höchstmögliche körperliche und geistige Gesundheit.4 Wirtschaftliche Aktivitäten von Unternehmen und damit einhergehende Menschenrechtsverletzungen finden dabei in den verschiedensten Sektoren statt.5 Überwiegend betroffen sind der Rohstoffsektor (Öl, Gas, Kohle, Mineralien) sowie Produkte, die für den Einzelhandel bestimmt sind (etwa in der Textilindustrie, bei der Herstellung von Schuhwerk, die Teppichproduktion oder die Herstellung von Spielsachen und Sportartikeln).6 Betroffen sind aber auch Finanzdienstleistungen, die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, die Schwerindustrie, das Bauwesen, Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen, die Informationstechnologie, die Elektronik- und Telekommunikationsindustrie, die Pharma- und Chemieindustrie oder etwa auch private Sicherheits- und Militärunternehmen.7 Im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten kommen daher zahlreiche Szenarien in Betracht, durch die mittelbar und unmittelbar wirtschaftliche Aktivitäten zu 2 European Coalition for Corporate Justice, With Power Comes Responsibility; Human Rights Watch, On the Margins of Profit. Rights at Risk in the Global Economy; ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council; The Corporate Responsibility Coalition & The London School of Economics, The reality of rights; siehe Überblick des Business and Human Rights Resource Center, abrufbar unter https://business-humanrights.org/en/issues/abuses (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 3 Hierzu siehe im Anschluss Teil I, Kapitel 3, II. 4 Siehe Überblick des Business and Human Rights Resource Center, abrufbar unter https://businesshumanrights.org/en/issues/abuses (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 5 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 8 ff., 61 ff.; siehe auch Übersicht des Human Rights and Business Resource Centre abrufbar unter http://www.businesshumanrights.org/Categories/Issues (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 6 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 8. 7 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 8 ff., 45 ff.; siehe auch Übersicht des Human Rights and Business Resource Centre, abrufbar unter http://www.businesshumanrights.org/Categories/Issues (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 1 ff.
I. Fallbeispiele aus dem gesamten Spektrum der Menschenrechte21 Menschenrechtsverletzungen führen können. Die folgenden Fallbeispiele verdeutlichen neben der Bandbreite der Verletzung von Menschenrechten auf welch verschiedene Weise Unternehmen durch ihre wirtschaftlichen Aktivtäten in die Verletzung von Menschenrechten involviert sind. Es handelt sich dabei primär um Menschenrechtsverletzungen durch Staaten als Adressaten der Menschenrechte. Die Besondeheit liegt hier indes im wirtschaftlichen Kontext, der die betreffenden Unternehmen in die Menschenrechtsverletzungen einbezieht. In diesem Sinne können Unternehmen Menschenrechtsverletzungen verursachen oder an ihnen beteiligt sein.8 Transnationale Unternehmen standen und stehen immer wieder in der Kritik. Ein frühes Beispiel ist die Beteiligung des amerikanischen Kommunikationsunternehmens International Telephone and Telegraph Corporation (ITT) am Sturz des chilenischen Staatspräsidenten Salvador Allende 1973.9 IIT wurde vorgeworfen zusammen mit dem amerikanischen Geheimdienst in den Sturz durch finanzielle Unterstützung involviert gewesen zu sein. Damit wurde deutlich, wie Unternehmen wirtschaftliche Macht auch politisch einsetzten.10 1984 erregte die Umweltkatastrophe von Bhopal (Indien) besonderes Aufsehen, als in einem Chemiewerk mehrere Tonnen giftiger Stoffe in die Atmosphäre traten. In der Folge starben Tausende von Menschen durch den direkten Kontakt mit der Gaswolke. Hinzukamen eine Vielzahl an Verletzten, die erblindeten, Hirnschäden und Lähmungen sowie Herzleiden und andere Krankheiten erlitten und die bis heute unter den Folgen des Unfalls leiden. Auch Fehlbildungen an Neugeborenen und Wachstumsstörungen kamen im Laufe der Zeit bei heranwachsenden Kindern hinzu. Das Werk wurde betrieben von Union Carbide India Limited (UCIL), das mehrheitlich zu dem US-amerikanischen Chemiekonzern Union Carbide Corporation (UCC) gehörte. Noch heute ist das von Union Carbide ehemals genutzte Industriegelände nicht befreit von hochgiftigen Überresten. Die heutige transnationale Mutter, die US-amerikanische Dow Chemical Company, der weltweit zweitgrößte Chemiekonzern, weigert sich, eine Sanierung vorzunehmen.11 8 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, Gutachten erstellt im Auftrag von Amnesty International, Brot für die Welt, Germanwatch e.V., Oxfam Deutschland e.V., S. 15. 9 Cohen, Multinational corporations and foreign direct investment, S. 326; United States Department of State, Church Subcomittee Hearings on Multinational Corporations, 28.03.1973, 1973, abrufbar unter http://foia.state.gov/searchapp/DOCUMENTS%5CStateChile3%5C0000573F.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Moran, in: Transnational Corporations 2009, S. 92. 10 Felkl, Rechtliche Bedeutung der Internationalen Rahmenvereinbarungen, S. 32, Fn. 78; Schmalenbach, in: Archiv des Völkerrechts 2001, S. 57, 80; Cohen, Multinational corporations and foreign direct investment, S. 326; United States Department of State, Church Subcomittee Hearings on Multinational Corporations, 28.03.1973, abrufbar unter http://foia.state.gov/searchapp/ DOCUMENTS%5CStateChile3%5C0000573F.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Gill/Law, The global political economy, S. 208. 11 Zu Bhopal siehe die Dokumentation des Business and Human Rights Resource Center, abrufbar unter http://www.business-humanrights.org/Categories/Lawlawsuits/Lawsuitsregulatoryaction/Law suitsSelectedcases/UnionCarbideDowlawsuitreBhopal (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); im Übrigen siehe auch International Campaign for Justice in Bhopal, abrufbar unter https://www. bhopal.net/what-happened/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017).
22 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Einen weiteren Fall stellt die Tätigkeit des Mineralölunternehmens Shell in Nigeria dar.12 Shell (mit Hauptsitz des Mutterunternehmens in den Niederlanden) begann bereits in den 1950er Jahren mit der Ölförderung in Nigeria. Im Nigerdelta, im Lebensraum des Volkes der Ogoni, liegt ein Großteil der nigerianischen Ölfelder. Die Ölförderung führte im Laufe der Zeit zu massiven Umweltverschmutzungen. Durch die Umweltverschmutzungen wurden die Ogoni ihrer Lebensgrundlage (landwirtschaftliche Flächen sowie für Fischerei genutzte Gewässer) beraubt.13 In den 1990er Jahren trat vermehrt Widerstand gegen die Ölförderung durch Shell auf, auch durch die Umweltbewegung Movement for the Survival of the Ogoni People,14 unter anderem angeführt durch Ken Saro-Wiwa und Barinem Kiobel. Im Rahmen der Auseinandersetzungen um das Ogoniland kam es zu massiven Einsätzen der nigerianischen Militär- und Polizeikräfte sowie zu Unruhen und Vertreibungen bis hin zur Inhaftierungen und Hinrichtungen. Betroffenen waren davon auch der Gründer der Umweltbewegung, Ken Saro-Wiwa, und weitere Führer wie Barinem Kiobel.15 Shell wurde vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen durch die Finanzierung und die Kooperation mit der nigerianischen Regierung überhaupt erst ermöglicht zu haben.16 Insbesondere sollen dem nigerianischen Militär durch das Tochterunternehmen Shell Petroleum Development Company of Nigeria Nahrungsund Transportmittel sowie Firmengrundstücke für Angriffe auf die Bevölkerung zur Verfügung gestellt worden sein.17 Daimler und andere Unternehmen aus der Automobilindustrie sowie Unternehmen aus der Rüstungsindustrie, der Computertechnikbranche und Banken18 sollen in der Zeit des Apartheidsregimes Informationen über Apartheidgegner an 12 Siehe für die Entscheidung des United Sates Supreme Court und für die Entscheidung des niederländischen Court of the Hague unten Teil II, Kapitel 7. 13 Siehe hierzu auch United Nations Environment Programme, Ogoniland Oil Assessment Reveals Extent of Environmental Contamination and Threats to Human Health, Pressemitteilung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (04.08.2011), 2011, abrufbar unter http://www.unep. org/disastersandconflicts/news/unep-ogoniland-oil-assessment-reveals-extent-environmentalcontamination-and-threats-human (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Amnesty International, Petroleum, Pollution and Poverty in the Niger Delta, S. 14 ff. 14 Vgl. Amnesty International, Petroleum, Pollution and Poverty in the Niger Delta, S. 1 ff.; Dokumentation bei Milieudefensie, Our courtcase against Shell, abrufbar unter http://www.milieudefensie.nl/english/shell/oil-leaks/courtcase/plaintiffs (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 15 Ausführlich hierzu die Dokumentation bei Milieudefensie, Our courtcase against Shell, abrufbar unter http://www.milieudefensie.nl/english/shell/oil-leaks/courtcase/plaintiffs (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Lukas/Steinkellner, Unternehmen in Konfliktregionen, S. 13 ff.; siehe auch Saage-Maaß/Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 148. 16 Saage-Maaß/Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 148. 17 Supreme Court of the United States, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 569 U.S. (2013), S. 2: „Petitioners further allege that respondents aided and abetted these atrocities by, among other things, providing the Nigerian forces withfood, transportation, and compensation, as well as by allowing the Nigerian military to use respondents’ propertyas a staging ground for attacks.“ 18 Siehe Saage-Maaß/Golombek, Business As Usual? Eine Besprechung des Urteils In re South African Apartheid Litigation, 02-md-1499, des United States District Court, Southern District of New York (Manhattan) vom 08.04.2009.
I. Fallbeispiele aus dem gesamten Spektrum der Menschenrechte23 die Regierung weitergegeben haben. Diese Weitergabe von Informationen soll Festnahmen von Apartheidsgegnern ermöglicht haben. Den Unternehmen wurden daher vorgeworfen, durch direkte oder indirekte Unterstützung des Apartheidsystems einen Beitrag zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter, extralegalen Hinrichtungen und zum Verbrechen der Apartheid geleistet zu haben.19 Eine weitere Konstellation im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte stellen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen in Konfliktgebieten dar.20 Es handelt es sich hierbei um Gebiete, „die meist ohne funktionierende (rechts-)staatliche Strukturen auskommen müssen“.21 Oftmals sind staatliche Organe in diesen Gebieten an Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen beteiligt.22 Gerade in Konfliktgebieten erscheinen Staaten weniger bereit bzw. in der Lage, vor diesen Menschenrechtsverletzungen zu schützen.23 Zahlreiche Sektoren sind im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten in Konfliktregionen betroffen, überwiegend aber der Rohstoffsektor.24 Ein Fall wirtschaftlicher Aktivitäten in Konfliktregionen war die Tätigkeit des kanadischen Öl- und Gasförderungsunternehmens Talisman Energy Inc. (früher: British Petroleum Canada) im Sudan. Der Sudan Saage-Maaß/Golombek, Business As Usual? Eine Besprechung des Urteils In re South African Apartheid Litigation, 02-md-1499, des United States District Court, Southern District of New York (Manhattan) vom 08.04.2009; siehe auch Informationen bei Khulumani Support Group, Daimler AG's Shady Ties With Apartheid Regime In South Africa abrufbar unter http://www.khulumani. net/khulumani/in-the-news/item/385-daimler-ags-shady-ties-with-apartheid-regime-in-south-africa.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 20 Siehe hierzu auch die besondere Erwähnung in United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/ HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 7; siehe auch United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie Business and human rights in conflict-affected regions: challenges and options towards State responses, A/HRC/17/32, 27.05.2011; Lukas/Steinkellner, Unternehmen in Konfliktregionen; Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement, S. 11. 21 Lukas/Steinkellner, Unternehmen in Konfliktregionen, S. 9, die unter Konfliktgebiete auch Fälle wie Shell Nigeria fassen. 22 Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement, S. 11; International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies; Lukas/Steinkellner, Unternehmen in Konfliktregionen, S. 13. 23 Lukas/Steinkellner, Unternehmen in Konfliktregionen, S. 13; Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement, S. 11; International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies; United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 7 und Kommentar. 24 Lukas/Steinkellner, Unternehmen in Konfliktregionen, S. 54 mit Verweis auf die Öl- und Bergbauindustrie, Sicherheitsdienstleistungs-, Transport-, Tourismus-, Textil- oder Lebensmittelbranche. 19
24 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte ist ein jahrzehntelang von politischer Instabiliätät geprägtes Land.25 Seit seiner Unabhängigkeit 1956 finden immer wieder innerstaatliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt.26 Ölförderung stellte im Sudan sowohl eine Ursache des Bürgerkriegs als auch eine Einnahmequelle zur militärischen Finanzierung dessen dar. Sicherheitsvorkehrungen und die Nutzung von Einrichtungen und Infrastrukturen von Talisman Energy sollen durch Regierungstruppen und regierungsnahe Milizen erfolgt sein.27 Eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen wurde in diesem Kontext geltend gemacht. Diese betreffen vor allem auch die Vertreibung der indigenen Bevölkerung aus den Gebieten der Ölförderung.28 Im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten in Konfliktgebieten kommt es auch zu Fällen von Zwangsarbeit zur „Unterstützung“ wirtschaftlicher Aktivitäten.29 II. Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen Die folgende Darstellung umfasst einen Überblick über die Verletzung von Kernarbeitsnormen im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten. In Bezug auf die Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen ist anzumerken, dass Menschenrechtsverletzungen selten insoliert auftreten und auch die Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen oftmals mit der Verletzung anderer Menschenrechte einhergeht.30 Fälle von Kinderarbeit können sich beispielsweise auf das Recht auf Bildung, die Freiheit von Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, das Recht auf Gesundheit und auch das Recht auf Leben 25 Amnesty International, Oil in Sudan, Deteriorating Human Rights, 2000, S. 2 f.; zur fragilen Staatlichkeit im Sudan und der Abhängigkeit vom Erdöl siehe Öhm, Sudan: Politischer Übergang ohne Machtwechsel, S. 4 ff. 26 Amnesty International, Oil in Sudan, Deteriorating Human Rights, 2000, S. 2 f. 27 Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement, S. 25 ff.; Amnesty International, Oil in Sudan, Deteriorating Human Rights, 2000, S. 2 f. 28 Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement, S. 25 ff.; Amnesty International, Oil in Sudan, Deteriorating Human Rights, 2000, S. 2 f. 29 Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement, S. 126. 30 Vgl. United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 17: „Most cases raised multiple allegations in relation to labour contexts, translating a single case into alleged impacts on a number of labour-related rights. In addition, labour rights abuses were often not discrete. A single allegation of abuse was often claimed to generate impacts on other labour and even nonlabour rights. For example, where a firm was reported to use child labour, the circumstances of the case might also give rise to alleged impacts on the right to education, freedom from torture or cruel, inhuman or degrading treatment, the right to health, and even the right to life.“; KörnerDammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 33 ff.
II. Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen25 auswirken.31 Am Beispiel der Vereinigungsfreiheit etwa wird ein Wechselspiel mit anderen bürgerlichen und politischen Rechten deutlich. So bedarf die Ausübung der Vereinigungsfreiheit der Möglichkeit der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie des Rechts auf Leben, Freiheit und körperliche Gesundheit.32 Trotz des Fokus auf internationale arbeitsrechtliche Normen wird auch aus diesem Grund im Folgenden der Begriff der Menschenrechte verwendet, der die diversen darunter zu verstehenden sozialen und wirtschaftlichen ebenso wie bürgerlichen und politischen Rechte umfasst. Soweit eine Differenzierung rechtlich relevant erscheint, werden die Begriffe internationale arbeitsrechtliche Normen oder Kernarbeitsnormen verwendet. 1. Übergriffe gegen Gewerkschaften Übergriffe gegen Gewerkschaften im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen umfassen eine Vielzahl diverser Rechtsverletzungen. Sie gehen mit Diskriminierungen und Entlassungen sowie Belästigungen und Einschüchterungen einher.33 Nicht selten sind Gewaltandrohungen und -anwendungen, Folter und Misshandlungen und Verschwindenlassen von Gewerkschaftern bis hin zu Tötungen in diesem Zuammenhang vorzufinden.34 Gewerkschaftsrechte, Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sich politisch zu organisieren und Tarifverhandlungen zu führen, sind von besonderer Bedeutung und Grundlage, um auch andere Arbeitsrechte zu gewährleisten. Zum Schutz der Vereinigungsfreiheit wurde bereits 1951 ein ILO-Ausschuss für 31 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, Addendum, Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse, A/HRC/8/5/Add.2, 23.05.2008, Rn. 17. 32 Körner-Dammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 33 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 109. 33 Eine Übersicht findet sich bei Internationaler Gewerkschaftsbund, Globaler Rechtsindex des IGB: Die schlimmsten Länder der Welt für Erwerbstätige Menschen, S. 23 f.; siehe auch Darstellung des Business and Human Rights Resource Centre zur „Freedom of association“, abrufbar unter http://www.business-humanrights.org/FreedomOfAssociationPortal/Issue/Allegedabuse (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Südwind/MISEREOR/Morazán, Das krumme Ding mit der Banane. Soziale Auswirkungen des weltweiten Bananenhandels. Die Macht von Supermarktketten in Deutschland; MISEREOR/Germanwatch, Globales Wirtschaften und Menschenrechte. Deutschland auf dem Prüfstand, S. 1 ff. 34 Internationaler Gewerkschaftsbund, Globaler Rechtsindex des IGB: Die schlimmsten Länder der Welt für Erwerbstätige Menschen, S. 23 f.; siehe auch Darstellung des Business and Human Rights Resource Centre zur „Freedom of association“, abrufbar unter http://www.business-humanrights. org/FreedomOfAssociationPortal/Issue/Allegedabuse (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017).
26 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Vereinigungsfreiheit (Committee on Freedom of Association, CFA) gegründet.35 Viele Fälle zeigen indes, dass Gewerkschaftsrechte im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen – in unterschiedlichem Ausmaß – untergraben werden.36 Einen besonderen Fall stellen sogenannte Sonderwirtschaftszonen (insbesondere Exporthandelszonen, Export Prozessing Zones, EPZ) dar.37 In Sonderwirtschaftszonen werden Unternehmen besonders günstige Ansiedlungsbedingungen geboten, zu denen nicht selten auch eine Einschränkung der gewerkschaftlichen Organisationsrechte gehört.38 Infolge eingeschränkter staatlicher Regulierung kommt es hier zu massiven Rechtsverletzungen. Gewerkschaftsrechte werden gezielt eingeschränkt oder ausgesetzt.39 Exemplarisch lässt sich die Verletzung von Gewerkschaftsrechten am Fall des weltweit größten Nahrungsmittelkonzerns Nestlé S.A. in Kolumbien veranschaulichen.40 In diesem Fall wurde die Ermordung eines kolumbianischen Gewerkschafters, Luciano Romero, im Nordosten Kolumbiens geltend gemacht, der jahrelang für das Unternehmen Cicolac, einem kolumbianischen Tochterunternehmen von Nestlé, gearbeitet hat. Der Gewerkschafter hatte in der Milchpulverfabrik Cicolac gearbeitet und war Mitglied des Vorstands der Gewerkschaft Sinaltrainal. Im Zusammenhang mit einem Arbeitskonflikt war er 2002 entlassen worden. Nach der Entlassung wurde auch der übrigen Belegschaft gekündigt. Die Anteile von Nestlé wurden an das neuseeländischen Milchunternehmen Fonterra verkauft. Damit Für Informationen zum Ausschuss für Vereinigungsfreiheit siehe International Labour Organization, Committee on Freedom of Association, abrufbar unter http://www.ilo.org/global/standards/applying-and-promoting-international-labour-standards/committee-on-freedom-of-association/lang--en/index.htm (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); International Labour Organization, Die ILO auf einen Blick, S. 9 ff.; Gravel/Duplessis/Gernigon, The Committee on Freedom of Association. 36 Oxfam Deutschland, Bittere Bananen – Ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Ecuador in der Lieferkette deutscher Supermarktketten, S. 12; ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council; Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen, S. 11; MISEREOR/Germanwatch, Globales Wirtschaften und Menschenrechte. Deutschland auf dem Prüfstand, S. 80 mit weiteren Nachweisen. 37 Muchlinski, Multinational enterprises and the law, S. 226 ff.; Kerkow/Martens, Sonderwirtschaftszonen; International Labour Organization/Committee on Employment and Social Policy, Employment and social policy in respect of export processing zones (EPZs). 38 International Labour Organization/Committee on Employment and Social Policy, Employment and social policy in respect of export processing zones (EPZs). 39 International Confederation of Free Trade Unions, EPZs – Symbols of Exploitation and a Development Dead-End, S. 11 ff.; Amengual/Milberg, Economic Development and Working Conditions in Export Processing Zones: A Survey of Trends. ILO Working Paper No. 3, S. 34 f.; Kerkow/Martens, Sonderwirtschaftszonen. 40 Hierzu European Center for Constitutional and Human Rights, Nestlé/Romero Fallbeschreibung, S. 1 ff.; European Center for Constitutional and Human Rights, Juristischer Hintergrundbericht: Strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen durch Wirtschaftsunternehmen in der Schweiz: Der Fall Nestlé, S. 1 ff. 35
II. Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen27 einhergehend wurde der Betrieb mit einer neuen Belegschaft unter Dairy Partners Americas (DPA) mit geringeren Lohnkosten und Sozialleistungen weitergeführt. Cicolac (heute Dairy Partners Americas, DPA) und Nestlé wird vorgeworfen, die in der Folge stattgefundenen, von Paramilitärs ausgeführte Tötung des Gewerkschafters fahrlässig nicht verhindert zu haben. Das Mutterunternehmen Nestlé hat seinen Hauptsitz in der Schweiz. Dort wurde die Sache 2012 bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht.41 Die Verfahren im Fall Romero wurden eingestellt.42 2. Zwangs- und Pflichtarbeit Studien weisen auf zahlreiche Situationen hin, in denen Unternehmen Zwangsund Pflichtarbeit (im Folgenden Zwangsarbeit) einsetzen.43 Zwangsarbeit wird historisch mit Sklaverei verbunden. Zwangsarbeit ist jedoch auch heute noch ein aktuelles Thema und geht über Formen der Sklaverei hinaus. Aktuelle Formen der Zwangsarbeit sind vielfältig und können subtil ausgestaltet sein.44 Sie umfassen unzulässige/unfreiwillige Gefängnisarbeit, erzwungene Überstunden, Menschenhandel, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft, Sexsklaverei und noch immer auch Sklaverei.45 Zwangsarbeit kommt häufig in arbeitsintensiven und nicht regulierten Sektoren vor.46 Einen großen Bereich deckt Kinderzwangsarbeit ab.47 Hierzu European Center for Constitutional and Human Rights, Nestlé/Romero Fallbeschreibung, S. 1 ff.; European Center for Constitutional and Human Rights, Juristischer Hintergrundbericht: Strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen durch Wirtschaftsunternehmen in der Schweiz: Der Fall Nestlé, S. 1 ff. 42 European Center for Constitutional and Human Rights, Die Ermordung des Nestlé-Arbeiters Romero in Kolumbien, abrufbar unter https://www.ecchr.eu/de/874.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 43 International Labour Organization, A global alliance against forced labour, S. 10 ff.; International Labour Organization, Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour; Amnesty International, The Human Rights and Business Pages: Forced Labour; ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council, S. 5; Anti-Slavery International, Slavery on the high street. Forced labour in the manufacture of garments for international brands; Human Rights Watch, Hear No Evil; zur Kinderzwangsarbeit siehe Human Rights Watch, The Small Hands of Slavery; terre des hommes, Zwölf Jahre, Sklave. Kinder als Zwangsarbeiter, S. 3 ff. 44 Internationaler Gewerkschaftsbund, Mini Action Guide: Forced Labour, S. 12 ff.; Amnesty International, The Human Rights and Business Pages: Forced Labour, S. 6 f.; Asian Development Bank/ International Labour Organization, Core Labor Standards Handbook, S. 41 ff. 45 Internationaler Gewerkschaftsbund, Mini Action Guide: Forced Labour, S. 5; Asian Development Bank/International Labour Organization, Core Labor Standards Handbook, S. 41 ff. 46 International Labour Organization, Forced Labour: Coercion and exploitation in the private economy; Internationaler Gewerkschaftsbund, Mini Action Guide: Forced Labour, S. 5. 47 Internationaler Gewerkschaftsbund, Mini Action Guide: Forced Labour, S. 6; terre des hommes, Zwölf Jahre, Sklave. Kinder als Zwangsarbeiter, S. 3 ff. 41
28 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Seit 2005 verwendet die ILO drei Hauptkategorien von Zwangsarbeit. Erstens Zwangsarbeit durch den Staat. Dies umfasst alle Formen der zwangsweisen Arbeit durch staatliche Organe, militärische oder paramilitärische Einheiten sowie die zwangsweise Verpflichtung von Bevölkerungsteilen zur Teilnahme an öffentlichen Bauarbeiten und Infrastrukturprogrammen und die Gefängnisarbeit. Zweitens Zwangsarbeit durch private Akteure im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung bei kommerziellen sexuellen Tätigkeiten, die durch Betrug oder Gewalt gefordert werden. Drittens Zwangsarbeit durch private Akteure zur Ausbeutung von Arbeitskraft. Dies umfasst Schuldknechtschaft, Zwangshausarbeit, Zwangsarbeit von Migrantinnen und Migranten in verschiedenen Wirtschaftsbereichen sowie die erzwungene Arbeit im Zusammenhang mit Sklaverei.48 Verschiedene Länder oder Regionen werden oft mit unterschiedlichen Arten von Zwangsarbeit verbunden.49 In Südasien kommt Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, in der Hausarbeit und in produzierenden Industrien vor. In der Region Asien-Pazifik sind staatliche Zwangsarbeit in Gefängnissen und Zwangsarbeit bei Bauarbeiten für Infrastrukturprojekte überwiegend anzutreffen. In Afrika kommt es zu traditioneller Sklaverei in der Landwirtschaft. In Lateinamerika ist vor allem Schuldknechtschaft der ländlichen oder indigenen Bevölkerung in der Landwirtschaft vorzufinden. Nordamerika und Europa sind Transit- und Zielländer für Menschenhandel zum Zwecke der Prostitution, für die Landwirtschaft, Hausarbeit und Bauarbeiten.50 Die Zahl von Menschen, die unter den Bedingungen der Zwangs- und Pflichtarbeit arbeiten müssen oder in Sklaverei ausgebeutet werden, wurde von der ILO 2016 global auf 21 Millionen beziffert,51 darunter geschätzte 90 Prozent in der Privatwirtschaft.52 Von den 21 Millionen sind 4,6 Millionen (22 Prozent) Opfer von sexueller Ausbeutung und 14,2 Millionen (68 Prozent) Opfer von Zwangsarbeit vor allem in Landwirtschaft, Baugewerbe, Hausarbeit und Bergbauunternehmen.53 Die verbleibenden 2,2 Millionen (10 Prozent) sind staatlich verordnete Formen der Zwangsarbeit in Gefängnissen oder Zwangsarbeit für militärische oder paramilitärische Kräfte.54 Ein historisch bedeutsames Beispiel von Zwangsarbeit durch Unternehmen bezieht sich auf Vorwürfe gegen Unternehmen, die im Nationalsozialismus Zwangsarbeit einsetzten. Dies betraf deutsche Großunternehmen wie den Flick-Konzern, International Labour Organization, Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour, S. 5. Amnesty International, The Human Rights and Business Pages: Forced Labour, S. 6 f. 50 Amnesty International, The Human Rights and Business Pages: Forced Labour, S. 6 f.; Internationaler Gewerkschaftsbund, Mini Action Guide: Forced Labour, S. 12 ff. 51 International Labour Organization, ILO Standards on Forced Labour: The New Protocol and Recommendation at a Glance, S. 3. 52 International Labour Organization, ILO Standards on Forced Labour: The New Protocol and Recommendation at a Glance, S. 3. 53 International Labour Organization, Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour, S. 7. 54 International Labour Organization, Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour, S. 7. 48 49
II. Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen29 Daimler-Chrysler, Krupp, Siemens, I.G. Farben und viele weitere, auch mittelständische deutsche Unternehmen.55 Ein anderes Beispiel waren die wirtschaftlichen Aktivitäten des US-amerikanischen Energieunternehmens Unocal in Burma/Myanmar in den 1990er Jahren.56 Hier wurde Unocal eine Beteiligung bei dem Einsatz von Zwangsarbeit durch das Militär vorgeworfen. In den 1990er Jahren kam es zum Bau der Gaspipeline von Burma/Myanmar nach Thailand, das sogenannte Yadana- Projekt. Am Transport von Gas durch die Gaspipeline von der Andamanensee nach Thailand waren das französische Mineralölunternehmen Total S.A., das US-amerikanische Energieunternehmen Unocal Corporation (Union Oil Company of California, seit 2005 Teil der Chevron Corporation) sowie das staatliche burmesische Öl- und Gasunternehmen Myanma Oil and Gas Enterprise (MOGE) und die thailändische Petroleum Authority of Thailand Exploration and Production (PTTEP Public Company) beteiligt. Total S.A. hatte 1992 von der staatlichen MOGE die Lizenz zur Förderung und zum Verkauf von Erdgas erhalten. 1993 bildeten Total S.A. und Union Oil Company of California ein sogenanntes Joint Venture.57 Bei der Durchführung des Projekts kam es neben Zwangsumsiedlung der Landbevölkerung, Folter, Vertreibung und Mord auch zu Zwangsarbeit.58 Soldaten des State Law and Order Restoration Council (SLORC), der damaligen Militärregierung von Burma/Myanmar, ließen Bewohnerinnen und Bewohner der Gebiete in und um die Pipeline zwangsweise zur Fertigstellung der Rohrleitung oder als Träger in der Pipeline arbeiten. Oft starben Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aufgrund unzureichender Nahrung, Wassermangels und fehlender medizinischer Versorgung.59 International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies, S. 104; Kaleck/Saage-Maaß, in: Journal of International Criminal Justice 2010, S. 701 f. 56 Deutlich zum Fall Unocal in Burma/Myanmar Collingsworth, in: Harvard Human Rights Journal 2002, S. 187; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 3 f.; siehe auch Earthrights International, Doe v. Unocal Case History, abrufbar unter http://www.earthrights.org/ legal/doe-v-unocal-case-history (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017) und Earthrights International, Background of the Yadana Pipeline, abrufbar unter http://www.earthrights.org/campaigns/ background-yadana-pipeline (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); siehe hierzu auch Business and Human Rights Resource Centre, Case profile: Unocal lawsuit (re Myanmar), abrufbar unter http://www.business-humanrights.org/Categories/Lawlawsuits/Lawsuitsregulatoryaction/LawsuitsSelectedcases/UnocallawsuitreBurma (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council, S. 5. 57 Zum Sachverhalt Unocal siehe auch Darstellung bei ESCR-Net, abrufbar unter https://www. escr-net.org/docs/i/1054008 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Earthrights International, Background of the Yadana Pipeline, abrufbar unter http://www.earthrights.org/campaigns/backgroundyadana-pipeline (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017) 58 Collingsworth, in: Harvard Human Rights Journal 2002, S. 187; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 3 f.; Earthrights International, Background of the Yadana Pipeline, abrufbar unter http://www.earthrights.org/campaigns/background-yadana-pipeline (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 59 Carey, in: Human Rights Brief 1999, S. 9 ff.; Fallbeschreibung auch bei ESCR-Net, abrufbar unter https://www.escr-net.org/docs/i/1054008 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); vgl. auch United States Court of Appeals Ninth Circuit, Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, S. 937 ff. 55
30 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte 3. Kinderarbeit Auch das Thema Kinderarbeit stellt global nach wie vor eine große Herausforderung dar.60 Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass es im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten zu einer direkten und tief greifenden Verletzung des Verbots der Kinderarbeit kommt.61 Über 150 Millionen Kinder leisten nach Schätzungen der ILO und des UN Kinderhilfswerkes (United Nations Children’s Fund, UNICEF) Kinderarbeit.62 Dabei handelt es sich um Fälle, in denen Unternehmen von Kinderarbeit profitierten, und solche, in denen Kinder gezwungen wurden, unter gesundheitsgefährdenden und sogar tödlichen Bedingungen zu arbeiten.63 Kinderarbeit betrifft Tätigkeiten in der Landwirtschaft, ebenso wie die produzierende Industrien (zur Herstellung von Teppichen, Kleidung, Spielzeug und Sportartikeln), aber auch das Baugewerbe, Hausarbeit und den Bergbau.64 Exemplarisch lässt sich der Fall von Kinderarbeit am Beispiel des Tabakanbaus in Malawi nachzeichnen.65 Malawi ist eines der 12 größten Hauptanbaugebiete für 60 Zur Problematik der Abschaffung der Kinderarbeit International Labour Organization, Marking progress against child labour. Global estimates and trends 2000–2012, S. 1 ff.; International Labour Organization, World Report on Child Labour 2015: Paving the way to decent work for young people, S. 1 ff.; terre des hommes, Kinderarbeit: Ausbeutung beenden – Kinderarbeiter stärken, S. 1 ff.; Doepke/Zilibotti, Do International Labor Standards Contribute to the Persistence of the Child Labor Problem?, S. 1 ff.; Joseph, in: Netherlands International Law Review 1999, S. 194 f.; Mayer, in: Jounal of International Law 2014, S. 1153, 1160. 61 International Labour Organization, Marking progress against child labour. Global estimates and trends 2000–2012; International Labour Organization, World Report on Child Labour 2015: Paving the way to decent work for young people; terre des hommes, Zwölf Jahre, Sklave. Kinder als Zwangsarbeiter, S. 3 ff.; ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council, S. 4. 62 Im Jahr 2013 schätzte die ILO 168 Million Kinder in Kinderarbeit, siehe International Labour Organization, Child Labour, abrufbar unter http://www.ilo.org/global/topics/child-labour/lang -en/ index.htm (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); United Nations Children’s Fund, Daten zu Kinderarbeit (über 150 Mio. Kinder), abrufbar unter http://data.unicef.org/child-protection/child-labour (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 63 ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council, S. 4. 64 ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council, S. 4 f.; siehe auch Asian Development Bank/International Labour Organization, Core Labor Standards Handbook, S. 21 f. für einen detaillierten Überblick siehe Business and Human Rights Resource Centre, abrufbar unter https://business-humanrights. org/en/issues/labour/child-labour (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); MISEREOR/Germanwatch, Globales Wirtschaften und Menschenrechte. Deutschland auf dem Prüfstand, S. 10 ff.; Hütz-Adams, Menschenrechte im Anbau von Kakao. Eine Bestandsaufnahme der Initiativen der Kakao- und Schokoladenindustrie; terre des hommes, Zwölf Jahre, Sklave. Kinder als Zwangsarbeiter, S. 3 ff. 65 Zur Kinderarbeit bei Tabakanbau in Kasachstan siehe Human Rights Watch, „Hellish Work“ Exploitation of Migrant Tobacco Workers in Kazakhstan; zur Kinderarbeit bei der Bananenernte in Ecuador siehe Human Rights Watch, „Tainted Harvest“ Child Labor and Obstacles to Organizing on Ecuador’s Banana Plantations; für den Hintergrund siehe auch National Statistics Office of Malawi/Fundamentals Principles and Rights at Work/International Labour Organization, Malawi 2015 National Child Labour Survey Report, S. 1 ff.
II. Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen31 Tabak und siebtgrößter Lieferant von Tabakblättern.66 Die Ernte der Tabakpflanzen erfolgt vielfach durch Kinder und Jugendliche, meist im Alter von fünf bis vierzehn Jahren.67 Die Tätigkeiten umfassen Arbeiten wie das Bearbeiten der Tabakfelder, das intensive Arbeiten mit Tabakkeimlingen und Tabakpflanzen (Entwurzeln, Transportieren, Umpflanzen der Tabakkeimlinge sowie Pflücken, erneute Transportieren und Trocknen der Blätter).68 Durch die ungeschützten Tätigkeiten sind diese meist sehr jungen Arbeiterinnen und Arbeiter Nikotinvergiftungen ausgesetzt und erleiden dadurch meist starke gesundheitliche Beeinträchtigungen. Starke Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Muskelschwäche, Husten und Atemnot sind durch die Aufnahme des Nikotins über die Haut keine Seltenheit. Die Arbeitsstunden auf den Tabakfarmen können bis zu 12 Stunden pro Tag andauern.69 Die Vergütung beträgt etwa 0,12 Euro/Tag.70 Tabakfelder in Malawi werden teils von Farmern (unabhängig oder als Pächter) in familiären Strukturen betrieben, teils handelt es sich um groß angelegte Plantagen.71 Transnationalen Unternehmen kommen nach der Ernte ins Spiel, wenn die geernteten Tabakblätter über Auktionen an Aufbereitungsunternehmen (leaf processsing companies) vertrieben werden und später erneut, wenn diese Unternehmen wiederum die verarbeiteten Tabakblätter an Zigarettenunternehmen (cigarette manufacturing companies) verkaufen. Aufbereitungsunternehmen sind in Malawi etwa Limbe Leaf Tobacco Company Limited  72 und Alliance One Tobacco Limited.73 Bei beiden handelt es sich um transnationale Tochterunternehmen. Limbe Leaf steht mehrheitlich im Eigentum der Schweizer Continental Tobacco S.A., die ihrerseits im Eigentum der US-amerikanischen Universal Leaf Tobacco Company Inc. steht.74 Alliance One Tobacco Limited ist ein Unternehmen des US-amerikanischen Mutterunternehmens Alliance One International Inc.75 Hauptabnehmer der Jaffee, Malawi’s Tobacco Sector. Standing on One Strong Leg is Better Than on None, S. 12 ff. Otanez/Mamudu/Glantz, Eliminating child labour in Malawi: a British American Tobacco corporate responsibility project to sidestep tobacco labour exploitation, S. 224 f.; Smith, Malawi's child tobacco pickers „being poisoned by nicotine“, 24.08.2009, theguardian online, abrufbar unter http://gu.com/p/2a95c (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 68 Otanez/Mamudu/Glantz, Eliminating child labour in Malawi: a British American Tobacco corporate responsibility project to sidestep tobacco labour exploitation, S. 225. 69 Smith, Malawi's child tobacco pickers „being poisoned by nicotine“, 24.08.2009, theguardian online, abrufbar unter http://gu.com/p/2a95c (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 70 Smith, Malawi's child tobacco pickers „being poisoned by nicotine“, 24.08.2009, theguardian online, abrufbar unter http://gu.com/p/2a95c (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 71 Otanez/Mamudu/Glantz, Global leaf companies control the tobacco market in Malawi, S. 262 f. 72 CorpWatch/Semu-Banda, Playing with Children's Lives: Big Tobacco in Malawi; Otanez/ Mamudu/Glantz, Global leaf companies control the tobacco market in Malawi, S. 262 f. 73 Otanez/Mamudu/Glantz, Global leaf companies control the tobacco market in Malawi, S. 262 f. 74 Hierzu siehe Universal Leaf Tobacco Company Inc., Countries, abrufbar unter http://www.universalcorp.com/Countries (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); siehe hierzu auch Reference for Business, Universal Corporation - Company Profile, Information, Business Description, History, Background Information on Universal Corporation, abrufbar unter http://www.referenceforbusiness.com/history2/39/Universal-Corporation.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 75 Siehe Alliance One International, Contact Around the World, abrufbar unter http://www.aointl. com/contact/around-world/africa (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 66 67
32 Kapitel 3 Typische Fallbeispiele im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Aufbereitungsunternehmen sind das US-amerikanische Zigarettenunternehmen Philip Morris International Inc. (PMI) und das britische Zigarettenunternehmen British American Tobacco Plc. (BAT).76 4. Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf Arbeitsrechtsverletzungen betreffen besonders oft Arbeitnehmerinnen, die geschlechtsspezifischer Ausbeutung, Diskriminierung, Belästigung und Gewalt ausgesetzt sind. Diese Fälle betreffen sexuelle Belästigung und Übergriffe, aber auch Diskriminierung in Bezug auf das Entgelt, Einstellungen und die Situation von Arbeitnehmerinnen in der Schwangerschaft.77 Die immer wieder in den Schlagzeilen stehende Textilindustrie ist ein negatives Vorzeigebeispiel in der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf durch Unternehmen. Während 2012 der Brand in einer Textilfabrik in Karachi zu fast 300 Toten führte,78 kam es 2013 beim Einsturz des Fabrikgebäudes nahe der bengalischen Hauptstadt Dhaka zu mehr als 430 Toten.79 Neben massiven Rechtsverletzungen, die auf mangelnde Sicherheitsstandards zurückzuführen sind, ist seit langem bekannt, dass die Realität in der Textilindustrie, in der am Ende der Produktionskette überwiegend Frauen beschäftigt sind, von diskriminierenden Arbeitsbedingungen geprägt ist.80 Aus Fallstudien wird deutlich, dass Erniedrigungen und Repressionen gegen Arbeiternehmerinnen an der Tagesordnung stehen ebenso wie Beleidigungen und sexuelle Übergriffe. Auch die besonderen Schutzbedürfnisse schwangerer Frauen werden nicht berücksichtigt.81 Otanez/Mamudu/Glantz, Eliminating child labour in Malawi: a British American Tobacco corporate responsibility project to sidestep tobacco labour exploitation, S. 224. 77 ESCR-Net, Collective Report on Business and Human Rights. Submission to the 8th Session of the United Nations Human Rights Council, S. 7 f.; Clean Clothes Campaign, Cashing in: The Corporate Responsibility Coalition & The London School of Economics, The reality of rights; siehe auch Übersicht bei Asian Development Bank/International Labour Organization, Core Labor Standards Handbook, S. 30. 78 Süddeutsche Zeitung, Pakistanische Unglücksfabrik produzierte für KiK, 12.09.2012, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/klage-gegen-textildiscounter-pakistanische-ungluecks fabrik-produzierte-fuer-kik-1.1471523 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 79 Süddeutsche Zeitung, Kik-Textilien in eingestürztem Fabrikgebäude, 02.05.2013, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/unglueck-in-bangladesch-kik-textilien-in-eingestuerztemfabrikgebaeude-1.1664009 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 80 Clean Clothes Campaign, Cashing in; The Corporate Responsibility Coalition & The London School of Economics, The reality of rights. 81 Saage-Maaß/Gall, Fairer Wettbewerb weltweit! Am Beispiel „Lidl-Klage“, 2010, abrufbar unter http://www.gegenblende.de/++co++362c1648-8dc6-11df-7fa7-001ec9b03e44 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Clean Clothes Campaign, Cashing in; The Corporate Responsibility Coalition & The London School of Economics, The reality of rights; Clean Clothes Campaign/Dusch/Burckhardt, Im Visier: Discounter. Eine Studie über die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern von Aldi, Lidl und KiK in Bangladesch; Clean Clothes Campaign/SOMO, Fatal Fashion: Analysis of recent factory fires in Pakistan and Bangladesh: a call to protext and respect garmert workers‘ lives, S. 5. 76
II. Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen33 Exemplarisch lässt sich Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf durch Unternehmen in der Lieferkette von Lidl in Bangladesch nachzeichnen. Lidl wurde vorgeworfen, mit Zulieferbetrieben (Fabriken) vertraglich verbunden zu sein, bei denen die Diskriminierung von Beschäftigten regelmäßig stattfinde. Diskriminierung bestehe laut Meinung der Befragten in der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen. Männer würden für die gleiche Arbeit besser bezahlt als die Frauen. Bei missbilligtem Verhalten komme es zudem zu körperlichen Übergriffen.82 Auf Schwangere werde keine Rücksicht genommen.83 Gerade Frauen gegenüber lege das Verhalten von Vorgesetzten den Vorwurf des verbalen Missbrauchs oder der sexuellen Belästigung nahe.84 Clean Clothes Campaign, Die Schönfärberei der Discounter Klage gegen Lidl‘s irreführende Werbung, S. 18. 83 Clean Clothes Campaign, Die Schönfärberei der Discounter Klage gegen Lidl‘s irreführende Werbung, S. 18. 84 Clean Clothes Campaign, Die Schönfärberei der Discounter Klage gegen Lidl‘s irreführende Werbung, S. 17 f. 82
Kapitel 4 Transnationale Unternehmen und transnationale Lieferketten Erscheint es auf den ersten Blick durchaus einleuchtend, Unternehmen als Adressaten einer Verantwortung für soeben beschriebene Menschenrechtsverletzungen zu identifizieren, so ist die konkrete Antwort auf die Frage, wer Adressat einer solchen Verantwortung sein sollte, weniger evident. Um das rechtliche Zusammenspiel und die Verfasstheit der mittelbar und unmittelbar an den Rechtsverletzungen beteiligten Unternehmen zu verstehen, geht es im Folgenden darum, im Wesentlichen zwei Unternehmensformen im Kontext transnationaler Menschenrechtsverletzungen zu unterscheiden. Auf der einen Seite sind dies die gesellschaftsrechtlich verbundenen, viel diskutierten transnationalen Unternehmen (I.) und auf der anderen Seite die vertraglich verbundene transnationale Lieferketten (II.), bestehend aus Zulieferbetrieben und den im Ausland belieferten Unternehmen, denen faktisch nicht weniger Bedeutung zukommt als transnationalen Unternehmen. I. Transnationale Unternehmen Geht es um die Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte ist meist die Rede von transnationalen bzw. multinationalen Unternehmen.1 Es handelt sich um gesellschaftsrechtlich verbundene Mutter- und Tochterunternehmen. Siehe beispielsweise United Nations Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, Draft Norms on Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights, E/CN 4/Sub 2/2003/12/Rev.2, 26.08.2003; United 1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 35 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_4
36 Kapitel 4 Transnationale Unternehmen und transnationale Lieferketten Aus den obigen Fallbeispielen sind dies etwa Union Carbide Corporation (UCC), eine Aktiengesellschaft mit Sitz in den USA und selbst Tochterunternehmen von Dow Chemical Company (Aktiengesellschaft mit Sitz in den USA). UCC war in den 1970ern zu 51 % das Mutterunternehmen der Tochter Union Carbide India Limited (Aktiengesellschaft mit Sitz in Indien). Im Fall von Shell in Nigeria ging es um Royal Dutch Shell Plc. eine Aktiengesellschaft in Form einer public limited company mit Sitz in den Niederlanden, die zu 30 % Mutterunternehmen der Shell Petroleum Development Company of Nigeria2 ist. Im Fall von Nestlé war Cicolac (heute Dairy Partners Americas, DPA) ein Tochterunternehmen3 von Nestlé S.A., einer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Im Folgenden werden zunächst Begrifflichkeit und Inhalt in Bezug auf transnationale Unternehmen geschärft (1.). Darauf aufbauend wird die rechtliche Verfasstheit transnationaler Unternehmen behandelt (2.). Letzteres umfasst vor allem eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftsrechtlichen Prinzipien der getrennten Rechtspersönlichkeit und der Haftungsbeschränkung. 1. Begriff und inhaltliche Bestimmung transnationaler Unternehmen Das sogenannte transnationale Unternehmen ist und bleibt ein komplexes Gebilde.4 Einheitliche begriffliche Bestimmungen transnationaler Unternehmen bestehen nicht. Es findet sich stattdessen eine Vielzahl unterschiedlicher Bezeichnungen. Die Liste in Frage kommender Begriffsvarianten ist lang.5 Sie ist hier weder abschließend aufzulisten noch zu wiederholen. Besonders verbreitet ist neben dem Begriff des transnationalen Unternehmens der des multinationalen Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2009, Transnational Corporations, Agricultural Production and Development, S. 243. 2 Hierzu siehe Informationen bei Shell, abrufbar unter http://www.shell.com.ng/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 3 Hierzu siehe Informationen bei Nestlé, abrufbar unter http://www.nestle.com/media/pressreleases/ allpressreleases/dairy-partners-americas-nestle-fonterra-latin-america (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 4 Statt vieler Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493. 5 Einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Termini bietet Nowrot, Normative Ordnungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 40 ff.; im Übrigen siehe auch Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 7 ff.
I. Transnationale Unternehmen37 Unternehmens6.7 Hinzu kommt vereinzelt die Variante Konzern anstelle von Unternehmen sowie im Englischen die Verwendung der Termini enterprise und corporation. Hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung transnationaler Unternehmen besteht eine Schnittmenge, aber keine Einigkeit. Teils wird auf eine Definition gänzlich verzichtet,8 teilweise wird eine genaue Definition für nicht erforderlich gehalten.9 Betrachtet man die Erklärungen der ILO, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, im Folgenden OECD) und der Konferenz der Vereinigten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development, im Folgenden UNCTAD) zu transnationalen Unternehmen, so ist jedenfalls ein erstes wesentliches Merkmal für die Annahme eines solchen Unternehmens das Für „multinational“ etwa International Labour Organization, Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (1977/2017); Organisation for Economic Co-operation and Development, Leitsätze für multinationale Unternehmen (2011); Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 7 ff., 49 ff.; Schmalenbach, in: Archiv des Völkerrechts 2001, S. f57 ff.; für „transnational” beispielsweise United Nations Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, Draft Norms on Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights, E/CN 4/Sub 2/2003/12/Rev.2, 26.08.2003; United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2009, Transnational Corporations, Agricultural Production and Development, S. 243. 7 Zur Differenzierung zwischen transnational und multinational siehe Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 49 ff.; siehe auch Avi-Yonah, in: Columbia Journal of Transnational Law 2003, S. 6 Fn. 1, mit der Beobachtung, „multinational“ sei ein Begriff, der im Wesentlichen von den Industrienationen und der OECD verwendet werde, während in Entwicklungsländern sowie innerhalb der Vereinten Nationen der Begriff „transnational“ geläufiger sei. 8 So enthalten etwa beide Hauptberichte des Sonderbeauftragten Ruggie keine Definition des transnationalen Unternehmens, vgl. United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, sowie United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011. Nach den OECD Leisätzen ist eine „genaue Definition des Begriffs multinationales Unternehmen […] zum Zweck der Leitsätze nicht erforderlich.“, siehe Organisation for Economic Co-operation and Development, Leitsätze für multinationale Unternehmen (2011), Kapitel I. Punkt 4. 9 In diesem Sinne beispielsweise International Labour Organization, Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998), Rn. 6; Organisation for Economic Cooperation and Development, Leitsätze für multinationale Unternehmen (2011), I. Begriffe und Grundsätze, Rn. 4. 6
38 Kapitel 4 Transnationale Unternehmen und transnationale Lieferketten Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts.10 Darüber hinaus wird überwiegend angenommen, dass es sich bei transnationalen Unternehmen um gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmenseinheiten handelt.11 Dies wird auch hier – in Abgrenzung zur transnationalen Lieferkette – zugrunde gelegt, so dass sich im Folgenden der Begriff des transnationalen Unternehmens auf die Gesamtheit gesellschaftsrechtlich verbundener, grenzüberschreitend tätiger Unternehmenseinheiten beziehen wird. Aber auch die Bestimmung als grenzüberschreitendend tätige, gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmenseinheiten bietet noch eine Bandbreite an möglichen Ausformungen des transnationalen Unternehmens. Relevant sind in den oben beschriebenen Konstellationen indes vor allem gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmenseinheiten in Form transnationaler Mutter-Tochterstrukturen. Transnationale Unternehmen in dieser Form werden im Folgenden beschrieben als Vgl. International Labour Organization, Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (1977/2017), Rn. 6: „[…] outside the country in which they are based [..]“; Organisation for Economic Co-operation and Development, Leitsätze für multinationale Unternehmen (2011), I. Begriffe und Grundsätze, Rn. 4: „[…] in mehreren Ländern niedergelassene Unternehmensteile […].“; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2009, Transnational Corporations, Agricultural Production and Development, S. 243: „[…] is defined as an enterprise that controls assets of other entities in countries other than its home country.“ 11 In diesem Sinne International Labour Organization, Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (1977/2017), Rn. 6: „[…] Unless otherwise specified, the term ‚multinational enterprise‘ is used in this Declaration to designate the various entities (parent companies or local entities or both or the organization as a whole) according to the distribution of responsibilities among them, in the expectation that they will cooperate and provide assistance to one another as necessary to facilitate observance of the principles laid down in this Declaration. […]“; Organisation for Economic Co-operation and Development, Leitsätze für multinationale Unternehmen (2011), I. Begriffe und Grundsätze, Rn. 4: „Die Leitsätze gelten für alle Einheiten eines multinationalen Unternehmens (Muttergesellschaften und/oder unabhängige Unternehmensteile) […]“; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2009, Transnational Corporations, Agricultural Production and Development, S. 243. In diesem Sinne auch die Beschreibung im „Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights“ des Sonderbeauftragten Ruggie United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 13: „A parent company and its subsidiaries continue to be construed as distinct legal entities. Therefore, the parent company is generally not liable for wrongs committed by a subsidiary, even where it is the sole shareholder, unless the subsidiary is under such close operational control by the parent that it can be seen as its mere agent.“; Schmalenbach, in: Archiv des Völkerrechts 2001, S. 59 f. und Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 50, die unter den Begriff des multinationalen Unternehmens auch nicht gesellschaftsrechtlich, sondern allein vertraglich verbundene Unternehmenseinheiten fassen. In diesem Sinne auch die United Nations Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights, Draft Norms on Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights, E/CN 4/Sub 2/2003/12/Rev.2, 26.08.2003, wonach transnationale Unternehmen „eine wirtschaftliche Einheit [ist], die in mehr als einem Land tätig ist, oder eine Gruppe von wirtschaftlichen Einheiten, die in zwei oder mehr Ländern tätig sind – ungeachtet dessen, welche Rechtsform sie besitzen, ob sie sich in ihrem Sitzland oder ihrem Tätigkeitsland befinden und ob sie einzeln oder gemeinschaftlich betrachtet werden.“ 10
I. Transnationale Unternehmen39 transnationale Mutterunternehmen (parent enterprise) und ein oder mehrere transnationale Tochterunternehmen (subsidiary). Darüber hinaus bestehen eine Vielzahl von Varianten gesellschaftsrechtlicher Verbindungen wie die Möglichkeit mehrerer Mutterunternehmen, Tochterunternehmen mit Mehrheitsbeteiligung und Minderheitenbeteiligung und Zusammenschlüsse von Unternehmen zum Zweck der gemeinsamen Durchführung von Projekten, sogenannte Joint Venture und Holdings. 2. Rechtliche Verfasstheit transnationaler Unternehmen Die rechtliche Verfasstheit dieser verschiedenen Unternehmenseinheiten ist fundamental geprägt durch zwei gesellschaftsrechtliche Prinzipien. Zum Wesen der Kapitalgesellschaften gehören die im Gesellschaftsrecht tief verankerten Prinzipien der getrennten Rechtspersönlichkeiten (Trennungsprinzip, separate legal personality) und der Haftungsbeschränkung (limited liability).12 Nach dem Trennungsprinzip sind Unternehmenseinheiten unabhängig von ihren Mitgliedern zu behandeln. Dies bedeutet die Trennung von Gesellschaftern und Gesellschaft. Es handelt sich um autonome Unternehmenseinheiten, eingeschränkt durch die Möglichkeit der Einflussnahme einer oder mehrerer dieser Unternehmensteile auf die Geschäftstätigkeit der anderen Unternehmensteile (Beherrschung).13 Diese Beherrschung kann unterschiedlich ausgestaltet sein.14 Aufgrund der Haftungsbeschränkung haftet grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen einer juristischen Person. Die Haftung des Gesellschafters, der Mutterunternehmen, ist auf die Kapitaleinlage beschränkt.15 Dies führt im Hinblick auf transnationale Unternehmen dazu, dass transnationale Mutterunternehmen und transnationale Tochterunternehmen rechtlich selbständig voneinander zu behandelnde Unternehmenseinheiten darstellen.16 Mit dem Prinzip 12 Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 10 f., § 24, Rn. 27 ff., für die AG § 25, Rn. 1; Saenger, Gesellschaftsrecht, Rn. 15; Strasser, in: Connecticut Law Review 2005, S. 640. Im deutschen Gesellschaftsrecht finden sich das Trennungsprinzip und die Haftungsbeschränkung beispielsweise in § 13 Absatz 2 GmbHG und § 1 Absatz 1 AktG. 13 Organisation for Economic Co-operation and Development, Leitsätze für multinationale Unternehmen, Kapitel I. Punkt 4. 14 Birk, in: Zur Problematik multinationaler Unternehmen, S. 41. 15 Zum Prinzip der beschränkten Haftung im Hinblick auf transnationale Unternehmen siehe Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 54 ff. 16 Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 54 ff.; zur Kritik, dass Trennungsprinzip und Haftungsbeschränkung in Bezug auf natürliche Personen konzipiert wurden siehe Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 495; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 36; kritisch zur Anwendung dieser gesellschaftsrechtlichen Prinzipien auf transnationale Unternehmen auch Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 131.
40 Kapitel 4 Transnationale Unternehmen und transnationale Lieferketten der Haftungsbeschränkung geht einher, dass das transnationale Mutterunternehmen als Gesellschafter eines transnationalen Tochterunternehmens nicht – über die Kapitaleinlage hinaus – für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet (Haftungsprivileg). In Bezug auf die rechtliche Verfasstheit transnationaler Unternehmen lässt sich daher feststellen, dass der Begriff des transnationalen Unternehmens rechtlich ins Leere läuft.17 Während transnationale Unternehmen – in der wirtschaftlichen Realität und alltäglichen Wahrnehmung – als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden,18 stellen sie de iure eigenständige Unternehmenseinheiten dar.19 Dass sich diese Prinzipien des Gesellschaftsrechts grundlegend auf Möglichkeiten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auswirken und ein wesentliches Problem in der gegenwärtigen Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen darstellen,20 darauf wird im Rahmen der Diskussion bestehender Ansätze in Teil II noch zurückzukommen sein. Die Folgen dieser Feststellung werden ausführlich in Teil II, Kap. 7, im Kontext zivilrechtlicher Haftungsmöglichkeiten behandelt. Wesentlich ist bereits hier zu sehen, dass es das transnationale Unternehmen als rechtliche Einheit, die als solche auch adressiert und verantwortlich gemacht werden könnte, nach dem gegenwärtigen – jeweils national verankerten – Gesellschaftsrechtsverständnis nicht gibt. Rechtlich betrachtet zerfällt das transnationale Unternehmen in einzelne, rechtlich selbständige Unternehmenseinheiten und löst sich als möglicher einheitlicher Adressat in verschiedene Unternehmenseinheiten in Heimatstaaten und Gaststaaten auf. Für die aufgeworfene Frage, wer somit als Adressat einer Steuerung durch neue Ansätze in Betracht kommt, lässt sich vor dem Hintergrund der rechtlichen Verfasstheit transnationaler Unternehmen antworten: das transnationale Unternehmen als solches kann derzeit jedenfalls nicht als Verantwortlicher adressiert werden. In diesem Sinne erging auch die Entscheidung des niederländischen Court of the Hague in der Rechtssache gegen das Mineralölunternehmen Shell.21 Hier wurden Anspruchsgrundlagen strikt separat in Bezug auf das transnationale niederländische 17 Vgl. statt vieler Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 495: „For legal purposes […] it is as if the group did not exist.“ 18 Birk, in: Zur Problematik multinationaler Unternehmen, S. 39; Felkl, Rechtliche Bedeutung der Internationalen Rahmenvereinbarungen, S. 159. 19 Deutlich hierzu Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493. Dies spiegelt sich auch in Bezeichnungen transnationaler Unternehmen etwa als „rechtliches nullum“ wider, so Geldermann, Völkerrechtliche Pflichten multinationaler Unternehmen, S. 36. 20 So auch Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 161 ff.; Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 298 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 129, 131; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 55; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 35. 21 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013.
II. Transnationale Lieferkette41 Mutterunternehmen Royal Dutch Shell Plc. einerseits und das nigerianische Tochterunternehmen Shell Petroleum Development Company of Nigeria andererseits untersucht und begründet bzw. abgelehnt. Das niederländische Gericht kam im Ergebnis zu dem Schluss, keinen Anspruch gegen das transnationale Mutterunternehmen anzunehmen, während zum Teil eine Rechtsverletzung durch das transnationale Tochterunternehmen angenommen wurde.22 II. Transnationale Lieferkette Gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmen decken indes nicht das gesamte Spektrum transnationaler Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen ab. Neben transnationale Unternehmen treten jene (belieferte) Unternehmen aus den Heimatstaaten, die allein vertraglich mit Unternehmen im Gaststaat, den sogenannten Zulieferbetrieben, verbunden sind. Sie begründen die transnationale Lieferkette.23 So etwa – aus dem Fallbeispiel Lidl in Bangladesch – der deutsche Discounter Lidl und der ausländische Zulieferer Anika Apparels (private) Limited.24 Lidl ist ein sogenannter Discounter-Konzern und Teil der Schwarz-Gruppe, einer GmbH mit Sitz in Neckarsulm. Lidl ist eine Stiftung & Co. KG und steht mit seinen Lieferanten allein vertraglich in Verbindung. Auch vertraglich verbundene Unternehmenseinheiten können über grenzüberschreitende und somit über transnationale Strukturen verfügen. Entscheidend ist die „lediglich“ vertragliche Verbindung zu Zulieferbetrieben über eine grenzüberschreitende Lieferkette, die unter Umständen auch aus mehreren Zwischenstufen bestehen kann. Zwar sind unter Umständen Zulieferbetriebe stark wirtschaftlich abhängig von ausländischen Abnehmerunternehmen;25 aufgrund der rein vertraglichen Verbindung in der transnationalen, nicht-gesellschaftsrechtlich verbundenen Lieferkette Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013; siehe hierzu unten unter Teil II, Kapitel 7, II. 23 International Law Association, The Hague Conference. International Civil Litigation and the Interests of the Public. Interim Report. Private International Law Aspects of Civil Litigation for Human Rights Violations, Rn. 44: „[…] the broader concept of multi-national economic networks; that is groupings of distinct corporate entities, not forming part of the same MNE, linked by contractual agreements and closely connected or interdependent for their economic or commercial operation.“ 24 Zu den Vertrags- und Auftragsbeziehungen siehe Clean Clothes Campaign, Die Schönfärberei der Discounter Klage gegen Lidl‘s irreführende Werbung. 25 Felkl, Rechtliche Bedeutung der Internationalen Rahmenvereinbarungen, S. 169 mit Verweis auf Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts-Krieger, Austmann/Gummert/Hoffmann-Becking (Hrsg.), 2010, § 68 AktG, Rn 40. 22
42 Kapitel 4 Transnationale Unternehmen und transnationale Lieferketten werden Zulieferbetriebe und ihre ausländischen Abnehmer indes noch weniger als transnationale Unternehmen als ein rechtlich einheitliches Unternehmen behandelt. Zulieferbetriebe stellen gegenüber (nicht gesellschaftsrechtlich verbundenen) belieferten Unternehmen rechtlich eigenständige Unternehmenseinheiten dar und sind somit mindestens so selbständig zu behandeln wie transnationale Tochterunternehmen gegenüber ihren transnationalen Mutterunternehmen. Für die aufgeworfene Frage, wer somit als Adressat einer Steuerung durch progressive Ansätze in Betracht kommt, lässt sich für die transnationale Lieferkette antworten, dass auch die verschiedenen Unternehmenseinheiten in der transnationalen Lieferkette zunächst unabhängig voneinander im Hinblick auf eine mögliche Steuerung hin zu untersuchen sind. Im Folgenden wird der Begriff des Mutterunternehmens sowohl für transnationale Mutterunternehmen als auch für (nicht gesellschaftsrechtlich verbundene) belieferte Unternehmen gewählt, soweit eine Unterscheidung zwischen transnationalen Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen nicht erforderlich ist.
Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Vor dem Hintergrund vergangener, gegenwärtiger und fortdauernder Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen haben sich eine Vielzahl diverser, sich teils überschneidender und auch ergänzender Ansätze entwickelt, um der Verletzung von Menschenrechten im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu begegnen.1 Die Ansätze haben eine weite Bandbreite, von freiwilligen Initiativen wie FairTrade-Siegeln bis hin zu verbindlicher Regulierung in Form strikter zivilrechtlicher Haftungsnormen. Die verschiedenen Ansätze überschneiden sich mit der Trias „Schutz, Respektierung und Abhilfe“ der UN Leitprinzipien, aber erschöpfen sich nicht darin. Die folgende Übersicht über Ansätze in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte teilt sich auf in verbindliche nationale (I.) und internationale Steuerungsmechanismen (II.) einerseits sowie freiwillige, unverbindliche private, nationale und multilaterale Ansätze andererseits (III.). I. Nationale Steuerungsmechanismen Ausgehend von der Tatsache, dass der Schutz von Menschenrechten letztlich durch innerstaatliches Recht realisiert wird, adressieren zahlreiche Steuerungsmechanismen in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte bestehende Regelungslücken im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang Übergreifend Addo (Hrsg.), Human rights standards and the responsibility of transnational corporations; Kamminga/Zia-Zarifi (Hrsg.), Liability of multinational corporations under international law; De Schutter (Hrsg.), Transnational corporations and human rights; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law; Muchlinski, Multinational enterprises and the law; Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 149, Fn. 17 mit weiteren Nachweisen. 1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 43 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_5
44 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen durch nationale Regulierung. Regulierung umfasst grundsätzlich legislative Rechtsetzung sowie gerichtliche Rechtsdurchsetzung. 1. Berichtspflichten Diskutiert wird der Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen über Berichtspflichten.2 Durch Berichtspflichten sollen Unternehmen die menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten im Ausland offenlegen. Als Beispiel für Berichtspflichten dient oft der US Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act3 (kurz Dodd-Frank Act, 2010). Dieser verpflichtet dazu, die Herkunft bestimmter Rohstoffe offenzulegen. Dadurch soll verhindert werden, dass durch den Handel mit Gold, Wolframit, Kassiterit und Coltan der bewaffnete Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo und den umgebenden Anrainerstaaten finanziert wird. Diese Pflicht umfasst die gesamte Lieferkette. 2014 nahmen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Richtlinie zur Erweiterung der Berichterstattung von bestimmten großen Unternehmen und Konzernen hinsichtlich nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Aspekte4 an (CSR-Richtlinie).5 Unternehmen, insbesondere börsennotierte Unternehmen mit Lübke, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen, S. 183 ff.; Humbert, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen; Institut für Rechtsvergleichung (SIR), Gutachten über gesetzliche Verpflichtungen zur Durchführung einer Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechte und Umwelt bei Auslandaktivitäten von Unternehmen und zur Berichterstattung über getroffene Mass-nahmen im deutschen, französischen, dänischen, niederländischen, englischen, chinesischen, kanadischen und US-amerikanischen Recht sowie im Recht von Singapur, S. 68 ff.; Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 133 ff.; McBeth/Nolan, in: International corporate legal responsibility, S. 202 f.; zum britischen Gesetzesentwurf zur Transparenz in Zulieferketten siehe Knopf/Rees/Augenstein/Menge/Methven O’Brien/Poulsen-Hansen/Stappenbeck, Unternehmensverantwortung für Menschenrechte, S. 75. 3 US Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, abrufbar unter http://legislink. org/us/pl-111-203 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 4 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, Abl. L 330, S. 1. 5 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, Abl. L 330, S. 1; grundsätzlich zustimmend von Seiten den Zivilgesellschaft etwa European Coalition for Corporate Justice/CorA-Netzwerk, Stellungnahme zum Vorschlag der EU Kommission für eine Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen; ablehnend hierzu von Seiten der Wirtschaft Deutsches Aktieninstitut, Kommentar vom 7. Juni 2013 zum Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG im Hinblick auf die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Gesellschaften und Konzerne vom 17.04.2013 KOM (2013) 207. 2
I. Nationale Steuerungsmechanismen45 mehr als 500 Beschäftigten, sollten danach künftig stärker über ihre Tätigkeiten und Auswirkungen auf Umweltschutz, soziale und auf die Mitarbeiter bezogene Initiativen, die Achtung der Menschenrechte und Aspekte der Korruptionsbekämpfung berichten.6 Die Berichtspflichten nach der Richtlinie sind flexibel. Unternehmen können sich auch dazu entschließen, zu bestimmten Belangen keine explizite unternehmerische Strategie oder Unternehmenspolitik zu entwickeln. In diesem Fall müssen sie erklären, warum sie dem betreffenden Belang keine Bedeutung beimessen. Flexibilität besteht auch im Hinblick auf die Überprüfung durch unabhängige, externe Prüfungen sowie Geldbußen und Strafen bei Nichteinhaltung der Offenlegungspflicht.7 Der Bundestag hat im März 2017 – nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie im Dezember 2016 – das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)8 verabschiedet.9 Damit setzte die Bunderegierung die CSR-Richtlinie der EU um. Die Umsetzung durch die Bundesregierung wird als zu schwach kritisiert, da es sich um eine nahezu 1:1-Umsetzung handele und weitergehende Spielräume nicht genutzt worden seien.10 Durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz werden große, kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet, im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung auch über Menschenrechtsbelange zu informieren. Im Wesentlichen führt das CSRRichtlinie-Umsetzungsgesetz zu Änderungen des Handelsgesetzbuches, insbesondere zur Einfügung von Vorschriften zur nichtfinanziellen Berichterstattung. Hinzu kommen Änderungen des Aktiengesetzes. Nach den Regelungen des deutschen Handelsgesetzbuches müssen kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften, die groß im Sinne von § 267 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, Abl. L 330, S. 1. 7 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, Abl. L 330, S. 1. 8 Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz), BT-Drucksache 18/9982, 17.10.2016. 9 Für den Entwurf haben CDU/CSU und SPD votiert, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Im gleichen Verhältnis wurde ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Katja Keul, Uwe Kekeritz, Nicole Maisch, Annalena Baerbock, Dr. Thomas Gambke, Dieter Janecek, Dr. Gerhard Schick, Peter Meiwald, Dr. Valerie Wilms, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung ‒ Nachhaltigkeitsberichte wirksam und aussagekräftig ausgestalten ‒ Umsetzung der CSR-Richtlinie, BT-Drucksache 18/10030, 19.10.2016) abgelehnt. 10 CorA-Netzwerk, Gesetz der Bundesregierung zur nichtfinanziellen Berichterstattung von Unternehmen zeigt erhebliche Schwächen, Pressemitteilung, 09.03.2017, abrufbar unter http://www. cora-netz.de/cora/wp-content/uploads/2017/03/2017-03-09_CorA_PM_Transparenzgesetz.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 6
46 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Abs. 3 Satz 1 HGB sind, Umwelt- und Arbeitnehmerbelange in ihre Geschäftsberichte mit einbeziehen, soweit sie für die Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind. § 289b HGB enthält eine Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung. Über die zuvor notwendigen Angaben zu Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen hinaus werden nunmehr auch Angaben zu den von Unternehmen verfolgten Konzepten zur Korruptionsbekämpfung, zur Achtung der Menschenrechte und zu weiteren sozialen Belangen erwartet. Unternehmen sollen über ihre Konzepte im Hinblick auf diese Belange, die Ergebnisse ihrer Konzepte und über die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit für diese Belange berichten. In einem Konzern mit verschiedenen Tochtergesellschaften wird auf der Ebene des Mutterunternehmens des Konzerns berichtet. Unter den Voraussetzungen des § 289b Abs. 2 HGB werden Tochterunternehmen von der eigenen Berichtspflicht durch eine nichtfinanzielle Konzernberichterstattung durch ein übergeordnetes Mutterunternehmen befreit. 2. Wettbewerbsrecht Auch das nationale Wettbewerbsrecht wird als Anknüpfungspunkt für die Einhaltung menschenrechtsrelevanter Standards herangezogen.11 Das Wettbewerbsrecht, insbesindere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), gibt einen Rechtsrahmen vor, der unlautere und damit unzulässige Geschäftspraktiken beispielsweise durch Irreführung, unlautere Handlungen und Täuschung beschreibt und untersagt. Bei Vorliegen von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen kann in Bezug auf das Wettbewerbsrecht die Frage nach der Unlauterkeit wegen Nichteinhaltung von Verhaltenskodizes aufgeworfen werden. In diesem Sinne hat das Landgericht Stuttgart 2006 entschieden, dass eine Werbung mit dem Gütesiegel „Wir unterstützen keine Kinderarbeit“ ohne geeignete Kontrollmaßnahmen irreführend sei.12 Die Verwendung von Siegeln ohne Zertifizierung könne demnach als unlauter im Sinne des UWG qualifiziert werden.13 Wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen kam es 2010 zu einer Klage gegen den Discounter Ausführlich Hilty (Hrsg.), Corporate Social Responsibility: Verbindliche Standards des Wettbewerbsrechts?; Derleder, Die Verletzung von Menschenrechten bei der Warenproduktion und das deutsche Wettbewerbsrecht, S. 19 ff.; Grabosch/Scheper, Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen. Politische und rechtliche Gestaltungsansätze, S. 41 f. 12 Derleder, Die Verletzung von Menschenrechten bei der Warenproduktion und das deutsche Wettbewerbsrecht, S. 23 mit Verweis auf Landgericht Stuttgart, Entscheidung vom 29.05.2006, WRP 2006, 1156. 13 Derleder, Die Verletzung von Menschenrechten bei der Warenproduktion und das deutsche Wettbewerbsrecht, S. 19 ff. 11
I. Nationale Steuerungsmechanismen47 Lidl.14 In dieser Klage wurde Lidl vorgeworfen, in irreführender Weise mit der Einhaltung von Sozial- und Arbeitsstandards in Zulieferbetrieben zu werben. Hierdurch habe Lidl die Verbraucher getäuscht und sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschafft.15 Kurz nach Klageerhebung gab Lidl eine Unterlassungserklärung ab, die beanstandeten Werbeversprechen bezüglich weltweit fairer Arbeitsbedingungen bei Textilzulieferern in Bangladesch nicht mehr zunutzen.16 3. Exportkredit- und Investitionsgarantien Auch Exportkredit- und Investitionsgarantien sowie ungebundene Finanzkreditgarantien sind als wichtige Instrumente der Außenwirtschaftsförderung Bestandteil der Diskussion zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen.17 Bei Exportkredit- und Investitionsgarantien ist der staatliche Einfluss auf Unternehmen im Bereich der Außenwirtschaftsförderung besonders deutlich.18 Die Vergabe von Exportkredit- und Investitionsgarantien ist durch internationale Institutionen und Abkommen geregelt.19 Deutsche Garantievergabekriterien enthalten keinen ausdrücklichen Verweis zur Einhaltung von Menschenrechten.20 Im Bereich der Exportförderung gelten in den OECD Ländern die gemeinsamen Mindeststandards zur Berücksichtigung von Umweltaspekten bei staatlich geförderten Exportkrediten (Common Approaches on the Environment and Officially Supported Export Credits, im Folgenden Common Approaches). Diese enthalten neben 14 European Center for Constitutional and Human Rights, Mit Verbraucherschutzrecht gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen?, S. 1 ff. 15 European Center for Constitutional and Human Rights, Mit Verbraucherschutzrecht gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen?, S. 1 ff. 16 European Center for Constitutional and Human Rights, Mit Verbraucherschutzrecht gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen?, S. 1 ff. 17 Scheper/Feldt, Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitions- und Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive; Scheper, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen; Krajewski, Investment Guarantees and International Obligations to Reduce Poverty: A Human Rights Perspective, S. 1 ff.; Danish Institute for Human Rights, French National Consultative Commission on Human Rights and German Institute for Human Rights, Submission to OECD Consultation between Civil Society Organisations (CSOs) and Members of the OECD’s Working Party on Export Credits and Credit Guarantees (ECG), S. 1 ff. 18 Scheper, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen, S. 45. 19 Scheper, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen, S. 46. 20 Krajewski, Investment Guarantees and International Obligations to Reduce Poverty: A Human Rights Perspective, S. 14; Scheper/Feldt, Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitions- und Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive S. 54.
48 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Umweltaspekten auch soziale Kriterien.21 Im Bereich der sozialen und ökologischen Standards greifen die Common Approaches auf international anerkannte Standards der Weltbank (Safeguard Policies) sowie der International Finance Cooperation (IFC Performance Standards) zurück.22 Diese Standards enthalten zwar wichtige soziale Aspekte. Allerdings fehlen Mechanismen, um einen adäquaten Schutz sicherzustellen.23 Auch die Standards der Weltbank enthalten keine klaren Vorgaben für Arbeitsbedingungen.24 Die IFC Performance Standards gehen neben Kriterien zu Umwelt‐ und Sozialverträglichkeitsprüfungen auch auf Arbeitsbedingungen basierend auf den ILO‐Kernarbeitsnormen ein.25 Die tatsachliche Reichweite der geforderten Risikoprüfungen bleibt jedoch unklar.26 4. Strafrechtliche Haftung von Unternehmen Auch das Strafrecht soll als Steuerungsmechanismus bei der Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen dienen.27 Während in anderen Staaten eine strafrechtliche Verantwortung juristischer Personen in Betracht kommt,28 können nach der gegenwärtigen deutschen Rechtslage Unternehmen nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.29 Scheper/Feldt, Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitions- und Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive, S. 38 f. 22 Scheper/Feldt, Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitions- und Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive, S. 38 f. 23 Scheper, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen, S. 46. 24 Scheper, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen, S. 46. 25 Scheper/Feldt, Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitions- und Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive, S. 40. 26 Scheper, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen, S. 46; Scheper/Feldt, Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitionsund Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive, S. 52. 27 Zum Unternehmensstrafrecht bei Menschenrechtsverletzungen Hohmann-Dennhardt, in: Unternehmensstrafrecht, S. 7 ff.; Thompson/Ramasastry/Taylor, in: George Washington International Law Review 2009, S. 841 ff.; Wells, in: Handbook on corporate legal responsiblity, S. 147 ff.; Scott, Torture as tort; Clapham/Jerbi, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 339 ff.; Clapham, Human rights obligations of non-state actors; Clough, in: Brooklyn Journal of International Law 2007, S. 899 ff.; Knopf/Rees/Augenstein/Menge/Methven O’Brien/ Poulsen-Hansen/Stappenbeck, Unternehmensverantwortung für Menschenrechte, S. 75. 28 Für die abweichende Rechtslage etwa in Australien, Belgien, Frankreich, Indien, Kanada, den Niederlanden, in der Schweiz, Südafrika, den USA und dem Vereinigten Königreich siehe Thompson/Ramasastry, Commerce, Crime and Conflict Legal Remedies for Private Sector Liability for Grave Breaches of International Law. A Survey of Sixteen Countries, S. 1 ff. 29 Grundsätzlich Roxin, Strafrecht, S. 263; Kempf (Hrsg.), Unternehmensstrafrecht; zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit natürlicher Personen siehe European Center for Constitutional and Human Rights, Lahmeyer Strafanzeige; Informationen abrufbar unter European Center for Constitutional and Human Rights, Der Fall Lahmeyer: Deutsche Ingenieursarbeit – ohne Rücksicht auf Verluste, abrufbar unter https://www.ecchr.eu/de/unsere-themen/wirtschaft-und-menschenrechte/lahmeyer/articles/ deutsche-ingenieursarbeit-ohne-ruecksicht-auf-verluste.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 21
I. Nationale Steuerungsmechanismen49 Im Gegensatz zur fehlenden Strafbarkeit juristischer Personen nach dem deutschen Strafgesetzbuch, enthält das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) unter anderem Bestimmungen über die Verantwortlichkeit juristischer Personen. Nach dem OWiG können Ordnungswidrigkeiten von Kapitalgesellschaften mit einer Geldbuße geahndet werden. Hat jemand (Personen mit Führungsverantwortung) nach § 30 OWiG eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen die juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden. Darüber hinaus kann ein Unternehmen zur Verantwortung gezogen, wenn die Unternehmensleitung angemessene Kontrollmaßnahmen unterlässt. Nach §§ 130, 30 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehört auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen. Übertragen auf den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte erfordert die Annahme einer Ordnungswidrigkeit demnach das Bestehen von Aufsichts- und Kontrollpflichten gegenüber transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Etwas anders gilt im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Deutschland hat das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr am 17. Dezember 1997 unterzeichnet. Nach Artikel 2 des Übereinkommens trifft jede Vertragspartei in Übereinstimmung mit ihren Rechtsgrundsätzen die erforderlichen Maßnahmen, um die Verantwortlichkeit juristischer Personen für die Bestechung eines ausländischen Amtsträgers zu begründen. Das Übereinkommen wurde durch das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (IntBestG) umgesetzt (1999 in Kraft getreten). Danach erfasst das deutsche Strafrecht auch im Ausland begangene Bestechungshandlungen gegenüber ausländischen Amtsträgern. Nach Artikel 2 § 2 IntBestG erfüllt auch die Bestechung von Vertreterinnen und Vertretern ausländischer Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner und von ausländischen Abgeordneten den Straftatbestand der Bestechung. § 3 erweitert den Geltungsbereich des Gesetzes auf das Ausland. Danach gilt das deutsche Strafrecht, unabhängig vom Recht des Tatorts, für die Bestechung ausländischer Abgeordneter im Zusammenhang mit internationalem geschäftlichem Verkehr, wenn die Tat von einem/einer Deutschen im Ausland begangen wird. Von einer Unternehmensstrafbarkeit zu unterscheiden ist die Möglichkeit, strafrechtlich gegen private Individuen wegen transnationaler Menschenrechtsverletzungen im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten vorzugehen. Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen betrifft
50 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte vor allem Kapitaldelikte, Körperverletzungen und Tötungsdelikte, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord) sowie Umweltstraftaten, Korruptionstatbeständen oder Straftaten gegen das Außenhandelsgesetz.30 Eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen hatte die Strafanzeige zweier Nichtregierungsorganisationen bei der Staatsanwaltschaft Tübingen zum Gegenstand. 2013 stellten zwei Nichtregierungsorganisationen Strafanzeige gegen einen leitenden Mitarbeiter des deutsch-schweizerischen Holzhandelsunternehmens Danzer Group. „Dem leitenden Mitarbeiter wird vorgeworfen, es pflichtwidrig unterlassen zu haben, Verbrechen durch kongolesische Sicherheitskräfte am 2. Mai 2011 in der Demokratischen Republik Kongo zu verhindern. Konkret geht es um Beihilfe zu Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Brandstiftung – jeweils durch Unterlassen.“31 Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat die Ermittlungen 2015 eingestellt.32 5. Zivilrechtliche Haftung von Unternehmen Diskutiert wird schließlich auch eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen. Dies geht auf nationaler Ebene einher mit der Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen durch Inanspruchnahme der Gerichte der Heimatstaaten. Die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen überführt Menschenrechtsverletzungen in den Bereich des Privatrechts, der deliktisch begründeten Verpflichtung zum Schadensersatz. Einer solchen zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen in zivilrechtliche Rechtsverletzungen und in der Folge in zivilrechtliche Schadensersatzansprüche übersetzt, wird mehr und mehr Kaleck/Saage-Maaß, Transnationale Unternehmen vor Gericht, S. 19. Siehe European Center for Constitutional and Human Rights, Strafanzeige gegen leitenden Mitarbeiter der Danzer Group wegen Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo, abrufbar unter http://www.ecchr.eu/de/unsere-themen/wirtschaft-und-menschenrechte/ danzer.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); siehe auch die Strafanzeige des European Center for Constitutional and Human Rights gegen zwei leitende Angestellte des Ingenieurbüros Lahmeyer International GmbH bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main, European Center for Constitutional and Human Rights, Lahmeyer Strafanzeige, 2010, abrufbar unter http://www.ecchr. eu/de/unsere-themen/wirtschaft-und-menschenrechte/lahmeyer.html?file=tl_files/Dokumente/ Wirtschaft%20und%20Menschenrechte/Lahmeyer%2C%20Strafanzeige%2C%202010-04.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 32 Siehe European Center for Constitutional and Human Rights, Kein Verfahren gegen leitenden Mitarbeiter der Danzer Group wegen Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo, abrufbar unter http://www.ecchr.eu/de/unsere-themen/wirtschaft-und-menschenrechte/ danzer.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 30 31
II. Internationale Steuerungsmechanismen51 eine besondere Bedeutung zugesprochen.33 Prominent ist der US-amerikanische Alien Tort Claims Act. Aber auch das herkömmliche Deliktsrecht dient als Grundlage für die Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen vor Gerichten der Heimatstaaten. Der Ansatz zivilrechtlicher Haftung von Unternehmen wird ausführlich in Teil II, Kap. 7, behandelt. II. Internationale Steuerungsmechanismen Auf internationaler Ebene wird der Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auf verschiedenen Wegen adressiert. Zum einen knüpfen Ansätze an allgemeine Überlegungen im Völkerrecht an und adressieren dabei das Völkervertragsrecht und das Völkergewohnheitsrecht. Zum anderen knüpfen Überlegungen an bestehende Regime des Völkerrechts an, in denen bereits Menschenrechtsdiskurse bestehen, wie im Welthandelsrecht und im internationalen Investitionsschutzrecht. 1. Unmittelbare völkerrechtliche Pflichten von Unternehmen Nach dem traditionellen Völkerrechtsverständnis sind Staaten die primären Adressaten der Menschenrechte.34 Neben Staaten werden als Völkerrechtssubjekte mittlerweile auch nichtstaatliche Akteure wie etwa internationale Organisationen und natürliche Personen anerkannt.35 Die teils akzeptierte Deutung von Unternehmen als partielle Völkerrechtssubjekte allein enthält jedoch noch keine Aussage über deren mögliche direkte Bindung an internationale Menschenrechte und Normen des internationalen Arbeitsrechts.36 Nach wie vor wird 33 International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability, Volume 3: Civil Remedies, S. 4; International Law Association, The Hague Conference. International Civil Litigation and the Interests of the Public. Interim Report. Private International Law Aspects of Civil Litigation for Human Rights Violations, S. 1 ff. 34 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 628 ff.; Krajewski, Völkerrecht, § 12, Rn. 6 ff.; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 211 ff.; United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Statement on the Importance and Relevance of the Right to Development, adopted on the occasion of the 25th anniversary of the Declaration on the Right to Development, E/C.12/2011/2, 2011, Rn. 3: „States parties have the primary obligation to respect, protect and fulfil the Covenant rights of all persons under their jurisdiction in the context of corporate activities undertaken by State-owned or private enterprises.“ 35 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 247 ff; von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 59 ff.; Krajewski, Völkerrecht, § 7, Rn. 1 ff. 36 Krajewski, Menschenrechte und transnationale Unternehmen, S. 5; die Völkerrechtssubjektivität transnationaler Unternehmen ist umstritten und wird bisher ebenfalls überwiegend abgelehnt, hierzu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 269 f.; McCorquodale, in: Research handbook on international human rights law, S. 97.
52 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte eine Bindung juristischer Personen an internationale Menschenrechte überwiegend verneint.37 Unternehmen sind demnach grundsätzlich nicht grund- oder menschenrechtsverpflichtet. Zunehmend wird indes eine Schutzlücke im Völkerrecht hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen anerkannt.38 Zahlreiche Ansätze auf internationaler Ebene zielen daher auf die Annahme sogenannter unmittelbarer völkerrechtlicher Pflichten von Unternehmen ab. Gemeint ist damit die Annahme von Pflichten entsprechend jenen, die Staaten zum Schutz von Menschenrechten obliegen. Mit dem Ziel, bestehende Schutzlücken im Völkerrecht hinsichtlich der Verletzung von Menschenrechten im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu schließen, wird zum Teil eine völkerrechtliche Bindung von Unternehmen an Menschenrechte angenommen.39 Jedenfalls aber werden unmittelbare völkerrechtliche Unternehmenspflichten de lege ferenda für möglich erklärt und begründet.40 Bis unmittelbare völkerrechtliche Unternehmenspflichten anerkannt oder explizit festgeschrieben werden, findet eine Menschenrechtsbindung von Unternehmen gegenwärtig nur entsprechend dem nationalen Recht der Heimatstaaten und Gaststaaten statt.41 Demnach beschränkt sich die Bindung von Unternehmen auf eine Bindung an innerstaatliches Recht, das der Umsetzung von Grund- und Menschenrechten dient. Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 629; Krajewski, Völkerrecht, § 12, Rn. 60; McCorquodale, in: Research handbook on international human rights law, S. 97; ausführlich hierzu Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 25 ff. 38 Jägers, Corporate human rights obligations, S. 10. 39 Ratner, in: Yale Law Journal 2001, S. 443 ff.; International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies; Jägers, Corporate human rights obligations; Kinley/Tadaki, in: Virginia Journal of International Law 2004, S. 931; Geldermann, Völkerrechtliche Pflichten multinationaler Unternehmen; Bilchitz, in: SUR – International Journal on Human Rights 2010, S. 208 ff.; 40 Joseph, in: Netherlands International Law Review 1999, S. 171 ff.; Kamminga/Zia-Zarifi, in: Liability of multinational corporations under international law; Paust, in: Vanderbilt Journal of Transnational Law 2002, S. 809 ff.; Fastenrath, in: „Wir, die Völker (…)“ – Strukturwandel in der Weltorganisation; Hessbrügge, in: Buffalo Human Rights Law Review 2005, S. 21 ff.; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 76; McCorquodale, in: Research handbook on international human rights law; Köster, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit privater (multinationaler) Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen; Schmalenbach, in: Archiv des Völkerrechts 2001, S. 57 ff.; Nowrot, in: Friedenswarte 2004, S. 140 ff.; Nowrot, New Approaches to the International Legal Personality of Multinational Corporations; Skogly/Gibney, in: Human Rights Quarterly 2002, S. 786 ff., Hörtreiter, Die Vereinten Nationen und Wirtschaftsunternehmen – zwischen Kooperation und Kontrolle. 41 Vgl. Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 87; Arnauld, Völkerrecht, Rn. 629 f. 37
II. Internationale Steuerungsmechanismen53 2. Völkerstrafrecht Diskutiert wird auch die Frage, ob international das Strafrecht als Steuerungsmechanismus in der Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen dienen kann.42 Anknüpfend hieran befasst sich ein weiterer Ansatz auf internationaler Ebene mit der Strafbarkeit von Unternehmen nach dem Völkerstrafrecht.43 Unmittelbare völkerrechtliche Pflichten natürlicher Personen ergeben sich aus dem Verbot des Völkermords, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbot eines Angriffskrieges.44 Auf internationaler Ebene besteht nach dem Rom Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH, International Criminal Court/ICC) die Möglichkeit, Individuen wegen Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Das Rom Statut regelt in Artikel 25 die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für natürliche Personen für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen. Aktuell besteht in Bezug auf Unternehmen keine Möglichkeit, eine strafrechtliche Verantwortung von juristischen Personen nach dem Rom Statut geltend zu machen.45 Unternehmen können daher nicht vor dem IStGH nach dem Völkerstrafrecht verantwortlich gemacht werden. 3. Welthandelsrecht Auch im Welthandelsrecht spielt der Menschenrechtsschutz eine Rolle.46 Stichwort ist hier die Diskussion zur Einbeziehung internationaler Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards in das WTO-Recht.47 Inzwischen ist anerkannt, dass das Recht der 42 Adam, Die Strafbarkeit juristischer Personen im Völkerstrafrecht; Chiomenti, in: Transnational corporations and human rights; Scott, Torture as tort; Clapham/Jerbi, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 339 ff.; Wells, in: Handbook on corporate legal responsiblity, S. 147 ff.; Clapham, Human rights obligations of non-state actors; Clough, in: Brooklyn Journal of International Law 2007, S. 899 ff.; Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 151, Fn. 30; Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 447 ff.; Thurner, Internationales Unternehmensstrafrecht; Thompson/Ramasastry/Taylor, in: George Washington International Law Review 2009, S. 841 ff.; Thompson/Ramasastry, Commerce, Crime and Conflict Legal Remedies for Private Sector Liability for Grave Breaches of International Law. A Survey of Sixteen Countries. 43 Adam, Die Strafbarkeit juristischer Personen im Völkerstrafrecht; Chiomenti, in: Transnational corporations and human rights; Clapham, Human rights obligations of non-state actors; Clough, in: Brooklyn Journal of International Law 2007, S. 899 ff. 44 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 260 f.; von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 68, 1330 ff. 45 Heyer, in: Human Rights International Legal Discourse 2012, S. 14 ff.; International Commission of Jurists, Corporate Complicity and Legal Accountability. Volume 2: Criminal Law and International Crimes; Kyriakakis, in: Criminal Law Forum 2008, S. 115 ff. 46 Reuss, Menschenrechte durch Handelssanktionen; Cottier/Pauwelyn/Bürgi (Hrsg.), Human rights and international trade; Hilf/Hörmann, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 397 ff.; Faßbender, in: Juristenzeitung 2006, S. 1100; Hestermeyer, Human rights and the WTO; Joseph, Blame it on the WTO?; Hänlein/Scherrer (Hrsg.), Nachhaltigkeitskapitel in Handelsabkommen. 47 Reuss, Menschenrechte durch Handelssanktionen.
54 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte WTO nicht menschenrechtsneutral ist.48 Zwar ist die ILO als Sonderorganisation der Vereinten Nationen für die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeitsund Sozialstandards zuständig. Indes wird wegen des effektiven WTO-Streitbeilegungsmechanismus49 – im Vergleich zu den geringen Sanktionsmöglichkeiten und ihrer Anwendung in der ILO – und des weiten Anwendungsbereiches des WTORechts50 die Einbeziehung internationaler Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards in das WTO-Recht diskutiert. Die Mehrheit der Mitglieder der WTO hat 1996 einer Verknüpfung von Sozialstandards – einschließlich Arbeitsrechtsklauseln – mit dem Welthandelsrecht eine Absage erteilt.51 Diskutiert werden dennoch weiterhin die Frage der förmlichen Rechtskollision zwischen dem WTO-Recht und anderen völkerrechtlicher Normen, die Frage nach Pflichten der WTO-Mitglieder in Bezug auf eine Durchsetzung von Menschenrechten durch das WTO-Recht sowie die Beachtung menschenrechtlicher Verpflichtungen der WTO-Mitglieder durch die WTO-Streitschlichtungsorgane.52 4. Internationales Investitionsschutzrecht Ein weiterer Ansatz auf internationaler Ebene betrifft das internationale Investitionsschutzrecht. Während das internationale Investitionsschutzrecht durch materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Investitionen zahlreiche substanzielle Rechte einräumt, enthalten internationale Investitionsschutzabkommen kaum Investorpflichten oder eine entsprechende Berücksichtigung der Rechte und Pflichten der Gast‐ und Heimatstaaten zum Schutz vor Verletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen.53 Eine Berücksichtigung Faßbender, in: Juristenzeitung 2006, S. 1100; Hilf/Hörmann, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 398. 49 Scherrer/Greven/Frank, Sozialklauseln; Hilf/Hörmann, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 398. 50 Hilf/Hörmann, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 398. 51 WTO-Ministerkonferenz, Singapur, Erklärung, WT/MIN(96)/DEC, 18.12.1996, Nr. 4: „We renew our commitment to the observance of internationally recognized core labour standards. The International Labour Organization is the competent body to set and deal with these standards, and we affirm our support for its work in promoting them. We believe that economic growth and development fostered by increased trade and further trade liberalization contribute to the promotion of these standards. We reject the use of labour standards for protectionist purposes, and agree that the comparative advantage of countries, particularly low-wage developing countries, must in no way be put into question. In this regard, we note that the WTO and ILO Secretariats will continue their existing collaboration.“ 52 Scherrer/Greven/Frank, Sozialklauseln; Reuss, Menschenrechte durch Handelssanktionen; Cottier/Pauwelyn/Bürgi (Hrsg.), Human rights and international trade; Hilf/Hörmann, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 397 ff.; Faßbender, in: Juristenzeitung 2006, S. 1100; Hestermeyer, Human rights and the WTO; Joseph, Blame it on the WTO?; Hänlein/Scherrer (Hrsg.), Nachhaltigkeitskapitel in Handelsabkommen. 53 Hierzu siehe unten Teil II, Kapitel 8. 48
III. Freiwillige Mechanismen55 und ein darüber hinausgehender Schutz vor Menschenrechtsverletzungen könnten durch neue internationale Investitionsschutzabkommen, die Änderung oder aber auch die (Neu)Interpretation bestehender Abkommen erfolgen. Ebenso kann eine Berücksichtigung von Menschenrechten durch die Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen erfolgen. Dieser Ansatz wird ausführlich in Teil II, Kap. 8, behandelt. 5. Extraterritoriale Staatenpflichten der Heimatstaaten Zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen wird zudem die Frage nach dem Umfang der extraterritorialen Staatenpflichten der Heimatstaaten diskutiert. Extraterritoriale Staatenpflichten sollen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte eine Pflicht der Heimatstaaten begründen, zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen tätig zu werden müssen, und zwar auch im Fall von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen, die außerhalb des eigenen Territoriums stattfinden. Dieser Ansatz ist vor allem komplementär zu bestehenden Ansätzen von Bedeutung. Denn durch die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten bietet sich eine völkerrechtliche Grundlage, national tätig werden zu müssen, etwa durch Umsetzung der hier (Teil I, Kap. 5, I. und II.) dargestellten nationalen und internationalen Ansätze. Der Ansatz extraterritorialer Staatenpflichten wird ausführlich in Teil II, Kap. 9, behandelt. III. Freiwillige Mechanismen Ein weiterer Bereich in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte betrifft die Steuerung durch freiwillige Mechanismen.54 Geläufig ist diese Form der freiwilligen Steuerung unter dem Stichwort der Corporate Social Responsibility (CSR).55 Darunter fallen insbesondere unternehmensinterne Verhaltenskodizes, aber ebenso Kennzeichnungs- und Berichtsinitiativen (Labeling und Reporting). Im Bereich freiwilliger Steuerungsmechanismen finden sich zudem viele Multistakeholder-Initiativen. Hier sind meist staatliche Akteure, Wirtschaft und Koeltz, Menschenrechtsverantwortung multinationaler Unternehmen; Wells, in: Kansas Law Review 2002, S. 77 ff.; Überblick bei Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 49 ff.; kritisch Burckhardt (Hrsg.), Mythos CSR; Engle, in: Willamette Law Review 2004, S. 103 ff.; McBeth/Nolan, in: International corporate legal responsibility, S. 203 ff.; Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement. 55 Crane/McWilliams/Matten/Moon/Siegel (Hrsg.), The Oxford handbook of corporate social responsibility; Burckhardt (Hrsg.), Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen; Crane/Matten/Spence (Hrsg.), Corporate social responsibility. 54
56 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Zivilgesellschaft gemeinsam beteiligt. Besonders prominente multilaterale Verhaltenskodizes internationaler Organisationen sind die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen (1976), die Dreigliedrige Grundsatzerklärung (1977/2017) der ILO und der United Nations Global Compact (1999). Die Mitgliedstaaten der OECD verabschiedeten bereits 1976 die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen, die 2011 überarbeitet wurden. Kapitel V der OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen bezieht sich auf den Schutz von Arbeitsnormen (Employment and Industrial Relations). Seit 2011 enthalten die Leitsätze ein explizites Kapitel zu Menschenrechten (Kapitel IV). Die Leitsätze werden von einem Umsetzungs- und Beschwerdemechanismus begleitet, der vor allem über die nationalen Kontaktstellen (NKS) sichergestellt werden soll. Deren Aufgabe ist die Bekanntmachung der Leitsätze, Beantwortung von Anfragen und bei Beschwerdefällen gegebenenfalls die Einleitung eines Verfahrens. Die Änderungen der Leitsätze 2011 haben auch das Verfahren der NKS weiter konkretisiert. Die Leitsätze beruhen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und haben keinen rechtlich bindenden Charakter. Die Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (Tripartite Declaration of Principles concerning Multinational Enterprises and Social Policy von 1977, aktuelle Fassung von 2017, im Folgenden Dreigliedrige Grundsatzerklärung) der ILO stellt ebenfalls eine völkerrechtlich unverbindliche Erklärung dar. Nach Punkt 7 der Erklärung, stellt die Erklärung „Grundsätze auf den Gebieten Beschäftigung, Ausbildung, Arbeits- und Lebensbedingungen und Arbeitsbeziehungen auf, die Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände und multinationale Unternehmen freiwillig beachten sollten; ihre Bestimmungen haben keinerlei beschränkende oder sonstige Wirkung auf Verpflichtungen, die sich aus der Ratifizierung irgendeines ILO Übereinkommens ergeben.“ Nach Punkt 9 der Erklärung werden „Regierungen von Staaten, die die Übereinkommen Nr. 29, 87, 98, 100, 105, 111, 122, 138 und 182 noch nicht ratifiziert haben, […] dringend aufgefordert, dies zu tun und in jedem Fall so umfassend wie möglich die in diesen Übereinkommen sowie in den Empfehlungen Nr. 35, 90, 111, 119, 122, 146, 169, 189 und 190 niedergelegten Grundsätze im Rahmen ihrer nationalen Politik anzuwenden.“ Der Global Compact der Vereinten Nationen, 1999 initiiert vom damaligen UN Generalsekretär Kofi Annan 1999, wurde vor allem ausgearbeitet durch den späteren Sonderbeauftragten Ruggie und ist ein Abkommen zwischen Unternehmen und den Vereinten Nationen. Der Global Compact bezieht sich in den Prinzipien 3 bis 6 explizit auf Arbeitsnormen. Dies sind im Einzelnen die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen (Prinzip 3), die Beseitigung aller Formen der Zwangsarbeit (Prinzip 4), die Abschaffung der Kinderarbeit (Prinzip 5) und die Beseitigung von Diskriminierung bei Anstellung und Beschäftigung (Prinzip 6). Zur Teilnahme am Global Compact genügt bereits eine schriftliche Erklärung an den UN Generalsekretär, sich zukünftig um die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu bemühen.
III. Freiwillige Mechanismen57 Zum Bereich der Multistakeholder-Initiativen gehören auch Ansätze wie die Global Reporting Initiative 2002,56 die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) und ebenso die Ethical Trading Initiative57 (ETI) sowie das Flower Label Program58 (FLP) für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Blumenproduktion und Rugmark59 gegen Kinderarbeit in der Teppichproduktion. Auch die bekannte Siegelinitiative TransFair60 gehört in diesen Bereich. Voraussetzung für dieses Siegel ist die Einhaltung von Menschenrechten, einschließlich internationaler arbeitsrechtlicher Normen. Aber auch das Fair-Trade-Siegel sieht keine Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung vor. Freiwillige Steuerungsmechanismen nehmen eine kontroverse Rolle in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte ein.61 Freiwillige, unternehmensinterne Verhaltenskodizes und unverbindliche internationale und multilaterale Erklärungen stehen aufgrund ihres unverbindlichen Charakters in der Kritik.62 Das Fortdauern transnationaler Menschenrechtsverletzungen spricht gegen die Annahme, allein freiwillige Verhaltenskodizes und unverbindliche Erklärungen könnten einen effektiven Mechanismus im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen darstellen.63 Auch der Einsatz privater Initiativen anstelle staatlicher Regulierung wird grundsätzlich infrage gestellt.64 Die Unterscheidung zwischen verbindlichen und freiwilligen Ansätzen soll und muss keinen Gegensatz darstellen. Der Übergang zwischen weichen und harten Tully, International documents on corporate responsibility, S. 591 ff. Informationen zur Extractive Industries Transparency Initiative abrufbar unter http://www.ethicaltrade.org (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 58 Informationen zum Flower Label Program abrufbar unter http://flp.greendata.de/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 59 Informationen zu Rugmark abrufbar unter http://www.rugmarkindia.org/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 60 Informationen zu TransFair abrufbar unter https://www.fairtrade-deutschland.de/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 61 Hamm/Scheper, in: Handbuch der Menschenrechtsarbeit, S. 329 f. 62 Kritisch Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 7 f.; Collingsworth, in: American Society of International Law 2005, S. 258 ff.; Skogly, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations; Engle, in: Willamette Law Review 2004, S. 103 ff.; Bernstein/Cashore, in: Regulation & Governance, 2007, S. 347 ff.; Wolf, in: Governance and Democracy. Comparing national, European and international experiences, S. 2 ff. 63 Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 146, Fn. 3, mit Verweis auf gescheiterte Selbstregulierung im Fall Talisman Engery Inc. im Sudan Gagnon/Macklin/Simons, Deconstructing Engagement. 64 Wolf, in: Governance and Democracy. Comparing national, European and international experiences, S. 2 ff.; generell kritisch Burckhardt (Hrsg.), Mythos CSR; Engle, in: Willamette Law Review 2004, S. 103 ff.; McBeth/Nolan, in: International corporate legal responsibility, S. 203 ff.; Gagnon/ Macklin/Simons, Deconstructing Engagement. 56 57
58 Kapitel 5 Steuerungsmechanismen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Mechanismen ist fließend geworden. Zu Recht wird teilweise auf das Potenzial von Soft Law verwiesen, zum Hard Law zu werden.65 In diesem Sinne betonen auch die UN Leitprinzipien einen „smart mix“66 aus verbindlichen und freiwilligen Ansätzen. Dennoch werden in Anlehnung an die bestehende Skepsis gegenüber freiwilligen Steuerungsmechanismen diese in der folgenden Untersuchung in Teil II der Arbeit ausgeklammert. Vgl. Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 262; für das Potential freiwilliger Mechanismen wie etwa der Dreigliedrigen Erklärung der ILO (1977/2017) Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 147 f.; Vogel, The Private Regulation of Global Corporate Conduct, S. 4 f. 66 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Kommentar zu Prinzip 3: „States should not assume that businesses invariably prefer, or benefit from, State inaction, and they should consider a smart mix of measures – national and international, mandatory and voluntary – to foster business respect for human rights.“ 65
Kapitel 6 ILO Kernarbeitsnormen – ein Überblick Internationales Arbeitsrecht bzw. die Idee einer internationalen Festsetzung arbeitsrechtlicher Mindeststandards reicht zurück an den Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert.1 Vereinzelt wurde bereits früh von Unternehmensseite die Schaffung eines internationalen Arbeitsrechts gefordert.2 1890 fand die erste Arbeitsschutzkonferenz zu Fragen des Arbeitsschutzes und der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit – die Internationale Konferenz zur Regelung der Arbeit in gewerblichen Anlagen und Bergwerken – initiiert von Kaiser Wilhelm II in Berlin statt.3 Inzwischen finden sich verbindliche arbeitsrechtliche Mindeststandards auf internationaler Ebene wie auch auf regionaler Ebene. Hauptquellen des gegenwärtigen internationalen Arbeitsrechts sind die Übereinkommen und Empfehlungen der ILO.4 Die 1919 mit Sitz in Genf gegründete ILO5 ist die Sonderorganisation der Vereinten Nationen für die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und Mahaim, in: The Origins of the International Labour Organization, S. 3 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration; Krebber, in: Juristenzeitung 2008, S. 54 ff. 2 Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 27 f.; Valticos, International labour law, S. 17. 3 Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 28; Krebber, in: Juristenzeitung 2008, S. 57 f. 4 Für eine Übersicht zum Schutz der Kernarbeitsnormen durch verschiedene internationale Übereinkommen und die ILO Übereinkommen Kaufmann, Globalisation and labour rights, S. 79 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 107 ff.; ein Überblick über bestehende ILO Übereinkommen ist verfügbar bei International Labour Organization NORMLEX, abrufbar unter http://www.ilo.org/dyn/ normlex/en/f?p=1000:12000:0::NO::: (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 5 Überblick zur Entstehung und Entwicklung der ILO Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 31 ff.; Valticos, International labour law, S. 17 ff.; Mahaim, in: The Origins of the International Labour Organization, S. 3 ff. 1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 59 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_6
60 Kapitel 6 ILO Kernarbeitsnormen – ein Überblick Sozialstandards und stellt das Regelwerk bereit, das Gegenstand der Untersuchung von Verletzungen internationaler arbeitsrechtlicher Normen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen sein wird. Neben dem Regelwerk der ILO finden sich auf internationaler Ebene verbindliche arbeitsrechtliche Mindeststandards auch in den UN Menschenrechtsübereinkommen.6 Hierzu zählt insbesondere der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.7 Auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte enthält verbindliche arbeitsrechtliche Mindeststandards.8 Ebenso enthalten einige der übrigen UN Menschenrechtsübereinkommen Normen zum internationalen Arbeitsrecht, insbesondere das UN Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979),9 das UN Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989)10 sowie das UN Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (1990).11 Durch ihre Verankerung in den diversen Menschenrechtsübereinkommen lassen sich internationale arbeitsrechtliche Normen als Menschenrechte fassen.12 Darüber hinaus finden sich in regionalen Übereinkommen Normen zum Schutz internationaler arbeitsrechtlicher Normen. Hierzu zählen etwa die Europäische Sozialcharta (European Social Charter, ESC, 1961/1996) und die Konvention zum Zur Bedeutung der UN Menschenrechtsübereinkommen für Rechte von Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer Körner-Dammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 35. 7 Vgl. Artikel 6 Absatz 3 IPwskR (Recht auf Arbeit), Artikel 7 IPwskR (Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen), Artikel 8 IPwskR (Koalitionsfreiheit, Tariffreiheit, Streikrecht), Artikel 9 IPwskR (Recht auf soziale Sicherheit), Artikel 10 Absatz 3 IPwskR (Beschränkung der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen), Artikel 12 IPwskR (Recht auf Gesundheit). 8 Vgl. Artikel 8 IPbpR (Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit), Artikel 22 IPbpR (Vereinigungsfreiheit) mit expliziter Bezugnahme darauf, dass keine Bestimmung dieses Artikels die Vertragsstaaten des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation von 1948 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts ermächtigt, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen oder Gesetze so anzuwenden, dass die Garantien dieses letzteren Übereinkommens beeinträchtigt; Artikel 24 IPbpR (Rechte des Kindes). 9 Vgl. Artikel 11a CEDAW (Recht auf Arbeit), Artikel 11c CEDAW (gleiche Arbeitsbedingungen und beruflichen Aufstieg), Artikel 11d CEDAW (Recht auf gleiches Entgelt bei gleicher und gleichwertiger Arbeit), Artikel 11f CEDAW (Recht auf soziale Sicherheit, Gesundheitsschutz und Arbeitsplatz). 10 Vgl. Artikel 32 CRC (Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung). 11 Vgl. Artikel 11 ICRMW (Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit), Artikel 25 1b) ICRMW (Bezugnahme auf Mindestbeschäftigungsalter), Artikel 26 ICRMW (Vereinigungsfreiheit und Gewerkschaftrechte). 12 Deutlich auch im Hinblick auf die Ausrichtung der ILO Übereinkommen im Schutz gegenüber Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Bartolomei de la Cruz/Potobsky/Swepston, The International Labor Organization, S. 127 ff.; International Labour Organization, Protecting Labour Rights as Human Rights: Present and Future of International Supervision; ausdrücklich für die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 107; Leary, in: Human rights, labor rights, and international trade, S. 22; Mantouvalou, in: European Labour Law Journal 2012, S. 151 ff.; Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 93; Fudge, in: The legal protection of human rights, S. 248 f. 6
I. Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen61 Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK).13 Das Recht der Europäischen Union verfügt ebenfalls über arbeitsrechtliche Mindeststandards.14 Auch die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981) und die Amerikanische Konvention der Menschenrechte (1969) enthalten arbeitsrechtliche Mindestanforderungen.15 Für Nord-Amerika ist das Nordamerikanische Abkommen über Arbeitszusammenarbeit (North American Agreement on Labor Cooperation, NAALC) von 1993 relevant. Das Nordamerikanische Abkommen über Arbeitszusammenarbeit stellt ein Nebenabkommen zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (North American Free Trade Agreement, NAFTA) dar und enthält Normen, die die Einhaltung bestehender nationaler Arbeitsrechte durchsetzen soll.16 I. Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen Die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen sind in dem Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts (Nr. 87) von 1948 und in dem Übereinkommen über die Anwendung der Vgl. Artikel 4 EMRK (Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit), Artikel 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit), Artikel 14 EMRK (Schutz vor Diskrimierung); siehe auch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) siehe EGMR, Demir u Baykara gegen Türkei, no. 34503/97, Judgement of 12.11.2008 (Grand Chamber); EGMR, Enerji Yapi-Yol Sen gegen Türkei, no. 68959/01, Judgement of 21.04.2009 (Grand Chamber); zur Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf Arbeitsrechte siehe EGMR, Fact Sheet: work related rights; zur Bedeutung der ILO Übereinkommen für die Rechtsprechung des EGMR siehe Zimmer, in: Arbeitsvölkerrecht, S. 41 mit weiteren Nachweisen. 14 Vgl. Artikel 157 AEUV (Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit). Artikel 27 GRCh (Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen); Artikel 28 GRCh (Recht auf Kollektivverhandlungen und und Kollektivmaßnahmen), Artikel 30 GRCh (Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung), Artikel 31 GRCh (Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen), Artikel 32 GRCh (Verbot der Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz), Artikel 33 GRCh (Schutz des Familien- und Berufslebens), Artikel 34 GRCh (Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung). Nach Krebber besteht „[das] existierende Sekundärrecht auf dem Gebiet des Arbeitsrechts […] mit Ausnahme des europarechtlich durchnormierten Arbeitsschutz- und Diskriminierungsrechts aus einzelnen Mosaiksteinen und ist weit von einem Mindeststandard entfernt, der die mitgliedstaatlichen Arbeitsrechte einem innereuropäischen Wettbewerb entzöge.“, siehe Krebber, in: Juristenzeitung 2008, S. 57 mit weiteren Nachweisen. 15 Vgl. Artikel 10 AfCHPR (Vereinigungsfreiheit), Artikel 15 AfCHPR (Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen und Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit); vgl. Artikel 6 AMRK (Verbot von Zwangs- und Pflichtarbeit), Artikel 15 AMRK (Vereinigungsfreiheit). 16 Annex A des Nebenabkommens nimmt dabei Bezug auf zahlreiche grundlegende Arbeitsrechte wie die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Tarifverhandlungen, das Streikrecht, das Verbot der Zwangsarbeit, Arbeitsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, die Beseitigung von Diskriminierung am Arbeitsplatz, Schutz der Wanderarbeiter. Das Abkommen sieht auch die Möglichkeit handelsrechtlicher Sanktionen vor, vgl. Artikel 41 NAALC (Suspension of Benefits); Felkl, Rechtliche Bedeutung der Internationalen Rahmenvereinbarungen, S. 29, 40. 13
62 Kapitel 6 ILO Kernarbeitsnormen – ein Überblick Grundsätze des Vereinigungsrechts und des Rechts zu Kollektivverhandlungen (Nr. 98) von 1949 anerkannt und ausgestaltet.17 Inhalt der Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Kollektivverhandlungen sind danach insbesondere das Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sich ohne äußere Einmischung in Gewerkschaften zu organisieren, sowie das Recht der Gewerkschaften, Tarifverhandlungen zu führen und – grundsätzlich auch – zu streiken18.19 Artikel 2 des Übereinkommens 87 regelt die Vereinigungsfreiheit. Danach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ohne jeden Unterschied das Recht, ohne vorherige Genehmigung Organisationen nach eigener Wahl zu bilden und solchen Organisationen beizutreten. Artikel 3 zufolge haben Organisationen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Recht, sich Satzungen und Geschäftsordnungen zu geben, ihre Vertreter frei zu wählen, ihre Geschäftsführung und Tätigkeit zu regeln und ihr Programm aufzustellen. Die Behörden haben sich jedes Eingriffes zu enthalten, der geeignet wäre, dieses Recht zu beschränken oder dessen rechtmäßige Ausübung zu behindern. Übereinkommen 98 ergänzt diese Rechte durch den Schutz einzelner Gewerkschaftsmitglieder.20 Nach Artikel 1 des Übereinkommens 98 sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor jeder gegen die Vereinigungsfreiheit gerichteten unterschiedlichen Behandlung, die mit ihrer Beschäftigung in Zusammenhang steht, angemessen zu schützen. Dieser Schutz ist insbesondere gegenüber Handlungen zu gewähren, die darauf gerichtet sind, a) die Beschäftigung eines Arbeitnehmers davon abhängig zu machen, dass er keiner Gewerkschaft beitritt oder aus einer Gewerkschaft austritt, b) einen Arbeitnehmer zu entlassen oder auf sonstige Weise zu benachteiligen, weil er einer Gewerkschaft angehört oder weil er sich außerhalb der Arbeitszeit oder mit Zustimmung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber während der Arbeitszeit gewerkschaftlich betätigt. Zudem schützt das Übereinkommen vor Eingriffen in Organisationen.21 Nach Artikel 2 ist den Organisationen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist in Bezug auf ihre Bildung, Tätigkeit und Verwaltung gebührender Schutz gegen Im Einzelnen siehe Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 107 ff.; Servais, International labour law, S. 112 ff.; International Labour Organization/Committee of Experts, General Survey (Freedom of Association and Collective Bargaining), Report III, Part 4 B; Valticos/Potobsky, International labour law, S. 92 ff. 18 Zur Frage, ob ILO Übereinkommen 87 auch ein Streikrecht enthält siehe Valticos/Potobsky, International labour law, S. 98 mit weiteren Nachweisen; Körner-Dammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 53 f.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 110 ff. 19 Ausführlich zum Inhalt der Vereinigungsfreiheit und des Recht auf Kollektivverhandlungen Rubin, Code of international labour law; Servais, International labour law, S. 112 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 107 ff.; Valticos/Potobsky, International labour law, S. 92 ff. 20 Körner-Dammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 52 f. 21 Körner-Dammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 53. 17
II. Abschaffung der Zwangs- oder Pflichtarbeit63 jede Einmischung von der anderen Seite, sowohl seitens der Organisationen wie auch ihrer Vertreter oder Mitglieder, zu gewähren. Als Einmischung im Sinne dieses Artikels gelten insbesondere Handlungen, die darauf gerichtet sind, von Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder von einer Organisation von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern abhängige Organisationen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ins Leben zu rufen oder Organisationen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch Geldmittel oder auf sonstige Weise zu unterstützen, um sie unter den Einfluss von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern oder einer Organisation von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu bringen. II. Abschaffung der Zwangs- oder Pflichtarbeit Die Abschaffung der Zwangsarbeit (forced labour) spielte bereits früh eine Rolle in der Arbeit der ILO.22 Sie ist in den ILO Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (Nr. 29) von 1930 und über die Abschaffung der Zwangsarbeit (Nr. 105) von 1957 anerkannt und ausgestaltet.23 Nach Artikel 1 des Übereinkommens 29 ist jeder Vertragsstaat verpflichtet, den Gebrauch der Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen möglichst bald zu beseitigen. Als „Zwangs- oder Pflichtarbeit“ im Sinne des Übereinkommens 29 gilt nach Artikel 2 des Übereinkommens 29 jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Unter Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne des Übereinkommens 29 können auch Fälle der Kinderarbeit in sklavenähnlichen Verhältnissen sowie Fälle der Schuldknechtschaft, der sogenannten debt bondages, gefasst werden.24 Bis zur völligen Beseitigung darf Zwangs- oder Pflichtarbeit während einer Übergangszeit ausschließlich für öffentliche Zwecke und auch dann nur ausnahmsweise angewandt werden. 2014 hat die ILO ein völkerrechtlich verbindliches Protokoll zu Übereinkommen 29 zur Verstärkung der weltweiten Bemühungen zur Abschaffung der Zwangsarbeit verabschiedet.25 Übereinkommen 105 erfasst über Übereinkommen 29 hinaus die Problematik der Einsetzung von Zwangsarbeit aus politischen statt aus rein ökonomischen Körner-Dammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 59 f. Im Einzelnen siehe Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 121 f.; Servais, International labour law, S. 131 ff.; Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 89. 24 Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 122; siehe zum Thema Schuldknechtschaft Human Rights Watch, The Small Hands of Slavery; Breman, India's unfree workforce. 25 Siehe International Labour Organization, NORMLEX, Protocol of 2014 to the Forced Labour Convention (P029), abrufbar unter International Labour Organization, NORMLEX, http://www. ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=NORMLEXPUB:12100:0::NO::P12100_ILO_CODE:P029 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 22 23
64 Kapitel 6 ILO Kernarbeitsnormen – ein Überblick Gründen.26 Nach Artikel 1 des Übereinkommens 105 verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, die Zwangs- oder Pflichtarbeit zu beseitigen und in keiner Form zu verwenden a) als Mittel politischen Zwanges oder politischer Erziehung oder als Strafe gegenüber Personen, die gewisse politische Ansichten haben oder äußern oder die ihre ideologische Gegnerschaft gegen die bestehende politische, soziale oder wirtschaftliche Ordnung bekunden; als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung; als Maßnahme der Arbeitsdisziplin; als Strafe für die Teilnahme an Streiks; als Maßnahme rassischer, sozialer, nationaler oder religiöser Diskriminierung. III. Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung und Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit Nicht jede Form der Arbeit von Kindern ist verboten. Die folgenden ILO Übereinkommen befassen sich mit dem Schutz eines Mindestalters für die Zulassung zur Beschäftigung und einem Schutz vor schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Die Abschaffung der Kinderarbeit war zunächst allein in dem Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (Nr. 138) von 1973 anerkannt und ausgestaltet. Hinzukam erst über 20 Jahre später das Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (Nr. 182) von 1999.27 Das Übereikommen 138 enthält zusammenfassende Regelungen zum Mindestalter.28 Danach haben Kinder ein Recht auf Schutz vor Ausbeutung und dürfen grundsätzlich vor dem Ende der Schulpflicht oder unter 15 Jahren nicht beschäftigt werden. Nach Artikel 3 des Übereinkommens 138 darf das Mindestalter für die Zulassung zu einer Beschäftigung oder Arbeit, die wegen ihrer Art oder der Verhältnisse, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Jugendlichen gefährlich ist, nicht unter 18 Jahren liegen. Bestehen entsprechende Vorkehrungen durch innerstaatliche Gesetzgebung kann eine Beschäftigung oder Arbeit ab dem Alter von 16 Jahren unter der Voraussetzung erfolgen, dass das Leben, die Gesundheit und die Sittlichkeit der betreffenden Jugendlichen voll geschützt sind und die Jugendlichen eine angemessene sachbezogene Unterweisung oder berufliche Ausbildung in dem entsprechenden Wirtschaftszweig erhalten haben. Valticos/Potobsky, International labour law, S. 109 ff. Im Einzelnen siehe Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 122 ff.; Servais, International labour law, S. 135 ff. 28 Zu der Übereinkommen 138 vorgehenden Zersplitterung der Übereinkommen zum Mindestalter in verschiedenen Übereinkommen Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 123. 26 27
IV. Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte… 65 ILO Übereinkommen 182 über die Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit ist für alle Personen unter 18 Jahren anwendbar.29 Bei den schlimmsten Formen der Kinderarbeit werden Kinder schädlichen Gesundheits- und Sicherheitsgefahren ausgesetzt und können zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen führen.30 Nach Artikel 3 des Übereinkommens 182 umfasst der Ausdruck „die schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ unter anderem alle Formen der Sklaverei oder alle sklavereiähnlichen Praktiken, das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zur Prostitution sowie Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit oder die Sicherheit von Kindern schädlich ist. IV. Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte und Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf Das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf ist in dem Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (Nr. 100) von 1951 und in dem Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Nr. 111) von 1958 anerkannt und ausgestaltet.31 Inhalt des Verbots der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf sind danach insbesondere das Recht auf gleiches Entgelt unabhängig von dem Geschlecht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.32 Die Diskriminierung wegen des Geschlechts ist Gegenstand des Übereinkommens 100 von 1951 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit. Übereinkommen 111 führte 1958 ein umfassendes Diskriminierungsverbot ein. Artikel 1 des Übereinkommens 111 definiert den Begriff der Diskriminierung. Danach gilt als „Diskriminierung“ jede Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung, die auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft vorgenommen wird und die dazu führt, die Gleichheit der Artikel 2 ILO Übereinkommen 182; ausführlich zum Inhalt der Abschaffung der Kinderarbeit Servais, International labour law, S. 135 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 124; siehe auch Asian Development Bank/International Labour Organization, Core Labor Standards Handbook, S. 23. 30 Siehe Asian Development Bank/International Labour Organization, Core Labor Standards Handbook, S. 23. 31 Im Einzelnen siehe Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 118 ff.; Servais, International labour law, S. 1 ff.; International Labour Organization/Committee of Experts, General Survey (Equal Remuneration), Report III, Part 4 B. 32 Ausführlich zum Inhalt des Verbots der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf Servais, International labour law, S. 144 ff. 29
66 Kapitel 6 ILO Kernarbeitsnormen – ein Überblick Gelegenheiten oder der Behandlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben oder zu beeinträchtigen; jede andere Unterscheidung, Ausschließung oder Bevorzugung, die dazu führt, die Gleichheit der Gelegenheiten oder der Behandlung in Beschäftigung oder Beruf aufzuheben oder zu beeinträchtigen. Nach Artikel 5.2. des Übereinkommens 111 kann jedes Mitglied nach Anhörung der maßgebenden Verbände, soweit solche bestehen, erklären, dass Sondermaßnahmen nicht als Diskriminierung gelten sollen, sofern diese auf die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Personen abzielen, die aus Gründen des Geschlechts, des Alters, der Behinderung, der Familienpflichten oder der sozialen oder kulturellen Stellung anerkanntermaßen besonders schutz- oder hilfsbedürftig sind. V. Innerstaatliche Bindung und Umsetzung im nationalen Recht Eine Bindung über das Völkervertragsrecht wird grundsätzlich dann begründet, wenn ein Staat ein völkerrechtliches Abkommen nicht nur unterzeichnet, sondern insbesondere auch ratifiziert hat.33 Dasselbe gilt – trotz der für das Völkerrecht ungewöhnlichen Teilnahme der Vertreter der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Aushandlung von ILO Übereinkommen34 – auch für das Arbeitsvölkerrecht und die ILO Übereinkommen zum Schutz der Kernarbeitsnormen.35 ILO Übereinkommen treten erst ab einer Mindestzahl an Ratifikationen in Kraft.36 Diese Mindestzahl ist jedoch bei allen ILO Kernarbeitsnormen überschritten. Die ILO Übereinkommen zum Schutz der Kernarbeitsnormen sind zahlreich, wenn auch nicht von allen 18737 ILO Mitgliedstaaten ratifiziert worden.38 33 Statt vieler von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 199 ff., 204 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 152. 34 Zur Besonderheit des Rechts der ILO im Vergleich zu anderen internationalen Vereinbarungen und Übereinkommen Bartolomei de la Cruz/Potobsky/Swepston, The International Labor Organization, S. 21 ff. 35 Valticos/Potobsky, International labour law, S. 51; Besonderheiten der ILO Übereinkommen werden zwar im Hinblick auf ihre Rechtsnatur angenommen, hierzu Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 66 ff.; Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, S. 97 ff. Dies spielt indes vor allem in Bezug auf die Frage der Bindung der ILO durch die Übereinkommen eine Rolle. An der Bedeutung der Ratifikation und der Bindung durch Ratifikation ändert dies zunächst nichts. 36 Nach Artikel 12.2. des Übereinkommens 138 beispielsweise bedurfte das Inkrafttreten des Übereinkommens der Ratifikation zweier Mitgliedstaaten; Zimmer, in: Arbeitsvölkerrecht, S. 30; zur Bestimmung ener Mindestzahl siehe auch von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 204. 37 Stand 10.08.2017. 38 Mit Stand 07.08.2017 gestaltet sich der Stand der Ratifikationen der Übereinkommen zum Schutz der ILO Kernarbeitsnormen wie folgt. Die ILO Übereinkommen 87 und 98 zum Schutz der Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Kollektivverhandlungen sind von 154 bzw. 165 Mitgliedstaaten ratifiziert. Zur Abschaffung der Kinderarbeit wurde das Übereinkommen 138 wurde
V. Innerstaatliche Bindung und Umsetzung im nationalen Recht67 Durch Ratifikation eines ILO Übereinkommens verpflichtet sich der betreffende Vertragsstaat, das Übereinkommen in seinem Hoheitsgebiet durchzuführen. Nach Artikel 19d ILO Verfassung teilt ein Mitglied – nach der Zustimmung der innerstaatlich zuständigen Stelle – dem Generaldirektor die förmliche Ratifikation des Übereinkommens mit und trifft die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der Bestimmungen des betreffenden Übereinkommens. In Deutschland erfolgen Ratifikation und Durchführung mit einem Akt, durch den auch das Übereinkommen in innerstaatliches Recht transformiert wird.39 Die Einhaltung von verbindlichen ILO Übereinkommen erfolgte durch Anpassung der Arbeits- und Sozialgesetzgebung, aber auch durch die Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche und Gerichtsentscheidungen.40 So wurde das Vereinsgesetz von 1908 im Jahr 1964 wegen Artikel 4 Übereinkommen 8741 geändert. Änderungen im Strafrecht erfolgten wegen Artikel 2.2.c des Übereinkommens 29 wegen erforderlicher Zustimmung von Gefangenen zu Arbeiten außerhalb von Gefängnisanstalten.42 Änderungen im Jugendschutzgesetz von 1976 (Anhebung des Alters von 14 auf 15 Jahre) zur Altersgrenze bei der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen erfolgten wegen Übereinkommen 138.43 Der Radikalenerlass von 1972 stand in Widerspruch zu Übereinkommen 111.44 von 170 Staaten ratifiziert. Das Übereinkommen 182 über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit von 1999 wurde von 181 Staaten ratifiziert. In Bezug auf das Verbot der Zwangsarbeit sind die ILO Übereinkommen 29 und 105 von 178 bzw. 175 Staaten ratifiziert worden. Das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf wurde mit den ILO Übereinkommen 111 von 175 und das Übereinkommen 100 von 173 Staaten ratifiziert. Für Informationen zur Ratifikation siehe International Labour Organization, NORMLEX, Ratification by Convention, abrufbar unter http://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=1000:12001:0::NO::: (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 39 Vgl. Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, S. 62. 40 Zimmer, in: Arbeitsvölkerrecht, S. 32; ausführlich Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 221 ff.; Klotz, in: Bundesarbeitsblatt 1973, S. 500 ff. 41 Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 221 ff.; Klotz, in: Bundesarbeitsblatt 1973, S. 502. 42 Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 221 ff.; Klotz, in: Bundesarbeitsblatt 1973, S. 500. 43 Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 221 ff. 44 Hierzu Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 221 ff.; Seifert, in: Arbeitsvölkerrecht, S. 42 ff.; siehe auch International Labour Organization, Bericht des gemäß Artikel 26 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation eingesetzten Ausschusses zur Prüfung der Einhaltung des Übereinkommens (Nr. 111) über Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf), 1958, durch die Bundesrepublik Deutschland.
Teil II Ausgewählte Ansätze zum möglichen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen Die folgende Untersuchung in Teil II soll Aufschluss darüber geben, inwieweit sich neue Steuerungsmechanismen als kongruent mit bestehenden Defiziten des Status quo erweisen und in der Lage sind, diese Defizite zu überwinden. Erst vor dem Hintergrund bestehender, überzeugender progressiver Ansätze lässt sich im Anschluss in Teil III erklären, dass dem Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen primär nicht rechtliche, sondern rechtsexterne Hindernisse entgegenstehen. Aus dem in Teil I, Kap. 5, beschriebenen Feld der Steuerungsinstrumente werden drei ausgewählte Ansätze diskutiert. Zentral herausgearbeitet wird hierbei jeweils, dass es nach wie vor keinen effektiven Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen – national und international – gibt. Gleichzeitig wird verdeutlicht, dass de iure Möglichkeiten bestehen, diesen Schutz herzustellen. Die Untersuchung ausgewählter Ansätze gliedert sich wie folgt. Erster Untersuchungsgegenstand ist dann das nationale, zivilrechtliche Haftungsrecht der Heimatstaaten (Kap. 7). Hier geht es um die Frage, inwieweit in Heimatsstaaten ansässige Unternehmen, die mit transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben in den Gaststaaten gesellschaftsrechtlich und vertraglich verbunden sind, für Menschenrechtsverletzungen im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten der transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe in den Gaststaaten de lege lata haftbar sind und de lege ferenda sein können. Der zweite Ansatz hat menschenrechtliche Anforderungen des internationalen Investitionsschutzrechts zum Gegenstand (Kap. 8). Auf internationaler Ebene wird damit die Frage diskutiert, inwieweit das internationale Investitionsschutzrecht, das Unternehmen einen effektiven Schutz gegen staatliche Eingriffe gewährleistet, gegenwärtig und künftig vor Menschenrechtsverletzungen schützen kann. Dritter Untersuchungsgegenstand sind extraterritoriale Staatenpflichten (Kap. 9). Hierbei geht es um die – den Ansätzen in Teil II, Kap. 7 und 8 vorgelagerte – Frage einer völkerrechtlichen Verpflichtung der Heimatstaaten als Sitzstaaten transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen, die Verletzung von Menschenrechten durch Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe im eigenen Recht sanktionieren zu müssen. Dies stellt einen völkerrechtlichen Rahmen her und präzisiert die Notwendigkeit, national und international einen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen herzustellen.
Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Der erste zu diskutierende Ansatz zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten hat die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen zum Gegenstand. Einer solchen zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen wird mehr und mehr eine besondere Bedeutung zugesprochen.1 Die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen zielt primär auf eine Haftung der Mutterunternehmen ab.2 In Betracht kommen aber auch Klagen gegen Mutterunternehmen und transnationale Tochterunternehmen bzw. Zulieferbetriebe gemeinsam.3 Die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen hat zudem oftmals einen Fokus auf die Geltendmachung in den Heimatstaaten transnationaler Mutterunternehmen.4 International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 4; International Law Association, The Hague Conference. International Civil Litigation and the Interests of the Public. Interim Report. Private International Law Aspects of Civil Litigation for Human Rights Violations, S. 1 ff. 2 Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 129; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 198; vgl. auch International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 46: „[…] parent company liability may be important in order to deter repetition of the conduct and change the practices of the enterprise as a whole.“ und „[…] sometimes a subsidiary company, perhaps for reasons of limited liability, may simply not have enough funds at its disposal to offer meaningful compensation to the victims in the event of a court order.“ 3 So in der Rechtssache gegen Royal Dutch Shell Plc. und Shell Petroleum Development Company of Nigeria wegen massiver Umweltverschmutzungen durch Öl-Verseuchung, siehe Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013. 4 Siehe Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 129; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 1; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 199; Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 16; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 29, 215; Seibert-Fohr/Wolfrum, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 153 ff. 1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 71 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_7
72 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Zum Teil geht es auch um eine Ausrichtung am Recht der Heimatstaaten. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass das Recht der Heimatstaaten für Betroffene besser ausgestaltet sei als das Recht der Gaststaaten.5 Hier wird unterstellt, dass es in den Gaststaaten an einem effektiven Schutz zur Geltendmachung verletzter Rechte fehlt.6 Häufig wird der Gaststaat zudem als unfähig oder nicht willens („unable/unwilling“) beschrieben, für einen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu sorgen.7 Jedenfalls aufgrund einer faktisch fehlenden Umsetzung von Schutz vor und Geltendmachung von transnationalen Menschenrechtsverletzungen im Gaststaat,8 erscheint es notwendig, den Blick auch auf Heimatstaaten auszuweiten und damit einen transnationalen Kontext herzustellen. Prominentes Beispiel für zivilrechtliche Klagen gegen Unternehmen für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen – im Englischen oftmals „transnational human rights litigation“9 und „ foreign direct liablity claims“10 sowie „civil Ausdrücklich University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 29: „[…] even if a third‐country victim succeeds in establishing jurisdiction of an EU Member State court, the law applicable to such a dispute will generally be the law of the third country which may provide for lower standards of human rights and environmental protection than European law.“; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 129; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 1; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 199; differenzierend Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 14 ff. 6 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 29. 7 Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 4 f.; International Federation for Human Rights, Corporate Accountability for Human Rights Abuses: A Guide for Victims and NGOs on Recourse Mechanisms, S. 171; Seibert-Fohr/Wolfrum, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 170; von Bernstorff, in: Corporate social responsibility and social rights, S. 48; United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/ HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 14: „Yet States, particularly some developing countries, may lack the institutional capacity to enforce national laws and regulations against transnational firms doing business in their territory even when the will is there, or they may feel constrained from doing so by having to compete internationally for investment.“; Skinner/McCorquodale/De Schutter, The Third Pillar: Access to Judicial Remedies for Human Rights Violations by Transnational Business, S. 18, 24. 8 Vgl. Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 5 f.: „[…] unsatisfactory and unrealistic to expect TNC human rights accountability with regard to a certain operation emanate exclusively from the host state in which that operation exists.“; Thompson/Ramasastry/ Taylor, in: George Washington International Law Review 2009, S. 842 mit weiteren Nachweisen Fn. 5; darauf hinweisend, dass auch in den Gaststaaten erfolgreich gegen Unternehmen geklagt wird Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen, S. 6 f. unter Bezugnahme auf Klagen gegen Chevron in Ecuador, gegen Ford Motor in Argentinien und Merk in Indien. 9 Joseph, Corporations and transnational human rights litigation; Stephens, International human rights litigation in U.S. courts. 10 Ward, Governing Multinationals: The Role of Foreign Direct Liability; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 198 ff. 5
Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen73 litigation for human rights violations“11 – ist der US-amerikanische Alien Tort Claims Act (ATCA).12 Trotz der Bedeutung die der ATCA erfahren hat, ist bereits hier anzumerken, dass eine streitentscheidende Verfahrensbeendigung auf Grundlage des ATCA zulasten eines Unternehmens bisher nicht ergangen ist; allenfalls erfolgte eine „positive“ Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich.13 Anders als der Name Alien Tort Claims Act vermuten ließe, handelt es sich beim ATCA nicht um eine „herkömmliche“14 deliktsrechtliche Regelung.15Üblicherweise knüpft der deliktsrechtliche Grundtatbestand an die Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum an.16 Im Gegensatz hierzu ist das Alleinstellungsmerkmal des ATCA die Anknüpfung an eine Verletzung der law of nations. Darunter fallen zunächst Normen des zwingenden Völkerrechts.17 Als law of nations im Sinne des ATCA sind darüber hinaus Normen des Völkergewohnheitsrechts zu verstehen. Der United States Court of Appeals (Second Circuit) führte in der International Law Association, The Hague Conference. International Civil Litigation and the Interests of the Public. Interim Report. Private International Law Aspects of Civil Litigation for Human Rights Violations, S. 1 ff. 12 Vgl. International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 54: „The United States often receives the most attention in terms of the use of tort law as an avenue to company accountability in situations of alleged complicity in gross human rights abuses.“; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 4: „The Panel believes that civil liability is increasingly important as a means of assuring legal accountability when a company is complicit in gross human rights abuses.“ und S. 6: „The legislation is unique to the United States but nevertheless ATS litigation has reverberated around the world. It has motivated lawyers in other jurisdictions to explore the feasibility in their own countries of seeking the civil liability of actors involved in gross human rights abuses.“; Seibert-Fohr/Wolfrum, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 153 ff.; Kaleck/Saage-Maaß, Transnationale Unternehmen vor Gericht; Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 2; ausführlich zum ATCA Feldberg, Der alien tort claims act; Seibert-Fohr/ Wolfrum, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 155 ff.; Stephens, International human rights litigation in U.S. courts; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation. 13 Statt vieler Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 20, 153; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 211. 14 Hierzu Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 65; Engle, Private Law Remedies for Extraterritorial Human Rights Violations, S. 58. 15 Eine herkömmliche deliktische Norm war bereits 1986 Anspruchsgrundlage in der Sache In re Union Carbide Corp. Gas Plant Disaster at Bhopal, India, in Folge der Bhopal Katastrophe 1984, siehe United States District Court for the Southern District of New York, In re Union Carbide Corp. Gas Plant Disaster at Bhopal, India, 634 F.Supp. 842, zitiert nach Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 72, Fn. 46; eine Übersicht herkömmlicher deliktischer Rechtsstreitigkeiten bei Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 4 ff. („conventional tort litigation“); Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 15 ff. 16 Vgl. International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 4, 11: „However […] no matter what approach a specific legal system takes, in all jurisdictions the law of civil remedies can be invoked to remedy harm to life, liberty, dignity, physical and mental integrity and property.“ 17 Vgl. auch Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 22 ff. 11
74 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Rechtssache Kiobel v. Royal Dutch Petroleum 2010 aus, dass die Begriffe law of nations und customary international law austauschbar seien.18 Mit dem ATCA nahm die Entwicklung einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen zur Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen im Jahr 1980 mit der Rechtssache Filártiga v. Peña-Irala19 ihren Anfang. Das Gesetz aus dem Jahr 1789 besagt, dass „[t]he district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States.“20 Der Anwendungsbereich des ATCA ist indes nicht auf Schadensersatzklagen gegen Unternehmen beschränkt – im Gegenteil. Die erste Klage, durch welche der ATCA (wieder) an das Licht der Öffentlichkeit geriet, hatte das Verhalten einer natürlichen Person, eines paraguayischen Polizeioffiziers, zum Gegenstand. Während es sich in der Rechtssache Filártiga v. Peña-Irala noch um die Haftung staatlicher Organe handelte, wurde die Rechtsprechung 1995 in der Rechtssache Kadić v. Karadžić21 durch die Anwendung des ATCA auf Privatpersonen ohne staatliche Beteiligung erweitert. In der Rechtssache Doe v. Unocal22 (Doe I) kam es 1996 schließlich vor dem Bundesbezirksgericht United States District Court for the Central District of California zu einer ersten Klage gegen private juristische Personen. Beklagte in der Rechtssache Doe v. Unocal waren das Energieunternehmen Unocal Corporation (Union Oil Company of California), mit Sitz in den USA, und das Mineralölunternehmen Total S.A., mit Sitz in Frankreich. Gegenstand der Klage gegen Unocal Corporation (Union Oil Company of California) und Total S.A. war die Ausbeutung der Landbevölkerung in Burma/Myanmar durch das burmesische Militär im Zuge der Errichtung einer Gaspipeline von Burma/Myanmar nach Thailand (Yadana-Projekt).23 In dieser Rechtssache stellte der United States Court of Appeals (Ninth Circuit) 2002 fest, dass Folter und Sklaverei als Verletzungen des ius cogens Verletzungen der law of nations darstellen.24 Zu einer Entscheidung in United States Court of Appeals for the Second Circuit, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 621 F.3d 111, 2010, S. 3: „[…] the ATS provides jurisdiction […] for violations of the law of nations (also called ‚customary international law‘)“ sowie Fn. 3: „[i]n this opinion we use the terms ‚law of nations‘ and ‚customary international law‘ interchangeably.“; ausführlich Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 22 ff. 19 United States Court of Appeals for the Second Circuit, Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 1980. 20 Der ATCA wurde 1789 als Teil des Gerichtsgesetzs (Judiciary Act) erlassen und ist nun im 28 U.S.C § 1350 kodifiziert. Der United States Code (U.S.C.) ist eine Sammlung und Kodifikation von US Bundesrecht; Title 28 betrifft Gerichte und Gerichtsverfahren (Judiciary and Judicial Procedure), Kapitel 85 (§§ 1330–1369) betrifft die Zuständigkeit der Bezirksgerichte (District Courts; Jurisdiction), § 1350 schließlich regelt die deliktische Haftungsklage von Ausländern (alien‘s action for tort). 21 United States Court of Appeals for the Second Circuit, Kadić v. Karadžić, 70 F.3d 232, 1995. 22 United States District Court for the Central District of California, Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880, 1997. 23 Zu Einzelheiten in der Sache siehe oben Teil I, Kapitel 3. 24 United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Doe v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 2002, Rn. 42: „We have recognized that torture, murder, and slavery are jus cogens violations and, thus, violations of the law of nations.“ 18
Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen75 der Sache kam es letztlich nicht. Es kam 2005 zu einem Vergleich, bei dem sich Unocal zu Entschädigungszahlungen verpflichtete.25 2013 erging die Entscheidung des Supreme Court of the United States in der Rechtssache Kiobel v. Royal Dutch Petroleum.26 Nachdem der District Court die Klage teilweise abgewiesen hatte und der Court of Appeals of the Second Circuit als Berufungsinstanz die Anwendbarkeit des ATCA auf Unternehmen verneinte, lag die Sache dem Supreme Court of the United States letztinstanzlich vor. Der Supreme Court hielt das Urteil des Berufungsgerichts aufrecht und wies die Klage ab. Während es ausgangs um die Frage ging, inwieweit eine Haftung von Unternehmen nach dem ATCA in Betracht kommt,27 setzte sich der Supreme Court letztlich vor allem mit der grundlegenden Frage der Anwendbarkeit des ATCA für reine Auslandssachverhalte auseinander.28 Im Ergebnis kam der Supreme Court in der Rechtssache Kiobel v. Royal Dutch Petroleum dazu, einen hinreichenden Bezug zum Territorium der USA und dementsprechend eine internationale Zuständigkeit abzulehnen. In Bezug auf die Begründung der fehlenden internationalen Zuständigkeit wurden vier verschiedene Voten abgegeben.29 Die Entscheidung 2013 führt dazu, dass zivilrechtliche Schadensersatzklagen wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auf Grundlage des ATCA vor allem nur noch dann in Betracht kommen, wenn ein konkreter Bezug zu den USA besteht.30 Die Entscheidung des Supreme Court in der Rechtssache Kiobel v. Royal Dutch Petroleum verringert damit die Möglichkeiten, Schadensersatzansprüche auf Grundlage des ATCA für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen geltend zu machen.31 Ausgeschlossen wurden Klagen auf Grundlage des ATCA für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen indes durch die Entscheidung des Supreme Court nicht.32 Informationen hierzu bei Earthrights International, abrufbar unter http://www.earthrights.org/ legal/doe-v-unocal (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 26 Supreme Court of the United States, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 569 U. S. (2013); hierzu auch Amicus Curiae Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte, siehe Deutsches Institut für Menschenrechte, Supplemental Brief of Amici Curiae German Institute for Human Rights and International Law Experts in support of petitioners, S. 1 ff.; Saage-Maaß/Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 146 ff. 27 Saage-Maaß/Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 151; Gammelin, in: MenschenRechtsMagazin 2014, S. 35. 28 Saage-Maaß/Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 149. 29 Supreme Court of the United States, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 569 U. S. (2013). 30 Saage-Maaß/Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 146 ff., 153. 31 Saage-Maaß/Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 149 ff.; Gammelin, in: MenschenRechtsMagazin 2014, S. 38 f. 32 Zur Rechtsprechung nach der Entscheidung des Supreme Court und der Annahme einer Möglichkeit einer Unternehmenshaftung durch District Courts und Court of Appeals siehe Saage-Maaß/ Beinlich, in: Kritische Justiz, S. 151 f., 156; Gammelin, in: MenschenRechtsMagazin 2014, S. 39. 25
76 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Auch in anderen Common Law basierten Staaten sind zivilrechtliche Klagen gegen Unternehmen bekannt. Bedeutsame Klagen finden sich in Großbritannien,33 Australien34 und Kanada.35 Im kontinentaleuropäischen Rechtskreis ist die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen bisher weniger prominent. Ausnahme stellt die in den Niederlanden 2013 ergangene Entscheidung gegen das Mineralölunternehmen Shell dar.36 Vor diesem Hintergrund beginnt die folgende Darstellung mit dem Status quo einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland (I.). Daran anschließen werden neuere Entwicklungen im Bereich der zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen anhand ausgewählter Rechtsprechung im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden dargelegt sowie anhand des französischen Gesetzes zu neuen Sorgfaltspflichten von Unternehmen erörtert (II.). Daran anknüpfend werden zwei mögliche Ansätze einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen dargelegt (III.). Im Anschluss wird der Ansatz einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen mit möglichen rechtlichen Bedenken, die einer Umsetzung entgegenstehen könnten, konfrontiert (IV.). Abschließend wird das Potenzial einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen bewertet (V.). I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland Der folgende Überblick zum gegenwärtigen Stand einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland umfasst eine Darlegung des internationalen Privatrechts (1.). sowie Lücken in der materiellen Rechtslage (2.). Praktische und teils prozessuale Probleme, die ebenfalls einer Geltendmachung von 33 Connellly v RTZ (1996) UKHL 30; Lubbe v Cape Plc. (2000) UKHL 41; Chandler v Cape Plc. (2012) EWCA Civ 525; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 113 ff. mit weiteren Nachweisen; Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 4 ff.; International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies, S. 105 f. 34 Vgl. Rechtsstreitigkeit vor dem Supreme Court of Victoria gegen den australisch-britischen Rohstoffkonzern BHP wegen der Kontaminierung von Schwermetallen duch die Arbeiten in der Ok Tedi Mine in Papua Neu Guinea. Mit weiteren Nachweisen und Rechsstreitigkeiten Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 122 ff.; International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies, S. 105. 35 Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 125 ff. mit weiteren Nachweisen zu Rechsstreitigkeiten; International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies, S. 105. 36 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013; siehe hierzu unten unter Teil II, Kapitel 7, II.
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland77 Menschenrechtsverletzungen vor den Gerichten der Heimatsstaaten entgegenstehen können, werden in den nachstehenden Ausführungen nicht aufgegriffen.37 1. Internationales Privatrecht Die Bedeutung des internationalen Privatrechts für eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen ist nicht zu unterschätzen.38 Im Folgenden werden daher die gegenwärtigen Defizite im internationalen Privatrecht dargelegt, die einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen entgegenstehen. Dies betrifft den Zugang zu heimatstaatlichen Gerichten (a.) und die Frage nach dem anwendbaren Recht (b.). a. Internationale Zuständigkeit heimatsstaatlicher Gerichte Die gerichtliche Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen im Wege einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen setzt zunächst die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraus. Hier gilt es somit der Frage nachzugehen, inwieweit überhaupt eine Zuständigkeit heimatstaatlicher Gerichte besteht, um einer effektiven Steuerung durch eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen Geltung zu verschaffen. Die internationale Zuständigkeit hat die Frage zum Gegenstand, welche staatlichen Gerichte bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt für einen Rechtsstreit zuständig sind. Während die internationale Zuständigkeit im anglo-amerikanischen Rechtsraum im Einzelfall entschieden wird, ist sie im kontinentaleuropäischen 37 Zu Fragen des Nachweises von erforderlichen Tatsachen, die eine deliktische Haftung begründen, und anderen Beweisproblemen siehe Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen, S. 13 ff. mit weiteren Nachweisen; zur fehlenden Klagemöglichkeit für große Betroffenengruppen und einem hohen Kostenrisiko siehe Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen, S. 21 ff. und Deutsches Institut für Menschenrechte, National Baseline Assessment Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, S. 56; zu Fragen der Verjährung, deren Kürze unter Umständen nicht geeignet ist, den Zugang zum Recht auch in komplexen, international gelagerten, Fällen zu gewährleisten, siehe Deutsches Institut für Menschenrechte, National Baseline Assessment Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, S. 54. 38 International Law Association, The Hague Conference. International Civil Litigation and the Interests of the Public. Interim Report. Private International Law Aspects of Civil Litigation for Human Rights Violations, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen: „Private international law has, however, been somewhat overlooked. That is surprising for two reasons: First, much of the litigation waged in this area has been in the private international law arena. Thus while there are few judgments on the merits of claims brought in this area, private international law decisions are comparatively numerous, often of significant wider importance and frequently the product of prolonged appellate battles involving judgments of a State’s highest court […].“
78 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Rechtsraum abstrakt geregelt. Zu einer Anwendung des Grundsatzes des forum non conveniens kommt es im letzteren Fall daher nicht.39 Grundsätzlich regelt jeder Staat die Frage der internationalen Zuständigkeit autonom. Im Kontext der Europäischen Union ist die Autonomie zur Festsetzung der internationalen Zuständigkeit von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union teilweise auf die Europäische Union übergegangen. In Zivil- und Handelssachen ist dies der Fall, soweit die Verordnung (EU) Nr. 1215/201240 (Brüssel Ia VO) Anwendung findet. Die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten ergibt sich somit zum Teil aus der Brüssel Ia VO, zum Teil – soweit der Anwendungsbereich der Brüssel Ia VO nicht eröffnet ist – aus dem deutschen Zivilprozessrecht. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für transnationale Mutterunternehmen und belieferte Unternehmen zu begründen, bereitet nach der Brüssel Ia VO keine besonderen Schwierigkeiten. Aus Artikel 4 Brüssel Ia VO ergibt sich eine internationale Zuständigkeit für Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit. Nach Artikel 63 Brüssel Ia VO haben Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung der Brüssel Ia VO ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind demnach zuständig für Rechtsstreitigkeiten in Zivilsachen, soweit ein Unternehmen seinen Sitz, seine Hauptverwaltung oder seine Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Handelt es sich somit um ein Unternehmen, dass Sitz oder Gründungsort in Deutschland hat, ist die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten in Zivilsachen nach Artikel 4, 63 Brüssel Ia VO gegeben. Für Rechtsstreitigkeiten in Zivilsachen gegen transnationale Mutterunternehmen und belieferte Unternehmen mit Sitz oder Gründungsort in Deutschland besteht somit nach Artikel 4, 63 Brüssel Ia VO eine Zuständigkeit deutscher Gerichte. Infolge des Trennungsprinzips und der daraus resultierenden Notwendigkeit einer unabhängigen Begründung der internationalen Zuständigkeit heimatstaatlicher Vgl. EuGH, C-281/02, Owusu, Slg 2005, I-1383 ff., Rn. 38: „Die Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, die eines der Ziele des Brüsseler Übereinkommens darstellt […], wäre nicht in vollem Umfang gewährleistet, wenn einem nach diesem Übereinkommen zuständigen Gericht das Recht zugestanden werden müsste, die Einrede des Forum non conveniens anzuwenden.“; zu Schwierigkeiten infolge der Anwendung des Grundsatzes des forum non conveniens siehe CORE/ Leigh Day &. Co/The TUC u. a., Submission to the European Commission regarding Brussels I Regulation (EC 44/2001), Rn. 10: „[h]earings on this aspect [forum non conveniens] in Cape Plc. took three High Court, two Court of Appeal and two House of Lords hearings over a period of four years, during which time approximately 1,000 out of the 7,500 claimants died.“; Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 73 ff.; Avi-Yonah, in: Columbia Journal of Transnational Law 2003, S. 5 ff.; Choudhury, Beyond the Alien Tort Claims Act: Alternative Approaches to Attributing Liability to Corporations for Extraterritorial Abuses. 40 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 351, S. 1. 39
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland79 Gerichte für transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe,41 lässt sich hinsichtlich transnationaler Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe mangels Sitz und Gründungsort in Deutschland eine internationale Zuständigkeit heimatstaatlicher Gerichte nicht über die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten nach Artikel 4, 63 Brüssel Ia VO gegeben begründen.42 Eine Zuständigkeit könnte nach Artikel 6 Absatz 1 Brüssel Ia VO in Verbindung mit den eigenen Gesetzen der Mitgliedstaaten in Betracht kommen. Die niederländische Zivilprozessordnung beispielsweise kennt einen allgemeinen Gerichtsstand für Streitgenossen. Ein solcher wurde bereits erfolgreich Teil einer zivilrechtlichen Klage vor dem Court of the Hague.43 Die Klage gegen das Mutterunternehmen ließ sich dadurch zuständigkeitsbegründend mit einer Klage gegen das Tochterunternehmen verbinden.44 Das deutsche Zivilprozessrecht kennt einen allgemeinen Gerichtsstand für Streitgenossen jedoch nicht.45 Auch eine Zuständigkeitsbegründung nach Artikel 6 Absatz 1 Brüssel Ia VO in Verbindung mit anderen Vorschriften der deutschen Zivilprozessordnung kommt nicht in Betracht. Inbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO, dem besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, nicht vor.46 Diskutiert wurde vor diesem Hintergrund – de lege ferenda – eine Ausweitung der Zuständigkeit heimatstaatlicher Gerichte für transnationale Tochterunternehmen Vgl. zur Auswirkung des Trennungsprinzips auf Fragen des internationalen Privatrechts auch International Law Association, The Hague Conference. International Civil Litigation and the Interests of the Public. Interim Report. Private International Law Aspects of Civil Litigation for Human Rights Violations, Rn. 38. 42 Vgl. auch University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 235, 210: „[…] victims of human rights and environmental abuses will often be barred from seeking redress from a third‐country subsidiary of a European corporation in an EU Member State court.“ 43 Nach § 7 des niederländischen Zivilprozessrecht besteht ein allgemeiner Gerichtsstand für Streitgenossen, vgl. Court of the Hague, Oguru, Elfanga, Vereniging Milieudefensie v Royal Dutch Shellplc, Shell Petroleum Development Company of Nigeria Ltd., Case number 330891/HA ZA 09-579 Judgment in motion contesting jurisdiction of 30.12.2009, abrufbar unter http://milieudefensie.nl/publicaties/bezwaren-uitspraken/judgment-courtcase-shell-in-jurisdiction-motionoruma (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), S. 4, Rn. 3.4.; siehe auch University of Edinburgh/ Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 213: „[…] a subsidiary domiciled in a third country may be sued together with the European parent corporation (e.g. as a joint defendant) if it can be considered a necessary or proper party to the claim.“ 44 Letztlich dennoch in der Sache abweisendes Urteil, siehe Court of the Hague, Oguru, Elfanga, Vereniging Milieudefensie v Royal Dutch Shellplc, Shell Petroleum Development Company of Nigeria Ltd., Case number 330891/HA ZA 09-579, Judgment of 14 September 2011, abrufbar unter http://milieudefensie.nl/publicaties/bezwaren-uitspraken/judgement-exhibition-fidelis-a.oguru (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 45 Molitoris/Abt, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for: Germany, S. 13. 46 Hierzu Molitoris/Abt, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for: Germany, S. 8. 41
80 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen und Zulieferbetriebe, demnach Unternehmen mit Sitz oder Gründungsort im Ausland.47 Im Rahmen der Neuregelung der Brüssel VO 2012 wurde auch eine Notzuständigkeit (forum necessitatis) diskutiert.48 Danach wird die Zuständigkeit in Ausnahmefällen begründet, obwohl nach den Regeln der Brüssel Ia VO bzw. ZPO eine Zuständigkeit der heimatstaatlichen Gerichte nicht gegeben wäre. Anders als in Deutschland49 besteht in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein solcher Gerichtsstand der Notzuständigkeit.50 Von der Einführung einer solchen Notzuständigkeit wurde in der Neufassung der Brüssel Ia VO 2012 Abstand genommen.51 b. Anwendbares Recht Anschließend an die Zuständigkeit deutscher Gerichte ist die Frage zu klären, nach welchem Recht eine zivilrechtliche Haftung von Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen zu beantworten ist. Handelt es sich um außervertragliche Schuldverhältnisse wie sie im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftung von University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 235: „This would enable victims of corporate human rights and environmental abuses committed by subsidiaries of European corporations domiciled in third countries to seek civil redress from these subsidiaries in the EU Member State courts. It would also ensure a consistent practice across the European Union as regards defendants not domiciled in EU Member States, and reduce forum shopping.“; European Coalition for Corporate Justice, Principles and pathways: Legal opportunities to improve Europe’s corporate accountability framework, S. 14 f.: „Given the complexity of MNEs’ structure and decision-making processes and the impeding effects of principles of separate legal personality and limited liability, such possibility would significantly improve victims’ position.“ 48 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 235: „It could also be considered to create additional grounds of jurisdiction, including forum necessitatis as proposed by the Dutch and the Spanish contributions to the consultation process.“; in Anlehnung an diese Studie auch European Coalition for Corporate Justice, Principles and pathways: Legal opportunities to improve Europe’s corporate accountability framework, S. 15. 49 Vgl. zum Gerichtsstand des forum necessitatis in Deutschland Molitoris/Abt, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for: Germany, S. 15, 22. 50 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 212: „Ten Member States, including Belgium and the Netherlands, provide for civil jurisdiction over non‐EU defendants on the basis that there is no other forum available abroad.“; ebenso Verordnung (EG) 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, Artikel 7. 51 Vgl. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20.11.2012 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) (COM(2010)0748 – C7-0433/2010 – 2010(0383(COD)). 47
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland81 Unternehmen über das Deliktsrecht geltend gemacht werden, so finden sich innerhalb der Europäischen Union Regelungen zum Kollisionsrecht in der Verordnung (EG) Nr. 864/200752 (Rom II VO). Ein Rückgriff auf das Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union scheidet nach Artikel 3 Rom II VO – mit dem Zeitpunkt des Beginns der Anwendung zum 11.01.2009 – aus. Die Anwendung allein der Rom II VO und nicht der Verordnung (EG) Nr. 593/200853 (Rom I VO) erklärt sich vor folgendem Hintergrund. Die Rom I VO findet auf vertragliche Schuldverhältnisse Anwendung.54 Infolge des Bestehens verschiedener Unternehmenseinheiten und aufgrund der bereits beschriebenen rechtlichen Selbstständigkeit verschiedenen Unternehmenseinheiten folgt im Hinblick auf die verschiedenen Adressatenkreise (Mutterunternehmen und belieferte Unternehmen einerseits und transnationale Tochterunternehmen sowie Zulieferbetriebe andererseits), dass allein zwischen den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben im Gaststaat ein direktes Arbeitsvertragsverhältnis besteht.55 Eine vertragliche Haftung transnationaler Mutterunternehmen und nicht gesellschaftsrechtlich verbundener, belieferter Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe schiedet somit nach dem gegenwärtigen Stand des Rechts aus. Dies begründet den Fokus auf deliktische Klagen und die Anwendung allein der Rom II VO. Im Gegensatz zur Anwendung der law of nations nach dem ATCA enthält die Rom II VO keinen Verweis auf die Anwendung internationaler Normen im Falle grenzüberschreitender Sachverhalte, um eine Rechts(guts)verletzung festzustellen und eine Haftung zu begründen. Nach der Rom II VO kommt einerseits die Anwendung von Haftungsnormen nach dem Recht der Heimatstaaten, hier nach deutschem Recht, und andererseits die Anwendung der Rechtsordnung des Gaststaates in Betracht. aa. Regelfall: Anwendung des gaststaatlichen Rechts nach Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO Da vorrangige Sonderkollisionsnormen nach Artikel 5 bis 9 Rom II VO nicht einschlägig sind und auch eine Rechtswahl nach Artikel 14 Absatz 1 Rom II VO in den beschriebenen Konstellationen nicht nachträglich vereinbart wird, stellt die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, Abl. L 199, S. 40 ff. 53 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, Abl. L 177, S. 6 ff. 54 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 218: „The Rome I Regulation is relevant whenever corporate human rights and environmental abuses stem from violations of contractual obligations of the European parent corporation or a third‐country subsidiary.“ 55 Birk, in: Zur Problematik multinationaler Unternehmen, S. 46. 52
82 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen allgemeine Regel des Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO den ersten kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkt dar. Als allgemeine Regel beschränkt Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO den Tatort (lex loci delicti commissi) auf den Ort, an dem der Schaden entstanden ist (Eintritt einer Rechtsverletzung), und somit auf den Erfolgsort (lex loci damni). Der Ort, an dem der Schaden entstanden ist, ist in den beschriebenen Fällen der Gaststaat. Damit kommt es in der Regel zu einer Anwendung des Rechts des Gaststaates. Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO stellt eine Abkehr vom deutschen Kollisionsrecht dar. Vor dem Inkrafttreten der Rom II VO 2009 galt nach deutschem Kollisionsrecht das Ubiquitätsprinzip. Danach konnte gemäß Artikel 40 Absatz 1 EGBGB im Fall einer unerlaubten Handlung sowohl an den Erfolgsort als auch an den Ort der ursächlichen Handlung (Handlungsort) angeknüpft werden. Eine solche Regelung findet sich in der Rom II VO allein in Artikel 7, wonach auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Umweltschädigung alternativ zum Recht des Ortes, an dem der Schaden entstanden ist, auch das Recht des Staates zur Anwendung kommen kann, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist. Im Hinblick auf die oben beschriebenen Sachverhalte, insbesondere die Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen, kann Artikel 7 Rom II VO indes nur fruchtbar gemacht, wenn neben eine Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen auch Umweltschädigungen treten. Erst dann eröffnet Artikel 7 Rom II VO eine Wahlmöglichkeit und ermöglicht eine Anwendung des deutschen Rechts.56 Im Übrigen bleibt es bei einer Anwendung des Rechts des Gaststaates nach Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO. In diesem Sinne kam das Gericht in der Rechtssache gegen Royal Dutch Shell Plc. und die Tochter Shell Petroleum Development Company of Nigeria zu dem Ergebnis, seiner Entscheidung das Recht des Gaststaates Nigeria und das English common law zugrundezulegen.57 Auch in der Klage gegen das Unternehmen KiK aufgrund des Brandes 2012 in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karachi (Pakistan) holt das Landgericht Dortmund in der Hauptsache ein schriftliches Rechtsgutachten zum pakistanischen Recht ein.58 Das Rechtsgutachten soll klären, ob und Grabosch/Scheper, Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen. Politische und rechtliche Gestaltungsansätze, S. 36. 57 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwarenuitspraken/final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 4.9 ff.: „[…] the claims in the main action must be substantively assessed under Nigerian law, more in particular the law that applies in Akwa Ibom State, where these two oil spills occurred. […] In addition, in its conclusion of Nigerian law, the District Court consulted English common law literature, including handbooks regarding the specific torts […] After all, Nigerian law is a common law system that is based on English law.“ 58 Landgericht Dortmund, Pressemitteilung vom 30.08.2016, abrufbar unter http://www.lgdortmund.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/PM-KiK_docx.pdf (zuletzt aufrufen am 10.08.2017); zur Klage siehe unten unter Teil II, Kapitel 7, II. 3. 56
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland83 unter welchen genauen Anspruchsvoraussetzungen nach pakistanischem Recht eine Haftung der Beklagten gegenüber den Klägern gegeben sein könnte und welche Partei die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen habe.59 Eine Anwendung des Rechts der Gasstaaten ist nicht per se negativ zu bewerten. Denn in den meisten Rechtsordnungen findet sich – wenn auch unterschiedlich ausgestaltet – eine Form der deliktischen Haftung.60 Eine Anwendung des Rechts der Gasstaaten vor heimatstaatlichen Gerichten kann durchaus eine deliktische Haftung von transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben vor Gerichten der Heimatstaaten begründen – vorausgesetzt eine Zuständigkeit ist vorhanden.61 Zum Problem wird eine solche Anwendung aber dann, wenn es um eine Haftung auch oder allein von transnationalen Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen gehen soll. Eine Haftung wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten oder Kontrollpflichten könnte, wenn sie durch das Recht des Gaststaates erfolgt, eine extraterritoriale Regulierung darstellen. Um eine Form extraterritorialer Rechtsetzung und -anwendung handelt es sich bei der unmittelbaren Regulierung eines Sachverhaltes außerhalb des eigenen Territoriums. Knüpft die Regulierung des Gaststaates an ein Verhalten transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen im Heimatstaat an, dann wird unmittelbar ein Sachverhalt außerhalb des eigenen Territoriums reguliert. Stellt man für die Ausübung der Sorgfaltspflichten transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen auf ein Verhalten im Heimatstaat ab, läge demnach eine Form extraterritorialer Regulierung vor. Die Zulässigkeit extraterritorialer Regulierung ist an Voraussetzungen geknüpft.62 Denn aus der Zuständigkeit der Staaten für die Regulierung auf ihrem eigenen Territorium ergibt sich im Umkehrschluss auch die Beschränkung der Zuständigkeit, 59 Landgericht Dortmund, Pressemitteilung vom 30.08.2016, abrufbar unter http://www.lgdortmund.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/PM-KiK_docx.pdf (zuletzt aufrufen am 10.08.2017). 60 International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 10: „In every jurisdiction, despite differences in terminology and approach, an actor can be held liable under the law of civil remedies if through negligent or intentional conduct it causes harm to someone else.“ (mit weiteren Nachweisen, Fn. 16.). 61 Siehe hierzu Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/ Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwaren-uitspraken/final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 5.1. „[…] renders a declaratory judgment to the effect that under Nigerian law, SPDC [Shell Petroleum Development Company of Nigeria] committed a specific tort of negligence against Akpan […] and orders SPDC to compensate Akpan for the damage he suffered as a result, to be assessed by the court and to be settled in conformance with the law […].“ 62 Von Arnauld, Völkerrecht, S. 344 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht; Deva, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 47 („only permitted on limited grounds“); De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations.
84 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen allein auf dem eigenen Territorium Recht zu setzen.63 Als Grenze der grundsätzlichen Regelungsfreiheit der Staaten wird überwiegend ein Anknüpfungspunkt für Regulierung gefordert, wenn die Regulierung das eigene Territorium überschreitet.64 Einen anerkannten Anknüpfungspunkt für extraterritoriale Jurisdiktion stellt das Personalitätsprinzip dar. Erfasst sind vom aktiven Personalitätsprinzip diejenigen Unternehmenseinheiten, die dem Gaststaat personell zuzuordnen sind, sodass in Bezug auf diese Unternehmenseinheiten extraterritoriale Rechtsetzung und Rechtsanwendung völkerrechtlich zulässig ist. Die extraterritoriale Regulierung „fremder“ transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen ist nach dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts unzulässig. In diesem Fall kann sich eine Anwendung des Rechts des Gaststaates als problematisch erweisen, da es an einer entsprechenden Rechtslage – der Haftung von Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen durch ihre transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe – fehlt. Demnach ist die Regelung einer zivilrechtlichen Haftung von Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen aufgrund einer Verletzung von Sorgfaltspflichten oder eines Durchgriffs grundsätzlich durch das Recht der Gaststaaten nicht möglich. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Möglichkeit einer Anwendung des Rechts der Heimatstaaten zu eröffnen. Dies stützt die Annahme das Recht der Heimatstaaten als vorzugswürdig anzusehen.65 Ein anderes Ergebnis legt die oben genannte Entscheidung des Court of the Haugue nahe. Danach ließe sich jedenfalls grundsätzlich nach dem Recht des Gaststaates Nigeria (dort unter Bezugnahme auf die Rechtssache Chandler v. Cape) eine Haftung des Mutterunternehmens für das Tochterunternehmen begründen.66 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 316 ff.; Stein/Buttlar, Völkerrecht, Rn. 601 ff. Schmalenbach, in: Archiv des Völkerrechts 2001, S. 73; Deva, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 47; Chirwa, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 9 („sufficient nexus“). 65 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 25 ff., Rn. 188 ff. mit Verweis auf Möglichkeiten der Haftung in den EU-Mitgliedstaaten; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 129; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 1; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 199; Skinner, Parent Company Accountability. Ensuring Justice for Human Rights Violations, S. 10; differenzierend Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 14 ff. 66 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwarenuitspraken/final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 4.3: „[…] because beforehand it could be defended that under certain circumstances, based on Nigerian law, the parent company of a subsidiary may be liable based on the tort of negligence against people who suffered damage as a result of the activities of that (sub-) subsidiary. After all, this is demonstrated by the decision in Chandler v. Cape still to be discussed below.“ 63 64
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland85 Allerdings ist zu beachten, dass es sich in der Rechtssache Chandler v. Cape gerade nicht um einen transnationalen Sachverhalt handelte. In der Rechtssache Chandler v Cape Plc. hatte das Tochterunternehmen von Cape Plc. ebenfalls seinen Sitz im Vereinigten Königreich. Zum anderen wurde in der Entscheidung des Court of the Haugue eine entsprechende Sorgfaltspflicht in der Sache gegen das Mutterunternehmen Royal Dutch Shell Plc. abgelehnt.67 Die Entscheidung des Landgerichts Dortmund in der Sache gegen KiK bleibt abzuwarten. Ein Rechtsgutachten soll hier klären, ob und unter welchen Anspruchsvoraussetzungen nach pakistanischem Recht eine Haftung der Beklagten gegenüber den Klägern gegeben sein könnte.68 bb. Ausnahme: Anwendung des heimatstaatlichen Rechts Abweichend von Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO sieht die Rom II VO verschiedene Möglichkeiten vor, zu einer Anwendung der lex fori, dem Recht der Heimatstaaten, zu kommen. (1) Artikel 4 Absatz 3 Satz 1 Rom II VO Nach Artikel 4 Absatz 3 Satz 1 Rom II VO findet das Recht eines anderen Staates Anwendung, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat besteht. Dies könnte die Anwendung des Rechts des Heimatstaates begründen. Notwendig für diese Abweichung und damit eine Anwendung deutschen Rechts wäre, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände eine engere Verbindung zum Heimatstaat der Mutterunternehmen ergibt. Nach Artikel 4 Absatz 3 Satz 2 Rom II VO kann sich eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Wird die Haftung transnationaler Mutterunternehmen geltend gemacht, müsste ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis – wie ein Vertrag – zwischen Mutterunternehmen und den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegeben sein, um eine engere Verbindung mit dem Heimatstaat im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 Satz 2 Rom II VO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht indes 67 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwarenuitspraken/final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 4.29: „[…] The District Court believes that in the case at issue, it is far less quickly fair, just and reasonable than it was in Chandler v Cape to assume that such a duty of care on the part of RDS exists.“ 68 Landgericht Dortmund, Pressemitteilung vom 30.08.2016, abrufbar unter http://www.lgdortmund.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/PM-KiK_docx.pdf (zuletzt aufrufen am 10.08.2017).
86 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen zwischen Mutterunternehmen und den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gerade nicht.69 Der Begriff der „Parteien“ in Artikel 4 Absatz 3 Satz 2 Rom II VO umfasst vielmehr auf der einen Seite die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und auf der anderen Seite die Person, die geschädigt wurde. Es geht somit um ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen den Deliktsbeteiligten.70 Wird eine Haftung transnationaler Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe geltend gemacht, bestünde zwar ein Rechtsverhältnis – ein Arbeitsvertrag – zwischen transnationalem Tochterunternehmen und Zulieferbetrieb und den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Indes wird dieses Arbeitsverhältnis im Gaststaat begründet und ausgeführt, sodass sich über ein solches Arbeitsverhältnis keine offensichtlich engere Verbindung zum Heimatstaat herstellen lässt. Folglich ist auch nach Artikel 4 Absatz 3 Rom II VO das anwendbare Recht in der Regel das Recht des Gaststaates.71 (2) Sicherheits- und Verhaltensregeln nach Artikel 17 Rom II VO Unabhängig von Artikel 4 Rom II VO sind nach Artikel 17 Rom II VO bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen, die am Ort und zum Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft sind. Artikel 17 Rom II VO stellt dementsprechend eine Einschränkung der allgemeinen Regel nach Artikel 4 Rom II VO dar. Die Anwendung von Artikel 17 Rom II VO führt zu einer Berücksichtigung des gegebenenfalls verdrängten ausländischen Rechts neben dem nach Artikel 4 Rom II VO ermittelten materiellen Recht. Bei der Anwendung des Artikel 17 Rom II VO geht es vor allem um jene Konstellation, in dem das Deliktsstatut zur Anwendung kommt, das nicht das am Erfolgsort geltende Recht ist, hier das heimatstaatliche Deliktsstatut. Dann führt die Anwendung von Artikel 17 Rom II VO dazu, dass es dennoch zu einer Berücksichtigung der am Erfolgsort, dem Gaststaat, geltenden Verkehrs- und Sicherheitsvorschriften kommt.72 Dass es bei Artikel 17 Rom II VO auf Sicherheits- und Verhaltensregeln des Gaststaates ankommt, in dem die schädigende Handlung begangen wurde, lässt sich auch aus Erwägungsgrund 34 der Siehe hierzu Fallbeispiele oben Teil I, Kapitel 3. Unberath/Cziupka, in: Rauscher (Hrsg.), EuZPR/EuIPR Kommentar, Artikel 4 Rom II VO, Rn. 90 ff.; zu „tatsächlichen Beziehungen“ siehe Unberath/Cziupka, in: Rauscher (Hrsg.), EuZPR/ EuIPR Kommentar, Artikel 4 Rom II VO, Rn. 114 f. 71 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 215; International Law Association, The Hague Conference. International Civil Litigation and the Interests of the Public. Interim Report. Private International Law Aspects of Civil Litigation for Human Rights Violations, Rn. 58: „Even if jurisdiction is established in, for instance, the ‚home state‘ of the corporation, the applicable law is liable to be that of the ‚host state‘ in which the corporation caused damage and the claimant lives.“ 72 Calliess, in: Calliess (Hrsg.), Rome regulations, Artikel 17, Rn. 1. 69 70
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland87 Rom II VO schließen. Nach Erwägungsgrund 34 müssen, soweit dies angemessen ist, die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Staates, in dem die schädigende Handlung begangen wurde, selbst dann beachtet werden, wenn auf das außervertragliche Schuldverhältnis das Recht eines anderen Staates anzuwenden ist. Aus dieser Perspektive führt Artikel 17 Rom II VO nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Sinn und Zweck des Artikel 17 Rom II VO sprechen somit gerade nicht für eine Möglichkeit, eine Anwendung der Sicherheits- und Verhaltensregeln des Heimatstaates zu begründen. Es bleibt bei der Anwendung des Rechts des Gaststaates.73 (3) Gründe des öffentlichen Interesses Neben Artikel 4 Absatz 3 und Artikel 17 Rom II VO enthält die Rom II VO weitere Ausnahmen zur Anwendung der lex loci damni nach Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO. Nach Erwägungsgrund 32 der Rom II VO rechtfertigen Gründe des öffentlichen Interesses, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten unter außergewöhnlichen Umständen die Vorbehaltsklausel (ordre public) und Eingriffsnormen, mithin nationales Recht der Heimatstaaten, anwenden können.74 Eingriffsnormen nach Artikel 16 Rom II VO Artikel 16 Rom II VO regelt den Vorrang bestimmter Normen (Eingriffsnormen) vor dem nach den übrigen Vorschriften der Rom II VO anwendbaren Recht.75 Nach Artikel 16 Rom II VO finden Eingriffsnormen des heimatstaatlichen Rechts auch dann Anwendung, wenn nach der allgemeinen Regel des Artikel 4 Rom II VO das Recht des Gaststaates anwendbar wäre. Artikel 16 Rom II VO ermöglicht dann die Anknüpfung an nationale Vorschriften, deren Einhaltung so wesentlich für die Wahrung der stattlichen Ordnung des jeweiligen Staates ist, dass die Beachtung für jeden vorgeschrieben ist, der sich in diesem Staat befindet. Im Arbeitsrecht finden sich einige Normen, die als Eingriffsnormen qualifizieren. Darunter fallen Vorschriften zur Massenentlassung sowie Vorschriften zum Kündigungs- und Entgeltschutz zugunsten von Schwangeren und Müttern.76 Vorliegend wäre jedoch erforderlich und entscheidend, Eingriffsnormen zu benennen, die im Bereich außervertraglicher Schuldverhältnisse eine materiell-rechtliche Haftung von Mutterunternehmen wegen der Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher 73 Anders vgl. Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 8, die über die Anwendung des Artikel 17 Rom II VO zu einer Berücksichtigung des verdrängten heimatsstaatlichen Rechts kommt. 74 Siehe hierzu auch University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 223: „A number of EU Member State mandatory provisions protect human rights, in particular labour rights.“ 75 Jakob/Picht, in: Rauscher (Hrsg.), EuZPR/EuIPR Kommentar, Artikel 16 Rom II VO, Rn. 1. 76 Vgl. Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Artikel 9 Eingriffsnormen, Rn. 22 ff.
88 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Normen begründen könnten.77 Solche finden sich im außervertraglichen Bereich bisher nicht. Gerade eine gesetzlich geregelte Sorgfaltspflicht zum Schutz von Menschenrechten könnte indes Eingriffsnormcharakter zugesprochen werden. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Eingriffsnormcharakter in der Norm explizit festgehalten werden würde. In diesem Sinne sieht der oben dargestellte Gesetzgebungsvorschlag über die unternehmerische Sorgfaltspflicht zum Schutz der Menschenrechte (Menschenrechtsbezogene Sorgfaltspflichten-Gesetz – MSorgfaltsG)78 in § 15 MSorgfaltsG) eine entsprechend ausdrückliche Regelung vor.79 Ordre Public nach Artikel 26 Rom II VO Nach Artikel 26 Rom II VO kann die Anwendung einer Vorschrift versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.80 Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union legen dabei nach wie vor autonom fest, welche Vorschriften zum Kreis ihrer nationalen öffentlichen Ordnung zählen. Ob Artikel 26 Rom II VO in der Konsequenz dazu führt, dass es infolge einer Ablehnung der Anwendung fremder Normen zu einer Anwendung der lex fori kommt81 oder das Gericht die Klage ohne Entscheidung abweist, ist umstritten.82 Der ordre public–Vorbehalt findet nur „unter außergewöhnlichen Umständen“83 Anwendung. Da der Generalvorbehalt des ordre public auf europäischer Ebene nicht geregelt ist, könnten die Mitgliedstaaten sich auf das vor dem Inkrafttreten der Rom II VO geltende Kollisionsrecht beziehen.84 77 Zu den materiell-rechtlichen Unklarheiten im Kontext der Anwendung von Eingriffsnormen zur Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen siehe Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 9. 78 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 1 ff. 79 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 41 (§ 15 Zivilrechtliche Haftung, Eingriffsnorm): „Im Rahmen außervertraglicher Haftungsansprüche regeln die Pflichten aus §§ 5 bis 11 die zu beachtenden Sorgfaltsanforderungen zwingend und ohne Rücksicht auf das nach internationalem Privatrecht für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht.“ 80 Hein, in: Calliess (Hrsg.), Rome regulations, Artikel 26 Rom II VO, Rn. 25; Unberath/Cziupka, in: Rauscher (Hrsg.), EuZPR/EuIPR Kommentar, Artikel 26 Rom II VO, Rn. 1 ff. 81 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf Ausservertragliche schuldverhältnisse Anzuwendende Recht, KOM(2003) 427 endgültig, Artikel 22 Rom II VO, S. 31: „Mit Hilfe des Ordre-public-Vorbehalts kann das Gericht die Anwendung des nach der Kollisionsnorm maßgebenden fremden Rechts versagen und an seiner Stelle die lex fori anwenden, wenn die Anwendung des fremden Rechts die öffentliche Ordnung am Ort des Gerichtsstands verletzen würde.“ 82 Hein, in: Calliess (Hrsg.), Rome regulations, Artikel 26 Rom II VO, Rn. 25. 83 Erwägungsgrund 32 der Rom II VO. 84 Hein, in: Calliess (Hrsg.), Rome regulations, Artikel 26 Rom II VO, Rn. 25.
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland89 In welchen Fällen aber das Eingreifen des ordre public denkbar ist, ist im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte kaum diskutiert. Rechtsfolge einer Anwendung des ordre public wäre unter Nichtanwendung der betreffenden Norm eine Lückenschließung durch die lex causae und sekundär durch die lex fori.85 In der zitierten Entscheidung des niederländischen Court of the Hague gegen Royal Dutch Shell Plc. und Shell Petroleum Development Company of Nigeria kam es zu einer – wenn auch kurzen – Bezugnahme auf den ordre public-Vorbehalt. Dort hieß es, dass „Nigerian law is not applied if the application of this law in this specific case would be manifestly incompatible with Dutch public order. […] However, it has been insufficiently submitted or demonstrated that those exceptions occur in the case at issue.“86 2. Materiell-rechtliche Ausgestaltung der Unternehmenshaftung im deutschen Deliktsrecht Käme es zu einer Anwendung des deutschen Rechts, stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung der Unternehmenshaftung im deutschen Recht, hier dem deutschen Deliktsrecht. Traditionell geht das Deliktsrecht des BGB von einer unmittelbaren Rechtsgutverletzung durch natürliche Personen aus.87 Die unmittelbare Rechtsgutsverletzung durch eine natürliche Person ist erst durch mehrere Zwischenschritte mit dem Mutterunternehmen verbunden. Der erste Schritt führt von der unmittelbaren Rechtsgutsverletzung durch eine natürliche Person über leitende Angestellte, ggf. den Vorstand bzw. Geschäftsführer des Tochterunternehmens bzw. Zulieferbetriebes, zum transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieb, und erst dann zum transnationalen Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen. Im Fall der Kinderarbeit auf den malawischen Tabakfeldern beispielsweise wäre dies die Kinderarbeit unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen durch andere leitende Angestellte oder die Betreiber groß angelegter Plantagen. Der zweite Schritt ist der von den leitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Betreibern der Plantagen zu den Tochterunternehmen bzw. Zulieferbetrieben, den Aufbereitungsunternehmen. Die Hauptabnehmer der Aufbereitungsunternehmen, Unternehmen wie Philip Morris International Inc. oder British American Tobacco Plc., wären frühestens in Unberath/Cziupka, in: Rauscher (Hrsg.), EuZPR/EuIPR Kommentar, Artikel 26 Rom II VO, Rn. 28. 86 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwarenuitspraken/final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 4.9. 87 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 75. 85
90 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen einem dritten Schritt einbezogen. Wie bereits ausgeführt geht es im Folgenden nicht um die Haftung leitender Angestellter bzw. Vorstände oder Geschäftsführer selbst (Individualhaftung).88 Es geht vielmehr um die Haftung von Mutterunternehmen in Form der Unternehmenshaftung. Mitnichten liegt somit ein Fall der unmittelbaren Rechtsverletzung durch eine natürliche Person vor, der der Grundkonzeption des BGB Deliktsrechts entspricht. Für Unternehmen hält das BGB die Geschäftsherrnhaftung nach § 831 Absatz 1 BGB einerseits und die Organhaftung nach §§ 823 Absatz 1, 31 (analog) BGB andererseits bereit. Eine weitere Möglichkeit der Haftung von Unternehmen ist die spezialgesetzlich geregelte Gefährdungshaftung. Hinzu kommt die Unternehmenshaftung aus § 823 Absatz 1 BGB wegen der Verletzung allgemeiner Verkehrspflichten in Form von Organisationspflichten. Ein weiteres für die Unternehmenshaftung relevantes Haftungsmodell ist der Durchgriff. Da im Folgenden die Unternehmenshaftung wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten sowie der Durchgriff ausführlich diskutiert werden, sei hier kurz ausgeführt, aus welchen Gründen die übrigen Haftungsmodelle – die Geschäftsherrnhaftung, die Organhaftung und die Gefährdungshaftung – im Hintergrund stehen. Das Deliktsrechts geht für die Begründung einer Haftung von einem eigenen Handeln aus. Für die juristische Person handeln ihre Organe. Nach §§ 823 Absatz 1, 31 BGB haftet die juristische Person verschuldensunabhängig für schuldhafte unerlaubte Handlungen ihrer Organe.89 § 31 BGB stellt damit eine Ausnahme vom grundsätzlich im Deliktsrecht geltenden Verschuldensprinzip dar.90 § 31 BGB ist zumindest analog auf sämtliche juristische Personen des Privatrechts anwendbar.91 Trotz seiner weiten Auslegung sind Organe einer juristische Person im Sinne von § 31 BGB allein der Vorstand, Vorstandsmitglieder und verfassungsmäßig berufene besondere Vertreter, weisungsbefugte externe Personen und „sonstige Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, sodass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren.“92 Nicht erfasst werden von § 31 BGB und einer möglichen Organhaftung nach §§ 823 Absatz 1, 31 BGB damit selbständige Tochterunternehmen oder gar Zulieferbetriebe. Die Gefährdungshaftung ist eine nach Inkrafttreten des BGB hinzugekommene Möglichkeit der Haftung von Unternehmen. Die Gefährdungshaftung ist eine Folge Zur Unternehmenshaftung und ihrer Abgrenzung zur Individualhaftung im Allgemeinen ausführlich Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 117 ff. 89 Vgl. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 119. 90 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 119. 91 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 119; Reuter, in: Münchener Kommentar zum zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 31 BGB, Rn. 11. 92 Reuter, in: Münchener Kommentar zum zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 31 BGB, Rn. 20; für Einzelfälle -Weick, in: Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 31 BGB Rn. 51 ff.; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 20 ff. 88
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland91 technisch-industrieller Risiken und begründet eine Einstandspflicht für grundsätzlich nicht voll beherrschbare technische Betriebsrisiken.93 Adressaten der Gefährdungshaftung sind daher vor allem auch Unternehmen.94 Die Gefährdungshaftung stellt wie § 31 BGB eine Ausnahme von dem Grundsatz des Verschuldens dar und begründet eine Haftung ohne ein schuldhaftes Handeln aufgrund eines gefährdenden Verhaltens. Die Gefährdungshaftung ist spezialgesetzlich geregelt.95 In Betracht kommt eine Gefährdungshaftung de lege lata daher bei Gefährdungen durch Produkte nach dem ProdHaftG oder für den Betrieb von Anlagen nach dem UmweltHG.96 Eine spezialgesetzlich geregelte Gefährdungshaftung im Kontext einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen generell besteht nicht. Im Hinblick auf die Geschäftsherrnhaftung sind zwei Aspekte hervorzuheben, die jedenfalls für den deutschen Rechtsraum erklären, weshalb die Geschäftsherrnhaftung wenig Bedeutung für eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen hat.97 Zum einen ist die Haftung nach § 831 Absatz 1 BGB de lege lata auf weisungsabhängige Gehilfen beschränkt. Klassischer Gehilfe ist die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer. Entscheidend ist daher die Frage, inwieweit transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe das Kriterium eines Verrichtungsgehilfen erfüllen. Zu differenzieren ist hier hinsichtlich der transnationalen Lieferkette und dem transnationalen Unternehmen. Innerhalb der transnationalen Lieferkette handelt es sich bei einem Zulieferbetrieb gegenüber einem nicht gesellschaftsrechtlich Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 19, 137 ff. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 137. 95 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 138, mit Aufzählung der Spezialgesetzgebung in verschiedenen Industriebereichen: § 25 Preuß. Eisenbahngesetz bzw. § 1 RHPflG, Kraftfahrzeuggesetz, Luftverkehrsgesetz, Sachschadenhaftpflichtgesetz, Wasserhaushaltsgesetz, Atomgesetz, Arzneimittelgesetz, Produkthaftungsgesetz, Umwelthaftungsgesetz und Gentechnikgesetz. 96 Ossenbühl, Umweltgefährdungshaftung im Konzern, S. 31 ff. 97 Auch im Common Law ist die Geschäftsherrnhaftung bekannt. Im Gegensatz zur Geschäftsherrnhaftung nach § 831 Absatz 1 BGB kennt das Common Law sogar eine strikte Haftung („vicarious liability/agency“) des Geschäftsherrn ohne eigenes Verschulden für die Delikte seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vgl. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 124 ff., 141; indes fallen auch nach dem Common Law unabhängige Subunternehmer („independent contractors“) nicht in den Anwendungsbereich der vicarious liability, siehe hierzu etwa Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 122. Die „vicarious liability/agency“ wurde auch mehrfach als Grundlage für eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen herangezogen, vgl. United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Doe v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 2002; United States District Court for the Northern District of California, Bowoto v. Chevron Texaco Corp., 312 F. Supp. 2d 1229, 2004; Superior Court of California, Bowoto v. Chevron Texaco Corp., S.F. Sup. Ct. No. CGC-03-417580, 2008; Court of Appeal, Adams v Cape Industries Plc., Ch 433, 1990. Eine Entscheidung aufgrund der „vicarious liability/agency“ ist in der Sache indes im Bereich der Verletzung von Menschenrechten nicht ergangen. Hintergrund ist dabei insbesondere das Erfordernis des „extreme level of control“; vgl. Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 132 ff.; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 223 ff.; Strasser, in: Connecticut Law Review 2005, S. 648 f.; Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 307. 93 94
92 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen verbundenen, belieferten Unternehmen um ein rechtlich selbstständiges Unternehmen, demgegenüber dem nicht gesellschaftsrechtlich verbundenen, belieferten Unternehmen kein Weisungsrecht zusteht, sodass Zulieferbetriebe keine weisungsabhängigen Gehilfen im Sinne des § 831 Absatz 1 BGB darstellen.98 Anders könnte sich dies innerhalb eines transnationalen Unternehmens darstellen. Soweit es sich bei einem transnationalen Tochterunternehmen um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt, steht den Gesellschaftern eines transnationalen Tochterunternehmens, welche zum Teil jedenfalls das transnationale Mutterunternehmen ist, ein Weisungsrecht zu (vgl. §§ 45, 46, 37 GmbHG). Denkbar ist ein Weisungsrecht gegenüber transnationalen Tochterunternehmen auch über einen Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG, sofern es sich bei transnationalen Tochterunternehmen um Aktiengesellschaften handelt. Schwieriger ist der Fall, wenn allein eine faktische Beherrschung vorliegt. Dann ist das transnationale Tochterunternehmen weisungsfrei. Von einem Weisungsrecht kann somit auch innerhalb transnationaler Unternehmen in der Regel nicht zwingend ausgegangen werden, sodass eine Geschäftsherrnhaftung de lege lata keine Haftung transnationaler Mutterunternehmen begründen kann. Zu dieser Problematik einer fehlenden Gehilfenstellung innerhalb transnationaler Unternehmen und der transnationalen Lieferkette zwischen den verschiedenen Unternehmenseinheiten kommt hinzu, dass infolge richterlicher Rechtsfortbildung inzwischen § 823 Absatz 1 BGB Haupttatbestand der Unternehmenshaftung geworden ist.99 Hier kommt die Unternehmenshaftung wegen allgemeinen Verkehrspflichten in Form von Organisationspflichten ins Spiel. a. Geschützte Rechtsgüter der unerlaubten Handlung Die deliktische Haftung nimmt ihren Ausgangspunkt grundsätzlich in der Verletzung geschützter Rechtsgüter.100 Anders als dies im Rahmen des ATCA der Fall ist,101 liegt herkömmlichen deliktischen Tatbeständen nicht eine Verletzung von Völker(gewohnheits)recht zugrunde, sondern die Verletzung eines nach dem Grundtatbestand geschützten Interesses. § 823 Absatz 1 BGB enthält einen beschränkten Enumerativtatbestand und nicht etwa eine deliktische Generalklausel oder ein System von Einzeldelikten.102 Geschützte Rechtsgüter der unerlaubten Handlung Auch nach den Principles of European Tort Law der European Group on Tort Law stellen selbständige Unternehmer grundsätzlich keine Hilfsperson dar, vgl. European Group on Tort Law, Principles of European Tort Law, Artikel 6:102 Absatz 2; auch nach Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 122, 177, findet keine Anwendung auf selbständige Subunternehmer statt. 99 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 133. 100 Vgl. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 13 f.; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16, Rn. 2 ff. 101 Siehe unten Teil II, Kapitel 7, einleitend. 102 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 13 f., der auch ausführt, dass und inwieweit sich Abweichungen in anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, aber auch im Common Law bestehen. 98
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland93 sind nach dem deliktischen Grundtatbestand – im deutschen Recht – Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und sonstige Rechte.103 Übertragen auf transnationale Menschenrechtsverletzungen bedeutet dies, dass internationale arbeitsrechtliche Normen als solche Rechtsgüter qualifiziert werden müssten. Es stellt sich daher im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen zunächst die grundlegende Frage, inwieweit Menschenrechte – und hier insbesondere internationale arbeitsrechtliche Normen – geschützte Rechtsgüter darstellen.104 Sofern die Verletzung internationaler arbeitsrechtlicher Normen mit der Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder einem sonstigen Recht einhergeht, kommt eine Anwendung von § 823 Absatz 1 BGB in Betracht; es kann also eine Verletzung geschützter Rechtsgüter angenommen werden.105 Auch wenn sich die Rechtsprechung von enumerativem Rechtsgüterschutz zu erweitertem Interessenschutz hin weg bewegt hat, bedarf die Annahme von internationalen arbeitsrechtlichen Normen als geschützte Rechtsgüter der Begründung, wenn sie nicht mit einer Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder einem sonstigen Recht einhergeht. Weder die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen noch die Abschaffung der Kinderarbeit, die Beseitigung der Zwangsarbeit oder auch das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf werden in § 823 Absatz 1 BGB explizit genannt. Möglich ist – je nach Fallgestaltung – bei dem Verbot der Kinderarbeit, dass diese mit einer Verletzung von Körper und Gesundheit einhergeht. Dasselbe kann in Bezug auf die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit zutreffen, wenn es zu Verschleppungen, Verschwindenlassen, gewaltsamen Übergriffen und ähnlichen Maßnahmen gegenüber Gewerkschaftern kommt. In Bezug auf die Vereinigungs- und Vgl. International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 4, 11: „[…] no matter what approach a specific legal system takes, in all jurisdictions the law of civil remedies can be invoked to remedy harm to life, liberty, dignity, physical and mental integrity and property.“; siehe auch European Group on Tort Law, Principles of European Tort Law, Artikel 2:102 Absatz 2: „Leben, körperliche und geistige Unversehrtheit, Menschenwürde und Freiheit genießen den weitestgehenden Schutz.“ 104 Torres, in: Columbia Journal of Law and Social Problems 2004, S. 447 ff.; Collingsworth, in: Harvard Human Rights Journal 2002, S. 183 ff.; Seibert-Fohr/Wolfrum, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 153 ff. 105 Wenn auch anders gelagert durch die Ausgangssituation im Common Law konnte das Court of the Hague im Fall Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria über das Besitzrecht der Landwirte von einer Verletzung geschützter Interessen („Right of action“) ausgehen; es war für das Gericht daher nicht erforderlich, darüber hinaus die Umweltverschmutzungen in deliktische Rechtsgüter übersetzen zu müssen, vgl. Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/ Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwaren-uitspraken/final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 4.16/4.17. 103
94 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Koalitionsfreiheit kommt auch ein Schutz als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Absatz 1 BGB in Betracht, wenn ein beabsichtigter Eingriff vorliegt.106 In Bezug auf das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf ist ebenfalls die jeweilige Ausgestaltung des Einzelfalls ausschlaggebend. Kommt es bei Erniedrigungen und Repressionen gegen Arbeiternehmerinnen über Beleidigungen und Anzüglichkeiten hinaus auch zu sexuellen Übergriffen, ist der Schutzbereich des § 823 Absatz 1 BGB eröffnet. Verletzungen des Verbots der Zwangsarbeit können das Rechtsgut des sonstigen Rechts betreffen, wenn dies mit Einschränkungen der Fortbewegungsfreiheit einhergeht. Als Schutzgesetz nach § 823 Absatz 2 BGB qualifiziert in Bezug auf die Kernarbeitsnormen allenfalls die Koalitionsfreiheit.107 Die nach Artikel 9 Absatz 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit schützt vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen durch Private (unmittelbare Drittwirkung) und kommt damit als Schutzgesetz im Sinne von §§ 823 Absatz 2, 1004 BGB in Betracht. Diese wenig konkrete und daher ungewisse Möglichkeit, die oben beschriebenen Rechtsverletzungen als Verletzung geschützter Rechtsgüter zu übersetzen, erklärt die Forderung nach einer Einbeziehung von Menschenrechten und internationaler arbeitsrechtlicher Normen als geschützte Rechtsgüter.108 b. Durchgriffshaftung Ein Durchgriff innerhalb gesellschaftsrechtlich verbundener Unternehmen ist dem deutschen Recht – wenn auch unter anderen Umständen – durchaus bekannt.109 Nach deutschem Recht findet ein Durchgriff auf Gesellschafter (ein oder mehrere Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 126 mit weiteren Nachweisen. 107 Grundsätzlich für möglich hält dies Seibert-Fohr/Wolfrum, in: Archiv des Völkerrechts 2005, S. 153 ff.; kritisch Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 128 und Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 25. 108 Explizit Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EUReformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 10; European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 16; Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette. 109 Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24, Rn. 29 ff.; Merkt, in: Münchener Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 13 GmbHG, Rn. 338 ff.; Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 1 AktG, Rn. 45 ff.; zu Möglichkeiten der Durchgriffshaftung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union siehe University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 188 ff. 106
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland95 Mutterunternehmen) indes nur in eng begrenzten Ausnahmefällen statt.110 Die Durchgriffshaftung wurde durch die Rechtsprechung entwickelt und später weiter ausgeführt bzw. modifiziert.111 Da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, sind die Voraussetzungen, die eine Durchbrechung der gesellschaftsrechtlichen Prinzipien der Trennung und Haftungsbeschränkung erfordert, hoch.112 Die Durchgriffshaftung ist vor allem ein Instrument des Bestands- und Kapitalschutzes.113 Anerkannt sind insbesondere drei Fallgruppen. Diese sind die Unterkapitalisierung,114 die Vermögens- bzw. Sphärenmischung115 und die missbräuchliche Verwendung der juristischen Person zur Gesetzesumgehung116 (wie der existenzvernichtende Eingriff). Aufgegeben hat der Zur dogmatischen Begründung der siehe Überblick bei Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24, Rn. 29 ff.; Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 1 AktG, Rn. 47 ff.; Möglichkeiten der Durchgriffshaftung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union siehe University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 188 ff.: „[…] exceptions to the doctrine of separate legal personality relevant for the protection of human rights and the environment against extraterritorial corporate abuse.“; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies. 111 Überblick bei Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24, Rn. 29 ff.; Saenger, Gesellschaftsrecht, Rn. 15. 112 BGHZ 22, 226 (mit Verweis auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (Bd 99, 232 [234]) einräumend, dass die „rechtliche Verschiedenheit der GmbH und ihres alleinigen Gesellschafters […] nicht ausnahmslos berücksichtigt werden [kann]. Das Reichsgericht hat schon in seinem Urteil vom 22.6.20 (Bd 99, 232 [234]) ausgesprochen, daß die juristische Person und ihr Alleingesellschafter dann als eine Einheit behandelt werden müsse, wenn die Wirklichkeiten des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen es dem Richter gebieten, die personenund vermögensrechtliche Selbständigkeit der GmbH und ihres alleinigen Gesellschafters hintanzusetzen.“; BGHZ 102, 95; Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 24, Rn. 27; Saenger, Gesellschaftsrecht, Rn. 15. 113 Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 1 AktG, Rn. 69 ff. 114 Ein Fall der Unterkapitalisierung liegt vor, wenn eine Gesellschaft, etwa das Tochterunternehmen, über zu wenig Eigenkapital verfügt. In diesem Fall wird den Gläubigern der Gesellschaft unter bestimmten Vorussetzungen der Durchgriff auf die Gesellschafter gewährt. Für den eingetragenen Verein bejaht, BGHZ 54, 222 (1970) (Siedler-Fall); Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 1 AktG, Rn. 74 ff. 115 Eine Vermögens- oder Sphärenvermischung liegt vor, wenn Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen nicht mehr eindeutig trennbar sind: Vermögensvermischung BGHZ 165, 85 (2005); Münchener Kommentar zum AktG-Heider, § 1 AktG, Rn. 70 f. 116 Zum Missbrauch der Rechtsform siehe BGHZ 149, 10 (Bremer Vulkan). Modifiziert mit BGHZ 173, 246 (Trihotel), in der das Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur, die an den Missbrauch der Rechtsform anknüpft und als Durchgriffshaftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgestaltet war, aufgegeben wird. Nunmehr missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGB, zudem als Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft selbst. Weitere Einschränkung durch BGH 28.04.2008 – II ZR 264/06 (GAMMA) und BGHZ 151, 181 (Kindl Backwaren Vertrieb (KBV)); Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 1 AktG, Rn. 77 ff. 110
96 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen BGH inzwischen das Haftungsmodell des qualifiziert faktischen Konzerns, für den Fall der faktischen Beherrschung der Gesellschaft durch ein anderes Unternehmen.117 Allein die Leitung und gegebenenfalls die wirtschaftliche Abhängigkeit transnationaler Tochterunternehmen von Mutterunternehmen begründet auch dem BGH zufolge prinzipiell keine Haftung der Mutterunternehmen für die Tochterunternehmen.118 Im Kontext einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen hat sich der Durchgriff als Haftungsgrundlage in der deutschen Rechtsprechung noch nicht entwickelt und – sicher auch aufgrund fehlender Klagen – nicht entwickeln können. c. Sorgfaltspflichten Sorgfaltspflichten können unterschiedlich ausgestaltet und verankert sein. Sie finden sich in verschiedenen Rechtsgebieten. Auch dem Deliktsrecht ist das Konzept der Sorgfaltspflichten durchaus bekannt. Im deutschen Recht ergibt sich eine Haftung für schuldhafte Verletzungen von Verkehrssicherungspflichten infolge richterlicher Rechtsfortbildung aus § 823 Absatz 1 BGB. Zentral ist hier – wie für das übrige Zivilrecht auch – § 276 Absatz 2 BGB. Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Für ein Verschulden im Sinne von § 823 Absatz 1 BGB genügt eine Fahrlässigkeit nach § 276 Absatz 2 BGB. Die Haftung von Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen auf Grundlage einer Verletzung von Verkehrspflichten aus § 823 Absatz 1 BGB ist abzugrenzen von der Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 Absatz 1 BGB. Im Fall der Geschäftsherrnhaftung (auch Gehilfenhaftung) nach § 831 Absatz 1 BGB, haftet der Geschäftsherr verschuldensabhängig für das Verhalten des Verrichtungsgehilfen, wenn Letzterer einem Dritten einen Schaden zufügt.119 Durch richterliche Rechtsfortbildung wurde aus § 823 Absatz 1 BGB – aufgrund der aus § 831 Absatz 1 BGB resultierenden Defizite120 – eine Haftung für schuldhafte Verletzungen von Verkehrssicherungspflichten Eine Beherrschung war gegeben, wenn ein anderes Unternehmen an einer Gesellschaft die Mehrheitsanteile hielt und in dem abhängigen Unternehmen die Leitungsmacht in solchem Umfang ausübte, als läge ein Beherrschungsvertrag vor. BGHZ 95, 330 (Autokran); BGHZ 107, 7 (Tiefbau); BGHZ 115, 187 (Video); BAG 06.10.1992-3 AZR 242/91. 118 BGHZ 81, 311 (317); BGH NJW 1979, 1823 (1828). 119 Zur Haftung nach § 831 BGB siehe Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 18, Rn. 3 ff.; bei der Geschäftsherrnhaftung nach § 831 BGB handelt es sich – anders als bei der „agency“ oder „vicarious liability“ im Common Law – um eine verschuldensabhänige Haftung des Geschäftsherrn Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 122 ff.; irreführend International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 10: „Most jurisdictions also include rules of strict (no fault) liability in relation to specific types of activity or damage under which someone can be liable even if their conduct was not negligent or intentional. An example is the vicarious liability of the employer for the damage his or her employee causes to a third party.“, mit Verweis in Fn. 18 unter anderem auf § 831 BGB. 120 Belling, in: Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 831 BGB, Rn. 9 zur Unterscheidung § 831 Absatz 1 BGB und § 823 Absatz 1 BGB. 117
I. Status quo der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen in Deutschland97 hergeleitet.121 Verkehrssicherungspflichten betreffen die Pflichten bei der Schaffung und der Herrschaft über eine Gefahrenquelle.122 Aus der Rechtsprechung zu den Verkehrssicherungspflichten entwickelte sich eine allgemeine Verkehrspflichthaftung.123 Somit ergibt sich heute aus § 823 Absatz 1 BGB eine allgemeine deliktische Handlungspflicht.124 Im Gegensatz zur Geschäftsherrnhaftung, bei der die unmittelbare Rechtsgutsverletzung von Dritten ausgeht,125 begründet die Verkehrspflichthaftung wegen Verletzung eigener Verkehrspflichten eine Haftung. Daher wird in diesem Kontext auch von einer direkten Haftung gesprochen.126 Verkehrspflichten können durch Unterlassen oder durch aktives Handeln verletzt werden.127 Indes geht es auch im Fall der Verletzung von Verkehrspflichten durch aktives Handeln um ein Minus an dem zur Erfüllung der Verkehrspflicht erforderlichen Handeln.128 Voraussetzung für eine Haftung ist somit jedenfalls das Bestehen einer Pflicht zum Handeln (Verkehrspflicht).129 Normierte Verkehrspflichten finden sich nur Ausführlich Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 127 ff. mit Verweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts bereits 1902 RGZ 53, 53 (Bahnhofszugang). 122 Wagner, in: Münchener Kommentar zum zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB, Rn. 297 ff.; Hager, in: Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB, Rn. 133; anschaulich zu Verkehrssicherungspflichten und Unternehmenshaftung Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 15 f. 123 Wagner, in: Münchener Kommentar zum zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB, Rn. 297 ff.; zu Einzelheiten der Verkehrspflichten und Verkehrssicherungspflicht für den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte siehe Grabosch/Scheper, Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen. Politische und rechtliche Gestaltungsansätze, S. 36 ff. 124 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 129. 125 International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 47. „[…] distinguish correctly between situations in which a parent is allegedly liable on the basis of its own faulty conduct, and situations in which a court is asked to ‚pierce the corporate veil‘ and hold a parent company vicariously liable for the acts of its subsidiary.“ 126 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16, Rn. 111 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 134 ff. (direct liability); Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 216 ff. (primary liability); zur Unterscheidung der Haftung wegen eigener Rechtsverletzung und einer Haftung aufgrund der Rechtsgutsverletzung durch Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe siehe International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 47; zur Abgrenzung – wenn auch für das US-amerikanische und englische Recht – ausführlich Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 134 ff.; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 216 ff. 127 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 69 f.; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 18, Rn. 108. 128 Vgl. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 69 ff.; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 18, Rn. 108 ff. 129 Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation; Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies; generell Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 25. 121
98 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen vereinzelt, wie etwa in § 836 BGB. Da Haftungsrecht besonders durch richterliche Rechtsfortbildung geprägt ist,130 haben sich verschiedene Fallgruppen von Handlungspflichten aus der Rechtsprechung entwickelt.131 Für den Bereich der Unternehmenshaftung besonders relevant ist die aus § 823 Absatz 1 BGB hergeleitete Organisationspflicht. Die Organisationspflicht umfasst die Pflicht, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, sodass niemand durch die betriebliche Tätigkeit zu Schaden kommt.132 „Ein Delikt des Unternehmens ist gegeben (1) bei eingetretener Drittschädigung durch betriebliche Tätigkeit und (2) bei Vorliegen eines Verschuldens des für die Organisation zuständigen Geschäftsführungspersonals bzw. bei nicht widerlegter Vermutung eines derartigen Organisationsverschuldens.“133 Während in vielen Bereichen eine Organisationspflicht konkretisiert wurde, gilt dies nicht für den Bereich des Menschenrechtsschutzes, der Menschenrechtsverletzung im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Verkehrspflichten von Mutterunternehmen mit dem Inhalt, eine Aufsicht und Kontrolle über Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe im Ausland auszuüben, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, sind im deutschen Recht bisher nicht anerkannt oder von Bedeutung gewesen.134 Regelungen, die die Einhaltung menschenrechtlicher Standards vorschreiben und davon abweichende Entscheidungen als Pflichtverletzung klassifizieren würden, bestehen nicht und sind derzeit vom deutschen Gesetzgeber auch nicht vorgesehen.135 II. Neuere Entwicklungen Vor dem Hintergrund einer möglichen zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen in Deutschland wird im Folgenden kursorisch ausgewählte Rechtsprechung im Vereinigten Königreich und in den Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 15: „Haftungsrecht ist […] in erster Linie case law“. Ausführlich Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 25 ff. für den Bereich der Indivdualhaftung. 132 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 69 f. und 134: „Hierbei handelt es sich um eine Handlungspflicht, den betrieblichen Bereich in personeller, materieller, finanzieller und funktioneller Hinsicht so zu organisieren, dass vermeidbare Drittschädigungen unterbleiben (Organisationspflicht).“ 133 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 134; zum Organisationsverschulden auch Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 18, Rn. 16 ff. 134 European Coalition for Corporate Justice, Principles and pathways: Legal opportunities to improve Europe’s corporate accountability framework, S. 8; Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 12 f., die von bestehenden Sorgfaltspflichten bzw. Verkehrspflichten als Anhaltspunkte für eine Haftung ausgeht, indes einräumt, dass Bestand und Umfang ungeklärt sind im Hinblick auf Unternehmensverantwortung; ähnlich auch Ward, Governing Multinationals: The Role of Foreign Direct Liability, S. 1. 135 Institut für Rechtsvergleichung (SIR), Gutachten über gesetzliche Verpflichtungen zur Durchführung einer Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechte und Umwelt bei Auslandaktivitäten von Unternehmen und zur Berichterstattung über getroffene Maßnahmen im deutschen, französischen, dänischen, niederländischen, englischen, chinesischen, kanadischen und US-amerikanischen Recht sowie im Recht von Singapur. 130 131
II. Neuere Entwicklungen99 Niederlanden dargelegt. Kurz angerissen wird zudem das französische Gesetz zu neuen Sorgfaltspflichten von Unternehmen. 1. Rechtsprechung im Vereinigten Königreich Der Rechtsprechung im Vereinigten Königreich wird für den Bereich der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen einige Bedeutung beigemessen.136 Der Common Law Rechtsprechung im Vereinigten Königreich ist sowohl der Gedanke des Durchgriffs als auch der der Sorgfaltspflicht bekannt.137 Der Durchgriff wird im Konzept der Enterprise Liability und im Konzept des Entity law und Piercing the Corporate Veil (auch „veil piercing“/„lifting“) relevant.138 Während es in der Enterprise Liability darum geht, das transnationale Unternehmen als wirtschaftliche Einheit in den Vordergrund zu stellen und die rechtliche Trennung von vornherein aufzugeben, wird im Rahmen des Piercings die rechtliche Trennung grundsätzlich anerkannt und in Ausnahmenfällen durchbrochen.139 Das Konzept einer sogenannten Enterprise Liability hat sich bisher nicht durchsetzen können.140 Verbreitet ist im Vereinigten Königreichvor allem der Entity Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation, S. 4 mit weiteren Nachweisen; Knopf/Rees/Augenstein/Menge/Methven O’Brien/Poulsen-Hansen/Stappenbeck, Unternehmensverantwortung für Menschenrechte, S. 74 f. 137 Connellly v RTZ (1996) UKHL 30; Lubbe v Cape Plc. (2000) UKHL 41; Chandler v Cape Plc. (2012) EWCA Civ 525); Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 113 ff. mit weiteren Nachweisen; Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 4 ff.; International Council on Human Rights Policy, Beyond Voluntarism: Human rights and the developing international legal obligations of companies, S. 105 f. 138 Für die Durchgriffsrechtsprechung siehe die Entscheidung des englischen Court of Appeal in der Sache Adams v Cape Industries Plc. (1990) Ch. 433, sowie Haug, Ex-post-Gläubigerschutz in der private company limited by shares, S. 107 ff.; für einen Überblick zur Durchgriffshaftung im Common Law siehe Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 297 ff.; Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 130 f.; Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 170; zudem Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 54; siehe auch Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 142 ff.; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, S. 188 ff.; zum Piercing Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 98 ff. 139 Zur Differenzierung zwischen Enterprise Liability und Piercing the Corporate Veil siehe Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 3 ff.; Skinner, Parent Company Accountability. Ensuring Justice for Human Rights Violations, S. 14 ff. 140 Vgl. University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, S. 190: „None of the jurisdictions examined explicitly recognises a concept known as ‚enterprise liability‘ or ‚network liability‘.“ 136
100 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Ansatz.141 Dabei richtet sich aber der Blick in Ausnahmefällen von der rechtlichen Verfassung hin zur wirtschaftlichen Einheit. Anstelle der rechtlich selbstständigen Unternehmenseinheiten wird die Konzerneinheit in den Blick genommen.142 Eine solche Sichtweise hat sich in der Common Law Rechtsprechung niedergeschlagen.143 Indes unterliegt auch der Durchgriff im Common Law hohen Anforderungen und ist umstritten.144 Klassisch wird das Piercing des Corporate Veil unter der Annahme begründet, dass ein Tochterunternehmen das „alter ego“145 oder ein bloßes Instrument („mere instrument“146) eines Mutterunternehmens sei, auf das der Durchgriff erfolgen soll. Voraussetzung für eine solche Annahme ist ein außerordentliches Maß an Kontrolle des Mutterunternehmens über das Tochterunternehmen („extreme control“ oder „excessive control“).147 Ein solches Maß an Kontrolle des Mutterunternehmens liegt nicht notwendig allein dadurch vor, dass gesellschaftsrechtliche Mutter-Tochter Strukturen vorliegen. Das erforderliche Maß an Kontrolle besteht nicht einmal dann, wenn ein Tochterunternehmen zu 100 % von einem einzigen Mutterunternehmen gehalten wird.148 Um das erforderliche Maß an Kontrolle zu begründen, bedarf es stattdessen einer Vielzahl von Umständen, von der eine etwa die Kontrolle über das Tagesgeschäft des Tochterunternehmens („control of day Hierzu grundlegend Salomon v A Salomon & Company Limited (1897) AC 22, 51 (HL); Haug, Ex-post-Gläubigerschutz in der private company limited by shares, S. 120. 142 Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 170; Strasser, in: Connecticut Law Review 2005, S. 646 ff.; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 36 f.; zum Piercing the Corporate Veil siehe Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 304 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 130 f.; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 141 ff. 143 Betrachtung als Einheit: DHN Food Distributors Ltd. v. Tower Hamlets London Borough Council 1976 (1 WLR 852, 1976) wurde das DHN Food Distributors Ltd. zusammen mit dem Tochterunternehmen Bronze als „single economic entity“ anerkannt; Entscheidung wurde indes in Adams v Cape Industries Plc. (1990) Ch 433 modifiziert; Haug, Ex-post-Gläubigerschutz in der private company limited by shares, S. 122 ff. 144 Thompson, in: Connecticut Law Review 2005, S. 619; Bainbrdige, Abolishing LLC Veil Piercing, S. 1. 145 Tully, in: International corporate legal responsibility, S. 82 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 130. 146 Skinner, Parent Company Accountability. Ensuring Justice for Human Rights Violations, S. 14; De Schutter, Towards a Legally Binding Instrument on Business and Human Rights. Cridho Working papers series 2015/2, S. 22. 147 Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 497 f.; Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 304 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 130 f. mit weiteren Verweisen auf US Rechtsprechung. 148 Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 305; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 130 f.; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 228; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 37, Fn. 152. 141
II. Neuere Entwicklungen101 to day activities“) ist.149 Eine Durchgriffshaftung der Mutterunternehmen wegen transnationaler Menschenrechtsverletzungen durch „ihre“ transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe hat daher bisher auch im Common Law nicht zu einer positiven Entscheidung geführt.150 Die Begründung einer Haftung über eine Verletzung der Duty of Care und eine direkte Haftung von Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen wegen Rechtsgutsverletzungen ihrer Tochterunternehmen Zulieferbetriebe im Ausland ist bereits mehrfach Grundlage verschiedener Rechtstreitigkeiten gewesen.151 Zwar bestehen auch nach dieser Rechtsprechung keine allgemeinen Sorgfaltspflichten („no general duty to control“) gegenüber Dritten.152 Auch im Verhältnis eines Mutterunternehmens und belieferten Unternehmens gegenüber den Angestellten transnationaler Tochterunternehmen oder Zulieferbetriebe bestünde demnach keine allgemeine Sorgfaltspflicht.153 Indes werden von diesem allgemeinen Grundsatz Ausnahmen zugelassen. Danach kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Sorgfaltspflicht der Mutterunternehmen gegenüber Dritten/Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der transnationalen Tochterunternehmen oder Zulieferbetriebe bestehen.154 Fasst man die Kriterien der Rechtsprechung zusammen, so kommt es zu einer Haftung wegen der Verletzungen von Sorgfaltspflichten dann, wenn Kenntnis Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 304 ff.; Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 498; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 228; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 38. 150 In der Sache Chandler v Cape Plc. (2012) EWCA Civ 525 kam es indes zu einer Verurteilung des Mutterunternehmens wegen der Rechtsverletzungen durch das Tochterunternehmen; hierzu Leigh Day, Landmark asbestos victory goes to Court of Appeal, 08.02.2012, abrufbar unter http://www. leighday.co.uk/News/2012/February-2012/Landmark-Asbestos-Victory-Goes-to-Court-of-Appeal (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 151 Connelly v. RTZ Corporation Plc. and Others (1996) UKHL; Lubbe v Cape Plc. (2000) UKHL 41; Chandler v Cape Plc. (2012) EWCA Civ 525; für einen Überblick der Rechtsprechung im Vereinigten Königreich Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 4 ff.; zur Duty of Care im Common Law siehe Haug, Ex-post-Gläubigerschutz in der private company limited by shares, S. 155 ff.; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 52 f. 152 Smith v Littlewoods Organisation Ltd (1987) UKHL 18; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 218. 153 Connelly v. RTZ Corporation Plc. and Others (1996) UKHL 30; Lubbe v Cape Plc. (2000) UKHL 41; Chandler v Cape Plc. (2012) EWCA Civ 525. 154 Hierzu Smith v Littlewoods Organisation Ltd (1987) UKHL 18 („special relationship“ und „had to supervise the third party or had to exercise control over the third party“), zitiert nach Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwaren-uitspraken/ final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 4.24. 149
102 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen bzw. ein Kennenmüssen der Mutterunterunternehmen und belieferten Unternehmen im Hinblick auf das rechtsgutsverletzende Handeln der Tochterunternehmen bzw. Zulieferbetriebe angenommen werden kann.155 Zudem bedarf es der Möglichkeit dieses Verhalten zu kontrollieren („right to control“).156 Teilweise wird es auch als erforderlich angesehen, dass das Verhalten der Tochterunternehmen oder Zulieferbetriebe tatsächlich kontrolliert wurde („de facto control“).157 In der Rechtssache Connelly v RTZ Corporation Plc. ging es um eine Klage gegen Rio Tinto Zinc (RTZ), 100 %ige Mutter des namibischen Tochterunternehmens Rossing Uranium Limited.158 Der Kläger machte geltend, durch den Abbau von Uran in Namibia aufgrund mangelhafter Gesundheits- und Sicherheitsverfahren an Krebs erkrankt zu sein. Bedeutsam war die Rechtssache Connelly v RTZ Corporation Plc. zum einen wegen einer Anerkennung der Zuständigkeit des Gerichtes des Heimatstaates des Mutterunternehmens und zum anderen wegen der grundsätzlichen Anerkennung einer Möglichkeit der Haftung des Mutterunternehmens RTZ aufgrund einer Verletzung eigener Sorgfaltspflichten.159 In der Rechtssache war der Anspruch gegen das Mutterunternehmen jedoch verjährt.160 In der Rechtssache Chandler v Cape Plc. erging 2012 eine Entscheidung des Court of Appeal.161 In dieser Entscheidung sprach das Gericht dem Kläger Schadensersatz gegenüber dem beklagten Mutterunternehmen Cape Plc. (Sitz UK) zu. Grundlage der Entscheidung war die Annahme einer Sorgfaltspflicht des Mutterunternehmens Cape Plc. gegenüber dem Kläger, einem Mitarbeiter eines zur Zeit der Klage nicht mehr existenten Tochterunternehmens. Nach Chandler v Cape Plc. kann es – unter bestimmten Voraussetzungen (im Fall Chandler v Cape Plc. nach den Kriterien Vorhersehbarkeit, Nähe und Fairness) – zu einer Haftung der verklagten Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochterunternehmen kommen. Hier bleibt indes anzumerken, dass es sich dabei nicht um einen transnationalen Caparo Industries Plc. v Dickman (1990) UKHL 2; Connelly v RTZ (1996) UKHL 30; Lubbe v Cape Plc. (2000) UKHL 41; Chandler v Cape Plc. (2012) EWCA Civ 525); Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 216 f.; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 13. 156 Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 217. 157 Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 218. 158 Ausführlich hierzu Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 28 ff. 159 Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 28 ff. 160 Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 29 f. 161 Zur Rechtssache Chandler v Cape Plc. siehe Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 8; Skinner, Parent Company Accountability. Ensuring Justice for Human Rights Violations, S. 19. 155
II. Neuere Entwicklungen103 Sachverhalt handelt. Denn in der Rechtssache Chandler v Cape Plc. hatte das Tochterunternehmen von Cape Plc. ebenfalls seinen Sitz im Vereinigten Königreich.162 2. Rechtsprechung in den Niederlanden Infolge der Ölförderung durch das Unternehmen Shell kam es in Nigeria zu massiven Umweltverschmutzungen, durch welche die Ogoni ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden, was zu Tausenden von Toten führte. Im Rahmen der Auseinandersetzungen kam es zu weiteren Unruhen und Vertreibungen.163 Vor diesem Hintergrund kam es 2013 in den Niederlanden zu einer Klage gegen das Mineralölunternehmen Shell.164 Die Klage war sowohl gegen das transnationale Mutterunternehmen Royal Dutch Shell Plc. (mit Sitz in den Niederlanden) als auch gegen das nigerianische Tochterunternehmen Shell Petroleum Development Company of Nigeria gerichtet. Der Rechtsstreit, dem der Vorwurf massiver Umweltverschmutzungen durch die Mutter Royal Dutch Shell Plc. und die Tochter Shell Petroleum Development Company of Nigeria zugrunde lag, wurde durch den niederländischen Court of the Hague auf Grundlage des Rechts des Gaststaates entschieden.165 Die Ansprüche wurden strikt separat in Bezug auf das transnationale niederländische Mutterunternehmen Royal Dutch Shell Plc. und das nigerianische Tochterunternehmen Shell Petroleum Development Company of Nigeria durch das Gericht untersucht und begründet bzw. abgelehnt. Das niederländische Court of the Hague wendete den Ansatz der Sorgfaltspflichten auf das transnationale Unternehmen Shell Petroleum Development Company of Nigeria an – nicht aber in Bezug auf das niederländische Mutterunternehmen Royal Dutch Shell Plc.166 In der Rechtssache kam das Gericht zu Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation, S. 22. 163 Ausführlich hierzu siehe oben Teil I, Kapitel 3. 164 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013. 165 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013, abrufbar unter http://zoeken.rechtspraak.nl/detailpage.aspx?ljn=BY9854, in der nicht offiziellen englischen Übersetzung abrufbar unter https://milieudefensie.nl/publicaties/bezwarenuitspraken/final-judgment-akpan-vs-shell-oil-spill-ikot-ada-udo/at_download/file (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), Rn. 4.10: „In addition, in its conclusion of Nigerian law, the District Court consulted English common law literature, including handbooks regarding the specific torts alleged by Milieudefensie et al. After all, Nigerian law is a common law system that is based on English law.“ 166 Siehe hierzu unter Bezugnahme auf das Common Law Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/ Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013. 162
104 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen dem Schluss, keinen Anspruch gegen das transnationale Mutterunternehmen anzunehmen, während zum Teil eine Rechtsverletzung durch das transnationale Tochterunternehmen angenommen wurde.167 Unter Anwendung des nigerianischen Rechts und Heranziehung des English common law verurteilte das niederländische Gericht letztlich (allein) das Tochterunternehmen wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten. 3. Rechtsprechung in Deutschland Bei dem Brand 2012 in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karachi (Pakistan) starben 260 Arbeiterinnen und Arbeiter, 32 Menschen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt; wichtigster Kunde der Fabrik war der deutsche Textildiscounter KiK, der nach eigenen Angaben 2011 mindestens 70 % der Produktion kaufte.168 In Deutschland haben im März 2015 vier Betroffene Zivilklage wegen Verletzung der Menschenrechte in der Zulieferkette beim Landgericht Dortmund eingereicht.169 Das Landgericht Dortmund hat den pakistanischen Klägern Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren gegen Kik auf Zahlung von Schmerzensgeld gewährt und holt in der Hauptsache ein schriftliches Rechtsgutachten zum pakistanischen Recht ein.170 Für die Frage, welches materielle Recht Anwendung findet, vertritt die zuständige Kammer des Landgerichts Dortmund die Ansicht, dass das Recht desjenigen Staates Anwendung findet, in dem die vermeintliche deliktische Handlung begangen ist, demnach Pakistan. Das Rechtsgutachten soll klären, ob und unter welchen genauen Anspruchsvoraussetzungen nach pakistanischem Recht eine Haftung der Beklagten gegenüber den Klägern gegeben sein könnte und welche Partei die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen habe.171 Die 167 Court of the Hague, Friday Alfred Akpan/Milieudefensie v Royal Dutch Shell plc/Shell Petroleum Development Company of Nigeria, Case number/ C/09/337050/HA ZA 09-1580, Urteil vom 30.01.2013. 168 European Center for Constitutional and Human Rights, Kurzportraits – Betroffene von Brand in pakistanischer Textilfabrik verklagen KiK in Deutschland, abrufbar unter https://www.ecchr.eu/ de/unsere-themen/wirtschaft-und-menschenrechte/arbeitsbedingungen-in-suedasien/pakistan-kik. html?file=tl_files/Dokumente/Wirtschaft%20und%20Menschenrechte/KiK_Pakistan_KurzportraitsKlaeger.pdf (zuletzt aufgerufenam 10.08.2017). 169 European Center for Constitutional and Human Rights, Fallinformation – Pakistan: Billige Textilien, lebensgefährliche Arbeit, abrufbar unter https://www.ecchr.eu/de/unsere-themen/wirtschaft-und-menschenrechte/arbeitsbedingungen-in-suedasien/pakistan-kik.html?file=tl_files/ Dokumente/Wirtschaft%20und%20Menschenrechte/KiK_Pakistan_Fallbeschreibung.pdf (zuletzt aufgerufenam 10.08.2017). 170 Landgericht Dortmund, Pressemitteilung vom 30.08.2016, abrufbar unter http://www.lg-dortmund. nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/PM-KiK_docx.pdf (zuletzt aufrufen am 10.08.2017). 171 Landgericht Dortmund, Pressemitteilung vom 30.08.2016, abrufbar unter http://www.lgdortmund.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/PM-KiK_docx.pdf (zuletzt aufrufen am 10.08.2017).
II. Neuere Entwicklungen105 Frage, ob nach pakistanischem Recht ein Anspruch gegen das belieferte Unternehmen KiK begründet werden kann, ist noch nicht beantwortet. 4. Gesetzgebung in Frankreich Im März 2015 hat die französische Nationalversammlung (Assemblée nationale) das Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der ersten Lesung172 verabschiedet.173 Im Anschluss befasste sich der französische Senat (Sénat) mit dem Gesetzesentwurf.174 Am 28. März 2017 wurde das Gesetz im französischen Gesetzblatt verkündet („Loi relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre“175). Das Gesetz regelt Sorgfaltspflichten von Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen. Es handelt sich hierbei um eine Ergänzung des französischen Handelsgesetzbuches.176 Das Gesetz sieht vor, dass in Frankreich ansässige Unternehmen mit mindestens 5000 Beschäftigten in Frankreich oder 10.000 Beschäftigten weltweit einen Sorgfaltsplan („plan de vigilance“) anfertigen und öffentlich machen müssen. Dieser Sorgfaltsplan muss angemessene Vorsichtsmaßnahmen enthalten, um die Risiken schwerer Beeinträchtigungen der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu erkennen und ihnen zu begegnen.177 Das Gesetz stellt Mindestanforderungen an den Sorgfaltsplan anhand von fünf Maßgaben auf (Risikokarte, regelmäßige Evaluierungen, Maßnahmen zur Risikominderung und Schadensvorbeugung, 172 Zum Gesetzgebungsverfahren siehe Sénat, Proposition de loi relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre: Les étapes de la discussion, abrufbar unter http://www.senat.fr/dossier-legislatif/ppl14-376.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 173 Assemblée Nationale, Loi relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre [Texte n° 501 adopté par l'Assemblée nationale le 30 mars 2015] (30.03.2015), abrufbar unter http://www.assemblee-nationale.fr/14/ta/ta0501.asp (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 174 Sénat, Proposition de loi relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre: Les étapes de la discussion [Texte n° 376 (2014–2015) transmis au Sénat le 31 mars 2015], abrufbar unter http://www.senat.fr/dossier-legislatif/ppl14-376.html #timeline6(zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 175 LOI n° 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre, abrubar unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000034290626&dateTexte=&categorieLien=id (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 176 LOI n° 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre: „Après l'article L. 225-102-3 du code de commerce, il est inséré un article L. 225-102-4 ainsi rédigé.“ 177 LOI n° 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre: „Le plan comporte les mesures de vigilance raisonnable propres à identifier les risques et à prévenir les atteintes graves envers les droits humains et les libertés fondamentales, la santé et la sécurité des personnes ainsi que l'environnement […]“.
106 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Warnmechanismus und Sammlung von Berichten, Überwachungseinrichtung).178 Verletzungen der Sorgfaltspflicht, auch das Fehlen eines Sorgfaltsplans, können sanktioniert werden.179 III. Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen In Anlehnung an bestehende Haftungsmodelle des deutschen Deliktsrechts sowie Rechtsstreitigkeiten zur Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen werden folgend im Wesentlichen zwei Wege der deliktischen Haftung von Mutterunternehmen diskutiert. Der erste Ansatz betrifft den Durchgriff von transnationalen Tochterunternehmen auf Mutterunternehmen und begründet im Wege eines Durchgriffs verschuldensunabhängig eine Haftung der Mutterunternehmen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten der Tochterunternehmen (1.). Das zweite Modell diskutiert die Haftung der Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen wegen der Verletzung eigener, den Mutterunternehmen und den und belieferten Unternehmen obliegenden Sorgfaltspflichten (2.). Der im Folgenden diskutierte Ansatz einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen ist materiell-rechtlich nicht deckungsgleich mit Rechtsstreitigkeiten auf Grundlage des ATCA. Den zu besprechenden Haftungsmodellen zur Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen liegen „herkömmliche“180 deliktische Haftungsnormen zugrunde. Herkömmlich bezieht sich hierbei auf jene deliktischen Haftungsnormen, die in den meisten Rechtskreisen in der einen oder LOI n° 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre: „Le plan […] comprend les mesures suivantes: 1° Une cartographie des risques destinée à leur identification, leur analyse et leur hiérarchisation; 2° Des procédures d'évaluation régulière de la situation des filiales, des sous-traitants ou fournisseurs avec lesquels est entretenue une relation commerciale établie, au regard de la cartographie des risques ; 3° Des actions adaptées d'atténuation des risques ou de prévention des atteintes graves; 4° Un mécanisme d'alerte et de recueil des signalements relatifs à l'existence ou à la réalisation des risques, établi en concertation avec les organisations syndicales représentatives dans ladite société ; 5° Un dispositif de suivi des mesures mises en œuvre et d'évaluation de leur efficacité).“ 179 LOI n° 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre: „Art. 225-102-5.-Dans les conditions prévues aux articles 1240 et 1241 du code civil, le manquement aux obligations définies à l'article L. 225-102-4 du présent code engage la responsabilité de son auteur et l'oblige à réparer le préjudice que l'exécution de ces obligations aurait permis d'éviter.“ 180 Vgl. Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 65, die im Gegensatz zu ATCA Klagen den Begriff „ordinary torts“ verwendet; zu diesem Aspekt auch Engle, Private Law Remedies for Extraterritorial Human Rights Violations, S. 58. 178
III. Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen107 anderen Ausgestaltung wiederzufinden sind,181 und steht im Gegensatz zur Ausrichtung und Anknüpfung des ATCA an eine Verletzung der law of nations. 1. Haftung der Mutterunternehmen im Wege des Durchgriffs Das erste Haftungsmodell zur Begründung einer Haftung von Mutterunternehmen bezieht sich auf den Durchgriff von Tochterunternehmen auf Mutterunternehmen.182 Aufgrund der gesteigerten gesellschaftsrechtlichen Verbindung innerhalb transnationaler Unternehmen, die in der Lieferkette de iure fehlt, wird die Frage des Durchgriffs primär für transnationale Unternehmen diskutiert.183 Die Prinzipien der getrennten Rechtspersönlichkeit und der Haftungsbeschränkung wirken sich grundlegend auf die Möglichkeiten des Schutzes vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen aus.184 Denn gerade das Trennungsprinzip führt zusammen mit der Vgl. International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 3: „Every legal system in the world encompasses some form of tort law or law of non-contractual obligations […].“ sowie 10: „In every jurisdiction, despite differences in terminology and approach, an actor can be held liable under the law of civil remedies if through negligent or intentional conduct it causes harm to someone else“ (mit weiteren Nachweisen, Fn. 16). 182 Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 139 ff.; European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 11, 21; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 35 f.; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 26, 167, 185. 183 In diesem Sinne European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 11, 21; differenzierend zwischen transnationalen Unternehmen (multinational group liability) und der transnationalen Lieferkette (mulitnational economic networks) auch Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 139 ff.; unter Ausdehnung auf die transnationale Lieferkette jedoch Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 235, die das Kriterium der Kontrolle anstelle der gesellschaftsrechtlichen Verbindung zwischen Mutterunternehmen und transnationalen Tochterunternehmen bzw. Zulieferbetrieben hervorhebt; zur Problematik des Durchgriffs auf das Mutterunternehmen siehe auch De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 35 f.; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 26, 167, 185. 184 Zu Problemen, die aus Haftungsbeschränkung und Trennungsprinzip für eine zivilrechtliche Haftung folgen, siehe Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 161 ff.; Blumberg, in: Hastings International and Comparative Law Review 2001, S. 298 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 129, 131; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 55; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 35. 181
108 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Haftungsbeschränkung dazu, verschiedene Unternehmenseinheiten voneinander unabhängig zu behandeln.185 Aufgrund der Haftungsbeschränkung haftet grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen einer juristischen Person.186 Der transnationale Kontext führt in Verbindung mit dem gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzip und der Haftungsbeschränkung folglich dazu, dass Mutterunternehmen durch den Einsatz von transnationalen Tochterunternehmen nicht der Haftung unterliegen.187 Der Ansatz des Durchgriffs betrachtet demgegenüber transnationale Unternehmen als wirtschaftliche Einheit, losgelöst von ihrer gesellschaftsrechtlichen Trennung, und bezieht – entgegen der Haftungsbeschränkung – Mutterunternehmen in eine Haftung mit ein. Übertragen auf transnationale Menschenrechtsverletzungen soll der Durchgriff zu einer verschuldensunabhängigen Haftung der Mutterunternehmen bei Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Tochterunternehmen führen.188 Durch einen solchen Durchgriff könnte ein Anspruch auf Schadensersatz gegenüber einem transnationalen Mutterunternehmen begründet werden, wenn Tochterunternehmen eine Verletzung von Menschenrechten im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten vorgeworfen werden kann. Das bloße Bestehen von Mutter-Tochter-Strukturen wird indes auch von diesem weitgehenden Ansatz als unzureichend angesehen, um eine Durchgriffshaftung zu begründen.189 Der Durchgriff auf transnationale Mutterunternehmen soll vielmehr derart ausgestaltet sein, dass transnationale Mutterunternehmen haftbar sein sollen, Hierzu im Hinblick auf transnationale Unternehmen siehe Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 54 ff. 186 Zum Prinzip der beschränkten Haftung im Hinblick auf transnationale Unternehmen siehe Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 54 ff. 187 Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 161: „One consequence is that some European corporations may benefit from the operations of their third‐country subsidiaries and contractors, while not being held directly responsible for human rights and environmental abuses committed in the course of these operations.“; implizit European Coalition for Corporate Justice, Principles and pathways: Legal opportunities to improve Europe’s corporate accountability framework, S. 18; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 18. 188 European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 11 ff.; Germanwatch/Gerstetter/ Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 10 f.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 138 ff.; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 228 ff.; Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 494. 189 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 189: „Simple ownership of the shares or the mere potential to control the subsidiary is not sufficient.“ 185
III. Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen109 wenn das Mutterunternehmen eine wesentliche Kontrolle hat oder wesentlicher Einfluss gegenüber dem Tochterunternehmen besteht.190 Eine solche besteht etwa bei einem Konzern nach § 18 AktG, bei dem zwischen dem Tochterunternehmen und Mutterunternehmen ein Beherrschungsvertrag besteht und das Mutterunternehmen dem Tochterunternehmen nach § 308 Absatz 1 AktG Weisungen hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft erteilen kann. Unterschiedlich wird die Frage beantwortet, inwieweit allein eine Kontrollmöglichkeit (Recht zur Kontrolle) ausreichend ist oder ob es für die Haftung der tatsächlichen Ausübung einer Kontrolle durch das Mutterunternehmen über das Tochterunternehmen bedarf. Teilweise wird allein die Möglichkeit der Kontrolle als ausreichend erachtet, ohne Prüfung einer tatsächlichen Ausübung der Kontrolle.191 Überwiegend wird eine tatsächlich ausgeübte Kontrolle hingegen als erforderlich angesehen.192 Übertragen auf die Verletzung von Gewerkschaftsrechten wie etwa im Fall von Nestlé S.A. lässt sich dies wie folgt veranschaulichen. Der Durchgriff auf transnationale Mutterunternehmen wie Nestlé S.A. würde bei wesentlicher Kontrolle oder wesentlichem Einfluss gegenüber dem Tochterunternehmen Cicolac bestehen. Könnte eine tatsächlich ausgeübte Kontrolle begründet werden, würde dies nach diesem Ansatz einen Durchgriff auf und damit eine Haftung von Nestlé S.A. wegen der Verletzungen durch das Tochterunternehmen Cicolac begründen. 190 European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 12: „The only pre-condition for the parent's liability would be the right of the parent to control the wrongdoer.“; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 189: „Liability is usually conditional on the parent exercising actual direct or indirect control, direction or coordination over the activities of the subsidiary.“; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 229: „[…] a parent company would be held strict liable for the activities of a foreign subsidiary by virtue of the ‚control relationship‘ […]“; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 138, 142; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 37; Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 495. 191 Kontrollmöglichkeit ausreichend nach European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 12: „Responsibility for such violations should be allocated unconditionally to the company having the right to control the entity that actually violated the standards – in short, to the parent company.“ unter Bezugnahme auf die Siebente Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1983 auf Grund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrags über den konsolidierten Abschlus, 83/349/EWG, ABl. L 193, S. 1. 192 De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 38 ff.; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 189; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 229 f.
110 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen 2. Haftung der Mutterunternehmen wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten Dem zweiten Modell einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen liegt eine Verletzung eigener Sorgfaltspflichten der Mutterunternehmen und der belieferten Unternehmen zugrunde.193 Hier geht es um eine direkte verschuldensabhängige Haftung der Mutterunternehmen und der belieferten Unternehmen wegen der Verletzung eigener, diesen Mutterunternehmen obliegenden Sorgfaltspflichten.194 Sorgfaltspflichten von Mutterunternehmen und der belieferten Unternehmen sollen sich sowohl auf ein aktives Handeln als auch Unterlassen beziehen.195 Der Inhalt der In Bezug auf die transnationale Lieferkette European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 16, 21; European Coalition for Corporate Justice, Principles and pathways: Legal opportunities to improve Europe’s corporate accountability framework, S. 20; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 33 f.; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 44 (supply chain responsibility); zum Teil wird dieser Ansatz auch auf transnationale Unternehmen ausgedehnt – so etwa Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 235; differenzierend Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 15 ff., die sowohl „vollständig beherrschten sowie mehrheitlich bestimmten Unternehmen“ als auch „Zulieferbetriebe und Tochterunternehmen mit Minderheitenbeteiligung“ einbezieht. 194 Ausführlich, aus zivilgesellschaftlicher Perspektive zur deutschen Rechtslage Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 13 ff.; Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 11; mit einem europäischen Ansatz European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 11 ff., 22; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 230; deutlich auch International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 16 f., 33 f.; Skinner/McCorquodale/De Schutter, The Third Pillar: Access to Judicial Remedies for Human Rights Violations by Transnational Business, S. 60; für das Common Law Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation; für eine Rechtsprechungsübersicht im Vereinigten Königreich Meeran, in: City University of Hong Kong Law Review 2011, S. 5. 195 Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 13: „Neben einer Haftung deutscher Mutterunternehmen für Menschenrechtsverletzungen der Tochterunternehmen und Zulieferer können sich Schadensersatzansprüche auch dann an ein Mutterunternehmen richten, wenn diesem ein eigenes haftungsbegründendes Verhalten oder Unterlassen vorgeworfen werden kann.“; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 19: „Liability can arise under the law of civil remedies, not only for conduct that actively causes damage but also for doing nothing, i. e. for omissions or for remaining silent. […] This means that taking precautionary measures can require not only that a company refrains from certain conduct, for example providing weapons to someone, but also that 193
III. Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen111 Sorgfaltspflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Zulieferbetriebe wird meist skizziert als Pflicht der Mutterunternehmen zur Aufsicht und Kontrolle über Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe im Ausland.196 Übertragen auf den Fall der Kinderarbeit beim Tabakanbau ließe sich dies wie folgt veranschaulichen. Transnationalen Mutterunternehmen wie Alliance One International Inc. (Aufbereitungsunternehmen) und Philip Morris International Inc. (als Hauptabnehmer der Aufbereitungsunternehmen) könnten Sorgfaltspflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen auferlegt werden. Diese würden Aufsicht und Kontrolle über Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe im Ausland umfassen und damit Aufsicht und Kontrolle von Aufbereitungsunternehmen und den nationalen Tochterunternehmen. Darüber hinaus könnte diese Pflicht auf den Prozess der Ernte ausgedehnt werden und die Arbeit auf groß angelegten Plantagen mitumfassen. Problematisch gestaltet sich die Frage der Kontrolle in der transnationalen Lieferkette, da es hier – im Gegensatz zum transnationalen Unternehmen – an gesellschaftsrechtlichen Beherrschungsverhältnissen fehlt. Ohne jedenfalls die faktische Möglichkeit der Kontrolle über Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe zu haben, würde die Anforderung, Gegenmaßnahmen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe it may have to do something proactive to protect someone, or stop someone acting in a certain way.“; European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 22: „An obligation to take all reasonable steps to prevent and mitigate human rights or environmental abuses where such risks have been or should have been identified.“; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 43: „[…] direct liability of the parent corporation for its own actions or omissions […]; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 134 f. 196 European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 11 ff., 22: „[…] a legal duty of care on the part of a company to ensure that human rights and the environment are respected throughout its sphere of responsibility.“; Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 11; Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 13 ff.; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 230: „On this basis, it could be considered to impose, through domestic regulation and in appropriately limited circumstances, a requirement on European parent corporations to exercise oversight or control over its subsidiaries in third countries, and to hold them responsible for failure to do so.“; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 19; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 235; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 37 ff., 40: „[…] an obligation to monitor the compliance of all the corporations they control in foreign countries“ und 43 „the direct liability of the parent corporation for its own actions or omissions, including the omission to exercise due diligence in controlling the subsidiary.“
112 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen vorzunehmen, ins Leere laufen.197 Daher wird die Haftung auf jene Konstellationen beschränkt, in denen belieferten Unternehmen Aufsicht und Kontrolle über Zulieferbetriebe zugesprochen wird.198 Im Hinblick auf die Anforderungen an das Ausmaß der Kontrolle wird zum Teil – haftungsbeschränkend – an den tatsächlichen Einfluss durch das Unternehmen angeknüpft.199 Anstelle der gesellschaftsrechtlichen Beherrschung werden in Bezug auf belieferte Unternehmen etwa eine dominierende Kontrolle durch Vertragsbeziehungen, Bestellung von Doppelgeschäftsführern oder Abhängigkeiten aufgrund des Lieferumfangs genannt.200 Die Frage der Kontrolle bestimmt sich damit auch nach der Komplexität der Lieferketten. Präzisiert wird die Haftung der Mutterunternehmen wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten zudem durch die Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Rechtsgutsverletzung durch transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe.201 Vgl. International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 34 f.; ähnlich Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 16. 198 Zum Kriterium der Kontrolle European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 22; Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 15 f.; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 34 ff.; Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 11; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 217; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations. 199 Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 14 ff., 18: „Je nach Konstellation stehen unterschiedliche Mittel zur Verfügung, um bestimmte Änderungen in der Praxis des Tochterunternehmens oder Zulieferers zu erreichen, deren Angemessenheit und Zumutbarkeit wohl jedoch im Einzelfall bestimmt werden muss.“; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 218; European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 21: „[…] it is common, particularly within the consumer goods sector, for MNEs to outsource manufacturingyet retain responsibility for research, development and strategic control of the enterprise.“ 200 European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 24 f.; Germanwatch/Gerstetter/ Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 11. 201 Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 46; in Anlehnung an das deutsche Recht und der Pflicht zur Kontrolle einer Gefahrenquelle und der Pflicht zum Schutz bestimmter Rechtsgüter vor sämtlichen äußeren Gefahren versucht Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 15 f.; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S.17 f., 34 mit Beispielen; Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 11; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 216 f. 197
III. Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Haftung transnationaler Mutterunternehmen113 Erforderlich ist demnach das Wissen der Mutterunternehmen und der belieferten Unternehmen um das Handeln der Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe.202 Als ausreichend wird in diesem Fall ein Kennenmüssen angesehen.203 Abgestellt wird dabei auf das Wissen des Vorstandes oder Aufsichtsrates, aber auch leitender Angestellter und anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen diese Aufgabe übertragen wurde.204 Eine Haftung der Mutterunternehmen und der belieferten Unternehmen wird zudem nur dann angenommen, wenn es diesen möglich und zumutbar war, die konkrete Sorgfaltspflicht zu erfüllen.205 Ausgangspunkt sind bestehende Risiken möglicher Verletzungen der Rechtsgüter durch transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe. Für den Fall, dass dabei Risiken erkennbar seien, müssten geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden.206 Sofern etwa eine menschenrechtliche Risikoanalyse ergebe, dass Menschenrechte im Tochterunternehmen oder Zulieferbetrieb gefährdet seien bzw. sogar verletzt würden, müsse ein Mutterunternehmen und ein beliefertes Unternehmen tätig werden.207 Als verletzt würde die Sorgfaltspflicht des Mutterunternehmens und des belieferten Unternehmens demnach dann angesehen, wenn keine angemessenen Gegenmaßnahmen durchgeführt wurden, um das rechtsverletzende Verhalten der Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe zu unterbinden. Welche konkreten Anforderungen an den Inhalt möglicher Gegenmaßnahmen gestellt werden und wie Sorgfaltspflichten konkret ausgestaltet sein sollen, wird nur selten präzisiert208 und wird von den Situationen abhängig sein, unter denen Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 11; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 13; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 217. 203 Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 11; International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 12 ff., 34: „Even if such knowledge is not present, the law of civil remedies will often consider that a reasonable person would have undertaken analysis of the potential risks that gross human rights abuses were taking place in the context of its supply chain.“ 204 International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 15. 205 Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 15. 206 Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 46. 207 Saage-Maaß, Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferkette, S. 18. 202 Vgl. International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Civil Remedies, S. 34 f.: „Generally speaking, the closer the concerned supplier is to the company in the supply chain (i. e. the less intermediaries between the supplier and the company) the closer the victims will be deemed to be to the company and the more likely it will be that the law will oblige a company to take substantial positive action to protect them from the risk of harm. However, even where a supplier is a number of steps removed in the supply chain from the company, the level of precautionary measures required will increase, depending on the 208
114 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Unternehmen im Ausland tätig sind. Sorgfaltspflichten können unterschiedlich ausgestaltet und verankert sein. In Betracht kommt eine Sorgfalt nach allgemeinem Schuldrecht gemäß § 276 Absatz 2 BGB und das Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB). Mögliche Ausgestaltungen lassen sich an dem UK Modern Slavery Act von 2015, an dem US Dodd-Frank Act von 2010 sowie an dem französischen Loi relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d’ordre von 2017 oder auch den (wenn auch freiwillig formulierten) OECD Leitlinien Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas209 von 2013 anlehnen.210 Ein konkreter Vorschlag für die Ausgestaltung von Sorgfaltspflichten lässt sich zudem dem Gesetzgebungsvorschlag über die unternehmerische Sorgfaltspflicht zum Schutz der Menschenrechte (Menschenrechtsbezogene Sorgfaltspflichten-Gesetz – MSorgfaltsG)211 entnehmen. Dieser sieht als Anküpfungspunkt eine einheitliche Kategorie – nämlich des Beitrags eines Unternehmens zu einer Menschenrechtsverletzung – an und differenziert die sich daraus ergebenden unternehmerischen Pflichten je nach dem Grad der Beeinflussungsmöglichkeiten.212 Die Sorgfaltspflicht (in Anlehnung an die UN Leitprinzipien „due diligence“) erfordert danach eine umfassende Risikoanalyse und Folgenbewertung.213 Ausgangspunkt des Regelungskonzeptes ist die menschenrechtsbezogene Risikoanalyse sowie daran anschließende Präventions- und Abhilfemaßnahmen.214 importance of that sub-supplier for the eventual product bought by the company and the seriousness of the human rights abuses.“ Vgl. auch European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 23, die lediglich anführen: „An undertaking shall adopt all reasonable steps to prevent or mitigate human rights and environmental abuses.“; so auch Germanwatch/Gerstetter/Kamieth, Unternehmensverantwortung. Vorschläge für EU-Reformen. Eine juristische Analyse der Auslandstätigkeit zweier deutscher Unternehmen. Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen, S. 11: „Ein Haftungsanspruch bestünde nach den ECCJ-Forderungen dann, wenn ein Schaden eintritt, das Unternehmen entsprechende Risiken zuvor erkannt hatte oder hätte erkennen können und keine angemessenen Gegenmaßnahmen ergriffen hat.“; ausführlich indes Grabosch/Scheper, Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen. Politische und rechtliche Gestaltungsansätze, S. 46 ff. 209 Vgl. „Five-Step Framework for Risk-Based Due Diligence in the Mineral Supply Chain“ in Organisation for Economic Co-operation and Development, Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas. 210 Für eine mögliche Ausgestaltung von Sorgfaltspflichten siehe Grabosch/Scheper, Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen. Politische und rechtliche Gestaltungsansätze, S. 47 ff., 60 f. 211 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 1 ff. 212 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 22. 213 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 25 ff. sowie §§ 5 ff. des MSorgfaltsG. 214 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 25 ff. sowie §§ 5 ff. des MSorgfaltsG.
IV. Bedenken gegen eine zivilrechtliche Unternehmenshaftung115 IV. Bedenken gegen eine zivilrechtliche Unternehmenshaftung De lege lata hat sich eine Unternehmenshaftung wegen im Ausland begangener Menschenrechtsverletzungen noch nicht durchgesetzt. Daher stellt sich die Frage, ob grundsätzliche rechtliche Bedenken gegen die oben skizzierten Möglichkeiten einer Unternehmenshaftung bestehen. Der materiell-rechtliche Haftungsrahmen wird geprägt durch ein Zusammenspiel des Deliktsrechts (die deliktische Haftung juristischer Personen) mit dem Gesellschaftsrecht (die gesellschaftsrechtlichen Prinzipien der Trennung und beschränkten Haftung). Da aus den materiell-rechtlichen Erörterungen keine grundsätzlichen deliktsrechtlichen Bedenken folgen, werden hier vor allem gesellschaftsrechtliche Bedenken zu berücksichtigen und den Ansätzen gegenüberzustellen sein. Hinzu kommt eine Bewertung aus völkerrechtlicher Sicht. 1. Gesellschaftsrechtliche Bewertung einer Unternehmenshaftung Kritik an einer Unternehmenshaftung lässt sich aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive an zwei Punkten ausmachen.215 Wie oben ausgeführt folgt aus dem gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzip und dem Prinzip der begrenzten Haftung für transnationale Unternehmen zum einen, dass es einen einheitlichen, quasi zusammengefassten, Anspruch gegen ein einheitlich verstandenes transnationales Unternehmen grundsätzlich nicht gibt. Zum anderen folgt insbesondere aus dem Prinzip der begrenzten gesellschaftsrechtlichen Haftung, dass Ansprüche wegen der Verletzung von Menschenrechten separat gegen transnationale Tochterunternehmen und gegen transnationale Mutterunternehmen geltend zu machen sind (gegebenenfalls durch Verbindung der Klagen). Die Durchgriffshaftung von transnationalen Tochterunternehmen auf die Mutterunternehmen würde demnach eine Durchbrechung dieser gesellschaftsrechtlichen Prinzipien unter Aufhebung der rechtlichen Trennung und Haftungsbeschränkung von Mutter- und Tochterunternehmen darstellen. Grund der Durchgriffshaftung ist gerade, die mit den gesellschaftsrechtlichen Prinzipien einhergehenden Konsequenzen zu kompensieren. Denn insbesondere aus dem Prinzip der getrennten Rechtspersönlichkeiten ergibt sich die Konsequenz, dass eine Haftung transnationaler Mutterunternehmen kaum möglich wird und dies obwohl – wirtschaftlich gesehen – eine enge Verbindung insbesondere zwischen transnationalen Mutterunternehmen und transnationalen Tochterunternehmen 215 Vgl. De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 35 ff.; siehe auch Schäfer, Gesellschaftsrechtliche Implikationen bei der Durchsetzung einer menschenrechtskonformen Geschäftspolitik im Konzern, S. 18, demzufolge eine solche Konzerndurchgriffshaftung „systemsprengend“ sei.
116 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen besteht. Diese Konsequenz der begrenzten gesellschaftsrechtlichen Haftung wird im Ergebnis insbesondere im Bereich der deliktischen Haftung als unsachgerecht angesehen.216 Mit Blick auf die Entwicklung des Prinzips der begrenzten gesellschaftsrechtlichen Haftung und seinem ursprünglich angedachten Schutz natürlicher Personen, wird auf die die fehlende Differenzierung zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen als Gesellschafter verwiesen. Darauf aufbauend wird die unmittelbare, nicht hinterfragte Übertragung auf juristische Personen kritisiert.217 Dieser Konsequenz steht eine Betrachtungsweise gegenüber, die den Blick von der rechtlichen Verfassung hin zur wirtschaftlichen Einheit richtet und nicht die rechtlich selbstständigen Unternehmenseinheiten (enitiy approach), sondern Konzerneinheiten (enterprise, single unit approach; single entity)218 in den Blick nimmt. Eine solche Sicht adressiert auch, das Ausnutzen des lokalen Arbeitskräftepotenzials bei der Auslagerung arbeitsintensiver Verarbeitungsschritte und das derzeitige Fehlen einer diesem wirtschaftlichen Vorteil entsprechenden Haftungsübernahme bei Rechtsverletzungen.219 Hier stehen sich demnach zwei rechtspolitisch zu bewertende Positionen gegenüber: begrenzte gesellschaftsrechtliche Haftung einerseits Deutlich European Coalition for Corporate Justice, Fair Law: Legal Proposals to Improve Corporate Accountability for Environmental and Human Rights Abuses, S. 12: „[…] suspend the effects of the doctrine of separate legal personality in the area of human rights and the environment.“ Strasser, in: Connecticut Law Review 2005, S. 658 ff.; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation; Blumberg, in: The Journal of Corporation Law 1986, S. 573. 617: „[…] limited liability may also be regarded as fundamentally unfair to tort victims“, sowie Blumberg, in: The Journal of Corporation Law 1986, S. 573. 630 f.: „Both as an academic and a political matter, the application of limited liability to corporate groups has never undergone the scrutiny and debate that such a fundamental extension of the doctrine deserves. With world attention focused on recent environmental catastrophes involving local subsidiaries of foreign multinational enterprises (such as the Bhopal and Channel oil spill disasters) and with increasing labor concern on multinational problems of plant relocation and work transfer, the liability of the parent and upstream subsidiaries for the obligations of their local subsidiaries is a problem of increasing seriousness throughout the world. The legal rule inevitably will be on the world agenda for consideration.“; Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 161: „Protection by seperation.“ 217 Strasser, in: Connecticut Law Review 2005, S. 638; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 131; Blumberg, in: The American Journal of Comparative Law 2002, S. 493 ff.; Blumberg, in: The Journal of Corporation Law 1986, S. 573. 617; Blumberg, in: The Journal of Corporation Law 1986, S. 573. 630 f. 218 Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 170; Strasser, in: Connecticut Law Review 2005, S. 646 ff.; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 36 f. 219 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 18: „One consequence is that some European corporations may benefit from the operations of their third‐country subsidiaries and contractors, while not being held directly responsible for human rights and environmental abuses committed in the course of these operations.“ 216
IV. Bedenken gegen eine zivilrechtliche Unternehmenshaftung117 und Durchgriff andererseits. Dass Fälle einer Durchgriffshaftung anerkannt sind, zeigt gerade, dass keine grundlegenden gesellschaftsrechtlichen Bedenken eingewendet werden können. Die Normierung von Sorgfaltspflichten, die Kontrollpflichten transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen begründen würde, ist keinen grundlegenden gesellschaftsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Denn eine Haftung über die Annahme von Sorgfaltspflichten würde mit der Einhaltung der grundsätzlichen Trennung der verschiedenen Unternehmenseinheiten einhergehen und dementsprechend einen gangbaren Weg darstellen, eine Haftung unmittelbar durch eigenes Verhalten bzw. Unterlassen zu begründen.220 Der Weg der deliktischen Sorgfaltspflichten würde demnach einen schonenden Umgang mit den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen der gesellschaftsrechtlichen Trennung und der Haftungsbeschränkung der Mutterunternehmen darstellen. 2. Völkerrechtliche Bewertung einer Unternehmenshaftung Sind gesellschaftsrechtliche Bedenken im Hinblick auf eine Unternehmenshaftung im transnationalen Kontext jedenfalls nicht zwingend, stellt sich die Frage, ob entscheidende völkerrechtliche Gründe gegen eine Unternehmenshaftung sprechen. Es könnte der Einwand der – völkerrechtswidrigen – extraterritorialen Regulierung geltend gemacht werden, insbesondere – da es sich im Rahmen der Durchdurchgriffshaftung vor allem um Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung handelt – der Einwand völkerrechtswidriger extraterritorialer Rechtsetzung und Rechtsanwendung. Aus dem Grundsatz der territorialen Souveränität und der Gleichheit der Staaten nach Artikel 2 Absatz 4 und 7 der Charta der Vereinten Nationen ergibt sich, dass jeder Staat primär für die Rechtsetzung und -anwendung auf dem eigenen Territorium zuständig ist. Aus dieser grundlegenden territorialen Souveränität der Staaten folgt, dass sie ihre inneren und äußeren Angelegenheiten selbst bestimmen können.221 Von dieser Zuständigkeit ist jene Rechtsetzung und -anwendung erfasst, die Sachverhalte regelt, die sich innerhalb des eigenen Territoriums abspielen. Regelt die Bundesrepublik Deutschland Pflichten für Unternehmen mit Sitz in Deutschland in Bezug auf Verhaltensanforderungen in Deutschland bzw. gegenüber den in Deutschland tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Betrieben, so liegt ein Fall territorialer Rechtsetzung vor, bei Anwendung durch die Gerichte ein Fall territorialer Rechtsanwendung. 220 Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 233; Strasser, in: Connecticut Law Review 2005, S. 648. 221 Zum Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 315 ff.
118 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Als Teil einer solchen territorialen Rechtsetzung und -anwendung gilt aber zudem unstreitig auch jene Rechtsetzung und -anwendung, die (lediglich) extraterritoriale Wirkung aufweist (domestic measures with extraterritorial implications222).223 Territoriale Rechtsetzung und -anwendung mit extraterritorialer Wirkung beschreibt jene Rechtsetzung und -anwendung eines Staates, die an ein Verhalten in diesem Staat anknüpft, sich indes auch mittelbar auf Sachverhalte im Ausland bezieht und auswirkt.224 Regelt die Bundesrepublik Deutschland dementsprechend Pflichten für Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die sich aber in der Folge auf die Tätigkeit transnationaler Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe im Ausland und auf die im Ausland tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Betrieben auswirken, so liegt ein Fall territorialer Rechtsetzung mit extraterritorialer Wirkung vor, bei Anwendung durch die Gerichte ein Fall territorialer Rechtsanwendung mit extraterritorialer Wirkung. Normen, die das Verhalten der Mutterunternehmen gegenüber ihren transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben zum Gegenstand haben („parent based regulation“225), stellen also territoriale Regulierung mit extraterritorialer Wirkung dar, soweit diese Normen unmittelbar das Verhalten transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen im Heimatstaat adressieren. Solchen Normen stehen als Form territorialer Rechtsetzung und -anwendung mit extraterritorialer Wirkung keine völkerrechtlichen Bedenken entgegen. Entscheidend bleibt somit im Hinblick auf die Haftung im Wege eines Durchgriffs von Tochterunterunternehmen auf transnationale Mutterunternehmen die Frage, ob ein solcher Durchgriff eine extraterritoriale Regulierung mit extraterritorialer Wirkung darstellt. Auch bei einer Durchgriffshaftung, die eine deliktische Haftung der Mutterunternehmen wegen Verletzungen durch transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe begründen würde, handelt sich um eine Rechtsetzung und -anwendung durch den Heimatstaat, die eine Haftung im Hinblick auf das Verhalten eigener Unternehmenseinheiten im Heimatstaat regelt. Anknüpfungspunkt ist die Kontrolle durch Mutterunternehmen, die im Heimatstaat stattfindet Statt vieler Zerk, Extraterritorial Jurisdiction: Lessons for the Business and Human Rights Sphere from Six Regulatory Areas, S. 14. 223 Zur Abgrenzung zwischen extraterritorialer Rechtssetzung und territorialer Rechtssetzung allein mit extraterritorialer Wirkung siehe Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 73 ff.; Zerk, Extraterritorial Jurisdiction: Lessons for the Business and Human Rights Sphere from Six Regulatory Areas, S. 13 ff., 144 ff.; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 9. 224 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 73 ff.; Zerk, Extraterritorial Jurisdiction: Lessons for the Business and Human Rights Sphere from Six Regulatory Areas, S. 13 ff., 144 ff. 225 Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 108, die sich mit dem Begriff „parent based regulation“ auf die Regulierung der Mutterunternehmen bezieht, im Gegensatz zu einer Regulierung der ausändischen Tochterunternehmen oder Zulieferbetriebe (Letzteres daher „foreign based regulation“). 222
V. Fazit zur zivilrechtlichen Haftung transnationaler Unternehmen119 oder jedenfalls vom Heimatstaat ausgeht. In Bezug auf Unternehmenseinheiten mit Sitz oder Gründung im Heimatstaat wäre eine solche deliktische Durchgriffshaftung durch den Heimatstaat als Form territorialer Rechtsetzung und -anwendung mit extraterritorialer Wirkung demnach völkerrechtlich zulässig. Auch Sorgfaltspflichten, die Kontrollpflichten für Mutterunternehmen gegenüber transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben im Gaststaat begründen, knüpfen an ein Verhalten der Mutterunternehmen und zwar im Heimatstaat an und stellen daher nur territoriale Rechtsetzung mit extraterritorialer Wirkung dar, da sich die Regulierung nur mittelbar auf Sachverhalte im Ausland bezieht und auswirkt.226 Bei einer solchen Haftung mittels Sorgfaltspflichten bestehen keine völkerrechtlichen Bedenken. V. Fazit zur zivilrechtlichen Haftung transnationaler Unternehmen Die zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen im Ausland stellt in Deutschland bisher nur ansatzweise eine Möglichkeit dar, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu begegnen. De lege lata lässt sich zwar eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für zivilrechtliche Haftungsklagen durchaus dann begründen, wenn sich das Begehren gegen Mutterunternehmen mit Sitz oder Gründungsort in Deutschland richtet. In diesem Fall bestehen Defizite weniger in der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte als in der Frage nach der Begründung eines materiellen Haftungsanspruches gegen eben jene Unternehmenseinheiten. Im Hinblick auf die Frage nach dem anwendbaren Recht lässt sich zusammenfassen, dass es im Regelfall zu einer Anwendung des Rechts des Gaststaates nach Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO kommen wird. Heimatstaatliche Eingriffsnormen nach Artikel 16 Rom II VO, die eine materiell-rechtliche, außervertragliche Haftung von Mutterunternehmen begründen könnten, finden sich im deutschen Recht bisher nicht. An einer Artikel 7 Rom II VO entsprechenden Wahlmöglichkeit für Klägerinnen und Kläger für den Bereich einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen fehlt es. Entsprechend kam es auch in der Entscheidung des niederländischen Court of the Hague gegen Royal Dutch Shell Plc. und Shell Petroleum Development University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 169: „Generally speaking, corporate law relies on domestic measures which may have extraterritorial implications. An example would be obligations imposed on EU domiciled parent corporations to exercise oversight of their subsidiaries operating outside the European Union.“ 226
120 Kapitel 7 Zivilrechtliche Haftung transnationaler Unternehmen Company of Nigeria es zu einer Anwendung des Rechts des nigerianischen Gaststaates. Auch das Landgericht Dortmund vertritt in einer rechtshängigen Sache gegen den deutschen Textildiscounter KiK die Ansicht, dass das Recht des Gaststaates Pakistan Anwendung findet. Die Regelung einer zivilrechtlichen Haftung von Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen aufgrund einer Verletzung von Sorgfaltspflichten oder eines Durchgriffs durch das Recht der Gaststaaten erscheint fraglich. Die Anwendung des Rechts der Heimatstaaten ist daher nötig und nach Artikel 16 Rom II VO durch eine Ausgestaltung als Eingriffsnormen auch möglich. Kommt man de lege ferenda zu einer Anwendung des Rechts der Heimatsstaaten, um eine Haftung der Mutterunternehmen zu begründen, dann bedarf auch einer Anpassung des materiellen Rechts. Die Unternehmenshaftung nach deutschem Deliktsrecht ist derzeit mangelhaft ausgestaltet. Es finden sich allenfalls „Ansatzpunkte“227 im gegenwärtigen Recht. Gravierend ist zunächst, dass nur eine vage Möglichkeit besteht, die oben beschriebenen Menschenrechtsverletzungen als Verletzung geschützter Rechtsgüter deiner deliktischen Haftung zu übersetzen. Erforderlich wäre hier eine explizite Einbeziehung von Menschenrechten und internationaler arbeitsrechtlicher Normen als geschützte Rechtsgüter in das Deliktsrecht. Die Trennung juristischer Personen und die Haftungsbeschränkung führen im deutschen Recht im Ergebnis somit dazu, dass es nicht zu einer Haftung transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen kommen kann. Die in den Niederlanden 2013 ergangene Entscheidung gegen das Mineralölunternehmen Shell machte deutlich, dass nach wie vor Defizite in einer materiell-rechtlichen Begründung einer Haftung transnationaler Mutterunternehmen bestehen. Hier wurden Anspruchsgrundlagen strikt separat in Bezug auf das transnationale niederländische Mutterunternehmen Royal Dutch Shell Plc. und das nigerianische Tochterunternehmen Shell Petroleum Development Company of Nigeria untersucht und begründet bzw. abgelehnt. De lege lata bestehen keine – im Deliktsrecht verankerten – Normen, die eine deliktische Haftung von Mutterunternehmen oder anderer belieferter Unternehmen für das Verhalten von transnationalen Tochterunternehmen bzw. Zulieferbetrieben im Ausland begründen. Ein Durchgriff von transnationalen Tochterunternehmen auf transnationale Mutterunternehmen hat sich als Haftungsgrundlage in der deutschen Rechtsprechung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte noch nicht entwickelt. Auch fehlt es an Verkehrspflichten von Mutterunternehmen mit dem Inhalt, eine Aufsicht und Kontrolle über Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe im Ausland auszuüben, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Erforderlich für eine Haftung transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen ist daher die Einführung einer Pflicht seitens der Mutterunternehmen, um bei Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen, S. 19; vgl. hierzu auch Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, S. 69 ff. 227
V. Fazit zur zivilrechtlichen Haftung transnationaler Unternehmen121 Aktivitäten von transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben aus einer Pflichtverletzung einen Durchgriff auf die Mutterunternehmen bzw. die Verletzung einer eigenen Sorgfalt zu begründen. Weder einem Durchgriff noch entsprechenden Sorgfaltspflichten stehen deliktsrechtliche, gesellschaftsrechtliche oder völkerrechtliche Bedenken grundlegend entgegen. Der Weg der deliktischen Sorgfaltspflichten würde letztlich den schonenderen Umgang mit den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen der gesellschaftsrechtlichen Trennung und der Haftungsbeschränkung der Mutterunternehmen darstellen. Das französische Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten macht deutlich, dass deliktische Sorgfaltspflichten geregelt werden können und das Fehlen entsprechender Sorgfalt sanktioniert werden kann. Entgegen der deutschen Rechtslage deuten zudem ausgewählte Entscheidungen im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden an, dass eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen möglich und unter bestimmten Voraussetzungen erfolgreich sein kann. Die Rechtssache Chandler v Cape Plc. (2012) macht deutlich, dass es durchaus zu einer Haftung der Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochterunternehmen wegen Verletzung eigener Sorgfaltspflichten kommen kann. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass es sich in der Rechtssache Chandler v. Cape gerade nicht um einen transnationalen Sachverhalt handelte. Zudem wurde in der Entscheidung des Court of the Haugue eine entsprechende Sorgfaltspflicht in der Sache gegen das Mutterunternehmen Royal Dutch Shell Plc. unter Bezugnahme auf Chandler v. Cape mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgelehnt. Das Ergebnis in der Rechtssache gegen KiK, die gegenwärtig vor dem Landgericht Dortmund verhandelt wird, bleibt anzuwarten.
Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen Der zweite zu diskutierende Ansatz zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen betrifft das internationale Investitionsschutzrecht. Internationaler Menschenrechtsschutz und internationaler Investitionsschutzrecht haben sich seit Jahrzehnten weitgehend unabhängig voneinander entwickelt, auch wenn sie ursprünglich eine wesentliche Gemeinsamkeit teilten: die Beschränkung staatlicher Souveränität.1 Ausländische Direktinvestitionen betreffen zahlreiche Bereiche in den Gaststaaten wie das Baugewerbe, die Ab-/Wasserwirtschaft, die Sonderabfallwirtschaft (umweltgefährdender Abfälle), die Textilproduktion, die Gas- und Ölproduktion sowie verschiedene Formen von Bergbau. Vor dem Hintergrund massiver Menschenrechtsverletzungen im Kontext ausländischer Direktinvestitionen und des gleichzeitig stark ausgeformten Schutzes von Investitionen, steht das internationale Investitionsschutzrecht in der Kritik.2 Auch aus diesem Grund hat die Debatte um eine Einbeziehung von Menschenrechten bei der Ausgestaltung des Schutzes ausländischer Investitionen an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile setzt sich die Überzeugung durch, dass die 1 Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 9; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 10; De Brabandere, Human Rights Considerations in International Investment Arbitration, S. 1. 2 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities; Meeran, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 161; implizit European Coalition for Corporate Justice, Principles and pathways: Legal opportunities to improve Europe’s corporate accountability framework, S. 18; University of Edinburgh/ Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 18; grundlegend Schneiderman, Constitutionalizing economic globalization; Gill, Power and resistance in the new world order; Waibel (Hrsg.), The backlash against investment arbitration; Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 191 ff.; Frank, in: Fordham Law Review 2005, S. 1521 ff. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 123 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_8
124 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… Notwendigkeit einer Reform des internationalen Investitionsschutzregimes besteht.3 In den letzten Jahren hat sich zunehmend eine Debatte über die Notwendigkeit einer Neugewichtung der Rechte und Pflichten von Investorinnen und Investoren und Staaten entwickelt.4 Ein neuer Trend geht daher hin zu Reformen des bestehenden internationalen Investitionsschutzrechts.5 Eine Reform des internationalen Investitionsschutzrechts kann eine wichtige Rolle im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen einnehmen.6 Hintergrund ist auch das Spannungsverhältnis zwischen Investitionsschutz und staatlicher Regulierung, vor allem wegen der Einschränkung staatlicher Regulierungsspielräume durch das internationale Investitionsschutzrecht.7 Das internationale Investitionsschutzrecht besteht heute aus einer Vielzahl von völkervertragsrechtlichen und völkergewohnheitsrechtlichen Quellen.8 Eine institutionelle Zuordnung besteht nicht.9 Hervorzuheben sind im Kontext des internationalen Investitionsschutzrechts zwei Aspekte. Zum einen die materiell-rechtliche United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 120. 4 United Nations Conference on Trade and Development, Investment policy framework for sustainable development; VanDuzer/Simons/Mayeda, Integrating Sustainable Development into International Investments Agreements: A Guide for Developing Countries. 5 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 124: „The ‚IIA rush‛ of the 1990s gradually slows down. Many countries refine treaty content. States’ increased exposure to ISDS cases, the global financial crisis, a paradigm shift towards ‚sustainable development‛ and important changes at regional levels mark the beginnings of a concerted move towards IIA reform.“ 6 So auch United Nations Commission on Human Rights, Promotion and Protection of Human Rights. Interim report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, E/CN.4/2006/97, 22.02.2006, Rn. 12; United Nations Human Rights Council, Business and human rights: mapping international standards of responsibility and accountability for corporate acts, A/HRC/4/35, 19.02.2007, Rn. 1 ff. 7 Generell zum Spannungsverhältnis zwischen Investitionsschutzrecht und nationalem Regulierungsspielraum Tietje, Internationales Investitionsschutzrecht im Spannungsverhältnis von staatlicher Regelungsfreiheit und Schutz wirtschaftlicher Individualinteressen; Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 181 ff.; ausführlich Jacob, International investment agreements and human rights, S. 12 ff. mit weiteren Nachweisen; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 15; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 9, Fn. 2. 8 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 546; zur Entwicklung des heutigen internationalen Investitionsschutzrechts siehe Kläger, Die Entwicklung des allgemeinen völkerrechtlichen Fremdenrechts: unter besonderer Berücksichtigung seiner Wechselwirkungen mit dem internationalen Investitionsschutzrecht, S. 9 ff. 9 Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 166 („patchwork“); Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 5; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 17; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 546. 3
Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… 125 Ausgestaltung des Investitionsschutzes durch Schutzbestimmungen und zum anderen Streitbeilegungsregeln bzw. die Durchsetzung von Investorinteressen durch den Mechanismus der Streitschlichtung, vor allem durch die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (Investor-State Dispute Settlement, ISDS).10 Der Schutz und die Förderung von ausländischen Direktinvestitionen erfolgt materiell-rechtlich vor allem durch bilaterale Investitionsschutzverträge11 (Bilateral Investment Treaties, im Folgenden BITs) zwischen Heimatstaat und Gaststaat sowie durch regionale Freihandelsabkommen (Free Trade Agreements, im Folgenden FTAs) mit Investitionsschutzkapiteln. Beispiele für regionale Freihandelsabkommen mit Investitionsschutzkapiteln sind das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (North American Free Trade Agreement, NAFTA) von 1994 und der Energiecharta Vertrag (Energy Charter Treaty, ECT) von 1998. BITs und FTAs werden im Folgenden unter den Begriff der internationalen Investitionsschutzabkommen (International Investments Agreements, im Folgenden IIAs) zusammengefasst.12 Das erste BIT datiert auf 1959 und wurde zwischen Pakistan und Deutschland geschlossen.13 Während in den 1950er und 1960er Jahren kaum ein Anstieg an BITs zu verzeichnen war, fand zeitlich einhergehend mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems ein erster Aufschwung Ende der 1970er statt.14 Auch die Schuldenkrisen in sogenannten Entwicklungsländern in den 1980ern führten zu einem zunehmenden Interesse an ausländischen Direktinvestitionen.15 Besonders drastisch nahm die Anzahl an BITs in den 1990er Jahren zu.16 Insgesamt lässt sich von 1959 bis heute ein deutlicher Anstieg im Volumen ausländischer Direktinvestitionen und in der Anzahl völkerrechtlicher Verträge zum Schutz und zur Förderung ausländischer Direktinvestitionen durch IIAs feststellen.17 Im Folgenden werden zunächst der Frage nachgegangen, inwieweit das internationale Investitionsschutzrecht gegenwärtig menschenrechtlichen Anforderungen gerecht wird (I.). Anknüpfend an bestehende Defizite werden Möglichkeiten dargelegt, Jacob, International investment agreements and human rights, S. 8. Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 144: „BITs based international investment regime“. 12 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 553, 559 ff.; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 3; Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 166. 13 Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 12. 14 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 121 ff. 15 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 121 ff. 16 Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 147; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 11. 17 Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 182 f., Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 530. 10 11
126 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… das internationale Investitionsschutzrecht zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu nutzen (II.). Im Anschluss daran werden mögliche Bedenken gegen eine Einbeziehung menschenrechtlicher Anforderungen in das internationale Investitionsschutzrecht ausgeräumt (III.), um abschießend herausstellen zu können, dass auch das internationale Investitionsschutzrecht als Mittel einer Steuerung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte in Betracht kommt, um Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu begegnen (IV.). I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht Im Folgenden wird der gegenwärtig fehlende Schutz von Menschenrechten durch das internationale Investitionsschutzrecht in Umrissen dargelegt. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit IIAs (1.) und die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (2.) gegenwärtig menschenrechtlichen Anforderungen gerecht wird. 1. Fehlende Einbeziehung von Menschenrechten in internationalen Investitionsschutzabkommen IIAs räumen durch materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Investitionen Investorinnen und Investoren zahlreiche substantielle Rechte ein.18 Auf der Pflichtenseite sieht es indes rar aus.19 Eine Bezugnahme auf Menschenrechte findet in IIAs kaum statt.20 Es entspricht dem Status quo, dass IIAs selten Menschenrechte einbeziehen.21 Legt man den deutschen Mustervertrag22 für bilaterale United Nations Conference on Trade and Development, International Investment Rule-Making: Stocktaking, Challenges, and the Way Forward, S. 45 f. 19 Deutlich Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 11; Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 145. 20 Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 227; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 83 f. („peripheral at best“); zur neueren Entwicklungen siehe United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2014: Investing in the SDGs: An action plan, S. 116 ff. 21 Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 82; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 9. 22 Deutsches Musterabkommen (Vertrag über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen) von 2008, (englische Version) abrufbar unter http://www.italaw.com/sites/default/ files/archive/ita1025.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 18
I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht127 Investitionsschutzabkommen zugrunde, so lässt sich feststellen, dass auch dieser keine Berücksichtigung von Normen zum Schutz internationaler arbeitsrechtlicher Normen oder anderer Menschenrechte enthält. Um die gegenwärtig fehlende Einbeziehung von Menschenrechten in IIAs näher zu beleuchten, wird im Folgenden zur Kontextualisierung zunächst der Schutz ausländischer Investitionen durch IIAs in Umrissen dargelegt (a.). Anschließend wird die fehlende Bindung von Unternehmen an Menschenrechte in IIAs aufgezeigt (b.) Abschließend werden die fehlenden Pflichten von Staaten zum Schutz vor Verletzungen von Menschenrechten in IIAs dargelegt (c.). a. Materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Investitionen IIAs dienen primär dem Schutz ausländischer Investitionen. Materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Investitionen in IIAs gehen dabei über die völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen von Staaten zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards hinaus. IIAs können dabei unterschiedlich ausgestaltet sein. Sie enthalten aber in der Regel eine gewisse Grundstruktur und bestimmte, wesentliche Verbürgungen.23 Materiell enthalten IIAs regelmäßig Mindeststandards für die Behandlung von Investitionen, wie den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung („non-discrimination“), der Inländergleichbehandlung („national treatment“) und der Meistbegünstigung („most favoured nations treatment“) und Bestimmungen zur Kapitalverkehrsfreiheit.24 Über Stabilisierungsklauseln („stabilization clauses“) wird die Anwendung gaststaatlicher Gesetze, die nach Abschluss der Investor-Staat Verträge geschaffen wurden, auf die Investition verhindert.25 Der Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung („fair and equitable treatment“, FET) wird derzeit als wichtigster materieller Schutzstandard angesehen.26 Nach Artikel 2 Absatz 2 des deutschen Mustervertrags beispielsweise müssen die Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 3 f.; Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 166; Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 145 ff. 24 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 4; Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 166. 25 Hierzu Can/Seck, The Legal Obligations with Respect to Human Rights and Export Credit Agencies, S. 3; Cernic, in: German Law Journal 2010, S. 210 ff.; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 32 ff.; Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 289; United Nations Office of the High Commissioner on Human Rights, Human rights, trade and investment, 2003, E/CN.4/Sub.2/2003/9; Shemberg, Stabilization clauses and human rights : a research project conducted for IFC and the United Nations Special Representative to the Secretary General on Business and Human Rights; Muchlinski, Multinational enterprises and the law, S. 578 ff. 26 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 4, 20; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 13 f. 23
128 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… Vertragsstaaten Kapitalanlagen von Investorinnen und Investoren des anderen Vertragsstaats in jedem Fall gerecht und billig behandeln und ihnen den vollen Schutz des Vertrags gewähren. Inhaltlich per se offen,27 werden völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Mindeststandards als Anhaltspunkt für die Auslegung des Grundsatzes der gerechten und billigen Behandlung herangezogen.28 Neben dem Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung kommt dem Schutz vor Enteignungen ohne Entschädigung („protection from unlawful expropriation“) und der Entschädigungspflicht bei Enteignungen („compensation for lawful expropriation“) in Bezug auf materielle Schutzstandards des internationalen Investitionsschutzrechts gesteigerte Bedeutung zu.29 Am Beispiel der Entschädigungspflicht bei indirekter Enteignung wegen staatlicher Regulierung wird das Spannungsverhältnis zwischen Investitionsschutz und staatlicher Regulierung, vor allem wegen der Einschränkung staatlicher Regulierungsspielräume durch das internationale Investitionsschutzrecht, besonders deutlich.30 b. Fehlende Bindung von Unternehmen an Menschenrechte im internationalen Investitionsschutzrecht Während Rechte von transnationalen Unternehmen als Investorrechte im internationalen Investitionsschutzrecht vertieft ausgestaltet sind, fehlt es grundsätzlich an Pflichten aufseiten des Investors. Dies entspricht dem traditionellen Völkerrechtsverständnis. Auch die im Völkerecht nunmehr teils akzeptierte Deutung von Unternehmen als partielle Völkerrechtssubjekte allein enthält noch keine Aussage über 27 Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 44. 28 Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 44; Organisation for Economic Co-operation and Development, Fair and Equitable Treatment Standard in International Investment Law – Working Paper on International Investment, Number 2004/3; United Nations Conference on Trade and Development, Fair and Equitable Treatment. UNCTAD series on international investment agreements II. A sequel, S. 1 ff. 29 Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 211 ff.; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 4; Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 178. 30 Hierzu Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 182 ff; ein solcher Fall der Entschädigungspflicht bei indirekter Enteignung wegen staatlicher Regulierung ist die Sache S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, UNCITRAL, Teilentscheidung vom 13.11.2000. In dieser Sache wurde nicht ausgeschlossen, dass die staatliche Maßnahme zur Regulierung giftiger Abfälle durch ein Exportverbot eine entschädigungspflichtige Enteignung darstellen könne. Zu S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada siehe auch Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 193; Ceyssens, in: Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 23.
I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht129 deren mögliche direkte Bindung an internationale Menschenrechte.31 Nach wie vor wird eine Bindung von Unternehmen als juristischen Personen an internationale Menschenrechte überwiegend verneint.32 Nur ausnahmsweise wird eine unmittelbare Bindung von Unternehmen an Menschenrechte anerkannt. Diese Konstellation entspricht der dem deutschen Recht bekannten unmittelbaren Drittwirkung von Grundrechten. Hier stellt sich die Frage, ob Private – natürliche und juristische Personen – einer Bindung an Grundrechte unterliegen.33 Ausdrücklich vorgesehen ist eine solche unmittelbare Bindung an Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten im Arbeitsverhältnis in Artikel 9 Absatz 3 GG. Artikel 9 Absatz 3 GG kennt eine also eine unmittelbare Drittwirkung im Zusammenhang mit der Vereinigungsfreiheit. Im Übrigen wird eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte nach deutschem Recht indes grundsätzlich abgelehnt.34 Darüber hinaus gilt im deutschen Recht grundsätzlich das Prinzip der mittelbaren Drittwirkung, sodass Grundrechte durch Auslegung zur Wirkung gebracht werden (grundrechtskonforme Auslegung).35 Ähnlich wird auf internationaler Ebene eine unmittelbare Drittwirkung von Menschenrechten abgelehnt.36 Die Draft Norms, nach denen womöglich transnationalen Unternehmen eine rechtliche Bindung zukommen sollte,37 wurden nicht angenommen.38 Auch aus den UN Leitprinzipien des Sonderbeauftragten Ruggie lassen sich keine völkerrechtlichen Unternehmenspflichten ableiten. Die sogenannte zweite Säule der UN Leitprinzipien, die Unternehmensverantwortung für die Respektierung von Menschenrechten (corporate responsibility to respect), adressiert die Erwartungen und Ansprüche, die unmittelbar an Unternehmen gestellt werden. Ausdrücklich wird betont, dass die Verantwortung der Unternehmen für Menschenrechte von der rechtlichen Haftung Krajewski, Menschenrechte und transnationale Unternehmen, S. 5; die Völkerrechtssubjektivität transnationaler Unternehmen ist umstritten und wird bisher ebenfalls überwiegend abgelehnt, hierzu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 269 f.; McCorquodale, in: Research handbook on international human rights law, S. 97. 32 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 629; Krajewski, Völkerrecht, § 12, Rn. 60. 33 Zippelius/Würtenberger/Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 168; Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 37 ff.; Hörtreiter, in: Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 12 ff. 34 BVerfGE 7, 198 (Lüth); vormals für eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte BAG, in: NJW 1957, 1688 ff. 35 BVerfGE 7, 198. 36 De Brabandere, Human Rights Considerations in International Investment Arbitration, S. 5 mit Verweis auf Human Rights Committee General Comment Nr 31, Rn. 80; Knox, in: American Journal of International Law 2008, S. 1 ff. 37 Von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 6; Hamm, in: Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen 2008, S. 219 ff.; Hörtreiter, in: Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 16 ff. 38 United Nations Commission on Human Rights, Responsibilities of transnational corporations and related business enterprises with regard to human rights, Decision 2004/116, 20.04.2004; so auch United Nations Economic and Social Council, Responsibilities of transnational corporations and related business enterprises with regard to human rights, Decision 2004/279, 22.07.2004. 31
130 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… und Durchsetzung zu unterscheiden ist.39 Damit nehmen sie gezielt Abstand von dem Weg, der einst von den Draft Norms eingeschlagen wurde, einer möglichen Verankerung verbindlicher internationaler Pflichten für Unternehmen. In diesem Sinne sind Unternehmenspflichten zum Schutz von Menschenrechten IIAs fremd.40 IIAs sind grundsätzlich einseitig ausgerichtet und zwar insoweit als sie Pflichten von Investorinnen und Investoren auslassen.41 In diesem Sinne enthält auch das deutsche Musterabkommen für BITs keine Unternehmenspflichten.42 Nur wenige BITs enthalten die Möglichkeit, menschenrechtliche Belange geltend zu machen.43 Seit den 1990er Jahren gibt es vereinzelt erste Bezugnahmen auf menschenrechtliche Belange.44 Ausnahmen sind etwa das Abkommen für den Gemeinsamen Markt für das Östliche und Südliche Afrika Gemeinsame Markt für das Östliche und Südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa, im Folgenden COMESA)45 oder beispielsweise das norwegische Musterabkommen 39 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy‟ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 12 – Kommentar. 40 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 10, 14; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 12; University of Edinburgh/ Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 137. 41 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 11; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 14 f.; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 10. 42 Vgl. deutsches Musterabkommen (Vertrag über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen) von 2008, (englische Version) abrufbar unter http://www.italaw.com/sites/default/ files/archive/ita1025.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); ausführlich Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne; Drillisch/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen und Investitionsgarantien – Konzept, Kritik und Perspektiven; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 82. 43 Jacob, International investment agreements and human rights, S. 9, 11: „Summing up, plain reference to human rights provisions in BITs is at present virtually unknown.“; Organisation for Economic Co-operation and Development, International Investment Law: Understanding Concepts and Tracking Innovations: A Companion Volume to International Investment Perspectives, S. 135 ff. 44 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 9 f.; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2014: Investing in the SDGs: An action plan, S. 116 ff. 45 Artikel 7 Absatz 2(d) (iii) COMESA Investment Agreement, abrufbar unter http://vi.unctad.org/ files/wksp/iiawksp08/docs/wednesday/Exercise%20Materials/invagreecomesa.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017).
I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht131 im Entwurf von 200846,47 aber auch Artikel 1114 NAFTA und Artikel 19 ECT. Zu diesen Ausnahmen, die auch andere als reine Investorinteressen in IIAs einbeziehen, zählen auch das US Musterabkommen von 201248 und das kanadische Musterabkommen (Canada Model Foreign Investment Promotion and Protection Agreements) von 2004.49 Ohne ausdrücklichen Menschenrechtsbezug verpflichten mehrere IIAs Investorinnen und Investoren, die einschlägigen innerstaatlichen Gesetze und Vorschriften im Zusammenhang mit ihrer Investition zu berücksichtigen.50 Diese Verträge umfassen das COMESA Investment Agreement51 sowie bestimmte Musterabkommen wie das Botswana Musterabkommen (2008) und das Ghana Musterabkommen (2008).52 Einige IIAs enthalten Verpflichtungen von Investorinnen und Investoren, ohne dass für eine Nichteinhaltung Folgen vorgesehen sind.53 Andere IIAs enthalten hingegen eigenständige Vorschriften für den Fall einer Nichteinhaltung der Gesetze Draft Norwegian model for agreements on promotion and protection of investments (2007), abrufbar unter http://www.italaw.com/sites/default/files/archive/ita1031.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); siehe hierzu Jacob, International investment agreements and human rights, S. 10; Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 194. 47 Jacob, International investment agreements and human rights, S. 9 f.; hierzu auch Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 10 f. 48 United States 2012 Model BIT, abrufbar unter http://www.italaw.com/sites/default/files/archive/ ita1028.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), beipielsweise in Artikel 12: Investment and Environment und Artikel 13: Investment and Labor. 49 Dumberry/Dumas-Aubin, in: Yearbook on international investment law & policy 2011–2012, 2013, S. 574. 50 Vgl. Artikel 13 des Investment Agreement for the Common Market for Eastern and Southern Africa, abrufbar unter http://vi.unctad.org/files/wksp/iiawksp08/docs/wednesday/Exercise%20 Materials/invagreecomesa.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); siehe auch Annex 1, Artikel 10 des Protocol on Finance and Investment der Southern African Development Community, abrufbar unter http://www.sadc.int/files/4213/5332/6872/Protocol_on_Finance__Investment2006.pdf (zuletzt aufgerufen am 08.01.2015): „‚Corporate social responsibility‛: Foreign investors shall abide by the laws, regulations, administrative guidelines and policies of the Host State.“ 51 Investment Agreement for the Common Market for Eastern and Southern Africa, abrufbar unter http://vi.unctad.org/files/wksp/iiawksp08/docs/wednesday/Exercise%20Materials/invagreecomesa.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 52 Botswana Model Bilateral Investment Treaty (2008), abrufbar unter http://investmentpolicyhub.unctad.org/IIA/CountryIris/26 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Ghana Model Bilateral Investment Treaty (2008), abrufbar unter http://investmentpolicyhub.unctad.org/Download/TreatyFile/2866 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 53 Vgl. Annex 1, Artikel 10 des Protocol on Finance and Investment der Southern African Development Community, abrufbar unter http://www.sadc.int/files/4213/5332/6872/Protocol_on_ Finance__Investment2006.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Artikel 11.1 des Botswana Model Bilateral Investment Treaty (2008), abrufbar unter http://investmentpolicyhub.unctad.org/ IIA/CountryIris/26 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Artikel 12.1 des Ghana Model Bilateral Investment Treaty (2008), abrufbar unter http://investmentpolicyhub.unctad.org/Download/TreatyFile/2866 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 46
132 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… des Gaststaates.54 In einer weiteren Variante regeln IIAs verschiedene Aspekte des Verhaltens von Investorinnen und Investoren mit unterschiedlichen Folgen in Bezug auf jeweilige Vertragsverletzungen.55 Die Bestimmungen im COMESA Investment Agreement werden als ein wesentlicher Fortschritt angesehen, Rechte und Pflichten von Investorinnen und Investoren auszugleichen, da sie eine völkerrechtliche Verpflichtung enthalten, mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Aufnahmestaats in Einklang zu handeln.56 Auch unmittelbare Haftungsnormen sind IIAs gegenwärtig überwiegend fremd. Nur wenige IIAs enthalten Bestimmungen, die eine zivilrechtliche Haftung von Investorinnen und Investoren und deren Investitionen als Mittel enthalten, um die Einhaltung der im Gaststaat bestehenden Gesetze durchzusetzen. Ein Beispiel ist das South African Development Community Model Bilateral Investment Treaty (SADC).57 Dieses sieht die Möglichkeit einer Haftung vor und zwar über innerstaatliche Gerichte bei Verletzung vertraglicher Verpflichtungen durch Investorinnen und Investoren. Danach kann der Gaststaat vor eigenen Gerichten oder Gerichten des Heimatstaates gegen die Investorinnen und Investoren eine Klage initiieren.58 Im Übrigen droht kaum ein Verlust bestehender Rechte aus den Schutzstandards oder prozessual bei Verletzung von Menschenrechten durch Investitionen. Dies belegt eine Vielzahl von Entscheidungen, in denen Menschenrechte eine relevante Rolle hätten einnehmen können.59 54 Artikel 13 (Investor Obligation) und Artikel 28 (Investor-State Disputes) des COMESA Investment Agreement, abrufbar unter http://vi.unctad.org/files/wksp/iiawksp08/docs/wednesday/ Exercise%20Materials/invagreecomesa.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 55 Siehe Artikel Articles 11 und 19 des Model Bilateral Investment Treaty Template with Commentary der Southern African Development Community (2012), abrufbar unter http://www.iisd. org/itn/wp-content/uploads/2012/10/sadc-model-bit-template-final.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Artikel 12 ff. des Model International Agreement on Investment for Sustainable Development des International Institute for Sustainable Development. 56 Muchlinski, The COMESA Common Investment Area: Substantive Standards and Procedural Problems in Dispute Settlement, S. 20. 57 Southern African Development Community Model Bilateral Investment Treaty Template with Commentary (2012), abrufbar unter http://www.iisd.org/itn/wp-content/uploads/2012/10/sadcmodel-bit-template-final.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 58 Siehe South African Development Community Model Bilateral Investment Treaty Template and Commentary, abrufbar unter http://www.iisd.org/itn/wp-content/uploads/2012/10/SADC-ModelBIT-Template-Final.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017) Artikel 19.3: „In accordance with its applicable domestic law, the Host State, including political subdivisions and officials thereof, private persons, or private organizations, may initiate a civil action in domestic courts against the Investor or Investment for damages arising from an alleged breach of the obligations set out in this Agreement.“ und Artikel 19.4: „In accordance with the domestic law of the Home State, the Host State, including political subdivisions and officials thereof, private persons, or private organizations, may initiate a civil action in domestic courts of the Home State against the Investor, where such an action relates to the specific conduct of the Investor, and claims damages arising from an alleged breach of the obligations set out in this Agreement.“ 59 Ausführlich Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 238 ff.
I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht133 c. Fehlende Staatenpflichten in internationalen Investitionsschutzabkommen Entsprechend der geringen Einbeziehung menschenrechtlicher Belange in IIAs und der primären Ausrichtung an Schutzstandards zugunsten von Investitionen, finden sich auch kaum Staatenpflichten zum Schutz von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen in IIAs. Nachstehend wird zunächst aufgezeigt, welche Pflichten sich aus dem Völkerrecht für Gaststaaten und Heimatstaaten grundsätzlich ergeben (aa.).60 Daran anschließend werden fehlende Pflichten zum Schutz vor Verletzungen von Menschenrechten in IIAs sowohl in Bezug auf die Gaststaaten (bb.) als auch in Bezug auf die Heimatstaaten (cc.) behandelt. aa. Staatenpflichten Staaten sind die primären Akteure und Normadressaten im internationalen Recht. Aus dem Völkerrecht ergeben sich selbst auferlegte Einschränkungen der staatlichen Souveränität.61 Eine besondere – da verbindliche – Bindung an Menschenrechte besteht über das Völkergewohnheitsrecht und zwingendes Völkerrecht. Wichtigste Quelle neben dem Völkergewohnheitsrecht ist nach Artikel 38 Buchstabe a IGHStatut das Völkervertragsrecht. Insbesondere dieses bindende Völkervertragsrecht ist die Grundlage für die Annahme völkerrechtlicher Staatenpflichten. In Bezug auf die ILO Kernarbeitsnormen besteht vor allem eine völkervertragsrechtliche Bindung, soweit Ratifikationen der entsprechenden acht ILO Übereinkommen vorliegen. Ursprünglich aus dem Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stammend,62 hat sich im Kontext des Menschenrechtsschutzes die Pflichtentrias der Achtungs- bzw. Respektierungspflichten (duty to respect, im Folgenden Respektierungspflichten), den Schutzpflichten (duty to protect) und den Gewährleistungspflichten (duty to fulfil) generell etabliert.63 Unmittelbar relevanteste Staatenpflicht der Pflichtentrias ist im Kontext von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen die staatliche Schutzpflicht. Gegenstand der staatlichen Schutzpflicht ist es, Individuen – über die Respektierungspflicht hinaus – auch vor Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Dritte zu schützen. Aus der Schutzpflicht ergibt sich somit, dass Staaten verpflichtet sind, vor Verletzungen sie bindender völkerrechtlicher Normen auch Ausführlich zum Thema extraterritoriale Staatenpflichten siehe unten Teil II, Kapitel 9. Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 307 f.; Krajewski, Völkerrecht, § 8, Rn. 7 f. 62 Zur Entwicklung aus dem Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte siehe von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 8 f.; De Schutter, International Human Rights Law, S. 242; Krennerich, Soziale Menschenrechte; zur Verbindlichkeit der wsk Rechte Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 313. 63 Zur Trias Shue, Basic rights; Eide, in: Human Rights Law Journal 1989, S. 35 ff.; zur Anerkennung der Trias von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 261 ff. 60 61
134 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… gegenüber privaten Dritten zu schützen.64 Diese Schutzpflicht vor Verletzungen durch private, also nicht-staatliche Dritte, erfasst auch Unternehmen.65 bb. Fehlende Pflichten und Rechte der Gaststaaten und Heimatstaaten in internationalen Investitionsschutzabkommen Staatenpflichten beziehen sich zunächst auf das jeweilige Territorium eines Staates und obliegen Staaten auch nur insoweit und damit vor allem allein gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung.66 Unstreitige Konsequenz der Bindung an völkervertragsrechtliche Menschenrechtsabkommen und den daraus resultierenden Staatenpflichten ist, dass es daher primär den Gaststaaten obliegt, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auf ihrem Territorium zu begegnen.67 Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang die aus der Schutzpflicht resultierende Pflicht, völkerrechtliche Verpflichtungen in nationales Recht umzusetzen und effektiv durchzusetzen.68 IIAs enthalten durchaus Pflichten der Gaststaaten. Allerdings dienen diese bisher allein dem Schutz von Investorinteressen.69 Die Pflicht der Gaststaaten, vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auf ihrem Territorium zu schützen, findet in IIAs keinen Eingang.70 64 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004, Rn. 8; United Nations Committee on Economic, General Comment No 15. The right to water (arts. 11 and 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2002/11. 20.01.2003; Jägers, Corporate human rights obligations, S. 82 ff. 65 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 15: „It is beyond doubt today that international human rights law imposes a positive duty on states to adopt and enforce measures necessary to ensure that the economic activities carried on by business within their territory do not negatively impact the human rights of its people.“ 66 Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 355. 67 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 630; Vandenhole, in: Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers, S. 86 f.; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599 f. 68 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 8. 69 Krajewski, Ensuring the primacy of human rights in trade and investment policies, S. 9. 70 Drillisch/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen und Investitionsgarantien – Konzept, Kritik und Perspektiven, S. 12 ff.; Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 17.
I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht135 Die staatliche Schutzpflicht findet sich im internationalen Investitionsschutzrecht im sogenannten Recht zur Regulierung wider.71 Danach hat jeder Staat das souveräne Recht, auch die Bedingungen, unter denen ausländische Direktinvestitionen stattfinden, zu regeln und zwar unter Berücksichtigung internationaler Verpflichtungen.72 IIAs enthalten regelmäßig Schutzstandards, die in der (schiedsgerichtlichen) Praxis das Recht zur Regulierung der Gaststaaten einschränken.73 Eine Einschränkung erfolgt vor allem durch die materiellen Schutzstandards.74 Dies gilt besonders in Bezug auf den Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung, den Grundsatz der Meistbegünstigung und den Schutz vor Enteignungen ohne Entschädigung und der Entschädigungspflicht bei Enteignungen.75 Auch in Bezug auf Heimatstaaten finden sich in IIAs keine Pflichten zum Schutz von Menschenrechten.76 Heimatstaaten haben sich bisher im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen mittels IIAs nicht hervorgetan. Dies mag auch an einer bisher fehlenden Anerkennung völkerrechtlicher Pflichten liegen.77 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 8, 17: „The nearest equivalent in international investment law to the duty to protect in human rights law is found in the notion of the state’s right to regulate.‟ 72 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 129. 73 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 8, 20; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 137 unter Bezugnahme auf United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Business and Human Rights: Further steps toward the operationalization of the „protect, respect and remedy“ framework, A/HRC/14/27, 09.04.2010, Rn. 20‐24; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 128. 74 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 20; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 13 ff. 75 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 20; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 13 ff. 76 Drillisch/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen und Investitionsgarantien – Konzept, Kritik und Perspektiven, S. 12 ff.; Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne. 77 Dumberry/Dumas-Aubin, in: Yearbook on international investment law & policy 2011–2012, 2013, S. 572; ausführlich hierzu siehe unten Teil II, Kapitel 9. 71
136 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… 2. Fehlende Durchsetzung von Menschenrechten im Wege der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit Prozessual wird der Schutz ausländischer Direktinvestitionen durch Schiedsgerichte verwirklicht. Während Anfang des 20. Jahrhunderts die Durchsetzung der Investorinteressen noch durch die Ausübung diplomatischen Schutzes durch den Heimatstaat erfolgte,78 werden materielle Schutzstandards heute durch den Mechanismus der Streitschlichtung in Form der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit durchgesetzt.79 Eine überwiegende Zahl der bilateralen Investitionsschutzverträge stellt mittlerweile diese Möglichkeit der Durchführung von Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit bereit.80 Auch das NAFTA (Artikel 1115 ff.) oder der ECT (Artikel 26 ff.) enthalten die Möglichkeit der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit. Bis in die 1990er Jahre hinein waren Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren weitgehend unbekannt. Seitdem lässt sich ein stetiger Anstieg an Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren konstatieren.81 Anders als im Kontext des diplomatischen Schutzes können Investorinnen und Investoren im Rahmen der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit selbst als Partei, stets als Kläger, auftreten und es bedarf keiner weiteren Vermittlung durch den Heimatstaat.82 Zur Beilegung investitionsrechtlicher Streitigkeiten durch Verhandlungen vor einem Schiedsgericht ist es möglich, Schiedsverfahren auf der Grundlage der Regeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) durchzuführen. In Betracht kommt aber auch die Bildung von ad-hoc Schiedsgerichte nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC) oder des Internationalen Schiedsgerichthofs London (London Court of International Arbitration, LCIA). Besondere Bedeutung kommt dem – der WeltbankGruppe angehörigen – Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) zu.83 ICSID wurde 1965 errichtet und ermöglicht zwischenstaatliche Streitigkeiten beizulegen, aber – bedeutsamer noch – die Durchführung von Schiedsverfahren zwischen ausländischen Investorinnen und Investoren und Gaststaaten.84 Nach Artikel 53 und 54 des Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 211. Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 4. 80 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 4; Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 151. 81 United Nations Conference on Trade and Development, Latest Developments in Investor-State Dispute Settlement. 82 Griebel, Internationales Investitionsrecht, S. 19, 114; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 645. 83 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 653. 84 Griebel, Internationales Investitionsrecht, S. 92 ff.; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 652; Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 211 ff. 78 79
I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht137 (ICSID-Konvention) ist ein Schiedsspruch für die Partei bindend. Nach Artikel 51 und Artikel 52 ICSID-Konvention ist die Überprüfung von Schiedssprüchen zudem nur in sehr wenigen Fällen möglich. Eine öffentliche Kontrolle der Schiedsverfahren findet kaum statt.85 Durch die Möglichkeit der Wahl der Schiedsrichter erhält das Interesse der Investorinnen und Investoren weiteren, starken Einzug und Rückhalt.86 Eine direkte Bezugnahme auf Menschenrechte findet in der ICSID-Konvention nicht statt; diese enthält vor allem prozedurale Regelungen.87 Die Einbeziehung von Menschenrechten durch die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit ist differenziert zu betrachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Art bzw. zu wessen Gunsten Menschenrechte geltend gemacht und berücksichtigt werden. In Bezug auf Investorrechte und den Schutz von Eigentum kommt es immer wieder zu einer Einbeziehung von Menschenrechten.88 Bereits in den 1990er Jahren haben Schiedsgerichte die Bedeutung anderer verbindlicher Völkerrechtsregime anerkannt.89 Dies galt vor allem zugunsten von Investorinnen und Investoren.90 In mehreren Entscheidungen der Investor-Staat-Schiedsgerichte wird in diesem Sinne auf Menschenrechte der Investorinnen und Investoren Bezug genommen.91 In Bezug auf Menschenrechte, die nicht dem Schutz von Investitionen gelten, wird zum Teil eine Zuständigkeit grundsätzlich abgelehnt.92 Hier wird die begrenzte Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 211 ff. Krajewski, in: Kritische Justiz 2010, S. 391; Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 156 mit weiteren Nachweisen. 87 Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 82. 88 Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 167; De Brabandere, Human Rights Considerations in International Investment Arbitration, S. 9; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 17: „[…] there is clear evidence of human rights issues being raised before investment treaty tribunals.“; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 10; Tietje, Individualrechte im Menschenrechts- und Investitionsschutzbereich – Kohärenz von Staaten- und Unternehmensverantwortung, S. 17 f.; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 83; Hirsch, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration. 89 Southern Pacific Properties (Middle East) Limited v. Egypt, ICSID Case no. ARB/84/3, Entscheidung vom 20.05.1992, Rn. 154. 90 Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 22 unter Bezugnahme auf Southern Pacific Properties (Middle East) Limited v. Egypt, ICSID Case no. ARB/84/3, Entscheidung vom 20.05.1992, Rn. 154. 91 Mondev International Ltd. v. USA, ICSID Case No. ARB/(AF)/99/2, Entscheidung vom 11.10.2002, Rn. 144; Técnicas Medioambientales Tecmed, S.A. v. United Mexican States, ICSID Case No. ARB(AF)/00/2, Entscheidung vom 29.05.2003, Rn. 116 ff.; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 94 mit weiteren Nachweisen; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 23; Hirsch, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration. 92 So etwa in Biloune and Marine Drive Complex Ltd. V Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, UNCITRAL, Entscheidungen vom 27.10.1989 und vom 30.06.1990; hierzu Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 187; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 83; zum Problem der Zuständigkeit siehe Jacob, International investment agreements and human rights, S. 26. 85 86
138 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… Zuständigkeit der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit geltend gemacht.93 Nach Artikel 42 Absatz 1 ICSID-Konvention entscheidet ein Schiedsgericht eine Streitigkeit in Übereinstimmung mit solchen Rechtsnormen, wie sie von den Parteien vereinbart werden. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, wendet das Schiedsgericht das Recht des Gaststaates sowie Normen des Völkerrechts („rules of international law“) an. Normen des Völkerrechts finden indes nur Einzug soweit anwendbar („as may be applicable“).94 Seit einiger Zeit werden aber auch Fälle bekannt, in denen Schiedsgerichte die Bedeutung von Menschenrechten, die nicht dem Schutz von Investitionen gelten, auch für investitionsrechtliche Streitigkeiten anerkennen.95 Es kommt aber in Bezug auf die Feststellung einer indirekten Enteignung nach wie vor auch zu entgegengesetzten Entscheidungen, in denen eine Berücksichtigung von Menschenrechten ausdrücklich abgelehnt wird. Grundsätzlich lassen sich hier zwei Ansätze unterscheiden. Auf der einen Seite findet eine Berücksichtigung anderer Faktoren (wie der Zweck der Maßnahme) zur Feststellung des Vorliegens einer entschädigungspflichtigen Maßnahme statt („police power“ Doktrin).96,97 In Myers98 und Maffezini 99 wurde eine Berücksichtigung von umweltrechtlichen Belangen nicht von vornherein ausgeschlossen. Zum anderen wird eine Berücksichtigung anderer als Investorinteressen durch die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit („sole effects“ Doktrin)100 abgelehnt.101 Dann wird zur Feststellung des Vorliegens einer entschädigungspflichtigen Enteignung nur auf die Auswirkung der Maßnahme abgestellt.102 Ein solcher Ansatz wurde in Metalclad verfolgt.103 Hier wurde vor allem ein Ansatz verfolgt, der den Zweck der Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 83 f; Burkard, Zum Spannungsverhältnis von Investitions- und Menschenrechtsschutz, S. 178; De Brabandere, Human Rights Considerations in International Investment Arbitration, S. 12 f. 94 Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 84; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 27. 95 Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 22; Hirsch, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration. 96 Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 180. 97 Methanex Corporation v. United States of America, UNCITRAL, Entscheidung vom 03.08.2005; Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 180; Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 194 mit weiteren Nachweisen; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 92 f. 98 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, UNCITRAL, Teilentscheidung vom 13.11.2000. 99 Maffezini v Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/97/7, Entscheidung vom 13.11.2000, Rn. 65 ff.. 100 Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 179. 101 Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 180; Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 194 mit weiteren Nachweisen. 102 Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 179; Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 194. 103 Metalclad Corporation v. United Mexican States, ICSID Case No. Arb/AF/97/1, Entscheidung vom 30.08.2000. 93
I. Status quo des Menschenrechtsschutzes im internationalen Investitionsschutzrecht139 Maßnahme außen vor lässt. Allein die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Maßnahme erscheinen dann relevant.104 In diesem Sinne gibt es zahlreiche Entscheidungen, die eine Berücksichtigung von Menschenrechten außer Acht lassen. In CMS Gas Transmission Company105 fehlte es an einer Einbeziehung, da Menschenrechte nicht betroffen seien. Im Fall Azurix106 wurde die Bedeutung von Menschenrechten verworfen.107 Ebenfalls verworfen wurde die Behauptung Argentiniens im Fall Siemens,108 Argentinien sei verpflichtet, bestimmte Menschenrechte auf Grundlage des Völkervertragsrechts zu berücksichtigen.109 In Biwater110 berücksichtigte das Schiedsgericht zwar andere als Investorinteressen; es erkannte allerdings keine von amicus curiae begründeten Menschenrechtsbelange an. In Glaims Gold v USA111 wurden vorgetragene indigene Rechte, die Pflichten der USA begründeten, außer Acht gelassen. Im Gegensatz zu Myers112 und Maffezini113 (bei denen eine Berücksichtigung von umweltrechtlichen Belangen nicht von vornherein ausgeschlossen wurde) gibt es zudem bedeutsame Fälle, in denen regulatorische Maßnahmen zum Schutz der Umwelt als entschädigungspflichtige Enteignung qualifiziert wurden.114 Die Änderung der bestehenden Rechtslage zugunsten von Menschenrechten und dem Umweltschutz wurden zum Teil als Verletzung des Grundsatzes der gerechten und billigen Behandlung qualifiziert.115 Öffentlichen Interessen dienende Regulierung Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 21. 105 CMS Gas Transmission Company v. The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/8, Entscheidung vom 12.05.2005, Rn. 121. 106 Azurix Corp. v The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12, Entscheidung vom 14.07.2006, Rn. 254/261. 107 Azurix Corp. v The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12, Entscheidung vom 14.07.2006, Rn. 254/261; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 89. 108 Siemens AG v The Argentine Republic, ICSID, Case No. ARB/02/8, Entscheidung vom 06.02.2007, Rn. 79. 109 Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 89. 110 Biwater Gauff (Tanzania) Ltd. v. United Republic of Tanzania, ICSID Case No. ARB/05/22, Entscheidung vom 24.07.2008. 111 Glamis Gold Ltd. v. United States of America, UNCITRAL, Entscheidung vom 08.06.2009. 112 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, UNCITRAL, Teilentscheidung vom 13.11.2000. 113 Maffezini v Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/97/7, Entscheidung vom 13.11.2000, Rn. 65–71. 114 Metalclad Corporation v. United Mexican States, ICSID Case No. Arb/AF/97/1, Entscheidung vom 30.08.2000; hierzu University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 139; vgl. hierzu Krajewski, Ensuring the primacy of human rights in trade and investment policies, S. 10. 115 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 139 mit Bezugnahme auf Metalclad Corporation v. United Mexican States, ICSID Case No. Arb/AF/97/1, Entscheidung vom 30.08.2000 sowie Maffezini v Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/97/7, Entscheidung vom 13.11.2000. 104
140 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… wird in manchen Fällen so durch die Investor-Staat-Schiedsgerichte als indirekte Enteignung eingeordnet.116 Dadurch erfährt das Recht des Gaststaates zur Regulierung durch die Auslegung bestehender Schutzstandards durch Investor-StaatSchiedsgerichte eine deutliche Beschränkung.117 Schutzstandards und ihre Auslegung durch Investor-Staat-Schiedsgerichte begrenzen damit die Möglichkeit der Gaststaaten, Maßnahmen zugunsten von Menschenrechten zu erlassen.118 Gleichzeitig besteht im Rahmen der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit grundsätzlich kaum die Möglichkeit, aktiv in Form der Widerklage (counter claims) gegen transnationale Unternehmen vorzugehen.119 Nur wenige IIAs sehen diese Möglichkeit vor. Eine Ausnahme stellt etwa das COMESA Investment Agreement dar. Dieses erkennt die Möglichkeit von Staaten explizit an, Widerklagen bezüglich möglicher Verstöße gegen Investor Verpflichtungen einzubringen.120 Dieses ausdrückliche Klagerecht der Gaststaaten stellt eine wesentliche Abweichung von der bestehenden IIA Praxis dar, in der die meisten IIAs kein solches (Wider-)Klagerecht enthalten.121 Bisherige Entscheidungen aus Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren zeigen vor diesem Hintergrund, dass es der gegenwärtigen Logik der Investor-StaatSchiedsgerichtsbarkeit wiederspricht, den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen einzubeziehen.122 Zwar bestehen bisher keine investitionsrechtlichen Streitigkeiten, die arbeitsrechtliche Standards zum Gegenstand haben.123 Durch Entscheidungen in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit bleibt aber unklar, inwieweit staatliche Regulierung einer Entscheidung standhält.124 Die Durchführung der Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 182, 192 f.; Metalclad Corporation v. United Mexican States, ICSID Case No. Arb/AF/97/1, Entscheidung vom 30.08.2000; Técnicas Medioambientales Tecmed/Mexiko, ICSID Case No. ARB(AF)/00/2, Entscheidung vom 29.05.2003, und S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, UNCITRAL, Teilentscheidung vom 13.11.2000. 117 Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 89; De Brabandere, Human Rights Considerations in International Investment Arbitration, S. 15; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 20. 118 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 137. 119 Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 15. 120 Artikel 28 Investment Agreement for the Common Market for Eastern and Southern Africa, abrufbar unter http://vi.unctad.org/files/wksp/iiawksp08/docs/wednesday/Exercise%20Materials/ invagreecomesa.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 121 Bjorklund, in: Lewis & Clark Law Review 2013, S. 461 ff. 122 Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 90. 123 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 11; Organisation for Economic Co-operation and Development, International Investment Law: Understanding Concepts and Tracking Innovations: A Companion Volume to International Investment Perspectives. 124 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 25. 116
II. Möglicher Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch das internationale…141 Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit stellt einen besonders effizientes Mittel in der Durchsetzung ausländischer Investitionsinteressen dar,125 während die Möglichkeit, andere als wirtschaftliche Interessen im Rahmen eines Schiedsverfahrens geltend zu machen, kaum besteht. Entsprechend macht sich Kritik ausdrücklich auch an der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit fest.126 II. Möglicher Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch das internationale Investitionsschutzrecht Im Folgenden geht es um die Frage, inwieweit die zwei tragenden Aspekte des internationalen Investitionsschutzrechts, materiell-rechtliche Bestimmungen einerseits und die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit andererseits, für einen möglichen Schutz von Menschenrechten fruchtbar gemacht werden können. Es bestehen mittlerweile zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine Reform des gegenwärtigen internationalen Investitionsschutzrechts.127 Eine umfassende Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der verschiedenen Anknüpfungspunkte kann hier nicht erfolgen.128 Im Folgenden werden einzelne Aspekte dargelegt, die materielle Bestimmungen des internationalen Investitionsschutzrechts (1.) und die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (2.) zugunsten des Schutzes von Menschenrechten vor Verletzungen 125 Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 82; Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 211. 126 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 6 unter Bezugnahme auf United Nations Commission on Human Rights, Promotion and Protection of Human Rights. Interim report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, E/CN.4/2006/97, 22.02.2006, Rn. 12; Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 6, 203 ff. 127 International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, abrufbar unter https://www.iisd.org/pdf/2005/investment_ model_int_agreement.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), S. 1 ff.; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration; Jacob, International investment agreements and human rights; Curtis, Human Rights & Foreign Investment; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance. 128 Andere Anknüpfungspunkte sind etwa die Einbeziehung von Menschenrechten in die Präambel, hierzu etwa Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 15; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 10; zum Teil wird auch der Anwendungsbereich von IIAs und die Definition von „Investitionen“ adressiert, vgl. Jacob, International investment agreements and human rights, S. 33 f.; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 143.
142 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zum Gegenstand haben. Ausgangspunkt einer Einbeziehung von Menschenrechten ist nachstehend der Alternativvorschlag für Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen (im Folgenden Alternativvorschlag) von 2016.129 Durch die Einbeziehung von Menschenrechten entsprechend dem Alternativvorschlag sollen Umwelt- und Arbeitsschutzstandards verbindlich festgelegt werden. Zusätzlich wird auf das Musterabkommen des Internationalen Instituts für nachhaltige Entwicklung (Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, im Folgenden IISD-Musterabkommen) von 2005 Bezug genommen.130 Das IISD-Musterabkommen stellt ein ausformuliertes, kommentiertes Musterabkommen dar.131 Das IISD-Musterabkommen vermeidet eine grundsätzliche Absage an das internationale Investitionsschutzrecht und hält neue modifizierte Vereinbarungen für IIAs bereit.132 1. Internationale Investitionsschutzabkommen Eine Berücksichtigung von Menschenrechten kommt zunächst durch eine Einbeziehung von Menschenrechten in IIAs mittels Unternehmenspflichten in Betracht.133 Entsprechend dem ist dabei eine Bezugnahme auf bestehende Verhaltensvorschriften und internationale Normen des Menschenrechtsschutzes denkbar.134 Der Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), S. 1 ff. 130 International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, 2005, abrufbar unter https://www.iisd.org/pdf/2005/investment_model_int_agreement.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 131 International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, 2005, abrufbar unter https://www.iisd.org/pdf/2005/investment_model_int_agreement.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); kritisch Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 197 ff., 225. 132 Jacob, International investment agreements and human rights, S. 38. 133 Artikel 11 ff. Model International Agreement on Investment for Sustainable Development; Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 106; Peterson/Gray, International Human Rights in Bilateral Investment Treaties and in Investment Treaty Arbitration; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration; Zia-Zarifi, in: Multilateral regulation of investment. 134 Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), Annex 2 Article xy (Investor obligations); International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, Artikel 11 ff.; Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 108 f.; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 13; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 159. 129
II. Möglicher Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch das internationale…143 Alternativvorschlag sieht Unternehmenspflichten (Investor obligations) ausdrücklich vor.135 Annex 2 des Alternativvorschlages beinhaltet dabei insbesondere zwei Punkte: die Einhaltung des Rechts der Gaststaaten und die Einhaltung der OECDLeitsätze und der UN Leitprinzipien. Auch das IISD-Musterabkommen sieht solche Pflichten (Obligations and Duties of Investors and Investments) vor.136 Darüber hinaus sieht etwa Artikel 17 des IISDMusterabkommen eine Haftung von Unternehmen vor. Danach sollen Investorinnen und Investoren einer Haftung unterliegen, wenn Handlungen oder Entscheidungen im Zusammenhang mit Investitionen zu erheblichen Schäden, Verletzungen oder Verlust von Menschenleben im Gaststaat führen.137 Neben der Einführung von Unternehmenspflichten ist denkbar, Staatenpflichten zur Einhaltung von Menschenrechten in IIAs zu integrieren.138 Korrespondierend zu einer Pflicht von Unternehmen, das Recht der Gaststaaten zu achten, zielt der Alternativvorschlag daher auch darauf ab, sicherzustellen, dass das nationale Recht die Einhaltung von Menschenrechten und insbesondere auch der Übereinkommen zum Schutz der ILO Kernarbeitsnormen garantiert.139 Das IISD-Musterabkommen sieht in diesem Sinne neben Unternehmenspflichten vor allem Gaststaatenpflichten (Host State Obligations) und Gaststaatenrechte (Host State Rights) vor. Es enthält zudem auch Rechte und Pflichten der Heimatstaaten (Home State Rights and Obligations).140 Generell, also in Bezug auf Heimatstaaten und Gaststaaten, sieht das ­IISD-Musterabkommen in Artikel 21 Mindeststandards zum Schutz der Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechte (Minimum standards for environmental, labour and 135 Siehe Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), Annex 2 Article xy (Investor obligations). International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, Artikel 11 ff., Artikel 14 (B). 136 137 Hierzu auch Weiler, in: Boston College International and Comparative Law Review 2004, S. 438. Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), S. 7 f., Annex 1, Artikel 3 ff.; International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, Artikel 19 ff.; vgl. auch Artikel 12 des United States 2012 Model BIT, abrufbar unter http://www.italaw.com/sites/default/files/archive/ita1028.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017), der beide Vertragsparteien verpflichtet, keine Maßnahmen zur Senkung oder Schwächung ihrer Umweltgesetzgebung durchzuführen, die auf eine Steigerung des Investitionsvolumens abzielen; kritisch Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 105; kritisch auch Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 201 mit weiteren Nachweisen, Fn. 319. 138 139 Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), S. 7 f., Annex 1, Artikel 3 ff. International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, Artikel 19 ff. 140
144 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… human rights protection) vor.141 Nach Artikel 21 (B) beispielsweise soll jede Vertragspartei sicherstellen, dass seine Gesetze und Vorschriften für ein hohes Maß an Arbeits- und Menschenrechtschutz sorgen.142 Nach Artikel 34, der das Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkünften (Relation to other international agreements) regelt, bekräftigen die Vertragsparteien ihre Verpflichtungen im Rahmen der sie bindenden internationalen Umwelt- und Menschenrechtsvereinbarungen.143 Den Gaststaaten kommt zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. Hier steht das sogenannte Recht zur Regulierung („right to regulate“), also das Recht des Gaststaates, territoriale Sachverhalte Regelungen zu unterwerfen, im Fokus.144 Verschiedene Vorschläge dienen dazu, das Recht zur Regulierung durch vertragliche Vorschriften, die dieses Recht bekräftigten, zu wahren.145 Das Recht zur Regulierung der Gaststaaten soll beispielsweise durch Ausnahmeklauseln („exception clauses“146) gesichert werden.147 Dadurch soll es für bestimmte Regelungsbereiche Ausnahmen geben, sodass eine Regulierung in Bereichen wie Public Policies nicht zu einer entschädigungspflichtigen Enteignung qualifiziert werden kann.148 Dies gilt besonders, wenn effektiver Menschenrechtsschutz nicht nur ein Unterlassen des Staates, sondern positive Maßnahmen und damit die Änderung der bestehenden Rechtslage erfordert.149 Zum Teil wird hier auch vorgeschlagen, das Recht zur 141 Zur Bezugnahme auf bestehende internationale Normen Ceyssens/Feldt/Hörtreiter, Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 29; siehe auch University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 141: „Finally, express provisions can require contracting State parties to ensure that their legislation provides for high levels of human rights and environmental protection,[…] or to ensure that their domestic legislation, including environmental and social legislation, is effectively enforced.“ 142 Siehe hierzu auch Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 12. 143 International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, Artikel 34 (C). 144 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 110 ff., 128 ff.; siehe auch Krajewski, Ensuring the primacy of human rights in trade and investment policies, S. 20 zur „ineffectiveness of so-called ‚right to regulate‛ clauses“. 145 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 110 ff., 128 ff; zu einer „duty to regulate‟ Krajewski, Ensuring the primacy of human rights in trade and investment policies, S. 11. 146 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 140. 147 Hierzu auch Krajewski, Modell-Investitionsschutzvertrag mit Investor-Staat-Schiedsverfahren für Industriestaaten unter Berücksichtigung der USA, Erläuterung zu Artikel 12. 148 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133. 149 Jacob, International investment agreements and human rights, S. 35 f.; hierzu auch Burkard, Zum Spannungsverhältnis von Investitions- und Menschenrechtsschutz, S. 192 f.
II. Möglicher Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch das internationale…145 Regulierung der Gaststaaten in IIAs festzuschreiben.150 Dadurch sollen Menschenrechte und ihre Durchsetzung durch nationale Regulierung aus dem Bereich der entschädigungspflichtigen Maßnahmen ausgeschlossen werden.151 Problematisch ist hier indes, dass solche Vorschriften oftmals nur als Auslegungshilfe dienen und keine eigene normative Bedeutung entfalten.152 Teil 1 des Alternativvorschlages enthält daher eine Regelung, die das Recht zur Regulierung der Gaststaaten konkretisiert.153 Artikel 25 des IISD-Musterabkommens nimmt Bezug auf die Rechte des Gaststaates („Inherent rights of states“). Darin wird betont, dass Gaststaaten im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts das Recht haben, ihre eigenen Entwicklungsziele und Prioritäten zu verfolgen. Zu diesem Zweck können sie das Recht haben, Vorschriften oder sonstige Maßnahmen zu erlassen.154 Ausnahmeklauseln bieten die Möglichkeit, Verletzungen von Vertragsverpflichtungen unter außergewöhnlichen Umständen zu rechtfertigen.155 Eine indirekte Einbeziehung von Menschenrechten in IIAs und Berücksichtigung des Rechts der Gaststaaten zur Regulierung kann zudem diesem Wege durch eine Präzisierung bestehender Schutzstandards erfolgen.156 Um das Recht zur Regulierung zu wahren, können Schutzstandards präziser umschrieben und definiert 150 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 19. 151 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 18. 152 Krajewski, Modalities for investment protection and Investor – State Dispute Settlement (ISDS) in TTIP from a trade union perspective, S. 14 f. 153 Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), Section I – Overarching principles – Article 1: „The right to regulate shall be exerted in a manner not inconsistent with the international labour standards and agreements referred to in Article 4 [Multilateral labour standards and agreements], the environmental agreements referred to in Article 13 [Multilateral environmental governance and rules] and the human rights obligations contained in Article 21 [Human rights obligations].“ 154 Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), Annex 2, Article xy (General exceptions); hierzu auch Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 14. 155 Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), 8, Annex 2, Article xy (General exceptions). 156 Jacob, International investment agreements and human rights, S. 27 f.; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133; Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 172 ff., die nicht nur auf die Unbestimmtheit materieller Schutzstandards im internationalen Investitionsschutzrecht hinweist, sondern auch auf diesbezügliche Defizite im völkervertragsrechtlichen Schutz der Menschenrechte; Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 112.
146 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… werden.157 Dies betrifft vor allem Schutzstandards wie den Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung (fair and equitable treatment) und den Schutz vor Enteignungen ohne Entschädigung (protection from unlawful expropriation) bzw. der Entschädigungspflicht bei Enteignungen (compensation for lawful expropriation).158 Nach Artikel 36 (D) des IISD-Musterabkommens sollen Staaten interpretative Erklärungen („interpretative statements“) über die Auslegung der Schutzstandards annehmen. Solche Erklärungen können beispielsweise auch festlegen, welche regulierenden Maßnahmen von Gaststaaten gerade keine entschädigungspflichtigen Enteignungen darstellen.159 Wie bereits angedeutet beinhalten Überlegungen hinsichtlich völkerrechtlicher Staatenpflichten zum Schutz und zur Durchsetzung von Menschenrechten oftmals auch auf Pflichten der Heimatstaaten neben den primär verpflichteten Gaststaaten.160 Neben den Gaststaaten kommen daher auch Rechte und Pflichten der Heimstaaten (Home State Rights and Obligations) zur Einbeziehung von Menschenrechten in IIAs in Betracht.161 Dabei geht es Bemühungen der Heimatstaaten, ausländische Investitionen für eine nachhaltige Entwicklung zu regulieren.162 Artikel 31 IISDMusterabkommen sieht diesbezüglich – korrespondierend zu Artikel 17 IISD-Musterabkommen – eine Investorhaftung im Heimatstaat vor. Heimatstaaten sollen danach gewährleisten, dass das Recht der Heimatstaaten einer Haftung von Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen nicht entgegensteht. Denkbar ist schließlich auch die Einführung von Präklusionsklauseln. Annex 2 des Alternativvorschlages sieht dabei vor, materiell-rechtliche Verpflichtungen mit einer Präklusionsklausel zu verknüpfen.163 Danach soll der Gaststaat Vorteile, die aus dem Investitionsschutzabkommen resultieren, verweigern können, wenn der Investor Verpflichtungen, die sich beispielsweise aus der Einhaltung des Rechts der Gaststaaten und der Einhaltung der OECD-Leitsätze und der UN Leitprinzipien United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133. 158 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 35. 159 Jacob, International investment agreements and human rights, S. 35. 160 Vgl. De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff.; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599 f. 161 International Institute for Sustainable Development, Model International Agreement on Investment for Sustainable Development, Artikel 29 ff. 162 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 160. 163 Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), Annex 2 Article xy (Investor obligations); 157
II. Möglicher Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch das internationale…147 ergeben, verletzt.164 In diesem Sinne sieht Artikel 18 (A) IISD-Musterabkommen bei einer Beeinträchtigung von Menschenrechten im Kontext von Investitionen sieht vor, dass eine Klagemöglichkeit durch den Investor hinfällig wird.165 Verletzt ein Investor oder seine Investition Artikel 13 (Anti-Korruption) des Abkommens, ist der Investor nicht mehr berechtigt, einen Streitschlichtungsprozess auf Grundlage des Abkommens zu initiieren. Sowohl Gaststaaten als auch Heimatstaaten können diesen Einwand geltend machen.166 2. Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit Wie ausgeführt wurde zeigen Entscheidungen aus Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren, dass die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen derzeit kaum einbezieht. Daher wird die verstärkte Einbeziehung von Menschenrechten durch die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit gefordert.167 Dies erfolgt zum einen durch die oben gemachten Anpassungen in der materiellen Ausgestaltung von IIAs. Darüber hinaus werden prozessual weitere Punkte geltend gemacht. In Bezug auf eine Geltendmachung von Menschenrechten und eine bessere Ausgestaltung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit wird auf die Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges verwiesen.168 Durch die Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges soll dem verklagten Staat einerseits die Gelegenheit zur eigenständigen Abhilfe gegeben und andererseits die Tatsachengrundlage Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), Annex 2 Article xy (Investor obligations); 165 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 14. 166 Zur Verwirkung eines Klagerechts siehe Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 15: „[…] including the conditioning of legal protections for investors upon various duties including to comply with International Labour Organization and the OECD instruments on corporate responsibility and to operate investments so that they do not circumvent international labour and human rights conventions.“; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133. 167 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133 ff. 168 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133. 164
148 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… und die Auslegung des relevanten innerstaatlichen Rechts durch die sachnäheren nationalen Gerichte aufbereitet werden.169 In Bezug auf die ausgeführten Defizite in der Zuständigkeit der Investor-StaatSchiedsgerichtsbarkeit soll ein Verweis auf die Anwendung des Völkerrechts eine bessere Einbeziehung von Menschenrechten ermöglichen. Nach Artikel 48 IISDMusterabkommen sollen Streitigkeiten nach dem einschlägigen IIA, dem Recht des Gaststaates sowie den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts (general principles of international law) entschieden werden.170 Die Bezugnahme auf allgemeine Grundsätze des Völkerrechts soll eine Einbeziehung von Menschenrechten sicherstellen. Zudem gibt es Vorschläge, Klauseln einzuführen, die eine Widerklage gegen Investorinnen und Investoren bei Menschenrechtsverletzungen ermöglichen sollen.171 Widerklagen ermöglichen den Gaststaaten, einen Anspruch im Rahmen eines Investor-Staat-Schiedsverfahren wegen Verletzung von Verpflichtungen der Investorinnen und Investoren aus dem Vertrag geltend zu machen. Artikel 18 (E) IISD-Musterabkommen sieht explizit die Möglichkeit einer Widerklage („counter claims“) durch den Gaststaat vor. Wenn ein solcher Anspruch besteht, würde dies Gaststaaten ermöglichen, einen Schiedsspruch zugunsten von Investorinnen und Investoren durch einen Schiedsspruch zugunsten des Staates wegen einer Vertragsverletzung durch den Investor auszugleichen.172 Vor dem Hintergrund divergierender Entscheidungen in der Investor-StaatSchiedsgerichtsbarkeit bestehen des Weiteren Vorschläge bezüglich einer umfassenden Berufungsinstanz und der Einrichtung eines dauerhaften Gerichts.173 169 Marwedel, „Reformierter“ Investitionsschutz in TTIP: Zwei Schritte voran – und gegen die Wand, 03.12.2015, abrufbar unter http://verfassungsblog.de/reformierter-investitionsschutz-inttip-zwei-schrittevoran-und-gegen-die-wand/ (zuletzt aufgerufen am 10.07.2017); Krajewski/Hoffmann, Der Vorschlag der EU-Kommissionzum Investitionsschutz in TTIP, S. 15.xy 170 Zu Möglichkeiten und Grenzen der Einbeziehung von Menschenrechten über eine Auslegung nach Artikel 31 Absatz 3 c der Wiener Vertragsrechtskonvention siehe Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 22; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 29; Burkard, Zum Spannungsverhältnis von Investitions- und Menschenrechtsschutz, S. 188 ff. 171 Hierzu auch Krajewski/Hoffmann, Alternative Model for a Sustainable Development Chapter and related provisions in the Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), Annex 2, Kommentar zu Article xy (Investor obligations), S. 28; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 15; Weiler, in: Boston College International and Comparative Law Review 2004, S. 429 ff.; Dumberry/ Dumas-Aubin, in: Yearbook on international investment law & policy 2011–2012, 2013, S. 595 f. 172 VanDuzer/Simons/Mayeda, Integrating Sustainable Development, S. 393. 173 Krajewski, Modell-Investitionsschutzvertrag mit Investor-Staat-Schiedsverfahren für Industriestaaten unter Berücksichtigung der USA, Artikel 16 (Permanent International Investment Tribunal) und Erläuterung zu Artikel 16; Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 17 mit Verweis auf Van Harten, Investment Treaty Arbitration and Public Law; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133.
III. Bedenken gegen eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale…149 III. Bedenken gegen eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationaleInvestitionsschutzrecht Aktuell entspricht eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht nicht dem Status quo. Daher stellt sich die Frage, ob grundsätzliche rechtliche Bedenken gegen die eben skizzierten Möglichkeiten einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht bestehen. Ausgeklammert werden hier vorgelagerte Fragen, die grundsätzlich in Bezug auf die Durchsetzung von Menschenrechten und Grundaspekte des Völkerrechts bestehen, wie Inhalt und Rechtsqualität einzelner Menschenrechte174 und die Fragmentierung des Völkerrechts als Grundsatzthema.175 Es ist durchaus anerkannt, dass eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht möglich ist.176 Grundsätzliche völkerrechtliche Bedenken gegen eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht, insbesondere gegen völkerrechtliche Pflichten von Unternehmen und Staatenpflichten, bestehen nicht.177 Staaten, Gaststaaten ebenso wie Heimatstaaten, können durch die Integration von Menschenrechten ihren völkerrechtlichen Pflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen nachkommen.178 Die menschenrechtliche Schutzpflicht und das Recht zur Regulierung können hier verwirklicht werden.179 Vor dem Hintergrund einer Burkard, Zum Spannungsverhältnis von Investitions- und Menschenrechtsschutz, S. 176. Hierzu Burkard, Zum Spannungsverhältnis von Investitions- und Menschenrechtsschutz, S. 176 f.; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 36. 176 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 12; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 82. 177 Deutlich Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 12; Dumberry/Dumas-Aubin, in: Yearbook on international investment law & policy 2011–2012, 2013, S. 573; anders Jacob, International investment agreements and human rights, S. 36; zu möglichen Bedenken Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 13: „Rather, the impediment seems to lie on a policy level. Many states have argued that encumbering IIAs with the range of social and environmental issues associated with the establishment and operation of an investment would make the agreements too broad and unwieldy. Representatives of different international organizations and states have, for example, argued that social issues – human rights, corruption, environmental and social impacts – should be left only to other international regimes dealing with these issues, even when no such regimes actually exist. Others have argued on occasions that adding ‚new issues‛ may create serious complications for the negotiation of IIAs.“ 178 Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 173. 179 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 8, 17 ff. 174 175
150 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… fehlenden Hierarchie zwischen dem Menschenrechtsregime und anderen internationalen Regimen,180 werden im Folgenden mögliche investitionsrechtliche Bedenken diskutiert. Der Möglichkeit einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht stehen Entscheidungen nicht entgegen, die etwa eine Kompetenz im Bereich Menschenrechte durch Schiedsgerichte ablehnen.181 Denn die Möglichkeit der Rechtswahl ließe sich hier zugunsten einer Einbeziehung von Menschenrechten ändern.182 Entgegen der Sache Biloune183 gibt es durchaus Entscheidungen der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit, die eine Zuständigkeit und eine Einbeziehung von Menschenrechten, die über Investorenrechte hinausgehen, anerkennen.184 Indes ist auch hier die völkerrechtliche Ausgangssituation zwischen Menschenrechtsschutz und anderen internationalen Regimen zu berücksichtigen. Bisher hat sich keine Hierarchie zwischen dem Menschenrechtsregime und anderen internationalen Regimen, aus denen sich völkerrechtliche Verpflichtungen ergeben, herausgebildet.185 Die sich aus dem internationalen Investitionsschutzrecht ergebenden materiellen Schutzstandards könnten wie oben aufgezeigt zum Teil einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht entgegenstehen. Steht eine Änderung der Rechtslage durch eine neue Regulierung zur Debatte, bei der Staaten etwa zum Schutz der Menschenrechte von ihrem Recht zur Regulierung Gebrauch machen wollen, so kann dies mit materiellen Standards des internationalen Investitionsschutzrechts kollidieren.186 Dies wird zum Teil als Konflikt zwischen Klein, in: Israel Law Review 2008, S. 479 ff.; Koskenniemi, in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 2010, S. 47 ff.; Shelton, in: The American Journal of International Law 2006, S. 291 ff. 181 Ablehnung der Zuständigkeit etwa in Biloune and Marine Drive Complex Ltd. V Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, 1989/1990, UNCITRAL; hierzu Kriebaum, in: The Law of international relations, S. 187; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 83. 182 Tietje, Individualrechte im Menschenrechts- und Investitionsschutzbereich – Kohärenz von Staaten- und Unternehmensverantwortung, S. 17 f.; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 83; Reiner/Schreuer, in: Human Rights in International Investment Law and Arbitration, S. 84: „[…] human rights are applicabe to the extent to which they are included to the parties’ choice of law.“; Jacob, International investment agreements and human rights, S. 27: „[…] human rights norms could enter the legal bloodstream of BIT arbitrations through choice of law provisions.“ 183 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. V Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, 1989/1990, UNCITRAL. 184 Maffezini v Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/97/7, Entscheidung vom 13.11.2000, Rn. 65 ff.; im Übrigen siehe oben. 185 Klein, in: Israel Law Review 2008, S. 479 ff.; Koskenniemi, in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 2010, S. 47 ff.; Shelton, in: The American Journal of International Law 2006, S. 291 ff. 186 Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 17: „Rather, it is changes in the laws that can lead to assertions of breaches of the IIA protections for foreign investors.“ 180
III. Bedenken gegen eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale…151 Menschenrechten (Eigentumsrechte vs. wsk Rechte),187 zum Teil als Konflikt der Regime gesehen.188 Durch Investitionsschutzabkommen wird – wie durch völkerrechtliche Verträge generell – staatliche Souveränität eingeschränkt. Dies gilt auch in Bezug auf andere internationale Verpflichtungen. Offenkundig ist, dass internationaler Menschenrechtsschutz und internationaler Investitionsschutzrecht nicht in Einklang zueinanderstehen. Das Recht auf Versammlung könnte mit dem Schutzstandard auf vollen und dauerhaften Schutz und Sicherheit (full protection and security) kollidieren.189 Neben die Pflicht eines Staates zum Schutz der Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit tritt in diesem Sinne eine investitionsrechtliche Pflicht, für den ausländischen Investor und die Investition vollen und dauerhaften Schutz und Sicherheit zu bereitzustellen.190 Ein Konflikt könnte sich auch bei Streik und Arbeitsniederlegungen ergeben, soweit ausländischen Investitionen voller Schutz und volle Sicherheit zukommt.191 Maßnahmen positiver Diskriminierung können die Standards national treatment, minimum standards und expropriation betreffen und verletzen.192 Vorgaben des Arbeits- und Sozialrechts könnten Enteignungsklauseln entgegenstehen.193 Die Einführung von neuen Arbeits- oder Sozialstandards in Sonderwirtschaftszonen könnte gegen Abschirmungsklauseln verstoßen.194 Allerdings ist hier zu beachten, dass dies keine Bedenken sind, die gegen die Möglichkeiten einer Regulierung in Form einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht sprechen. Deutlich wird hierdurch lediglich, dass eine Regulierung des internationalen Investitionsschutzrechts in der diskutierten Form bestehende Rechte in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen beschränkt. Weder eine Änderung oder Präzisierung materieller Bestimmungen des internationalen Investitionsschutzrechts noch die Einbeziehung von De Brabandere, Human Rights Considerations in International Investment Arbitration, S. 9. Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 9. 189 Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 170. 190 Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 32 mit Verweis auf Compañía de Aguas del Aconquija S.A. and Vivendi Universal S.A. v. Argentine Republic, ICSID Case no. ARB/97/3, Entscheidung vom 20.08.2007, Rn. 7.4.13 ff.; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 16. 191 Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 85. 192 Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 176 f. mit Verweis auf Black Economic Empowerment (BEE), ein Programm zur Erreichung der wirtschaftlichen Chancengleichheit von vormals benachteiligten Bürgern in Südafrika. 193 Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 86. 194 Deutlich Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 86. 187 188
152 Kapitel 8 Internationales Investitionsschutzrecht zum Schutz vor… Menschenrechten in die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit zugunsten des Schutzes vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen stehen investitionsrechtliche Bedenken de iure grundsätzlich entgegen. Eine Änderung materieller Bestimmungen des internationalen Investitionsschutzrechts und die Einbeziehung von Menschenrechten in die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit würden jedoch zu einem anderen internationalen Investitionsschutzrecht führen. Ob internationales Investitionsschutzrecht oder internationaler Menschenrechtsschutz, völkerrechtliche Verträge schränken die souveränen Rechte des Staates ein.195 Die Frage, die sich stellt, ist, zu wessen Gunsten und zu wessen Lasten diese Einschränkung erfolgen soll. IV. Fazit zur Durchsetzung von Menschenrechten durch das internationale Investitionsschutzrecht Gegenwärtig ist der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsschutzrecht – sowohl durch internationale Investitionsschutzabkommen als auch durch die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit – schwach ausgestaltet. IIAs räumen durch materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Investitionen Investorinnen und Investoren zahlreiche substanzielle Rechte ein. Auf der Pflichtenseite sieht es indes rar aus. Materiell-rechtlich enthalten IIAs regelmäßig Bestimmungen zu Mindeststandards für die Behandlung von Investitionen. Durch diese Standards und deren Auslegung durch Investor-Staat-Schiedsgerichte erfährt das Recht der Gaststaaten zur Regulierung eine deutliche Beschränkung. Am Beispiel der Entschädigungspflicht bei indirekter Enteignung wegen staatlicher Regulierung wird das Spannungsverhältnis zwischen Investitionsschutz und staatlicher Regulierung besonders deutlich. Unternehmenspflichten zum Schutz von Menschenrechten sind IIAs grundsätzlich fremd. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf Staatenpflichten. Die Pflicht der Gaststaaten, vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auf ihrem Territorium zu schützen, findet in IIAs keinen Eingang. Auch in Bezug auf Heimatstaaten finden sich in IIAs keine Pflichten zum Schutz von Menschenrechten. Die Integration des Menschenrechtsschutzes könnte durch eine Verknüpfung von menschenrechtlichen Verpflichtungen und prozessualen Mechanismen erreicht werden. Es bestehen Ansätze, die relevante Änderungen materieller Bestimmungen des internationalen Investitionsschutzrechts und prozessualer Bestimmungen der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit zum Gegenstand haben. Eine Berücksichtigung von Menschenrechten kommt danach durch eine Einbeziehung von Für die Einschränkung durch Menschenrechte siehe Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 92; für die Einschränkung durch das internationale Investitionsschutzrecht siehe Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 231. 195
IV. Fazit zur Durchsetzung von Menschenrechten durch das internationale…153 Menschenrechten in IIAs mittels Unternehmenspflichten in Betracht. Denkbar ist dabei eine Bezugnahme auf bestehende Verhaltensvorschriften und internationale Normen des Menschenrechtsschutzes. Zudem gibt es verschiedene Vorschläge, Verpflichtungen von Unternehmen in Vertragstexte einzufügen, Menschenrechte einschließlich internationaler arbeitsrechtlicher Normen einzuhalten. Auch wird diskutiert, Staatenpflichten zur Einhaltung von Menschenrechten in IIAs zu integrieren. Den Gaststaaten kommt zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. Hier steht das sogenannte Recht zur Regulierung, also das Recht des Gaststaates, territoriale Sachverhalte Regelungen zu unterwerfen, im Fokus. Zum Teil wird hier auch vorgeschlagen, das Recht zur Regulierung der Gaststaaten in IIAs festzuschreiben. Dadurch sollen Menschenrechte und ihre Durchsetzung durch nationale Regulierung aus dem Bereich der entschädigungspflichtigen Maßnahmen ausgeschlossen werden. Neben der Änderung materiell-rechtlicher Bestimmungen kann eine Berücksichtigung von Menschenrechten durch die InvestorStaat-Schiedsgerichtsbarkeit erfolgen.196 Dargestellt wurde hier insbesondere die Möglichkeit von Widerklagen, die den Gaststaaten die Möglichkeit eröffnen sollen, einen Anspruch im Rahmen eines Investor-Staat-Schiedsverfahren wegen Verletzung von Verpflichtungen der Investorinnen und Investoren geltend zu machen. Diesen Vorschlägen stehen de iure keine grundsätzlichen völkerrechtlichen Bedenken entgegen. Zwischen Menschenrechtsschutz und anderen internationalen Regimen besteht keine Hierarchie. Die sich aus dem internationalen Investitionsschutzrecht ergebenden materiellen Schutzstandards könnten jedoch anderen Standards zum Teil entgegenstehen. Nicht bestehende Gesetze, aber eine neue Regulierung, bei der Staaten etwa zum Schutz der Menschenrechte von ihrem Recht zur Regulierung Gebrauch machen, können mit materiellen Standards des internationalen Investitionsschutzrechts kollidieren. Allerdings ist hier zu beachten, dass dies keine Bedenken sind, die gegen die grundsätzliche Möglichkeit einer Regulierung in Form einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht sprechen. Deutlich wird hierdurch lediglich, dass eine Regulierung des internationalen Investitionsschutzrechts in der diskutierten Form bestehende Rechte in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen notwendig beschränkt. Wie im Bereich der zivilrechtlichen Haftung stehen sich demnach zwei rechtspolitisch zu bewertende Positionen gegenüber: ein nach wie vor investorfreundlich vertieft ausgestaltetes Investitionsschutzrecht einerseits und ein künftig abweichendes, am Menschenrechtsschutz ausgerichtetes Investitionsschutzrecht andererseits. United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 133 ff. 196
Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen Der dritte zu diskutierende Ansatz zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen hat extraterritoriale Staatenpflichten1 („extraterritorial obligations“, ETOs) der Heimatstaaten zum Gegenstand.2 Es geht damit um die Frage, ob aus den bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Heimatstaaten als Sitzstaaten der Mutterunternehmen extraterritoriale Schutzpflichten abzuleiten sind. Rechtlicher Ausgangspunkt des Ansatzes extraterritorialer Staatenpflichten ist die Bedeutung der Staaten im Völkerrecht, insbesondere im Menschenrechtsschutz. Nach dem traditionellen Völkerrechtsverständnis sind Staaten – und nicht private Individuen und Das Stichwort, unter dem der Ansatz extraterritorialer Schutzpflichten diskutiert werden, variiert. Die Maastrichter Prinzipien zu den Extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verwenden den Begriff „extraterritorial obligations of states“; zum Teil wird auf „home state obligations“ verwiesen, Seck, in: Yale Human Rights & Development Law Journal 2008, S. 177 ff.; verwendet wird auch die Bezugnahme auf „external obligations“ Can/Seck, The Legal Obligations with Respect to Human Rights and Export Credit Agencies, S. 13; siehe auch Skogly/Gibney, in: Human Rights Quarterly 2002, S. 781 („transnational human rights obligations“). 2 Skogly, Beyond national borders; Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial application of human rights treaties; Langford/Vandenhole/Scheinin/Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties: The Extraterritorial Scope of Economic, Social and Cultural Rights in International Law; Salomon/Tostensen/Vandenhole (Hrsg.), Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers; Gondek, The reach of human rights in a globalising world; Gibney/Skogly, Universal human rights and extraterritorial obligations; Deva, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 37 ff.; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 598 ff.; De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff.; Coomans/Künnemann, Cases and Concepts on Extraterritorial Obligations in the Area of Economic, Social and Cultural Rights; Langford/Vandenhole/Scheinin/Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties: The Extraterritorial Scope of Economic, Social and Cultural Rights in International Law. 1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 155 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_9
156 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Unternehmen – die primären Adressaten der Menschenrechte.3 Denn dem Ursprung nach dienten Menschenrechte als Abwehrrechte zum Schutz der Einzelnen vor staatlichem Handeln.4 In Bezug auf bindendes Völkerrecht unterliegen Staaten zum Schutz von Menschenrechten völkerrechtlichen Staatenpflichten. Etabliert hat sich die Trias der Achtungs- bzw. Respektierungspflichten, der Schutzpflichten und der Gewährleistungspflichten.5 Anknüpfungspunkt für extraterritoriale Staatenpflichten ist im Kontext Wirtschaft und Menschenrechte vor allem der Sitz der Mutterunternehmen in den Heimatstaaten und dementsprechende Möglichkeiten der Regulierung transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen durch die Heimatstaaten.6 In Bezug auf die aus dem Völkervertragsrecht resultierende Bindung an internationale und regionale Menschenrechtsabkommen zielt der Ansatz extraterritorialer Staatenpflichten damit auf eine Verpflichtung auch der Heimatstaaten, neben den primär verpflichteten Gaststaaten.7 Im Folgenden wird zunächst die völkerrechtliche Bindung der Staaten an Menschenrechte erörtert (I.). Darauf aufbauend wird der Frage nachgegangen, inwieweit extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen dem Status quo entsprechen (II.). Im Anschluss werden Möglichkeiten, extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 628; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 211 ff.; United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Statement on the Importance and Relevance of the Right to Development, adopted on the occasion of the 25th anniversary of the Declaration on the Right to Development, E/C.12/2011/2, 2011, Rn. 3: „States parties have the primary obligation to respect, protect and fulfil the Covenant rights of all persons under their jurisdiction in the context of corporate activities undertaken by State-owned or private enterprises.“; für die Ausrichtung an Staaten im Kontex transnationaler Menschenrechtsverletzungen United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007. 4 Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 211 ff.; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599. 5 Shue, Basic rights; Eide, in: Human Rights Law Journal 1989, S. 35 ff.; United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Statement on the Importance and Relevance of the Right to Development, adopted on the occasion of the 25th anniversary of the Declaration on the Right to Development, E/C.12/2011/2, 2011, Rn. 3; De Schutter, International Human Rights Law, S. 242 ff.; Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights, S. Introduction, Rn. 4; United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 261 ff. 6 Siehe United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 4 und Kommentar; von Bernstorff, in: Corporate social responsibility and social rights, S. 49. 7 Hierzu auch Skogly, in: Research handbook on international human rights law, S. 71; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599 f. 3
I. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Staatenpflichten157 wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen nutzbar zu machen, diskutiert (III.). Anschließend wird die Bedeutung der völkerrechtlichen Staatenverantwortung in Bezug auf extraterritoriale Staatenpflichten beleuchtet (IV.). Zudem werden mögliche Bedenken gegen die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten ausgeräumt (V.). Abschließend wird das Potenzial extraterritorialer Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zusammengefasst (VI.). I. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Staatenpflichten Nachstehend werden zunächst verschiedene Aspekte der Staatenpflichten dargestellt. Dies umfasst zunächst Bindung der Staaten an Menschenrechte als Grundlage der Staatenpflichten (1.). Anschließend werden die aus dieser völkerrechtlichen Bindung resultierenden Staatenpflichten, insbesondere die Respektierungspflichten und die Schutzpflichten, behandelt (2.). Abschließend werden zwecks Abgrenzung verschiedene extraterritoriale Aspekte dargestellt (3.). 1. Bindung an Menschenrechte Staaten sind die primären Akteure und Normadressaten im internationalen Recht. Aus der grundlegenden territorialen Souveränität der Staaten folgt, dass sie ihre inneren und äußeren Angelegenheiten selbst bestimmen können. Gleichzeitig ergeben sich selbst auferlegte Einschränkungen aus dem Völkerrecht und damit auch aus dem Arbeitsvölkerrecht. Staaten haben ein Bekenntnis zu Menschenrechten und internationalen arbeitsrechtlichen Normen abgegeben. Ein grundlegendes Bekenntnis der Staaten(gemeinschaft) zu Menschenrechten und zu internationalen arbeitsrechtlichen Normen findet sich bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948,8 die den Grundstein für den internationalen Menschenrechtsschutz legte. Eine besondere – da verbindliche – Anerkennung der Menschenrechte besteht über das Völkergewohnheitsrecht und zwingendes Völkerrecht.9 Neben dem Völkergewohnheitsrecht und dem zwingenden Völkerrecht kommt nach Artikel 38 Buchstabe a IGH-Statut dem Völkervertragsrecht besondere Bedeutung zu. Insbesondere dieses bindende Völkervertragsrecht ist die Grundlage für die Annahme völkerrechtlicher Staatenpflichten. Universal Declaration of Human Rights, General Assembly resolution 217 A (III), 10.12.1948. Vgl. Stein/Buttlar, Völkerrecht, Rn. 25 ff. zu Völkervertragsrecht und Rn. 122 ff. zu Völkergewohnheitsrecht; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 55 ff. zu Völkergewohnheitsrecht; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/3, S. 512 ff. und 600 ff. zur Verbindlichkeit von Völkervertragsrecht. 8 9
158 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Im Kontext internationaler arbeitsrechtlicher Normen wird die Bindung an Menschenrechte besonders durch die zahlreichen Übereinkommen der ILO10 relevant. In Bezug auf die ILO Kernarbeitsnormen besteht eine völkervertragsrechtliche Bindung, soweit Staaten die entsprechenden acht ILO Übereinkommen ratifiziert haben. In der Erklärung der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit11 (im Folgenden ILO Erklärung) hat die Staatengemeinschaft 1998 erklärt, dass alle Mitglieder, auch wenn sie die Übereinkommen zum Schutz der Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert haben, allein aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der ILO verpflichtet sind, die Grundsätze betreffend dieser grundlegenden Rechte, in gutem Glauben und gemäß der ILO Verfassung einzuhalten, zu fördern und zu verwirklichen.12 Die Erklärung wurde ohne Gegenstimme von allen 183 Mitgliedstaaten der ILO angenommen. Mit der ILO Erklärung von 1998 liegt den Kernarbeitsnormen somit jedenfalls ein breiter Konsens der Staatengemeinschaft zugrunde.13 Bei der Frage nach der Bindung der Staaten an die Kernarbeitsnormen ist zwischen Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht zu differenzieren. Die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht bedarf der von einer entsprechenden Rechtsauffassung (opinio iuris) getragenen Staatenpraxis (consuetudo).14 Nur ein geringer Teil internationaler arbeitsrechtlicher Normen stellt Völkergewohnheitsrecht dar. Inwieweit sich die Annahme begründen lässt, dass internationale arbeitsrechtliche Normen Völkergewohnheitsrecht darstellen, ist in Bezug auf die jeweils betreffenden Normen einzeln zu beantworten.15 Auf welche Normen dies zutrifft, ist umstritten.16 Überwiegend wird eine Einordnung internationaler arbeitsrechtlicher Für eine Übersicht über die ILO Übereinkommen siehe International Labour Organization, NORMLEX, Information System on International Labour Standards, abrufbar unter http://www. ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=1000:12000:0 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); für eine Übersicht zum Schutz der Kernarbeitsnormen durch verschiedene internationale Übereinkommen und die ILO Übereinkommen Kaufmann, Globalisation and labour rights, S. 79 ff.; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 107 ff. 11 Hierzu Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 40 ff. 12 Zum Verhältnis der Erklärung der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit zu den ILO Übereinkommen ausführlich Alston, in: European Journal of International Law 2004, S. 457 ff. und Langille, in: European Journal of International Law 2005, S. 409 ff. 13 Zur Erklärung siehe Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 40 ff. 14 Stein/Buttlar, Völkerrecht, Rn. 126 ff. zur Übung und Rn. 129 ff. zur Überzeugung; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 56 ff. zur Übung/Gewohnheit und S. 59 ff. zur Überzeugung/rechtlichen Verpflichtung; in Bezug auf die ILO Übereinkommen Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, S. 173 ff. 15 Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, S. 173 ff.; Zimmer, in: Arbeitsvölkerrecht, S. 30 f. 16 Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, S. 173 ff.; Zimmer, in: Arbeitsvölkerrecht, S. 30 f. 10
I. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Staatenpflichten159 Normen als Völkergewohnheitsrecht abgelehnt.17 Eine Ausnahme gilt für das Verbot der Sklaverei, das als Teil des zwingenden Völkergewohnheitsrechts (ius cogens) anerkannt ist.18 Nach überwiegender Auffassung umfasst das zwingende Völkergewohnheitsrecht das Gewalt- und Interventionsverbot, das Verbot des Völkermords, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbot eines Angriffskrieges sowie die Einhaltung der elementaren Menschenrechte. Teil der elementaren Menschenrechte ist auch das Verbot der Sklaverei.19 Darüber hinaus stellen die übrigen ILO Übereinkommen zum Schutz der Kernarbeitsnormen kein zwingendes Völkerrecht dar. Unstreitig stellen die ILO Übereinkommen, insbesondere die Kernarbeitsnormen, bindendes Völkervertragsrecht dar, soweit ein ILO Mitgliedstaat das betreffende Übereinkommen ratifiziert hat. Zur innerstaatliche Bindung und Umsetzung im nationalen Recht ist auf die obigen Ausführungen in Teil II, Kap. 6, zu verweisen. Neben den ILO Übereinkommen findet ein Schutz wesentlicher internationaler arbeitsrechtlicher Normen – neben diversen weiteren internationalen Konventionen20 und regionalen Menschenrechtsabkommen21 – auch durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte statt. Artikel 8 IPbpR normiert das Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels. Dies umfasst nach Artikel 8 Absatz 3 IPbpR auch das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit. Artikel 21 IPbpR normiert das Recht auf Versammlungsfreiheit. Artikel 22 IPbpR hat das Recht auf Vereinigungsfreiheit zum Gegenstand, mit expliziter Bezugnahme auf das ILO Übereinkommen Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, S. 174; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 158 f. 18 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 288 f.; Vitzthum, in: Völkerrecht, S. 11, Rn. 13, Fn. 28. 19 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 287 f.; Vitzthum, in: Völkerrecht, S. 11, Rn. 13, Fn. 28. 20 Zur Bedeutung der UN Menschenrechtsübereinkommen für die Rechte der Arbeitsnehmerinnen und Arbeitsnehmer Körner-Dammann, Bedeutung und faktische Wirkung von ILO-Standards, S. 35; siehe auch Artikel 32 CRC (Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung), Artikel 11 Buchstabe a CEDAW (Recht auf Arbeit), Artikel 11 c CEDAW (Recht auf gleiche Arbeitsbedingungen und beruflichen Aufstieg), Artikel 11 Buchstabe d CEDAW (Recht auf gleiches Entgelt bei gleicher und gleichwertiger Arbeit), Artikel 11 Buchstabe f CEDAW (Recht auf soziale Sicherheit, Gesundheitsschutz und Arbeitsplatz). 21 Artikel 4 EMRK (Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit), Artikel 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit), Artikel 14 EMRK (Schutz vor Diskrimierung); vgl. Artikel 10 AfCHPR (Vereinigungsfreiheit), Artikel 15 AfCHPR (Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen und Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit); vgl. Artikel 6 AMRK (Verbot von Zwangs- und Pflichtarbeit), Artikel 15 AMRK (Vereinigungsfreiheit). Nach Artikel 3 NAALC soll jede Vertragspartei die Einhaltung und wirksame Durchsetzung ihres Arbeitsrechts durch geeignete Maßnahmen der Regierung fördern), die die Einhaltung bestehender nationaler Arbeitsrechte durchsetzen soll. Annex A nimmt dabei Bezug auf zahlreiche grundlegende ArbeitnehmerInnen-Rechte wie die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Tarifverhandlungen, das Streikrecht, das Verbot der Zwangsarbeit, Arbeitsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, die Beseitigung von Diskriminierung am Arbeitsplatz, Schutz der Wanderarbeiter. Danach kommen unter Umständen auch handelsrechtliche Sanktionen in Betracht, vgl. Artikel 41 NAALC (Suspension of Benefits). 17
160 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… 87 zur Vereinigungsfreiheit und dem Schutz des Vereinigungsrechts. Nach Artikel 24 IPbpR hat jedes Kind das Recht auf diejenigen Schutzmaßnahmen durch seine Familie, die Gesellschaft und den Staat, die seine Rechtsstellung als Minderjähriger erfordert. In Bezug auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat Artikel 6 IPwskR das Recht auf Arbeit zum Gegenstand hat. Artikel 7 IPwskR umfasst das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen. Zentral ist im Hinblick auf die ILO Kernarbeitsnormen Artikel 8 IPwskR. Dieser hat die Vereinigungsfreiheit, die Tariffreiheit und ein Streikrecht zum Gegenstand. Artikel 10 Absatz 3 IPwskR enthält zudem eine Beschränkung der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen. 2. Resultierende Staatenpflichten – respect – protect – fulfil Ursprünglich aus dem Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stammend,22 hat sich im Kontext des Menschenrechtsschutzes die Pflichtentrias der Respektierungspflichten, den Schutzpflichten und den Gewährleistungspflichten generell etabliert. Durch diese aus dem Völker(vertrags-)recht stammenden Pflichten haben die Staaten ihre grundsätzlich bestehende territoriale Souveränität eingeschränkt.23 Staatliche Respektierungspflichten korrespondieren dem Abwehrrecht vor staatlichen Eingriffen. Die Respektierungspflicht hat die Pflicht eines Staates zum Gegenstand, Menschenrechte nicht durch staatliches Handeln zu verletzen und verpflichtet Staaten somit, Individuen nicht an der Ausübung von Menschenrechten zu hindern.24 Diese Pflicht zur Respektierung von Menschenrechten wird meist als negative Verpflichtung, in diesem Sinne auch als Unterlassungspflicht, verstanden.25 Denn als Abwehrrechte sind Menschenrechte auf Unterlassung einer Handlung des Staates gerichtet. Staaten haben demnach alle Handlungen zu unterlassen, die eine Verletzung von Menschenrechten zur Folgen hätte. Dies umfasst unmittelbar verletzende Handlungen ebenso wie mittelbare Handlungen, wenn Letzteres durch ein verletzendes Verhalten unterstützt wird.26 In ihrer territorialen Dimension wird die Respektierungspflicht im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte insbesondere Zur Entwicklung aus dem Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 8 f.; De Schutter, International Human Rights Law, S. 242; zur Verbindlichkeit der wsk Rechte Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 313. 23 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 307 f.; Krajewski, Völkerrecht, § 8, Rn. 7 f. 24 Steiner/Alston/Goodman, International human rights in context, S. 187; De Schutter, International Human Rights Law, S. 242 ff.; Jägers, Corporate human rights obligations, S. 79 ff. 25 Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 263. 26 Vgl. Weber, Die rechtliche und politische Dimension von extraterritorialen Staatenpflichten bei Menschenrechtsverstößen durch transnationale Konzerne, S. 29 f. 22
I. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Staatenpflichten161 in Bezug auf staatseigene Unternehmen relevant. Hier bindet die Respektierungspflicht staatseigene Unternehmen an Menschenrechte.27 Gegenstand der staatlichen Schutzpflicht ist es, Individuen – über die Respektierungspflicht hinaus – auch vor Menschenrechtsverletzungen durch nicht-staatliche Dritte zu schützen. Aus der Schutzpflicht ergibt sich somit, dass Staaten verpflichtet sind, vor Verletzungen sie bindender völkerrechtlicher Normen auch gegenüber privaten Dritten zu schützen.28 In Deutschland ergeben sich Schutzpflichten in Bezug auf mehrere verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte.29 Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Schutzpflichtdimension verschiedener Grundrechte anerkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich Schutzpflichten aus der objektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte als objektive Werteordnung.30 In ihrer territorialen Dimension wird die Schutzpflicht im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte in Bezug auf solche Bereiche relevant, die dem Schutz der Bevölkerung auf dem eigenen Territorium vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen dienen. Insofern ist durch die territoriale Schutzpflicht vor allem der Gaststaaten angesprochen. In diesem Sinne obliegt es zunächst den Gaststaaten, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auf ihrem Territorium zu begegnen.31 In Bezug auf den Schutz der Kernarbeitsnormen ergeben sich Respektierungspflichten unmittelbar aus dem Wortlaut der die Kernarbeitsnormen schützenden Übereinkommen. Diese verpflichten die Vertragsstaaten, die darin normierten Rechte nicht durch staatliches Handeln zu verletzen und verpflichten die Staaten somit, Individuen nicht an der Ausübung von Menschenrechten zu hindern. Alle Vertragsstaaten haben demnach alle Handlungen zu unterlassen, die eine Verletzung der Kernarbeitsnormen zur Folgen hätte. Aus den ILO Übereinkommen ergeben sich auch Schutzpflichten, vor Menschenrechtsverletzungen durch nicht-staatliche Dritte zu schützen. Aufgrund des Gegenstandes arbeitsrechtlicher Normen sind die ILO Übereinkommen genuin mit der 27 Vgl. United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 4 und Kommentar zu Prinzip 4. 28 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004, Rn. 8; United Nations Committee on Economic, General Comment No 15. The right to water (arts. 11 and 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2002/11. 20.01.2003; Jägers, Corporate human rights obligations, S. 82 ff. 29 Explizit ergibt sich dies aus Artikel 1 Absatz 1, 4 Absatz 2, 6 Absatz 1 und 4 GG. BVerfGE 7, 198 (Lüth); 39, 1, 42 (Fristenlösung); 49, 89, 142 (Atomkraft) 53, 30, 57; hierzu Merten/Papier-Callies, § 44 (Schutzpflichten), Rn. 6. 30 31 Statt vieler in Bezug auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Vandenhole, in: Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers, S. 86 f.; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599 f.
162 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Tätigkeit von Unternehmen verbunden.32 So bezieht etwa Artikel 5 Absatz 1 des ILO Übereinkommens 29 Unternehmen explizit mit ein: „Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen erteilte Konzessionen dürfen nicht dahin führen, daß Zwangs- oder Pflichtarbeit in irgendeiner Form zur Gewinnung, Herstellung oder Sammlung von Erzeugnissen auferlegt wird, die diese Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen verwenden oder mit denen sie Handel treiben.“ In Bezug auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ergibt sich eine Schutzpflicht zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Vertragstextes, wenn es heißt, dass jeder Vertragsstaat sich verpflichtet, die im Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen zu gewährleisten. Die in der englischen Version verwendete Terminologie „to ensure“ soll indes die Schutzpflicht umfassen. Es ist demnach unstreitig, dass dies auch die Pflicht umfasst, Dritte vor Verletzungen der im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte normierten Rechte zu schützen.33 Dies wird auch durch verschiedene Abschließende Beobachtungen (Concluding Observations) bestätigt. Dass eine Schutzpflicht gegenüber Privaten besteht, stellte der UN Menschenrechtsausschuss explizit fest. Für den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ergibt sich dies insbesondere aus der Allgemeinen Bemerkung (General Comment) Nr. 31 von 2004.34 Darin stellte der UN Menschenrechtsausschuss fest, dass „[h]owever the positive obligations on States Parties to ensure Covenant rights will only be fully discharged if individuals are protected by the State, not just against violations of Covenant rights by its agents, but also against acts committed by private persons or entities that would impair the enjoyment of Covenant rights in so far as they are amenable to application between private persons or entities.“35 Auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte enthält – anders als zum Teil angenommen36 – verbindliche Verpflichtungen für Jägers, Corporate human rights obligations, S. 161. United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004, Rn. 8; hierzu auch Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights, S. Introduction, Rn. 19; United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 7; Steiner/Alston/Goodman, International human rights in context, S. 188; von Bernstorff, in: Corporate social responsibility and social rights, S. 41 f.; Hessbrügge, in: Buffalo Human Rights Law Review 2005, S. 70. 34 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004. 35 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004, Rn. 8. 36 Stein/Buttlar, Völkerrecht, Rn. 1014; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 412. 32 33
I. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Staatenpflichten163 Staaten.37 Gerade im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte hat sich das Bestehen auch einer Schutzpflicht etabliert38: „The right to adequate food, like any other human right, imposes three types or levels of obligations on States parties: the obligations to respect, to protect and to fulfil.“39 In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 3 des UN Ausschusses zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten heißt es, dass der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte trotz der Unterschiede zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Hinblick auf die progressive Realisierung den Staaten Pflichten auferlegt hat: „[…] Article 2 is of particular importance to a full understanding of the Covenant and must be seen as having a dynamic relationship with all of the other provisions of the Covenant. It describes the nature of the general legal obligations undertaken by States parties to the Covenant. […] In particular, while the Covenant provides for progressive realization and acknowledges the constraints due to the limits of available resources, it also imposes various obligations which are of immediate effect.“40 Diese Schutzpflicht vor Verletzungen durch private, also nicht-staatliche Dritte, erfasst auch Unternehmen. Eine ausdrückliche Erwähnung von Unternehmen findet zwar nur selten in den Vertragstexten statt. Explizit findet sich dies allein im Bereich des Schutzes vor Diskriminierungen in Artikel 2 Buchstabe e des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Zudem findet sich dies in Artikel 32 Absatz 2 Buchstabe a-c des Übereinkommens über die Rechte des Kindes. Dass aber auch Unternehmen unter den Begriff Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 754; hierzu auch United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2, par.1), E/1991/23, 14.12.1990, Rn. 10: „On the basis of the extensive experience gained by the Committee, as well as by the body that preceded it, over a period of more than a decade of examining States parties' reports the Committee is of the view the at a minimum core obligation to ensure the satisfaction of, at the very least, minimum essential levels of each of the rights is incumbent upon every State party.“ 37 38 Seit 1999 United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, The right to adequate food (Art. 11), E/C.12/1999/5; zur Entwicklung aus dem Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 8 f.; De Schutter, International Human Rights Law, S. 242; Vandenhole, in: Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers, S. 92 ff.; anders Koenen, Wirtschaft und Menschenrechte, S. 156. United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, The right to adequate food (Art. 11), E/C.12/1999/5, Rn. 15. 39 United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, General Comment No. 3, The nature of States parties obligations (Art. 2, par.1), E/1991/23, 14.12.1990, Rn. 1. 40
164 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… der privaten Dritten zu subsumieren sind, ist indes unstreitig.41 Für den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte hat der UN Menschenrechtsausschuss die Einbeziehung von Unternehmen in mehreren Abschließenden Beobachtungen festgestellt.42 Die Annahme von Mindestpflichten hat der UN Ausschuss zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten auch in Bezug auf Unternehmen angenommen.43 3. Extraterritoriale Aspekte – Abgrenzungen Staatenpflichten beziehen sich zunächst auf das jeweilige Territorium eines Staates. Sie obliegen Staaten auch nur insoweit und damit vor allem allein gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung.44 Nach Artikel 29 Wiener Vertragsrechtskonvention, das den räumlichen Geltungsbereich von völkerrechtlichen Verträgen zum Gegenstand hat, bindet ein Vertrag, sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, jede Vertragspartei hinsichtlich ihres gesamten Hoheitsgebiets. Unstreitige Konsequenz der Bindung an völkervertragsrechtliche Menschenrechtsübereinkommen und den daraus resultierenden Staatenpflichten ist, dass es primär den Gaststaaten obliegt, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen auf ihrem Territorium zu begegnen.45 Die vorliegenden Überlegungen hinsichtlich völkerrechtlicher United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 11; United Nations Committee on Economic, General Comment No 15. The right to water (arts. 11 and 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2002/11. 20.01.2003; explizit United Nations Committee on Economic, General Comment No. 14: The right to the highest attainable standard of health (article 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2000/4. 11.08.2000, Rn. 51; United Nations Committee on Economic, General Comment No. 18. The Right to Work. E/C.12/GC/18, 06.02.2006, Rn. 52; United Nations Committee on the Rights of the Child, General Comment No. 16: On State obligations regarding the impact of the business sector on children’s rights, CRC/C/ GC/16, 15.03.2013, Rn. 39 ff.; hierzu auch von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 12. 42 Für den Bereich des Arbeitsrechts siehe United Nations Human Rights Committee, Concluding Observations Chile, CCPR A/54/40, 30.03.1999, Rn. 219; United Nations Human Rights Committee, Concluding Observations Ecuador, CCPR/C/ECU/CO/5, 04.04.2001, Rn. 8; United Nations Human Rights Committee, Concluding Observations Venezuela, CCPR A/56/40, 02.04.2001, Rn. 23; in Bezug auf das Verbot der Kinderarbeit und der Zwangsarbeit United Nations Human Rights Committee, Concluding Observations: Brazil, CCPR/C/BRA/CO/2, Rn. 14; United Nations Human Rights Committee, Concluding Observations: Kenya, CCPR/CO/83/KEN, Rn. 26; United Nations Human Rights Committee, Concluding Observations: Uzbekistan, CCPR/CO/83/UZB, Rn. 25. 43 United Nations Committee on Economic, General Comment No. 18. The Right to Work. E/C.12/ GC/18. 06.02.2006, Rn. 52. 44 Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 355. 45 Statt vieler in Bezug auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Vandenhole, in: Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers, S. 86 f.; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599 f. 41
I. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Staatenpflichten165 Staatenpflichten zum Schutz und zur Durchsetzung von Menschenrechten konzentrieren sich indes vor allem auf Pflichten der Heimatstaaten (extraterritoriale Staatenpflichten) neben den primär verpflichteten Gaststaaten (territoriale Staatenpflichten).46 Es geht also darum, ob es allein die Pflicht der Gaststaaten ist, Menschenrechte zu achten und zu gewährleisten und vor Verletzungen durch Dritte zu schützen oder ob – zusätzlich – auch eine Pflicht der Heimatstaaten bestehen, und zwar auch wenn die unmittelbaren Menschenrechtsverletzungen nicht auf dem Territorium der Heimatstaaten stattfinden.47 Der Begriff der extraterritorialen Staatenpflichten bezieht sich dementsprechend auf jene völkerrechtlichen Pflichten, die einem Staat außerhalb des eigenen Territoriums zukommen. Dadurch erfolgt eine Ausweitung des Menschenrechtsschutzes über nationale Grenzen hinaus.48 Die Verantwortung eines Staates ist bei extraterritorialen völkerrechtlichen Staatenpflichten somit durch die besondere Tatsache gekennzeichnet, dass es sich um Sachverhalte handelt, die sich primär, das heißt im Hinblick auf die unmittelbare Menschenrechtsverletzung, außerhalb des Territoriums des Heimatstaates abspielen. Im Hinblick auf die sich aus dem Völkerrecht ergebenden Staatenpflichten stellt sich für Heimatstaaten somit die Frage, ob auch solche Personen von dem Anwendungsbereich der Staatenpflichten umfasst sind, die sich außerhalb des Territoriums des zu schützenden Heimatstaates befinden. Abzugrenzen sind solche extraterritoriale Staatenpflichten von extraterritorialer Rechtsetzung und Rechtsanwendung (extraterritorial jurisdiction).49 So werden extraterritoriale Staatenpflichten und extraterritoriale Rechtssetzung und Rechtsanwendung oft in einem Atemzug genannt.50 Extraterritoriale Staatenpflichten befassen sich mit der Frage, ob Staaten eine Pflicht gegenüber Dritten wegen der Verletzungen 46 Siehe die Maastrichter Prinzipien zu den Extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, die einen deutlichen Fokus auf die Heimatstaaten haben; völkerrechtliche Staatenpflichten der Gaststaaten sind hier von nachrangiger Bedeutung. Zur parallelen Bedeutung der Gaststaaten (in Bezug auf den Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) Vandenhole, in: Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers, S. 86 f.; Skogly, in: Research handbook on international human rights law, S. 71; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599 f. 47 Von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen. 48 Coomans/Kamminga, in: Extraterritorial application of human rights treaties, S. 1. 49 Siehe etwa De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 8, Absatz 3; Wenzel, Human Rights, Treaties, Extraterritorial Application and Effects; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 598 ff.; Seck, in: Yale Human Rights & Development Law Journal 2008, S. 177 ff.; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 21 ff. 50 Vgl. Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 390, die im Kontext extraterritorialer Staatenpfichten, eine Pflicht ablehnen, Unternehmen extraterritorial zu regulieren. Gleichzeitig betonen sie vorher, dass keine Frage der Extrateritorialität betroffen ist, wenn ein Staat auf seinem Territorium handelt und damit eine Schutzpflicht adressiert ist, Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 389.
166 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… von Menschenrechten im Ausland zukommt. Es stellt sich hier demnach beispielsweise die Frage, ob aus dem Völkervertragsrecht eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland folgt, vor Verletzungen verbindlicher internationaler arbeitsrechtlicher Normen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen im Ausland zu schützen. Extraterritoriale Rechtssetzung und Rechtsanwendung hat hingegen die Frage zum Gegenstand, wie eine solche Pflicht national umgesetzt wird und werden kann.51 Extraterritoriale Staatenpflichten sind auch nicht gleichzusetzen mit dem Recht der Staaten zu extraterritorialer Rechtssetzung und Rechtsanwendung.52 Ersteres betrifft die Frage, ob sich aus dem Völkerrecht eine bindende Verpflichtung ergibt, also ob Staaten regulierend tätig werden müssen, da hierzu eine verbindliche internationale Übereinkunft verpflichtet. Letzteres betrifft die oben – im Zusammenhang mit deliktsrechtlichen Haftungsnormen – behandelte Frage, ob ein Staat nach dem Völkerrecht eine bestimmte Rechtssetzung vornehmen darf, die – wenn extraterritorial – unter Umständen die Souveränität eines anderen Staates verletzen könnte.53 Es geht im Folgenden nur um die Frage, ob und inwieweit Heimatstaaten zum Schutz der Bevölkerung in Gaststaaten vor Menschenrechtsverletzungen Pflichten obliegen, wenn eine Verletzung im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten entweder unmittelbar durch Unternehmen mit Sitz oder Gründungsort im Heimatstaat erfolgt oder auch durch transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe „ihrer“ Unternehmen in den Gaststaaten.54 II. Status quo extraterritorialer Staatenpflichten Ob Staatenpflichten auch extraterritorial – somit zugunsten der Betroffenen in den Gaststaaten – Geltung beanspruchen können, ist generell und auch im transnationalen Kontext von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen umstritten.55 Während durch zahlreiche internationale und regionale Menschenrechtsübereinkommen Rechte zum Schutz der Einzelnen gegen staatliches Handeln anerkannt werden, stellt sich im Kontext transnationaler Menschenrechtsverletzungen die Frage, welchem Staat gegenüber sich diese Rechte adressieren lassen.56 51 Vgl. Weber, Die rechtliche und politische Dimension von extraterritorialen Staatenpflichten bei Menschenrechtsverstößen durch transnationale Konzerne, S. 26 f. 52 De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 21 ff.; von Bernstorff, in: Corporate social responsibility and social rights, S. 50; zur Frage der Zulässigkeit und den Möglichkeiten extraterritorialer Rechtssetzung siehe oben Teil II, Kapitel 7. 53 Siehe hierzu ausführlich oben Teil II, Kapitel 7. 54 Deutlich zur Abgrenzung Coomans, in: Extraterritorial application of human rights treaties, S. 187 ff., zur vorliegenden Situation S. 190. 55 De Schutter, International Human Rights Law, S. 162 ff. 56 Hierzu deutlich von Bernstorff, in: Corporate social responsibility and social rights, S. 35.
II. Status quo extraterritorialer Staatenpflichten167 Generell, also menschenrechtsabkommenunabhängig, wird die extraterritoriale Anwendung rechtsverbindlicher völkervertraglicher Menschenrechtsstandards im Völkerrecht bisher weitgehend abgelehnt.57 Eine Ausnahme ist das humanitäre Völkerrecht. Für das humanitäre Völkerrecht steht die extraterritoriale Anwendbarkeit entsprechender völkerrechtlicher Normen außer Frage. Unstreitig ist demnach die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, CPPCG) extraterritorial anwendbar.58 Für andere internationale und regionale Menschenrechtsübereinkommen wird die extraterritoriale Anwendung nicht ohne weiteres bejaht. Denn es bestehe weder eine einheitliche und grundlegende Aussage in den Verträgen noch in der Spruchpraxis entsprechender UN Vertragsorgane.59 Verschiedene UN Vertragsorgane haben sich zwar mit extraterritorialen Staatenpflichten im Hinblick auf eine Reihe von Rechten befasst. Darunter fallen sowohl wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und bürgerliche und politische Rechte sowie das Recht auf soziale Sicherheit,60 das Recht auf Nahrung,61 das Recht, nicht gefoltert oder misshandelt zu werden,62 das Recht auf Wasser63 und das Recht auf einen Rechtsbehelf und 57 Hierzu De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 18: „There exists no general obligation imposed on States, under international human rights law, to exercise extraterritorial jurisdiction (understood here a combination of adjudicative and prescriptive jurisdiction) in order to contribute to the protection and promotion of internationally recognized human rights outside their national territory.“; United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 84: „[…] What is difficult to derive from the treaties or the treaty bodies is any general obligation on States to exercise extraterritorial jurisdiction over violations by business enterprises abroad.“; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 24; Jägers, Corporate human rights obligations, S. 147. 58 Coomans/Kamminga, in: Extraterritorial application of human rights treaties, S. 1 unter Bezugnahme auf ICJ, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), 11.07.1996, Rn. 31. 59 So zusammenfassend United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/ HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 84. 60 United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR), General Comment No. 19: The right to social security (Art. 9 of the Covenant), E/C.12/GC/19, 4 February 2008, Absatz 54. 61 United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR), Consideration of reports submitted by States parties under articles 16 and 17 of the Covenant: Concluding observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Germany, 12.07.2011, E/C.12/ DEU/CO/5 62 United Nations Committee Against Torture (CAT), General Comment No. 2: Implementation of Article 2 by States Parties, 24.01.2008, CAT/C/GC/2; United Nations Committee Against Torture (CAT), General Comment No. 3: Implementation of Article 14 by States parties, 19.11.2012, CAT/C/GC/3. 63 United Nations Committee on the Rights of the Child (CRC), Consideration of reports submitted by States parties under article 44 of the Convention: Concluding observations: Republic of Korea, 06.10.2011, CRC/C/KOR/CO/3-4, Absatz 26.
168 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Entschädigung.64 Die UN Vertragsorgane geben indes keine einheitliche Auskunft darüber, ob Staatenpflichten auch im Hinblick auf Sachverhalte bestehen, die sich außerhalb des eigenen Territoriums abspielen.65 Ob aus dem Arbeitsvölkerrecht extraterritoriale Staatenpflichten folgen, ist bisher offen. Die extraterritoriale Dimension der Staatenpflichten wird im Folgenden neben den ILO Übereinkommen anhand des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte aufgezeigt, da auch Letztere den Schutz internationaler arbeitsrechtlicher Normen umfassen und die Frage der Extraterritorialität explizit vor allem in Bezug auf die Pakte diskutiert wurde. In Bezug auf die Pakte dienen über den Vertragstext hinaus die Spruchpraxis der Vertragsorgane, die Allgemeinen Bemerkungen der Vertragsorgane und die Abschließenden Bewertungen als Anhaltspunkte.66 1. ILO Übereinkommen Es stellt sich demnach die Frage, inwieweit den ILO Übereinkommen zum Schutz der Kernarbeitsnormen extraterritoriale Pflichten der Heimatstaaten zum Schutz vor Verletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen entnommen werden können. Relevant sind hier – wie bereits ausgeführt67 – insbesondere die Übereinkommen, die dem Schutz der Kernarbeitsnormen dienen. Generelle und grundlegende Aussagen und Untersuchungen zur Frage der aus den Übereinkommen resultierenden Schutzpflichten, insbesondere zur extraterritorialen Anwendbarkeit der aus den Übereinkommen folgenden Schutzpflichten, bestehen nicht.68 Auch die Berichte (Complaints) nach Artikel 26 der ILO Verfassung an die United Nations Committee on the Rights of the Child (CRC), Concluding observations on the initial report of Paraguay submitted under article 12 of the Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on the sale of children, child prostitution and child pornography, adopted by the Committee at its sixty-fourth session (16.09.-04.10.2013), 29.10.2013, CRC/C/OPSC/PRY/ CO/1 65 So zusammenfassend United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/ HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 84: „Most of the treaty bodies have not discussed State duties regarding extraterritorial jurisdiction in detail or with great clarity.“; siehe hierzu auch De Schutter, International Human Rights Law, S. 167. 66 Zur Problematik der separaten Betrachtung extraterritorialer Staatenpflichten in Bezug auf einzelne internationale Übereinkommen siehe Kanalan, in: Archiv des Völkerrechts 2014, S. 504 ff. 67 Siehe oben unter Teil I. 68 Allgemein gehaltene Aussagen finden sich etwa bei Blanpain/Colucci, The globalization of labour standards, S. 27 f.: „The territorial scope of the ILO […] instruments […] is world wide.“; Blanpain/Colucci, The globalization of labs. our standards, S. 7; bei Rubin, Code of international labour law, Bronstein, International and comparative labour law, und Servais, International labour law, findet sich zur Frage der extraterritorialen Anwendbarkeit der Übereinkommen keine Antwort. 64
II. Status quo extraterritorialer Staatenpflichten169 Commissions of Inquiry, derzeit lediglich 28 eingereicht,69 enthalten hierüber keine Aussagen. Dasselbe gilt für die Berichte des Committee on Freedom of Association zu den über 2500 Fällen70 im Bereich der Vereinigungsfreiheit.71 Auch Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs, der nach Artikel 37 Absatz 1 der ILO Verfassung zur Auslegung der Verfassung oder der später von den Mitgliedern abgeschlossenen Übereinkommen befugt ist, bestehen kaum und insbesondere nicht zur Frage der extraterritorialen Anwendbarkeit der ILO Übereinkommen. Auch die Berichte des Sachverständigenausschusses für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen (Committee of Experts on the Application of Conventions and Recommendations) haben sich mit dieser Frage bisher nicht befasst.72 Nur einem Bericht des Verwaltungsrates (Governing Body) der ILO lässt sich im Kontext der israelischen Besetzung des Gaza Streifens und des Westjordanlands eine Bezugnahme finden.73 Im Hinblick auf das Verbot der Zwangsarbeit findet sich in Artikel 1 des Übereinkommens 29 (1930), dass sich jeder Vertragsstaat verpflichtet, den Gebrauch der Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen möglichst bald zu beseitigen. Übereinkommen 105 (1957) besagt in Artikel 1, dass jeder Vertragsstaat sich verpflichtet, die Zwangs- oder Pflichtarbeit zu beseitigen und in keiner Form zu verwenden. Nach Artikel 2 des Übereinkommens 105 verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, wirksame Maßnahmen zur sofortigen und vollständigen Abschaffung der in Artikel 1 dieses Übereinkommens bezeichneten Zwangs- oder Pflichtarbeit zu ergreifen. Die Übereinkommen 29 und 105 enthalten vom Wortlaut her keine territoriale Beschränkung – weder auf das Territorium noch in Bezug auf Herrschaftsgewalt. Darüber hinaus ist indes offen, inwieweit die Übereinkommen 29 und 105 extraterritorial anwendbar sind. Nach Artikel 1 des Übereinkommens 87 (1948) verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, die folgenden Bestimmungen zur Anwendung zu bringen. Nach Artikel 1 Absatz 1 des Übereinkommens 98 (1949) sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind vor jeder gegen die Vereinigungsfreiheit gerichteten unterschiedlichen Behandlung, die mit ihrer Beschäftigung in Zusammenhang steht, angemessen zu schützen. Auch Übereinkommen 87 und 98 enthalten somit dem Wortlaut nach keine territoriale Beschränkung. Siehe International Labour Organization/International Labour Office, Freedom of Association. Digest of decisions and principles of the Freedom of Association Committee of the Governing Body of the ILO. 70 International Labour Organization, NORMLEX, Information System on International Labour Standards, abrufbar unter http://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=1000:20030:0::NO::: (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 69 International Labour Organization, NORMLEX, Information System on International Labour Standards, abrufbar unter http://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=1000:50011:0::NO::: (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 72 Eine Liste der Berichte des Committee of Experts findet sich bei International Labour Organization, Information and reports on the application of Conventions and Recommendations, abrufbar unter http://www.ilo.org/public/libdoc/ilo/P/09661/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 73 International Labour Organization, ILO Doc. GB.233/16/30 (1986) zitiert nach Dennis, in: American Society of International Law 2005, S. 132. 71
170 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Zur Frage der extraterritorialen Anwendung kann im Hinblick die Übereinkommen 87 (1948) die Auseinandersetzung im Fall der besetzen Gebiete Palästinas durch Israel herangezogen werden.74 Hierzu lässt sich einem Bericht des Verwaltungsrates (Governing Body) der ILO im Kontext der israelischen Besetzung des Gaza Streifens und des Westjordanlands entnehmen, dass die Besetzung durch Israel nicht Israels Pflichten auf das Territorium der besetzen Gebiete erweitere; „[T]he occupation by Israel of Arab territories in 1967 cannot be considered as having extended to the occupied territories Israel’s obligations under Conventions it has ratified.“75 Dies legt nahe, eine Auslegung zugrunde zu legen, die sich am Territorium und einer engen Auslegung der Herrschaftsgewalt orientiert. Eine extraterritoriale Anwendung im Hinblick auf das ILO Übereinkommen 87 wäre demnach abzulehnen. Im Hinblick auf die Übereinkommen 100 (1951) und 111 (1958) zur Gleichheit des Entgelts und zum Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf hat nach Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens 100 jedes Mitglied hat mit den Mitteln, die den bestehenden Verfahren zur Festsetzung der Entgeltsätze entsprechen, die Anwendung des Grundsatzes der Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fördern und, soweit es mit diesen Verfahren vereinbar ist, sicherzustellen. Dieser Grundsatz kann nach Artikel 2 Absatz 2 des Übereinkommens 100 beispielsweise durch innerstaatliche Gesetzgebung oder gesetzlich geschaffene oder anerkannte Einrichtungen zur Lohnfestsetzung verwirklicht werden. Nach Artikel 2 des Übereinkommens 111 verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, eine innerstaatliche Politik festzulegen und zu verfolgen, die darauf abzielt, die Gleichheit der Gelegenheiten und der Behandlung in Bezug auf Beschäftigung und Beruf zu fördern, um jegliche Diskriminierung auf diesem Gebiet auszuschalten. Artikel 6 des Übereinkommens 111 besagt, dass jeder Vertragsstaat sich verpflichtet, es nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation auf die außerhalb des Mutterlandes gelegenen Gebiete anzuwenden. Auch Übereinkommen 100 und 111 enthalten somit dem Wortlaut nach keine territoriale Beschränkung. Der Verweis von Artikel 2 des Übereinkommens 111 auf die innerstaatliche Politik steht dem nicht entgegen. Denn es geht vorliegend gerade um eine (innerstaatliche) Regulierung der Heimatsstaaten und der dort sitzenden Mutterunternehmen. Die Regelung in Artikel 6 des Übereinkommens 111 und die Bezugnahme auf Gebiete außerhalb des Mutterlandes entspricht jedoch Artikel 13 des Übereinkommens 87. Daher liegt hier eine entsprechend enge Auslegung im Sinne der oben gemachten Ausführungen nahe.76 Siehe hierzu Dennis, in: American Society of International Law 2005, S. 132. International Labour Organization, ILO Doc. GB.233/16/30 (1986) zitiert nach Dennis, in: American Society of International Law 2005, S. 132. 76 Vgl. oben Ausführungen zur Auseinandersetzung im Fall der besetzen Gebiete Palästinas durch Israel und der Anwendung von Übereinkommen 87. 74 75
II. Status quo extraterritorialer Staatenpflichten171 Nach Artikel 1 des Übereinkommens 138 (1973) verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, eine innerstaatliche Politik zu verfolgen, die dazu bestimmt ist, die tatsächliche Abschaffung der Kinderarbeit sicherzustellen und das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung oder Arbeit fortschreitend bis auf einen Stand anzuheben, bei dem die volle körperliche und geistige Entwicklung der Jugendlichen gesichert ist. Artikel 1 des Übereinkommens 182 (1999) zufolge hat jeder Vertragsstaat, unverzügliche und wirksame Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die schlimmsten Formen der Kinderarbeit vordringlich verboten und beseitigt werden. Die Übereinkommen 138 und 182 enthalten somit dem Wortlaut nach keine territoriale Beschränkung. Über den Wortlaut hinaus ist indes auch hier offen, inwieweit diese Übereinkommen extraterritorial anwendbar sind.77 Für die Konstellation von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen und eine in diesem Kontext bestehende bzw. zu begründende Staatenpflicht der Heimatstaaten bedeutet dies in Bezug auf die extraterritoriale Reichweite der ILO Übereinkommen, dass eine explizite Pflicht der Heimatstaaten zum Schutz der Bevölkerung in Gaststaaten vor Verletzungen durch „ihre“ Unternehmen sich nicht im Wortlaut der ILO Übereinkommen wiederfindet. Gleichzeitig ist der Wortlaut auch nicht explizit auf das eigene Territorium beschränkt und lässt eine offene Auslegung zu. In den Übereinkommen 87 und 111 findet sich jedoch eine Bezugnahme auf Sachverhalte, die außerhalb des Mutterlandes stattfinden. Hier ist dem Bericht des Verwaltungsrates der ILO im Kontext der israelischen Besetzung des Gaza Streifens und des Westjordanlands entsprechend eine restriktive Auslegung von Übereinkommen 87 zu entnehmen. 2. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Die Frage der extraterritorialen Anwendung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte ist umstritten.78 Sie wird überwiegend negativ in Richtung einer grundsätzlichen Ablehnung der extraterritorialen Anwendung des 2013 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig sei, in kommunalen Bestattungs- und Friedhofssatzungen nur Grabsteine zuzulassen, die im Ausland unter Beachtung der Menschenrechte produziert wurden (BVerwG, Urt. vom 16.10.2013 – 8 CN 1/12); siehe hierzu Krajewski, Menschenrechtsschutz durch kommunale Friedhofssatzung – Höchstrichterliche Klarstellungen und politische Handlungsaufträge; Kößler/ Saage-Maaß, Zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.10.2013 (8 Cn 1/12). Gegenstand war demnach die Frage nationaler Rechtsetzung mit extraterritorialer Wirkung, um durch entsprechende Satzungen vor Menschenrechtsverletzungen im Ausland, insbesondere vor ausbeuterischer Kinderarbeit, zu schützen. Fragen nach extraterritorialen Staatenpflichten ging das BVerwG indes nicht nach, sodass sich auch aus dieser Entscheidung keine eindeutigen Schlussfolgerungen zur extraterritorialen Geltung ziehen lassen. 78 Von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 17 f. 77
172 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte beantwortet.79 Dem Wortlaut des Artikel 2 Absatz 1 IPbpR nach bezieht sich der Pakt auf das Territorium des jeweiligen Vertragsstaates und dessen Herrschaftsgewalt: „Each State Party to the present Covenant undertakes to respect and to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant, […].“ Der Wortlaut und der darin zum Ausdruck kommende ausschließliche Bezug auf Individuen, die sich im Staatsgebiet befinden und der nationalen Herrschaftsgewalt unterstehen, wird letztlich als deutliche Nähe zum Staatsgebiet und eine territoriale Begrenzung der Reichweite der Staatenpflichten ausgelegt.80 Zwar könne der Verweis auf Territorium und Herrschaftsgewalt auf zwei kumulative Kriterien hindeuten.81 Der UN Menschenrechtsausschuss hat indes eine andere Auslegung gewählt.82 Der UN Menschenrechtsausschuss entwickelte zu der Frage nach dem Verhältnis von Territorium und Herrschaftsgewalt aus dem Wortlaut des Artikel 2 Absatz 1 IPbpR die power of effective control Argumentation.83 In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 31 stellte der UN Menschenrechtsausschuss fest, dass „[t]his means that a State party must respect and ensure the rights laid down in the Covenant to anyone within the power or effective control of that State Party, even if not situated within the territory of the State Party.“84 Vor diesem Hintergrund kann eine Bindung an den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und damit eine extraterritoriale Anwendung auch außerhalb des eigenen Territoriums bestehen, wenn eine „effective control“ ausgeübt wird. So jedenfalls auch Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights, S. Introduction, Rn. 28; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 87. 80 Hierzu auch von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 18; Wenzel, Human Rights, Treaties, Extraterritorial Application and Effects, Rn. 4. 81 Dennis, in: American Society of International Law 2005, S. 122; Skogly/Gibney, in: Human Rights Quarterly 2002, S. 790; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 18; Wenzel, Human Rights, Treaties, Extraterritorial Application and Effects, Rn. 4. 82 Dennis, in: American Society of International Law 2005, S. 122; Cerone, Out of Bounds?, S. 3, Fn. 7. 83 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004, Rn. 10. 84 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004, Rn. 10. 79
II. Status quo extraterritorialer Staatenpflichten173 die Auslegung durch den UN Menschenrechtsausschuss in seinen Abschließenden Beobachtungen zu Israel.85 Hieraus ergibt sich, dass derzeit aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte eine extraterritoriale Staatenpflicht nur dann gefolgert werden kann, wenn Staaten – außerhalb ihres Territoriums – effektive Herrschaftsgewalt ausüben. Anerkannt sind extraterritoriale Respektierungspflichten aufgrund von Rechtsverletzungen unmittelbar durch Staaten selbst bei konsularischen und diplomatischen Handlungen auf fremden Territorium, Festnahmen und Inhaftierungen durch staatliche Organe auf fremden Territorium oder die militärische Besetzung fremden Territoriums.86 Für die Konstellation von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen bedeutet dies in einer engen Lesart, dass eine Pflicht der Heimatstaaten zum Schutz der Bevölkerung in Gaststaaten vor Verletzungen durch „ihre“ Unternehmen nur dann bestünde, wenn der betreffende Heimatstaat im Territorium des Gaststaates effektive Herrschaftsgewalt ausübte. Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Falldarstellungen ist eine solche Konstellation selten anzunehmen, sodass Staatenpflichten aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte derzeit zur Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen in transnationalen Kontexten bisher nicht fruchtbar gemacht werden können. 3. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Die gleiche Frage nach Staatenpflichten und der extraterritorialen Anwendung stellt sich im Hinblick auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale United Nations Human Rights Committee, Concluding observations of the Human Rights Committee: Israel, CCPR/CO/78/ISR, 05.08.2003; hierzu auch von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 19; ICJ, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opinion) [2004] ICJ Rep 136, S. 180: „The Court considers that the International Covenant on Civil and Political Rights is applicable in respect of acts done by a State in the exercise of its jurisdiction outside its own territory. The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights contains no provision on its scope of application. This may be explicable by the fact that this Covenant guarantees rights which are essentially territorial. However, it is not to be excluded that it applies both to territories over which a State party has sovereignty and to those over which that State exercises territorial jurisdiction“ 86 Wenzel, Human Rights, Treaties, Extraterritorial Application and Effects, Rn. 6 ff.; De Schutter, International Human Rights Law, S. 147 ff.; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 374 ff. 85
174 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… und kulturelle Rechte.87 Vor dem Hintergrund des offenen Wortlautes des Artikel 2 Absatz 1 IPwskR wird eine territoriale Beschränkung der Staatenpflichten abgelehnt.88 Dem Wortlaut des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte fehlt eine Artikel 2 Absatz 1 IPbpR vergleichbare Beschränkung auf Territorium oder Herrschaftsgewalt.89 Ganz im Gegenteil zu Artikel 2 Absatz 1 IPbpR wird der Wortlaut des Artikel 2 Absatz 1 IPwskR – und auch der Artikel 11 und 23 IPwskR – und die darin angeführte Pflicht zur Zusammenarbeit im Menschenrechtsschutz (international assistance and co-operation) als Anzeichen dafür gesehen, dass die Pflichten des Vertrages über das nationale Territorium hinaus extraterritorial gelten.90 Staatenpflichten wurden dementsprechend durch Allgemeine Bemerkungen (General Comments) des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights) weit und extraterritorial ausgelegt.91 Coomans, in: Extraterritorial application of human rights treaties, S. 185. Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 2, 6 f.; Vandenhole, in: Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers, S. 88; Deva, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 49; Skogly/Gibney, in: Human Rights Quarterly 2002, S. 790 f. 89 Coomans, in: Extraterritorial application of human rights treaties, S. 184 f. 90 De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 19 ff.; Vandenhole, in: Casting the net wider. Human rights, development and new duty-bearers, S. 90; hierzu auch Prinzip 3 Maastrichter Prinzipien Kommentar Absatz 6; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 21. 91 Siehe beispielsweise United Nations Committee on Economic, General Comment No. 14: The right to the highest attainable standard of health (article 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2000/4. 11.08.2000, Rn. 39, wonach die Möglichkeit der Einflussnahme ausreiche: „To comply with their international obligations in relation to article 12, States parties have to respect the enjoyment of the right to health in other countries, and to prevent third parties from violating the right in other countries, if they are able to influence these third parties by way of legal or political means, in accordance with the Charter of the United Nations and applicable international law.“; United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR): General Comment No. 12: The Right to Adequate Food (Art. 11 of the Covenant), 12.05.1999, Absatz 15; General Comment No. 13: The Right to Education (Art. 13 of the Covenant), 8 December 1999, E/C.12/1999/10, Absatz 46 f.; General Comment No. 14: The Right to the Highest Attainable Standard of Health (Art. 12 of the Covenant), 11.08.2000, E/C.12/2000/4, Absatz 33; General Comment No. 15: The Right to Water (Arts. 11 and 12 of the Covenant), 20.01.2003, E/C.12/2002/11, Absatz 20; General Comment No. 16: The Equal Right of Men and Women to the Enjoyment of All Economic, Social and Cultural Rights (Art. 3 of the Covenant), 11.08.2005, E/C.12/2005/4, Absatz 17; General Comment No. 17: The Right of Everyone to Benefit from the Protection of the Moral and Material Interests Resulting from any Scientific, Literary or Artistic Production of Which He or She is the Author (Art. 15, Para. 1 (c) of the Covenant), 12.01.2006, E/C.12/GC/17, Absatz 28; General Comment No. 18: The Right to Work (Art. 6 of the Covenant), 6 February 2006, E/C.12/GC/18, Absatz 22; General Comment No. 19: The right to social security (Art. 9 of the Covenant), 04.02.2008, E/C.12/GC/19, Absatz 43; General Comment No. 21, Right of everyone to take part in cultural life (Art. 15, para. 1a of the Covenant on Economic, Social and Cultural Rights), 21.12.2009, E/C.12/GC/21, Absatz 48. 87 88
III. Möglicher Schutz durch extraterritoriale Staatenpflichten175 In mehreren Allgemeinen Bemerkungen hat der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgestellt, dass Staaten sicherstellen müssen, dass Unternehmen, die außerhalb ihres Territoriums tätig sind, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte nicht verletzen. In der Allgemeinen Bemerkungen Nr. 12 über das Recht auf Nahrung macht der Ausschuss deutlich, dass keine territorialen Einschränkungen diesbezüglich bestehen.92 In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 15 des Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte heißt es, dass „[s]teps should be taken by States parties to prevent their own citizens and companies from violating the right to water of individuals and communities in other countries. Where States parties can take steps to influence other third parties to respect the right, through legal or political means, such steps should be taken in accordance with the Charter of the United Nations and applicable international law.“93 Daraus wird auch eine Pflicht zur Rechtsetzung hergeleitet.94 III. Möglicher Schutz durch extraterritoriale Staatenpflichten Entgegen dem Status quo einer überwiegenden Ablehnung extraterritorialer Staatenpflichten entwickelt sich gegenwärtig eine deutliche Tendenz zu einer künftigen Annahme und Konkretisierung extraterritorialer Staatenpflichten.95 Dabei wird die territoriale Beschränkung von Staatenpflichten abgelehnt.96 Hierzu wird auf Artikel 1 III iVm 55 Buchstabe a – c, 56 UN Charta Bezug genommen und auf den 92 United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR), General Comment No. 12: The Right to Adequate Food (Art. 11 of the Covenant), 12.05.1999, Absatz 27. 93 United Nations Committee on Economic, General Comment No 15. The right to water (arts. 11 and 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2002/11. 20.01.2003, Rn. 33. 94 United Nations Committee on Economic, General Comment No 15. The right to water (arts. 11 and 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2002/11. 20.01.2003, Rn. 3: „The means which should be used in order to satisfy the obligation to take steps are stated in article 2 (1) to be ‚all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures‛.“ 95 De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 19; Herleitung dieser Tendenz aus den Kommentaren der Vertragsorgane und neuer Menschenrechtsverträge United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 38; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen; McBeth, International economic actors and human rights, S. 57. 96 Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 2; Deva, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 49.
176 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… universellen Charakter staatlicher Schutzpflichten verwiesen.97 Zur Begründung grenzüberschreitender Pflichten wird des Weiteren die Verankerung des Universalitätsprinzips in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte genannt.98 Weiterhin wird die Pflicht zur Zusammenarbeit im Menschenrechtsschutz, die bspw. in Artikel 2, 11 und 23 IPwskR verankert ist, als Anzeichen dafür gesehen, dass die Pflichten über das nationale Territorium hinaus gelten.99 Neuere Auslegungen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte erkennen ebenfalls eine extraterritoriale Geltung an.100 Hinzu kommt die Möglichkeit, selbst der Spruchpraxis zur effektiven Herrschaftsgewalt eine weite Lesart zugrunde zu legen. Eine solche stellt nicht auf die effektive Herrschaftsgewalt im Territorium des Gaststaates ab, sondern eine effektive Herrschaftsgewalt über die Unternehmen.101 Vor dem Hintergrund oben ausgeführter anerkannter territorialer Staatenpflichten werden nunmehr Möglichkeiten extraterritorialer Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen untersucht. Extraterritoriale Staatenpflichten begründen eine Pflicht der Heimatstaaten, Menschenrechte in einer extraterritorialen Dimension zu respektieren und zu gewährleisten sowie Betroffene im Gaststaat vor Verletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen, die einen Bezug zum Heimatstaat aufweisen, zu schützen.102 Wesentlichen Auftrieb hat die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte 2011 durch die Annahme der Maastrichter Prinzipien zu den Extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (Maastricht Principles on Extraterritorial Obligations of States in the area of Economic, Social and Cultural Rights, im Folgenden Maastrichter Prinzipien) erhalten. Die Maastrichter Prinzipien wurden 2011 von namhaften Völkerrechtswissenschaftlerinnen und De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 3 Maastrichter Prinzipien, Absatz 3; Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 2; Skogly/ Gibney, in: Human Rights Quarterly 2002, S. 786; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 19; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 26; zur Kooperationspflicht allgemein Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/3, S. 851 ff. 98 Skogly/Gibney, in: Human Rights Quarterly 2002, S. 787. 99 Ansatzweise De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 19 ff. 100 Can/Seck, The Legal Obligations with Respect to Human Rights and Export Credit Agencies, S. 14. 101 Von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 23; Annahme extraterritorialer Schutzpflichten bei Juridiktion über Unternehmen McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 617 f. 102 United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 39 f. 97
III. Möglicher Schutz durch extraterritoriale Staatenpflichten177 Völkerrechtswissenschaftlern verabschiedetet und ergänzen die Limburger Prinzipien über die Umsetzung des Internationalen Pakts über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte103 (1986) und die Maastrichter Leitlinien über die Verletzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte104 (1997).105 Die Maastrichter Prinzipien werden im Folgenden als Beispiel für eine Anerkennung und Berücksichtigung extraterritorialer Staatenpflichten zugrunde gelegt. Die Maastrichter Prinzipien erkennen extraterritoriale Staatenpflichten – Respektierungspflichten, Schutzpflichten und Gewährleistungspflichten – explizit an. Dies gilt vor allem für den Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, aber auch für bürgerliche und politische Rechte. „All States have obligations to respect, protect and fulfil human rights, including civil, cultural, economic, political and social rights, both within their territories and extraterritorially.“106 Nach Prinzip 5 der Maastrichter Prinzipien arbeiten die Maastrichter Prinzipien extraterritoriale Verpflichtungen in Bezug auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte aus, ohne deren Anwendbarkeit auf andere Menschenrechte, einschließlich der bürgerlichen und politischen Rechte, auszuschließen. Gegenstand der Maastrichter Prinzipien sind der Umfang extraterritorialer Staatenpflichten, mögliche Respektierungspflichten, Schutzpflichten und auch Gewährleistungspflichten sowie Rechenschaft und Rechtsmittel. Nach Prinzip 8 a) Maastrichter Prinzipien zur Definition der extraterritorialen Pflichten umfassen extraterritoriale Pflichten auch Pflichten in Bezug auf die Handlungen oder Unterlassungen eines Staates innerhalb oder außerhalb seines Territoriums, die Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Menschenrechte außerhalb des Territoriums dieses Staates haben. Entscheidend für eine extraterritoriale Anwendung völkerrechtlicher Staatenpflichten ist Prinzip 9 der Maastrichter Prinzipien.107 Prinzip 9 Maastrichter Prinzipien identifiziert drei verschiedene Situationen, in denen eine extraterritoriale United Nations Commission on Human Rights, Forty-third Sess., Agenda Item 8, UN Doc. E/CN.4/1987/17, Annex (1987), Note verbale dated 86/12/05 from the Permanent Mission of the Netherlands to the United Nations Office at Geneva addressed to the Centre for Human Rights („Limburg Principles‟), abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/48abd5790.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); zu den Limburg Principles siehe United Nations Office of the High Commissioner on Human Rights, Economic, Social and Cultural Rights. Handbook for National Human Rights Institutions, S. 7. 104 Masstricht Guidelines on Violations of Economic, Social and Cultural Rights (1997), englische Version abrufbar unter https://www1.umn.edu/humanrts/instree/Maastrichtguidelines_.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); United Nations Office of the High Commissioner on Human Rights, Economic, Social and Cultural Rights. Handbook for National Human Rights Institutions, S. 8: „In 1997, the Limburg Principles were supplemented by guidelines prepared at another meeting of international law experts, at Maastricht. The Maastricht Guidelines on Violations of Economic, Social and Cultural Rights discuss the significance of economic, social and cultural rights, violations of these rights through acts of commission and omission, responsibility for violations and the entitlement of victims to effective remedies.“ 105 Präambel Maastrichter Prinzipien. 106 Prinzip 1 Maastrichter Prinzipien. 107 De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 3, Absatz 1 und Kommentar zu Prinzip 9. 103
178 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Anwendung in Betracht kommt.108 Nach Prinzip 9 a) Maastrichter Prinzipien hat ein Staat Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in allen Situationen, in denen er Staatsgewalt oder tatsächliche Macht ausübt. Auch ohne Ausübung von Staatsgewalt oder tatsächlicher Macht kann ein Staat durch sein Verhalten, Einfluss auf die Wahrnehmung der Menschenrechte außerhalb seines Staatsgebiets haben.109 Für diese Situationen bestehen nach Prinzip 9 b) Maastrichter Prinzipien extraterritoriale Staatenpflichten auch bei Handlungen oder Unterlassungen des Staates, die vorhersehbare Auswirkungen auf den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach sich ziehen, sei dies innerhalb oder außerhalb seines Territoriums. Nach Prinzip 9 b) Maastrichter Prinzipien sollen Staatenpflichten bestehen, wenn staatliche Behörden wissen oder wissen mussten, dass das Verhalten des Staates zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen in einem anderen einem anderen Gebiet führen wird.110 Diese Norm soll auch bei Fehlen einer wirksamen Kontrolle oder Autorität über ein Territorium oder ein Person Situationen umfassen, in denen ein Staat durch sein Verhalten Einfluss auf die Wahrnehmung der Menschenrechte außerhalb des Staatsgebiets nehmen kann. Als Beispiel hierfür dienen die Auswirkungen von Handelsabkommen auf Menschenrechte sowie fehlende staatliche Regulierung von Unternehmen. Der Fall staatlicher Förderung des Exports von subventionierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen soll ebenso unter diese Kategorie fallen.111 Nach Prinzip 9 c) Maastrichter Prinzipien bestehen extraterritoriale Staatenpflichten auch in Situationen, in denen der Staat einzeln oder gemeinsam mit andern Staaten in der Lage ist, durch seine exekutive, legislative oder judikative Gewalt und in Übereinstimmung mit internationalem Recht entscheidenden Einfluss auszuüben oder Maßnahmen zu ergreifen für die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte außerhalb seines Territoriums. Im Folgenden werden Respektierungspflichten und Schutzpflichten auf ihre mögliche extraterritoriale Dimension im Kontext Wirtschaft und Menschenrechte dargelegt. 1. Extraterritoriale Respektierungspflicht In Bezug auf extraterritoriale Respektierungspflichten geht es zunächst um die Frage nach Staatenpflichten bei unmittelbar staatlichem Handeln außerhalb des eigenen Territoriums. Nach Prinzip 20 (Direkte Beeinträchtigung) der Maastrichter Siehe dementsprechend auch ESCR-Net, Global Economy, Global Rights – A practitioners’ guide for interpreting human rights obligations in the global economy, Rn. 16 ff. 109 De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 9, Absatz 6. 110 De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 9, Absatz 8. 111 ESCR-Net, Global Economy, Global Rights – A practitioners’ guide for interpreting human rights obligations in the global economy, Rn. 17. 108
III. Möglicher Schutz durch extraterritoriale Staatenpflichten179 Prinzipien haben Staaten in Bezug auf extraterritoriale Respektierungspflichten die Verpflichtung, von Verhalten Abstand zu nehmen, das den Genuss und die Ausübung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten durch Personen außerhalb ihres Territoriums unmöglich macht oder beeinträchtigt. Für den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte kann eine Anerkennung solcher extraterritorialer Respektierungspflichten beispielsweise für den Bereich der öffentlichen Beschaffung von Bedeutung sein, wenn der Staat selbst als Auftraggeber tätig wird. Dann kann die Verankerung menschenrechtlicher Kriterien in der Auftragsvergabe und Beschaffung durch öffentliche Einrichtungen der Erfüllung extraterritorialer Respektierungspflichten dienen.112 Extraterritoriale Respektierungspflichten sollen zudem nicht nur unmittelbar verletzende Handlungen der Heimatstaaten erfassen, sondern auch mittelbare Handlungen, wie die Verhängung von Sanktionen und die Subventionierung von Exportgütern im Rahmen der Handelspolitik.113 Nach Prinzip 21 (Indirekte Beeinträchtigung) der Maastrichter Prinzipien müssen Staaten von jeglichem Verhalten Abstand nehmen, welches die Fähigkeit eines anderen Staates oder einer internationalen Organisation beeinträchtigt, ihren Verpflichtungen bezüglich wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten nachzukommen; oder einem andern Staat oder einer internationalen Organisation dabei hilft, sie unterstützt, anleitet, lenkt oder dazu zwingt, seine bzw. ihre Verpflichtungen bezüglich den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten zu verletzen, sofern dies die Staaten in Kenntnis der Umstände des Verhaltens tun. Beispielhaft zählt Prinzip 22 derMaastrichter Prinzipien Maßnahmen wie Embargos oder anderen wirtschaftlichen Sanktionen auf. Darunter fallen auch militärische Blockaden, Handelsverbote mit einem anderen Staat, Sanktionen bei Nichteinhaltung der Entscheidungen der WTO oder die Beseitigung von Handelspräferenzen.114 Im Kontext Wirtschaft und Menschenrechte kommt der extraterritorialen Respektierungspflicht in diesem Sinne beispielsweise Bedeutung zu, wenn es darum geht, ob und wie der Heimatstaat Unternehmensaktivitäten im Ausland aus dem Heimatstaat heraus unterstützt. Dies wird besonders deutlich in Bezug auf staatliche Export- und Investitionsgarantien und entsprechende Investitions- und Exportkreditvergabekriterien.115 „Die systematische Verankerung der Hamm/Scheper, in: Handbuch der Menschenrechtsarbeit, S. 335. Kanalan, in: Archiv des Völkerrechts 2014, S. 515. 114 De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 22, Absatz 1; Skogly, Beyond national borders; Weber, Die rechtliche und politische Dimension von extraterritorialen Staatenpflichten bei Menschenrechtsverstößen durch transnationale Konzerne, S. 29 f. 115 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 4 und Kommentar sowie Prinzip 9 und Kommentar. Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 4; zur Möglichkeit der Regulierung von Unternehmen durch Investitionsgarantien vgl. Krajewski, Investment Guarantees and International Obligations to Reduce Poverty: A Human Rights Perspective, S. 1 ff.; Scheper/Feldt, 112 113
180 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Menschenrechte in staatlichen Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung wäre somit ein notwendiger Schritt zu einer konsequenten Menschenrechtspolitik.“116 Als Beispielsfall kann hier die geplante Unterstützung Deutschlands des Ilisu-Staudamm-Projekts im Südosten der Türkei herangezogen werden. Der Bau des Staudamms stand in der Kritik, zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen zu führen. Am Bau des Staudamms wollten sich deutsche Unternehmen beteiligen. Geplant war eine Hermesbürgschaft, eine Exportkreditversicherung der Bundesrepublik Deutschland, für beteiligte Unternehmen. Eine solche – letztlich nicht erfolgte – Hermesbürgschaft hätte mit extraterritorialen Respektierungspflichten nicht in Einklang gestanden.117 Auch die Aushandlung von internationalen Investitionsschutzabkommenfällt in diesen Bereich. Aus einer extraterritorialen Respektierungspflicht könnte sich hier ergeben, dass etwa IIAs der Heimatstaaten bestimmte menschenrechtliche Mindestanforderungen beinhalten müssen. Daher wird derzeit das Potenzial extraterritorialer Respektierungspflichten auch für die Verankerung des Menschenrechtsschutzes in IIAs diskutiert.118 2. Extraterritoriale Schutzpflicht Besondere Bedeutung erlangt die extraterritoriale Schutzpflicht. Grundsätzlich ergibt sich aus der territorialen Schutzpflicht, dass Gaststaaten verpflichtet sind, vor Verletzungen sie bindender völkerrechtlicher Normen gegenüber privaten Dritten zu schützen.119 Wird der Gaststaat dieser Verantwortung nicht gerecht, muss der Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitions- und Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 25 ff.; Hamm/Scheper, in: Handbuch der Menschenrechtsarbeit, S. 335; ESCR-Net, Global Economy, Global Rights – A practitioners’ guide for interpreting human rights obligations in the global economy, Rn. 17. 116 Hamm/Scheper, in: Handbuch der Menschenrechtsarbeit, S. 335 mit Verweis auf Scheper/Feldt, Außenwirtschaftsförderung und Menschenrechte. Eine Bestandsaufnahme deutscher Investitionsund Exportkreditdeckungen aus menschenrechtlicher Perspektive. 117 Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 8. 118 Ceyssens/Sekler, Bilaterale Investitionsabkommen (BITs) der Bundesrepublik Deutschland: Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Regulierung in Zielländern und Modelle zur Verankerung der Verantwortung transnationaler Konzerne, S. 15. 119 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004 Rn. 8; United Nations Committee on Economic, General Comment No 15. The right to water (arts. 11 and 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2002/11. 20.01.2003; Jägers, Corporate human rights obligations, S. 82 ff.
III. Möglicher Schutz durch extraterritoriale Staatenpflichten181 Heimatstaat seinen extraterritorialen Schutzpflichten nachkommen.120 Aus der extraterritorialen Schutzpflicht folgt dann eine Pflicht zur Regulierung zum Schutz vor und gegen Verletzungen durch Dritte.121 Wesentliche Konsequenz der Annahme extraterritorialer Staatenpflichten sind dadurch Handlungspflichten der Legislative. Staatenpflichten stellten dann einen Zusammenhang her zwischen der Rechtsverletzung im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen und der Verantwortung der Staaten vor Menschenrechtsverletzungen durch private Dritte zu schützen. Die Anerkennung extraterritorialer Schutzpflichten kann damit Defiziten im nationalen Recht der Heimatstaaten sowie im Völkerrecht in Bezug auf die Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen durch die völkerrechtliche Verpflichtung der Heimatstaaten zu entsprechender nationaler Regulierung und Maßnahmen auf internationaler Ebene begegnen.122 Nach Prinzip 24 (Verpflichtung zur Regulierung) der Maastrichter Prinzipien müssen Staaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass nicht-staatliche Akteure wie transnationale Unternehmen, die zu regulieren sie in der Lage sind, den Genuss von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten nicht unmöglich machen oder beeinträchtigen. Diese Verpflichtung zur Regulierung Privater erstreckt sich auch auf Situationen, in denen ein solches Verhalten zu Menschenrechtsverletzungen in dem Gebiet eines anderen Staates führt.123 Maßnahmen 120 Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 10. 121 United Nations Committee on Economic, General Comment No 15. The right to water (arts. 11 and 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). E/C.12/2002/11. 20.01.2003, Rn. 3: „The means which should be used in order to satisfy the obligation to take steps are stated in article 2 (1) to be ‚all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures‛.“; Jägers, Corporate human rights obligations, S. 82; Chirwa, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 12; Skogly/Gibney, in: Human Rights Quarterly 2002, S. 782; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 599; Coomans, in: Extraterritorial application of human rights treaties; Maastrichter Prinzipien zu den Extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (2011). 122 Zum Wechselspiel extraterritorialer Schutzpflichten mit möglicher Rechtsetzung des Heimatstaates vgl. De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 21 ff, 52: „In principle, this obligation could take the form either of parent-based extraterritorial regulation, the home State being imposed an obligation to effectively control the parent corporation, and to impose on the parent, in particular, an obligation to require from the entities it controls or does business with that they comply with certain human rights norms“; Deva, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 37 ff.; McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 600 f., 616 f.; Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 4; Joseph, in: Netherlands International Law Review 1999, S. 181; Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 273. 123 De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 24, Absatz 2.
182 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… nach Artikel 24 Maastrichter Prinzipien schließen Verwaltungs-, Gesetzgebungs-, Untersuchungs- und Rechtssprechungsmaßnahmen ein. Nach Prinzip 25 (Grundlagen für Schutzmaßnahmen) der Maastrichter Prinzipien ist dies unter anderem der Fall, wenn der Schaden dem eigenen Territorium entspringt und wenn die Gesellschaft im betreffenden Staat ihr Tätigkeitszentrum hat und wenn es zwischen dem betreffenden Staat und dem Verhalten, das er zu regulieren anstrebt, eine hinreichende Verbindung gibt.124 Allen andern Staaten obliegt es, die Erfüllung dieser Schutzpflicht nicht unmöglich zu machen oder zu beeinträchtigen. Nach Prinzip 37 (Allgemeine Verpflichtung zur Gewährung wirksamer Rechtsmittel) der Maastrichter Prinzipien müssen Staaten für Verletzungen von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten das Recht auf rasche, zugängliche und wirksame Rechtsmittel sicherstellen. Wenn der Schaden aus einer angeblichen Verletzung auf dem Territorium eines andern Staates als desjenigen eingetreten ist, in dem das Schaden stiftende Verhalten stattgefunden hat, muss jeder betroffene Staat dem Opfer Rechtsmittel gewähren. Zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen kann nationale Rechtssetzung der Heimatstaaten als territoriale Rechtssetzung (mit extraterritorialer Wirkung) einerseits oder als extraterritoriale Rechtsetzung anderseits erfolgen.125 In der Vielzahl der Fälle würde die Annahme extraterritorialer Schutzpflichten zu territorialer Rechtssetzung mit extraterritorialer Wirkung führen. In Betracht kommen dabei die bereits einführend genannten zahlreichen Ansätze im nationalen Recht wie Berichts- und Transparenzpflichten, die Berücksichtigung menschenrechtlicher Kriterien in der öffentlichen Beschaffung oder etwa die strafrechtliche Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen.126 Darunter fällt sicherlich auch der oben diskutierte Ansatz zivilrechtlicher Haftung,127 aber auch die Aushandlung von internationalen Investitionsschutzabkommen.128 UN Vertragsorgane haben auch die Verpflichtung De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 25, Absatz 6. 125 Zur Differenzierung De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 8 ff.; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 27 ff., 36. 126 Siehe oben Teil I, Kapitel 5; siehe auch Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 4; Hamm/Scheper, in: Handbuch der Menschenrechtsarbeit, S. 335; Kanalan, in: Archiv des Völkerrechts 2014, S. 517. 127 Siehe oben Teil II, Kapitel 7. 128 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, S. 9 und Kommentar; Hamm, Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, S. 4. 124
IV. Bedenken gegen eine Annahme extraterritorialer Staatenpflichten183 von Staaten hervorgehoben, im Hinblick auf extraterritoriale Staatenpflichten Folgenabschätzungen vorzunehmen, bevor es beispielsweise zum Abschluss von Handelsabkommen kommt.129 IV. Bedenken gegen eine Annahme extraterritorialer Staatenpflichten Die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten kollidiert nicht mit dem Grundsatz staatlicher Souveränität. Zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen kann nationale Rechtssetzung der Heimatstaaten als territoriale Regulierung (mit extraterritorialer Wirkung) einerseits oder als extraterritoriale Rechtsetzung anderseits erfolgen.130 In der Vielzahl der Fälle würde die Annahme extraterritorialer Schutzpflichten zu territorialer Regulierung mit extraterritorialer Wirkung führen. Eine solche territoriale Regulierung (mit extraterritorialer Wirkung) ist wie oben ausgeführt völkerrechtlich undenklich. Auch eine extraterritoriale Regulierung ist bei Vorhandensein zulässiger Anknüpfungspunkte möglich. Ein wesentliches Problem bei der Annahme extraterritorialer Staatenpflichten bezieht sich auf die Frage, inwieweit die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte, Heimatstaaten dazu verpflichten, regulierend tätig zu werden.131 Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten Heimatstaaten verpflichtet, im Sinne der oben unter Teil I, Kap. 5, I. und II., insbesondere aber Teil II, Kap. 7 und 8, ausgeführten Ansätze tätig werden zu müssen. Allerdings stellt die Frage der Umsetzung kein grundsätzliches Argument gegen die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte dar. Vielmehr geht es um die Frage, mit welchen (verbindlichen) Mitteln Staaten ihren jeweiligen Respektierungs- und Schutzpflichten gerecht werden können und müssen. Es geht somit um die Frage, des wie und nicht des ob. 129 United Nations Committee on the Rights of the Child (CRC), Consideration of reports submitted by States parties under article 44 of the Convention: Concluding observations: Azerbaijan, 12.03.2012, CRC/C/AZE/CO/3-4, Absatz 29; United Nations Committee on the Rights of the Child (CRC), Consideration of reports submitted by States parties under article 44 of the Convention: Concluding observations: Australia, 28.08.2012, CRC/C/AUS/CO/4, Absatz 28; United Nations Committee on the Rights of the Child (CRC), Consideration of reports submitted by States parties under article 44 of the Convention: Concluding observations: Republic of Korea, 06.10.2011, CRC/C/KOR/CO/3-4, Absatz 26, 27. 130 Zur Differenzierung De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 8 ff.; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 27 ff., 36. 131 Von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 7.
184 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Ein weiteres Problem, dass gegen den Ansatz einer Annahme extraterritorialer Staatenpflichten sprechen könnte, betrifft die Umsetzung der Staatenpflichten in Regulierungspflichten der Heimatstaaten. In der Regel geht die Umsetzung von Staatenpflichten mit einem grundlegenden Ermessens- und Umsetzungsspielraum der Heimatstaaten einhergeht.132 Auch in Bezug auf die Durchführung der Übereinkommen – der Umsetzung in das nationale Recht – steht es den ILO Mitgliedstaaten nach Ratifikation offen, die Art der Durchführung zu wählen.133 Nur selten enthalten völkerrechtliche Pflichten nur eine konkrete Möglichkeit, Umsetzungspflichten gerecht zu werden.134 Erforderlich, er auch ausreichend ist das Ergreifen angemessener Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen.135 Es wird in diesem Zusammenhang jedoch auch vertreten, dass der Umsetzungsspielraum der Vertragsstaaten insoweit begrenzt sei, als der Staat effektive Maßnahmen ergreifen muss. Es sei durchaus eine Pflicht der Staaten herzuleiten, der zufolge Staaten gesetzgeberisch tätig werden und Verhaltensmaßstäbe gesetzlich festlegen müssen.136 Ein Ausweichen auf freiwillige und unverbindliche Kodizes oder Leitlinien sei nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn hinreichend sicher nachgewiesen werden könne, dass diese ausreichen, um die staatliche Schutzpflicht wirksam durchzusetzen. In So von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 8 ff. mit weiteren Nachweisen und mit Bezugnahme auf die „margin of appreciation“ nach der Rechtsprechung des EGMR; United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 8 („all reasonable measures“); United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 18: „To help States interpret how this duty applies under the core United Nations human rights conventions, the treaty monitoring bodies generally recommend that States take all necessary steps to protect against such abuse, including to prevent, investigate, and punish the abuse, and to provide access to redress. States have discretion to decide what measures to take, but the treaty bodies indicate that both regulation and adjudication of corporate activities vis-à-vis human rights are appropriate.“; United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Kommentar zu Prinzip 1. 133 Morhard, Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, S. 61; Böhmert, Das Recht der ILO und sein Einfluß auf das deutsche Arbeitsrecht im Zeichen der europäischen Integration, S. 71, 150. 134 Von Bernstorff, in: Corporate social responsibility and social rights, S. 43; Human Rights Council (Fn. 52), Rn. 49. 135 United Nations Human Rights Committee, Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, General Comment 31, CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, 26.05.2004, Rn. 8: „There may be circumstances in which a failure to ensure Covenant rights as required by article 2 would give rise to violations by States Parties of those rights, as a result of States Parties’ permitting or failing to take appropriate measures or to exercise due diligence to prevent, punish, investigate or redress the harm caused by such acts by private persons or entities.“; United Nations Human Rights Council, State Responsibilities to Regulate and Adjudicate Corporate Activities under the United Nations’ core Human Rights Treaties, A/HRC/4/35/Add.1, 13.02.2007, Rn. 8 f. 136 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 16. 132
V. Völkerrechtliche Staatenverantwortung185 diesem Sinne sei beispielsweise ein staatliches Gesetz, das menschenrechtliche Verhaltenspflichten für Unternehmen aufstellt, auch Ausdruck der staatlichen Schutzpflicht.137 Eine Möglichkeit der Erfüllung dieser Schutzpflicht besteht in der gesetzlichen Festlegung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für Unternehmen.138 V. Völkerrechtliche Staatenverantwortung Komplementär zu extraterritorialen Staatenpflichten verhält sich die völkerrechtliche Staatenverantwortung für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Bei Annahme völkerrechtlicher Staatenpflichten wird eine Verantwortung der Heimatstaaten nach den völkerrechtlichen Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit diskutiert.139 Wird eine völkerrechtliche Staatenpflicht auf im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte begründet, so könnte dies in der Folge zu einer völkerrechtlichen Staatenverantwortlichkeit führen und damit zu einer völkerrechtlichen Haftung der Heimatstaaten. Im Zusammenspiel von völkerrechtlichen Staatenpflichten, völkerrechtlicher Staatenverantwortlichkeit und staatlicher Regulierung könnten Staatenpflichten demnach die Regulierung durch den Heimatstaat vorantreiben und ein Unterlassen solcher Regulierung gleichzeitig – unter Annahme völkerrechtlicher Staatenpflichten – eine völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit begründen.140 Rechtsfolge völkerrechtlicher Staatenverantwortlichkeit wäre ein Anspruch auf Umsetzung.141 Die völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit erfasst die Verantwortlichkeit von Staaten für ein völkerrechtswidriges Handeln oder Unterlassen. Die Grundsätze der Staatenverantwortlichkeit beinhalten Haftungsregelungen für den Fall, dass Staaten eigene Pflichten, sei es durch Handeln oder durch Unterlassen, verletzen oder dass einem Staat ein völkerrechtswidriges Verhalten Dritter zuzurechnen ist. Die völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit ist bisher nicht völkervertragsrechtlich geregelt. Die von der Völkerrechtskommission (International Law Commission) 2001 entworfenen Artikel für die Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln (Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Act, im Folgenden ILC Artikel) sind bisher nicht verbindlich angenommen worden. Sie können aber als Beleg für das Bestehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Regelung zur Verantwortlichkeit von Staaten herangezogen werden.142 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 16. 138 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, S. 20. 139 McCorquodale/Simons, in: Modern Law Review 2007, S. 598 ff.; Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 157, Fn. 46 mit weiteren Nachweisen. 140 Siehe auch Jägers, Corporate human rights obligations, S. 215. 141 Vgl. Artikel 31 ILC Artikel. 142 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 378; Krajewski, Völkerrecht, § 6, Rn. 13 f. 137
186 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten der Heimatstaaten gegenüber der Bevölkerung im Gaststaat könnte bei einer Rechtsverletzung durch „eigene“ Unternehmen des Heimatstaates als Grundlage einer Inanspruchnahme der Heimatstaaten nach den Grundsätzen der völkerrechtlichen Staatenverantwortlichkeit dienen. Werden extraterritoriale Staatenpflichten auch gegenüber der Bevölkerung im Gaststaat angenommen und kämen die Heimatstaaten einer solchen Pflicht durch Legislative, Exekutive und Judikative nicht ausreichend nach, dann könnte dies im Falle einer Rechtsverletzung im Gaststaat zu einer Verantwortlichkeit der Heimatstaaten nach den Grundsätzen der völkerrechtlichen Staatenverantwortlichkeit führen.143 Artikel 2 ILC Artikel setzt für die Annahme einer Staatenverantwortlichkeit voraus, dass eine Handlung oder ein Unterlassen vorliegt, welches dem Staat nach dem Völkerrecht zurechenbar ist und diese Handlung oder das Unterlassen die Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung des Staates begründet. „There is an internationally wrongful act of a State when conduct consisting of an action or omission: (a) is attributable to the State under international law; and (b) constitutes a breach of an international obligation of the State.“ Entsprechend den ILC Artikeln tritt nach Prinzip 11 (Staatliche Verantwortung) der Maastrichter Prinzipien staatliche Verantwortung als Folge eines Verhaltens ein, das einem – einzelnen oder gemeinsam mit andern Staaten oder Institutionen handelnden – Staat zugeschrieben werden kann und einen Bruch seiner internationalen Menschenrechtsverpflichtungen innerhalb oder außerhalb seines Territoriums darstellt.144 1. Handlung oder Unterlassen eines Staates Artikel 2 ILC Artikel setzt für die Annahme einer Staatenverantwortlichkeit voraus, dass eine Handlung oder ein Unterlassen vorliegt, welches dem Staat nach dem Völkerrecht zurechenbar ist. a. Eigene Handlung oder Unterlassen des Staates Nach Artikel 4 ILC Artikel sind Staaten für das Handeln ihrer Organe verantwortlich. Ein Organ schließt jede natürliche oder juristische Person ein.145 Nach Artikel 5 der ILC‐Artikel wird das Verhalten einer natürlichen oder juristischen Person, die 143 ESCR-Net, Global Economy, Global Rights – A practitioners’ guide for interpreting human rights obligations in the global economy, Rn. 22: „A failure by a State to adequately regulate companies in any of these circumstances constitutes a violation of a State’s obligation to protect human rights.“ 144 Vgl. De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 11 der Maastrichter Prinzipien. 145 Artikel 4 Absatz 2 ILC Artikel.
V. Völkerrechtliche Staatenverantwortung187 nicht ein Organ des Staates nach Artikel 4 ist, aber durch das Recht dieses Staates ermächtigt ist, Elemente der hoheitlichen Gewalt auszuüben, nach dem Völkerrecht als Handeln des Staates betrachtet, vorausgesetzt die natürliche oder juristische Person handelt in dem gegebenen Fall in dieser Eigenschaft. Verletzt somit ein Organ eines Staates oder eine ermächtigte Person – anerkannte – völkerrechtliche Pflichten eines Staates, so begründet dies eine völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit. Kommt es demnach zur Annahme einer Verletzung oben diskutierter extraterritorialer Respektierungspflichten oder Schutzpflichten unmittelbar durch staatliche Organe oder ermächtigte Personen, so stellt dies ein dem Staat zurechenbares Verhalten dar. b. Verantwortlichkeit der Heimatstaaten im Wege einer Zurechnung Die Verantwortlichkeit der Heimatstaaten für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen im Wege einer Zurechnung betrifft den Fall, in dem einem Staat ein völkerrechtswidriges Verhalten Dritter zuzurechnen ist. Eine solche Verantwortlichkeit der Heimatstaaten setzt voraus, dass dem betreffenden Heimatstaat das Verhalten des Unternehmens zugerechnet werden kann. Grundsätzlich ist einem Staat rein privates Handeln nicht zuzurechnen.146 Allein die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Heimatstaat begründet nach überwiegender Ansicht noch keine Zurechnung als staatliches Verhalten derart, dass eine völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit angenommen werden könnte.147 Nach Artikel 8 ILC Artikel wird das Verhalten einer Person oder Personengruppe nach dem Völkerrecht als Handeln eines Staates betrachtet, wenn die Person oder Personengruppe in der Ausführung des Verhaltens tatsächlich auf Anweisung oder unter der Leitung oder Kontrolle dieses Staates handelt. Dem Begriff der Kontrolle kommt hierbei ein besonderer Stellenwert zu.148 Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs (IGH, International Court of Justice/ICJ) erfordert dies eine „effective control“149 des Staates. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former McCorquodale, in: The impact of human rights law on general international law, S. 240. De Schutter/Eide/Khalfan/Orellana/Salomon/Seiderman, in: Human Rights Quarterly 2012, S. 1084 ff., Kommentar zu Prinzip 24, Absatz 1; vgl. auch International Court of Justice, Corfu Channe case, I.C.J. Reports 1949, S. 18: „But it cannot be concluded from the mere fact of the control exercised by a State over its territory and waters that that State necessarily knew, or ought to have known, of any unlawful act perpetrated therein, nor yet that it necessarily knew, or should have known, the authors.“ 148 Skogly, in: Research handbook on international human rights law, S. 88 ff. 149 International Court of Justice, Nicaragua v. United States of America, I.C.J. Reports, 1986, S. 65, Rn. 115: „[…] that the United States directed or enforced the perpetration of the acts contrary to human rights and humanitarian law alleged by the applicant State.“; vgl. Auch Artikel 8 der Artikel für die Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln („Von einem Staat geleitetes oder kontrolliertes Verhalten“). 146 147
188 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Yugoslavia/ICTY) hat bereits eine „overall control“150 als hinreichend anerkannt. Voraussetzung für eine völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit der Heimatstaaten wäre demnach jedenfalls der Nachweis einer solchen „overall control“ über die betreffenden Unternehmenseinheiten im Gaststaat. Ausgehend von den Fallbeispielen erscheint für den Bereich der Kernarbeitsnormen eine unmittelbare Leitung oder Kontrolle durch den Heimatstaat unwahrscheinlich. Das Handeln von Privatpersonen ist dem Staat regelmäßig nicht zurechenbar.151 Staatlich nicht kontrollierte Handlungen Privater, also auch transnationaler Unternehmen, lassen sich im Hinblick auf die oben beschriebenen Fallkonstellationen daher selten dem Heimatstaat im Sinne völkerrechtlicher Staatenverantwortlichkeit zurechnen. Nach Prinzip 12 (Zurechnung von staatlicher Verantwortung für das Verhalten von nicht-staatlichen Akteuren) der Maastrichter Prinzipien erstreckt sich staatliche Verantwortung einerseits auf Handlungen und Unterlassungen von nicht-staatlichen Akteuren, die auf Anweisung oder unter Führung oder Kontrolle des Staates handeln; und andererseits auf Handlungen und Unterlassungen von Personen oder Instanzen, die nicht Organe des Staates sind wie Konzerne und andere Firmen, insofern sie vom Staat ermächtigt sind, Elemente von Staatsgewalt auszuüben, vorausgesetzt diese Personen oder Instanzen handeln im entsprechenden Fall in ebendieser Eigenschaft. Nach Prinzip 13 (Verpflichtung zur Vermeidung von Schaden) der Maastrichter Prinzipien müssen Staaten von Handlungen und Unterlassungen Abstand nehmen, die ein konkretes Risiko schaffen, dass sie den Genuss von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten außerhalb ihres Territoriums unmöglich machen oder beeinträchtigen. Staaten werden verantwortlich, wenn eine solche Verunmöglichung oder Beeinträchtigung ein vorhersehbares Ergebnis ihres Verhaltens ist. Eine Unsicherheit über mögliche Auswirkungen stellt keine Rechtfertigung für ein solches Verhalten dar. 2. Völkerrechtswidriges Verhalten Völkerrechtswidriges Verhalten ergibt sich immer nur aus dem Völkerrecht, nicht aus dem nationalen Recht.152 Um die Rechtsfolgen völkerrechtlicher Staatenverantwortlichkeit auszulösen, muss die Verletzung völkervertragsrechtlich oder völkergewohnheitsrechtlich begründeter Primärnormen vorliegen.153 Letzteres könnte durch ein Handeln oder Unterlassen entgegen extraterritorialer Staatenpflichten vorliegen. 150 International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, The Prosecutor v. Dusko Tadic. Case No. IT-94-1-A-R77, 1999, S. 49, Rn. 120: „Consequently, for the attribution to a State of acts of these groups it is sufficient to require that the group as a whole be under the overall control of the State.“ 151 Von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 407; Schröder, in: Völkerrecht, S. 553, Rn. 25. 152 Chirwa, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 5 f. 153 Hörtreiter, Die Vereinten Nationen und Wirtschaftsunternehmen – zwischen Kooperation und Kontrolle, S. 38.
VI. Fazit zu extraterritorialen Staatenpflichten der Heimatstaaten189 In Bezug auf eine völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit wird jedoch das Problem des Umsetzungsspielraumes besonders relevant. Dies betrifft die Frage, zu welchen konkreten Umsetzungsmaßnahmen Staatenpflichten verpflichten.154 Um mittels Annahme extraterritorialer Staatenpflichten eine Pflicht zu nationaler Regulierung zu begründen – deren Verletzung über die Grundsätze der Staatenverantwortlichkeit geltend gemacht werden sollten, wäre es erforderlich, den konkreten Inhalt der Staatenpflichten näher zu bestimmen. Um eine Verantwortlichkeit nach Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit mittels Annahme extraterritorialer Staatenpflichten zu begründen, müssten konkrete Pflichten zu nationaler Regulierung bestehen.155 Zu dem Problem des Ermessens- und Umsetzungsspielraumes der Heimatstaaten ist auf die oben gemachten Ausführungen zu verweisen. Eine Möglichkeit der Erfüllung dieser Schutzpflicht besteht in der gesetzlichen Festlegung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Das Unterlassen einer gesetzlichen Festlegung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für Unternehmen könnte demnach ein völkerrechtswidriges Verhalten darstellen. Jedenfalls muss die Handlung oder das Unterlassen einer inhaltlichen Prüfung standhalten. VI. Fazit zu extraterritorialen Staatenpflichten der Heimatstaaten Anders als die beiden zuvor diskutierten Ansätze handelt es sich bei extraterritorialen Staatenpflichten um einen indirekten Ansatz zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten könnte die Umsetzung konkreter Maßnahmen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen unterstützen und gegebenenfalls forcieren. Rechtlicher Ausgangspunkt des Ansatzes extraterritorialer Staatenpflichten ist die Bedeutung der Staaten im Völkerrecht, insbesondere im Menschenrechtsschutz. Ursprünglich aus dem Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stammend, hat sich im Kontext des Menschenrechtsschutzes die Pflichtentrias der Respektierungspflichten, den Schutzpflichten und den Gewährleistungspflichten generell etabliert. Diese Staatenpflichten beziehen sich jedoch zunächst nur auf das jeweilige Territorium eines Staates und obliegen damit vor allem allein gegenüber der eigenen Von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 7. 155 Vgl. Vorschlag bei De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, S. 51, für „[…] a new international instrument, aimed at clarifying, and where necessary at extending, the obligations of States to protect human rights against any violations of these rights originating in the activities of transnational corporations.“; von Bernstorff, Die völkerrechtliche Verantwortung für menschenrechtswidriges Handeln transnationaler Unternehmen, S. 29. 154
190 Kapitel 9 Extraterritoriale Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen… Bevölkerung. Der Begriff der extraterritorialen Staatenpflichten bezieht sich erweiternd auf jene völkerrechtlichen Pflichten, die einem Staat außerhalb des eigenen Territoriums zukommen. Dadurch erfolgt eine Ausweitung des Menschenrechtsschutzes über nationale Grenzen hinaus. Ob Staatenpflichten auch extraterritorial Geltung beanspruchen können, ist umstritten. Es ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass sich dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte derzeit nur beschränkt eine extraterritoriale Anwendbarkeit entnehmen und diese sich für die Konstellationen transnationaler Menschenrechtsverletzungen nur in einer weiten Lesart fruchtbar machen lässt, wenn der Begriff der Herrschaftsgewalt auch die effektive Herrschaftsgewalt über die (Mutter-)Unternehmen im Heimatstaaten erfassen würde. Im Gegensatz hierzu lässt der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte deutlich mehr Raum zu, eine Annahme extraterritorialer Schutzpflichten zu begründen. Auch hier besteht zwar noch keine gefestigte Klarheit und Spruchpraxis. Indes sind gerade die Maastrichter Prinzipien von 2011 ein starkes Indiz für die künftige Annahme und Konkretisierung extraterritorialer Schutzpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. In Bezug auf die extraterritoriale Reichweite der ILO Übereinkommen, die eine Pflicht der Heimatstaaten zum Schutz der Bevölkerung in Gaststaaten vor Verletzungen durch wirtschaftliche Aktivitäten „ihre“ Unternehmen begründen könnte, ist der Wortlaut nicht explizit auf das eigene Territorium beschränkt und lässt grundsätzlich eine offene Auslegung zu. Nur in den Übereinkommen 87 und 111 findet sich eine Bezugnahme und mögliche Beschränkung auf Sachverhalte, die außerhalb des Mutterlandes stattfinden. Grundsätzlich ergibt sich aus der territorialen Schutzpflicht, dass Gaststaaten verpflichtet sind, vor Verletzungen sie bindender völkerrechtlicher Normen gegenüber privaten Dritten zu schützen. Wird der Gaststaat dieser Verantwortung nicht gerecht, stellt sich die Frage, welche Anforderungen an den Heimatstaat zu stellen sind. Dass dem Heimatstaat aus dem Ermessensspielraum mehrere Handlungsoptionen zur Verfügung stehen, relativiert die Bedeutung extraterritorialer Staatenpflichten nicht. Denn zumindest versetzen sie den Heimatsstaat in Situation, darlegen zu müssen, ob dieser Maßnahmen zur Umsetzung seiner Pflicht getroffen hat, und wenn ja, welche. Die beiden zuvor – in Teil II, Kap. 7 und 8 – diskutierten Ansätze könnten Handlungsoptionen aufzeigen. In diesem Sinne könnte die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten auch eine Verantwortlichkeit nach Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit begründen. Eine Möglichkeit der Erfüllung extraterritorialer Staatenpflichten besteht in der gesetzlichen Festlegung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Das Unterlassen einer gesetzlichen Festlegung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für Unternehmen könnte ein völkerrechtswidriges Verhalten darstellen.
Teil III Wirtschaft und Menschenrechte im Kontext globaler ökonomischer Bedingungen Die Auseinandersetzung mit ausgewählten Ansätzen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen in Teil II ergibt somit deutlich, dass Ansätze im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte bestehen, die in der Lage sind, die erheblichen Defizite in der bestehenden Rechtslage, im nationalen Recht wie auch im Völkerrecht, zu überwinden, und – de iure – Möglichkeiten einer effektiven Steuerung zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen bereitzustellen. Werden die zuvor diskutierten Ansätze isoliert, d. h. rein rechtlich, betrachtet, erweisen sie sich als durchaus gangbare Wege, transnationalen Menschenrechtsverletzungen durch nationale bzw. internationale Steuerung zu begegnen. Umso mehr und dringender stellt sich die Frage, wieso sich trotz andauernder Rechtsverletzungen tatsächlich so wenig im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten getan hat. Es stellt sich also die Frage, weshalb es bisher nicht zu einer Realisierung überzeugender Ansätze gekommen ist und – was schwerwiegend hinzu kommt – wieso es voraussichtlich auch in (naher) Zukunft nicht zu einer Realisierung der diskutierten Ansätze kommen wird. Die Versuchung liegt nahe, die Ursache primär in rechtlichen Defiziten und Hindernissen zu sehen. Indes wurde aufgezeigt, dass rein rechtliche Gründe einer Umsetzung dieser Ansätze nicht grundsätzlich entgegenstehen. In Bezug auf eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen ließen sich de lege lata keine grundsätzlichen Bedenken anführen, die gegen eine Normierung einer deliktischen Haftung von Mutterunternehmen oder anderer belieferter Unternehmen für das Verhalten von transnationalen Tochterunternehmen bzw. Zulieferbetrieben im Ausland sprechen. Insbesondere der Ansatz von deliktischen Sorgfaltspflichten würde letztlich einen systemgerechten Umgang mit den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen der gesellschaftsrechtlichen Trennung und der Haftungsbeschränkung der Mutterunternehmen darstellen. Auch in Bezug auf das internationale Investitionsschutzrecht bestehen keine völkerrechtlichen Bedenken gegen eine Einbeziehung
192 Teil III Wirtschaft und Menschenrechte im Kontext globaler ökonomischer… von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht. Es ist durchaus anerkannt, dass eine Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht möglich ist. Es stellt sich hier nur die Frage, wie das internationale Investitionsschutzrecht, insbesondere wie der Ausgleich zwischen Investoreninteressen und dem Schutz von Menschenrechten ausgestaltet sein soll. In Bezug auf extraterritoriale Staatenpflichten stellen gerade die Maastrichter Prinzipien ein starkes Indiz für eine mögliche künftige Annahme und Konkretisierung extraterritorialer Staatenpflichten jedenfalls im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte dar. Grundsätzliche Bedenken gegen die Anerkennung einer solchen extraterritorialen Staatenpflicht bestehen nicht. Vielmehr begründet der Ansatz extraterritorialer Staatenpflichten einen belastbaren Anküpfungspunkt für die Umsetzung der beiden zuvor genannten Ansätze. Allein die rechtlichen Rahmenbedingungen, die rechtlichen Potenziale und die Grenzen progressiver Ansätze in den Blick zu nehmen, scheint daher nicht hinreichend, um die Frage zu beantworten, weshalb eine Realisierung der diskutierten Ansätze noch aussteht. Um also den fehlenden Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen strukturell zu verstehen, ist es unabdingbar, transnationale Menschenrechtsverletzungen und die Auseinandersetzung um ihre Geltendmachung politisch und ökonomisch zu kontextualisieren. Die im Weiteren noch auszuführende Grundannahme ist, dass Strukturen der bestehenden Weltwirtschaft und der Weltwirtschaftsordnung einer möglichen Realisierung der zuvor diskutierten Ansätze grundsätzlich entgegenstehen. Nationale und internationale Kapitalinteressen sind bestimmende Faktoren staatlicher – und in der Folge internationaler – Politik, sodass vorrangiges Ziel nicht der Schutz von Menschenrechten ist, sondern die attraktive Gestaltung von Standortbedingungen für Kapitalanlagemöglichkeiten und -verwertung. Daher ist die Einbeziehung dieser Strukturen essenziell für ein besseres Verständnis der Bedingungen und Möglichkeiten der effektiven Geltendmachung von Menschenrechten und insbesondere von internationalen arbeitsrechtlichen Normen. Die folgende Auseinandersetzung dient dem Zweck, einen wesentlichen Zusammenhang zwischen den Strukturen der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung und der fehlenden Verwirklichung eines effektiven Menschenrechtsschutzes aufzuzeigen. Ferner wird dem Problem nachgegangen, dass die Auseinandersetzung um die Geltendmachung Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen es bislang versäumt, bestehende Strukturen der Weltwirtschaftsordnung, konkurrierende Interessen und resultierende Realisierungshindernisse adäquat und zentral zu adressieren. In der Folge ist es in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte nicht möglich, entgegenstehende Interessen und den sie stützenden Regimen der Weltwirtschaftsordnung ein Gegengewicht gegenüberzustellen. Daher sind es Letztere, die de facto und letztlich auch de iure die transnationalen Wirtschaftsbeziehungen ohne spürbare oder gar effektive Einbeziehung von Menschenrechten bestimmen. Verfestigen sich diese Strukturen weiter, katapultiert sich die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte weiterhin ins Abseits unverbindlicher Leitsätze und gut gemeinter Absichten.
Teil III Wirtschaft und Menschenrechte im Kontext globaler ökonomischer… 193 Das Problem der fehlenden Realisierung eines effektiven Schutzes von Menschenrechten im Kontext ökonomischer Globalisierung wird in einem ersten Schritt durch entgegenstehende globale Wirtschaftsstrukturen aufgezeigt (A.). Anschließend wird die Tatsache herausgearbeitet, dass trotz entgegenstehender globaler Wirtschaftsstrukturen für den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen jene Hindernisse nicht adressiert werden (B.). Dies beinhaltet –vor allem auch eine Auseinandersetzung mit den Konsequenzen dieser Ausblendung für die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte und den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen.
Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz Staaten bewegen sich ebenso wie Unternehmen innerhalb einer komplexen, global verflochtenen Weltwirtschaft. Der Wandel von nationalen Ökonomien hin zu globalen Märkten ist gerade für transnationale Sachverhalte und die sich in diesen Kontexten ereignenden Menschenrechtsverletzungen besonders relevant. Denn die Strukturen der bestehenden Weltwirtschaft und Weltwirtschaftsordnung, die darin zum Ausdruck kommenden Interessen und deren Konsequenzen für staatliches Handeln sind wesentlicher Baustein zum Verständnis des bisherigen Scheiterns der Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen sowie Grund der künftigen Hindernisse in der Realisierung überzeugender Ansätze.1 Unter dem Begriff der Weltwirtschaftsordnung wird im Folgenden der rechtliche Rahmen verstanden, der die internationalen Wirtschaftsbeziehungen regelt, demnach insbesondere das Wirtschaftsvölkerrecht.2 I. Die Herausbildung des „Wettbewerbsstaates“ Der Kontext der bestehenden Weltwirtschaft und der diesen Strukturen entsprechenden Weltwirtschaftsordnung und deren Komplexität können hier nur in Umrissen dargestellt werden.3 Im Folgenden werden insbesondere jene Strukturen Diesen Zusammenhang hat auch der Sonderbeauftragte Ruggie grundsätzlich (an)erkannt, United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 3: „The root cause of the business and human rights predicament today lies in the governance gaps created by globalization.“ 2 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 2 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, S. 925 ff.; 3 Ausführlich Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung; Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus; Binswanger, Die Wachstumsspirale. 1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 195 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_10
196 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz herausgestellt, die die rechtlichen und rechtspolitischen Rahmenbedingungen derart prägen, dass sie die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte und Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen negativ beeinflussen. Um die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte in den Kontext globaler Wirtschaftsstrukturen zu setzen, wird in Bezug auf Strukturen der Weltwirtschaft und der Weltwirtschaftsordnung insbesondere ein dominierender Aspekt hervorgehoben: die Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen und der daraus resultierende Wettbewerb der Staaten um Investitionen.4 Die Öffnung von national abgeschotteten Märkten und der Abbau von Zöllen erleichterten transnationale Wirtschaftsaktivitäten.5 Mit der Mobilität des Kapitals durch mehr und mehr transnational tätig werdende Unternehmen nahm ein anhaltender Standortwettbewerb seinen Anfang, in dem Staaten um Investitionen konkurrieren.6 Die Internationalisierung und Mobilität des Kapitals – und die daraus auch für Unternehmen folgende globale Konkurrenz der Unternehmen untereinander – zusammen mit der Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen resultierten also in einem Wettbewerb der Staaten untereinander.7 Standortwettbewerb beschreibt die Konkurrenz von Staaten um Produktionsfaktoren.8 Dem Bedarf der Unternehmen an optimalen Kapitalverwertungsbedingungen entspricht die (wirtschaftspolitische) Ausrichtung der Staaten. „Grob gesprochen, konzentriert sich staatliche Politik zunehmend darauf, einem global immer flexibler agierenden Kapital in Konkurrenz mit anderen Staaten günstige Verwertungsvoraussetzungen zu verschaffen.“9 Auf Zum Wettbewerbsstaat Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 109; siehe auch Cerny, in: Government and Opposition 1997, S. 251 ff.; Hay, in: The Political Quarterly Issue Supplement 2004, S. 38 ff.; zur Wettbewerbsfähigkeit als Schlüsselkriterium Hettne/Cox (Hrsg.), International Political Economy. Understanding global disorder, 39. 5 Hirsch-Kreinsen, Multinationle Unternehmen. Arbeitspapier Nr. 23, S. 6 f. 6 Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 104: „Die Flexibilisierung des internationalen Geld- und Kapitalverkehrs sowie die Liberalisierung der Waren- und Dienstleistungsmärkte sind die Mittel, mit denen weltweit politische, soziale und ökonomische Restrukturierungsprozesse in Gang gesetzt wurden, die dem Kapital neue Rationalisierungs- und Ausbeutungsspielräume eröffnen“. 7 Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 101 ff.; zur Konkurrenz der Staaten im globalen Norden und Süden jeweils untereinander siehe Scherrer, in: PROKLA Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 2000, S. 29 f.; Eppler, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hrsg.), Der Sound des Sachzwangs, S. 138; Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 101 ff.; Scherrer, in: PROKLA Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 2000, S. 29 ff.; Gill, Power and resistance in the new world order, S. 109 ff.; Woodroffe, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 131 f. 8 Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten, S. 20: „Mittlerweile haben Unternehmen weitestgehend die Wahl, in welchem Land sie sich niederlassen wollen.“, mit Verweis auf Macek, Scratching the Corporate Back: Why Corporations Have No Incentive to Define Human Rights, in: MJGT 11 (2002), S. 101 ff. 4 Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 103. 9
I. Die Herausbildung des „Wettbewerbsstaates“197 die Internationalisierung und Flexibilität sowie Mobilität des Kapitals reagieren die Staaten, der Ideologie einer Orientierung am Wirtschaftswachstum folgend, indem sie sich einer solchen Standortpolitik verschreiben.10 Folge ist, dass Staaten primär versuchen, Kapitalverwertungsbedingungen zu optimieren. Hierzu werden attraktive Standortbedingungen für Kapitalansiedlungen hergestellt.11 „Die Funktionslogik des nationalen Wettbewerbsstaates beruht also, etwas überspitzt ausgedrückt, in der alle sozialen Sphären umgreifenden Ausrichtung der Gesellschaft auf das Ziel globaler Wettbewerbsfähigkeit, deren Grundlage die Profitabilität von ‚Standorten‛ für ein international immer flexibler werdendes Kapital ist.“12 Hintergrund dieser Ausrichtung auf Kapitalverwertungsinteressen sind auch Entwicklungen der Weltwirtschaftsordnung, die bereits Ende des Zweiten Weltkrieges einsetzten. Mit dem Bretton-Woods-System wurde 1944 die Weltwährungsordnung zur Regelung des internationalen Zahlungsverkehrs begründet. Institutionell wurden der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank-Gruppe als Säulen des Bretton-Woods-Systems eingerichtet.13 Neben der Errichtung des Bretton-Woods-Systems kam es infolge der HavannaKonferenz (1947) zu Verhandlungen über ein Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, im Folgenden GATT), wodurch nicht nur die Währungsbeziehungen, sondern auch die Handelsbeziehungen neu geordnet und die Voraussetzungen für eine zunehmende Liberalisierung des Welthandels geschaffen werden sollten.14 Das GATT trat 1948 in Kraft und bestimmte – bis zu seiner Ablösung durch die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, im Folgenden WTO) – die Regeln für den internationalen Handel. In diesem Kontext wurden mengenmäßige Handelsbeschränkungen und tarifäre 10 Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 104; Eppler, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hrsg.), Der Sound des Sachzwangs, S. 137 f.; Binswanger, Die Wachstumsspirale, S. 1 ff. Auch der Sonderbeauftragte Ruggie erkannte das Problem des Wettbewerbes und seiner Konsequenzen auf das Verhalten der Gaststaaten und der Heimatstaaten (an), United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 14: „Each legally distinct corporate entity is subject to the laws of the countries in which it is based and operates. Yet States, particularly some developing countries, may lack the institutional capacity to enforce national laws and regulations against transnational firms doing business in their territory even when the will is there, or they may feel constrained from doing so by having to compete internationally for investment. Home States of transnational firms may be reluctant to regulate against overseas harm by these firms because the permissible scope of national regulation with extraterritorial effect remains poorly understood, or out of concern that those firms might lose investment opportunities or relocate their headquarters.“ 11 12 Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 109. 13 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 86; Sautter, Weltwirtschaftsordnung, S. 89, 152 ff. 14 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 84, 111 ff.
198 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz Handelshemmnisse weiter beseitigt, bestehende Handelsschranken wurden durch Aufhebung von Zöllen und sonstigen Hemmnissen abgeschafft. Zu einer Neuordnung durch eine internationale Handelsorganisation (International Trade Organization) – neben Weltbank und IWF – kam es jedoch ebenso wenig wie zur Verabschiedung der Havanna Charter,15 die auch eine Einbeziehung von Sozialstandards vorsah.16 Strukturanpassungsprogramme des IWF und der Weltbank führten in der Folge zu einer Beseitigung der Beschränkung nationaler Kapitalmärkte der sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer.17 Das Bretton-Woods-System und das GATT stellten noch ein System politischer Kontrolle der Kapitalbewegungen und des Warenverkehrs dar.18 Dies entsprach der Wirtschaftspolitik, die mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Einführung sozialer Sicherung begann und wirtschaftspolitische Interventionen zuließ (Interventionsstaat).19 Zu einer Zäsur kam es spätestens in den 1970er Jahren20 mit dem Zusammenbruch von Bretton-Woods und dem Ausstieg aus dem System fester Wechselkurse.21 Die Institutionen des Bretton-Woods-Systems, insbesondere IWF und Weltbank, blieben allerdings bestehen. Folge war eine Politik der Liberalisierung und Flexibilisierung der Wechselkurse und eine weitere Liberalisierung des Kapitalverkehrs durch einen strukturellen Abbau von Kapitalverkehrskontrollen, der staatlichen Möglichkeit, Finanzströme zu kontrollieren. Dies resultierte in einer weiteren Internationalisierung und Mobilität des Kapitals, einer Intensivierung des Freihandels (Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen), Privatisierungen, einem Rückbau des Sozialstaates und vor allem einer Verbesserung der Kapitalverwertungsbedingungen für Unternehmen.22 1994 wurde mit dem Abschluss der Uruguay-Runde das GATT von der WTO abgelöst. Hauptaufgaben der WTO waren zwar weiterhin auch das GATT, also Regulierung und Liberalisierung des Warenverkehrs. Hinzukamen aber qualitative Veränderungen.23 Über das GATT hinaus kamen Regulierung und Liberalisierung Havana Charter for an International Trade Organization 1948, abrufbar unter http://www.wto. org/english/docs_e/legal_e/havana_e.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 16 In Artikel 7 der Havanna Charta heißt es: „The Members recognize that unfair labour conditions, particularly in production for export, create difficulties in international trade, and, accordingly, each Member shall take whatever action may be appropriate and feasible to eliminate such conditions within its territory.“ 17 Sautter, Weltwirtschaftsordnung, S. 17. 18 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 84 f., 114; in diesen Kontext fällt auch die Beschreibung Ruggies „embedded liberalism“, Ruggie, in: International Organization 1982, S. 379 ff. 19 Ptak, in: Kritik des Neoliberalismus, S. 17. 20 Streeck, Gekaufte Zeit, S. 10. 21 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 95 ff. 22 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 129; Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 104; Ptak, in: Kritik des Neoliberalismus, S. 13, 84. 23 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 122. 15
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung199 des internationalen Handels mit Dienstleistungen durch das General Agreement on Trade and Services (GATS) hinzu.24 Dies führte zur weiteren Liberalisierung von Dienstleistungen, im Agrarbereich und im öffentlichen Auftragswesen. Hinzu kamen handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum durch das Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) und damit Regelungen für die Verbreitung und zum Schutz des geistigen Eigentums wie Patente, Markenzeichen- und Urheberrechte.25 Neben der Erweiterung handelsrechtlicher Aspekte wurde die Struktur institutionell verfestigt, indem durch die WTO eine internationale Organisation samt Streitschlichtungsmechanismus eingerichtet wurde.26 Auch die Entwicklung des internationalen Investitionsschutzrechts spiegelt die besondere Ausrichtung an Kapitalverwertungsinteressen wider. Materielle Schutzstandards zusammen mit der Investor-Staat Schiedsgerichtsbarkeit können – wie oben ausgeführt wurde – dazu führen, dass die Möglichkeiten der Staaten, regulierend tätig zu werden und aktuelle Rechtslagen zu ändern, wegen der Annahme einer Verletzung materieller Schutzstandards, eingeschränkt werden.27 II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung Die völkerrechtliche Ausgangssituation zwischen Menschenrechtsschutz und Kapitalverwertungsinteressen schützenden rechtlichen Regimen ist grundsätzlich geprägt durch das Fehlen einer formalen Hierarchie zwischen internationalen Regimen.28 Bisher hat sich keine Hierarchie zwischen dem Menschenrechtsregime und anderen internationalen Regimen, aus denen sich völkerrechtliche Verpflichtungen ergeben herausgebildet.29 Dies umfasst das Welthandelsrecht, das internationale Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 123; Sautter, Weltwirtschaftsordnung, S. 94 f. 25 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 123; Sautter, Weltwirtschaftsordnung, S. 97 f. 26 Bieling, Internationale Politische Ökonomie. Eine Einführung, S. 122. 27 Siehe hierzu Teil II, Kapitel 8. 28 Zur fehlenden Hierarchie im Völkerrecht zwischen den verschiedenen internationalen Rechtsregimen siehe etwa Klein, in: Israel Law Review 2008, S. 477 ff., der weder von einer Hierarchie zwischen verschiedenen Menschenrechten ausgeht (S. 480 ff.) noch von einer Hierarchie der Menschenrechte gegenüber anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen (S. 479); vgl. auch Koskenniemi, in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 2010, S. 47 ff.; Shelton, in: The American Journal of International Law 2006, S. 291 ff.; United Nations International Law Commission, Fragmentation of international law: difficulties arising from the diversification and expansion of international law, Report of the Study Group of the International Law Commission A/CN.4/L.682, 13.04.2006. 29 Klein, in: Israel Law Review 2008, S. 479 ff.; Koskenniemi, in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 2010, S. 47 ff.; Shelton, in: The American Journal of International Law 2006, S. 291 ff. 24
200 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz Investitionsschutzrecht aber auch das Recht des internationalen Währungsverkehrs und Finanzverkehrs. In diesem Sinne stellte die International Law Commission in ihrem Bericht zur Fragmentierung des Völkerrechts 2006 fest, dass es dem Völkerrecht gerade im Gegensatz zum nationalen Recht an einer „robusten“ Hierarchie fehlt.30 Kapitalverwertungsinteressen und die sie etablierende, aufrechterhaltende und verfestigende Weltwirtschaftsordnung auf der einen Seite und Menschenrechte sowie die diese schützenden internationalen und regionalen Menschenrechtsabkommen auf der anderen Seite stehen zu einander nicht notwendigerweise in einem formalen Konflikt, in dem Sinne, dass das eine Regime per se nur unter dem Verlust des anderen sich realisieren ließe (conflict of treaties im engeren Sinne).31 De facto können diese beiden verschiedenen Regime indes nicht isoliert nebeneinander bestehen, sondern stehen miteinander in Konkurrenz.32 Die Ausrichtung an Kapitalverwertungsinteressen und der Wettbewerb der Staaten untereinander können somit zu einem Zielkonflikt mit dem Schutz von Menschenrechten führen, soweit die Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen der Verwirklichung progressiver Ansätze entgegensteht.33 Dadurch wird die fehlende Hierarchie zwischen 30 United Nations International Law Commission, Fragmentation of international law: difficulties arising from the diversification and expansion of international law, Report of the Study Group of the International Law Commission A/CN.4/L.682, 13.04.2006, Rn. 26: „In international law, however, […] there are much fewer and much less robust hierarchies.“ 31 Zu Conflict of Treaties im Völkerrecht im Allgemeinen ausführlich Jenks, in: British Yearbook of International Law 1953, S. 403 ff. (zitiert nach United Nations International Law Commission, Fragmentation of international law: difficulties arising from the diversification and expansion of international law, Report of the Study Group of the International Law Commission A/CN.4/L.682, 13.04.2006, Fn. 8). Vgl. auch United Nations International Law Commission, Fragmentation of international law: difficulties arising from the diversification and expansion of international law, Report of the Study Group of the International Law Commission A/CN.4/L.682, 13.04.2006, Rn. 8: „The fragmentation of the international social world has attained legal significance especially as it has been accompanied by the emergence of specialized and (relatively) autonomous rules or rulecomplexes, legal institutions and spheres of legal practice. What once appeared to be governed by ‚general international law‛ has become the field of operation for such specialist systems as ‚trade law‛, ‚human rights law‛, ‚environmental law‛, ‚law of the sea‛, ‚European law‛ and even such exotic and highly specialized knowledges as ‚investment law‛ or ‚international refugee law‛ etc. – each possessing their own principles and institutions. The problem, as lawyers have seen it, is that such specialized law-making and institution-building tends to take place with relative ignorance of legislative and institutional activities in the adjoining fields and of the general principles and practices of international law. The result is conflicts between rules or rule-systems, deviating institutional practices and, possibly, the loss of an overall perspective on the law.“ 32 Vgl. Koskenniemi, in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 2010, S. 47 ff.; in Bezug auf das Verhältnis des Menschenrechtsschutzes zum Investitionsschutzrecht vgl. Krajewski, Ensuring the primacy of human rights in trade and investment policies, S. 5, 13 f. 33 Vgl. United Nations International Law Commission. Fragmentation of international law: difficulties arising from the diversification and expansion of international law, Report of the Study Group of the International Law Commission A/CN.4/L.682, 13.04.2006, Rn. 16: „Such deviations should not be understood as legal-technical ‚mistakes‛. They reflect the differing pursuits and preferences that actors in a pluralistic (global) society have.“
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung201 internationalen Regimen bedeutsam. Die im Völkerrecht fehlende Hierarchie zwischen den verschiedenen internationalen Rechtsregimen bedeutet dann, dass das bloße Bestehen kodifizierter Menschenrechte Konflikte mit anderen, konkurrierenden Interessen nicht löst.34 Auch dies unterscheidet den nationalen vom transnationalen Kontext. Dem Grundgesetz fehlt es zwar an einer Festlegung auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung.35 Allerdings hat das BVerfG in seiner Mitbestimmungsentscheidung 1979 darauf hingewiesen, dass die gesetzgeberischen Möglichkeiten zur Umgestaltung in den Grundrechten ihre Grenzen finden müssten.36 Ist der Interessenkonflikt völkerrechtlich nicht gelöst, dann haben Staaten aus Sicht des Völkerrechts grundsätzlich die Wahl, den einen Bereich jeweils zugunsten bzw. zulasten des anderen zu regulieren. Aus den folgenden Ausführungen ergibt sich, dass diese Wahl derzeit zugunsten jener Regime ausfällt, die sich an Kapitalverwertungsinteressen ausrichten, mithin nicht zugunsten des Menschenrechtsschutzes und einer korrespondierenden Regulierung.37 Die Auswirkungen globaler Wirtschaftsstrukturen auf Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen werden nachstehend wie folgt aufgezeigt. Zunächst wird Douzinas, in: Melbourne University Law Review 2002, S. 453: „It follows that as human rights become the lingua franca of the New Times but are unable to eliminate conflict, the formal struggle over human rights will revolve predominantly around their interpretation and application.“; vgl. auch Koskenniemi, in: Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development 2010, S. 47 ff.: „Human rights emerged, in the familiar image of Anglo-American jurisprudence, as trump cards in the hands of rights-holders; their point was to override considerations of economic efficiency or administrative policy“ (Fn. 8) und „At the same time, absence of a litmus test to distinguish between ‚genuine‛ rights and those that reflected just the (egoistic) interests of the claimants has led to social conflict being increasingly represented as a conflict of rights. To resolve them, legislatures, administrative bodies, and courts have developed complex balancing practices and rights-exceptions schemes that defer to general considerations of administrative policy, public interest, economic efficiency, and so on—precisely the kind of criteria that rights were once introduced to limit. From providing limits to administrative and bureaucratic discretion, rights became dependent on it. At this point, the push for mainstreaming has emerged as a modest strategy no longer seeking to trump power.“ (S. 48); Zumbansen, The Parallel Worlds of Corporate Governance and Labor Law. Research Paper Number 6/2006, S. 54, mit Verweis auf Rittich, Enchantments of Reason/Coercions in Law, University of Miami Law Review (2003), S. 727 : „Rights, as such, are not a guarantee of either legal or social transformation: it is only at the level of practice, typically in the context of a specific dispute, that their uses are determined.“. 35 BVerfGE 4, 7; in diesem Sinne auch BVerfGE 50, 290 (Mitbestimmungsentscheidung); Benda, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Teil I, S. 609 ff.; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 14 ff. 36 BVerfGE 50, 290 ff. 37 In diesem Sinne University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 103: „However, because State measures in these areas are primarily geared towards liberalising trade and promoting investment, States often do not (fully) realise or utilise their potential to protect human rights and the environment through trade law, investment rules, and related legal measures.“ 34
202 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz die bisher jeweils fehlende Umsetzungsbereitschaft in Bezug auf die diskutierten Steuerungsmechanismen aufgezeigt. Dies erfolgt für die nationalstaatliche Ebene durch eine Auseinandersetzung mit der Position der Bundesregierung zu einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen und den UN Leitprinzipien. International findet vor allem eine Kontrastierung der Ansätze mit den UN Leitprinzipien statt. Zudem werden die Auswirkungen globaler Wirtschaftsstrukturen auf die diskutierten Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen umrissen. 1. Ablehnung einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen Die privatrechtliche Geltendmachung im Ausland begangener Menschenrechtsverletzungen vor Gerichten der Heimatstaaten im Wege einer zivilrechtlichen Haftung stellt – de lege ferenda – einen Weg dar, beschriebene Haftungslücken im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu schließen. Retrospektiv und gegenwärtig lässt sich eine Bereitschaft von Heimatstaaten, zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen mittels einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen tätig zu werden, nicht konstatieren. Deutlich wird dies durch die bestehende Rechtslage in den Heimatstaaten. Nach der gegenwärtigen deutschen Rechtslage hinsichtlich einer deliktischen Haftung transnationaler Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen besteht kaum eine Möglichkeit, diese wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten der transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe haftbar zu machen. Zwar besteht eine internationale Zuständigkeit heimstaatlicher Gerichte für Mutterunternehmen. Es fehlt jedoch an einem Kollisionsrecht, das heimatsstaatliches Recht für anwendbar erklären würde. Eine Anwendung des heimatstaatlichen Rechts eröffnet das anwendbare europäische Kollisionsrecht derzeit nicht. Weder ein Wahlrecht entsprechend dem alten Artikel 40 Absatz 1 EGBGB oder Artikel 7 Rom II VO noch eine Klarstellung in Bezug auf Artikel 17 II VO sind derzeit auf EU-Ebene in Sicht. Möglich wäre die Ausgestaltung einer Haftungsnorm in Form einer Eingriffsnorm im Sinne von Artikel 16 Rom II VO. Zudem bedarf es wie aufgezeigt einer Änderung – sei es durch Rechtsetzung oder Rechtsprechung – der materiell-rechtlichen Grundlagen des deliktischen Haftungsrechts in Bezug auf Unternehmen. Dies wäre möglich sowohl durch das Modell des Durchgriffs wie auch der deliktischen Sorgfaltspflichten. Beiden Modellen stehen weder deliktsrechtliche, gesellschaftsrechtliche noch völkerrechtliche Bedenken grundlegend entgegen. Dennoch hat eine Umsetzung dieses Ansatzes bisher nicht stattgefunden. Erklären lässt sich das Fehlen einer Umsetzung durch die Heimatstaaten vor dem Hintergrund der diskutierten Möglichkeiten einer Steuerung de lege ferenda nicht (allein) durch die komplexen Strukturen transnationaler Unternehmen oder transnationaler Lieferketten.
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung203 a. Handelsinteressen Zwar heißt es vonseiten der Bundesregierung, dass der „internationale Handel […] aus Sicht der Bundesregierung keinen Vorrang vor der gerichtlichen Aufklärung etwaiger Menschenrechtsverletzungen sowie der Entschädigung der Opfer [habe]. Die Bundesregierung betont in ihrer Stellungnahme vielmehr ausdrücklich, dass für die hier infrage stehenden Menschenrechtsverletzungen in den Staaten eine Möglichkeit der gerichtlichen oder sonstigen Geltendmachung bestehen sollte, die mit der Tat und den Beteiligten eine enge Beziehung aufweisen.“38 Wenn mit dem Verweis auf andere Staaten jene gemeint sind, in denen die Rechtsverletzungen stattfinden, also die Gaststaaten, dann wird hier unterschlagen, dass es zu einer Geltendmachung in den Gaststaaten in der Regel gerade nicht kommt. In der Folge kommt es dann nicht zu einer „Entschädigung der Opfer“, sodass es ohne Schutz in den Gaststaaten und ohne Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung in den Heimatstaaten de facto zu einem Vorrang des internationalen Handels kommt. b. Haftungslücken Auf die Frage, welche „Möglichkeiten […] die Bundesregierung [sehe], um deutsche Mutterkonzerne für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen ihrer Tochterunternehmen und Zulieferer haftbar zu machen“, stellt die Bundesregierung lediglich fest, dass eine „zivilrechtliche Haftung deutscher Konzernobergesellschaften für im Ausland begangene Rechtsverstöße nach allgemeinen Grundsätzen möglich [ist], wenn im Einzelfall alle Merkmale eines deliktischen Haftungstatbestandes erfüllt sind.“39 Was die Möglichkeit einer Haftung „nach allgemeinen Grundsätzen“ konkret beinhalten soll, bleibt offen und durchaus fraglich. Dass im Einzelfall alle Merkmale eines Haftungstatbestandes oftmals gerade nicht erfüllt sind,40 damit setzt sich die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht auseinander. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/829 – Haltung der Bundesregierung zur Klage von Apartheidsopfern gegen deutsche Konzerne, BT-Drucksache 17/992 vom 12.03.2013, Antwort zu Frage 7. 39 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2039 – Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, BT-Drucksache 17/2339 vom 30.06.2010, Antwort auf Frage 20. 40 Hierzu ausführlich oben Teil II, Kapitel 7. 38
204 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz c. Freiwillige Ansätze Im Gegensatz zu einer Umsetzung einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen steht national die deutliche Befürwortung rein freiwilliger Ansätze im Vordergrund. In der Antwort auf die Kleine Anfrage zur Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen41 stellt die Bundesregierung in Bezug auf die Frage, ob die „Bundesregierung gesetzliche Regelungen zur sozialen Verantwortung von Unternehmen einführen [wird], und wenn nicht, aus welchen Gründen“, klar, dass „[…] die Bundesregierung vorrangig darauf [zielt], freiwilliges Engagement von Unternehmen für die Gesellschaft noch sichtbarer und transparenter zu machen und damit insbesondere auch Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Investorinnen und Investoren die Möglichkeit zu geben, verantwortliches Wirtschaften von Unternehmen zu honorieren. So kann die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens merklich erhöhen.“42, 43 Deutlich wird in Bezug auf die deutsche Position, dass mit gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen lediglich freiwillige Mechanismen angesprochen sind.44 Entsprechend finden sich auf der CSR-Website der Bundesregierung allein Bezugnahmen zu den bekannten freiwilligen Initiativen und Erklärungen wie dem United Nations Global Compact, den OECD Leitsätzen für multinationale Unternehmen, der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung der ILO, der Global Reporting Initiative oder etwa dem ISO 26000 Leitfaden. „Darüber hinaus gehende rechtlich 41 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2039 – Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, BT-Drucksache 17/2339 vom 30.06.2010. 42 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2039 – Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, BT-Drucksache 17/2339 vom 30.06.2010, Antwort auf Frage 15. 43 Ähnliches gilt in Bezug auf Berichtspflichten: „Eine verbindliche Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Bezug auf die soziale Verantwortung auch für die Lieferkette […] nicht geplant [sei]. Sie [stünde] im Konflikt mit dem Ziel der Bundesregierung, Berichtspflichten abzubauen und damit die Unternehmen von Bürokratiekosten zu entlasten.“ Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2039 – Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, BT-Drucksache 17/2339 vom 30.06.2010, Antwort auf Frage 16. 44 Siehe CSR-Website der Bundesregierung, abrufbar unter http://www.csr-in-deutschland.de/DE/ Was-ist-CSR/Grundlagen/Internationale-Rahmenwerke/internationale-rahmenwerke.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017).
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung205 verbindliche Regelungen hat die Bundesregierung als extraterritoriale Maßnahmen stets abgelehnt und wird dies auch weiterhin tun“,45 so die Bundesregierung.46 In der Antwort auf die Kleine Anfrage zur Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen47 stellt die Bundesregierung im Hinblick auf die Frage „[m]it welchen Maßnahmen […] die Bundesregierung ihrer Pflicht zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Ausland durch deutsche Unternehmen [nachkomme], fest, dass die „Bundesregierung […] auf vielfältige Weise und im Rahmen ihrer völkerrechtlichen Befugnisse die freiwillige Einhaltung menschenrechtlicher Standards durch Unternehmen im Ausland [unterstütze]. So setzt sie sich intensiv für die Umsetzung von ILO Übereinkommen ein und fördert die Anwendung der OECD- Leitsätze für multinationale Unternehmen […].“48 In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Corporate Social Responsibility in Deutschland49 macht die Bundesregierung deutlich, dass sie „international anerkannte CSR-Instrumente wie den Global Compact Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/12588 – Vereinigungsfreiheit auch bei Tochterunternehmen deutscher Unternehmen sicherstellen, BT-Drucksache 17/12808 vom 20.03.2013. 46 Auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen (2010) stützt dieses Bild, siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele HillerOhm, Anette Kramme, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2039 – Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, BT-Drucksache 17/2339 vom 30.06.2010. Ähnliches ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Corporate Social Responsibility in Deutschland (2012), siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/10274 – Corporate Social Responsibility in Deutschland, BT-Drucksache 17/10506 vom 21.08.2012, sowie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Haltung der Bundesregierung zur Klage von Apartheidsopfern gegen deutsche Konzerne (2013), und aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/829 – Haltung der Bundesregierung zur Klage von Apartheidsopfern gegen deutsche Konzerne, BT-Drucksache 17/992 vom 12.03.2013. 47 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2039 – Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, BT-Drucksache 17/2339 vom 30.06.2010. 48 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/2039 – Durchsetzung von Sozialstandards in der Lieferkette von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, BT-Drucksache 17/2339 vom 30.06.2010, Antwort auf Frage 19. 49 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/10274 – Corporate Social Responsibility in Deutschland, BTDrucksache 17/10506 vom 21.08.2012. 45
206 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz der Vereinten Nationen, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Dreigliedrige ILO-Grundsatzerklärung über Multinationale Unternehmen und Sozialpolitik [unterstützt]“.50 Noch deutlicher macht die Bundesregierung dies durch die Aussage, dass sie „auf der Grundlage des im Oktober 2010 verabschiedeten Nationalen Aktionsplans CSR auf das Primat der Freiwilligkeit von CSR- Aktivitäten [setzt].“51 Auf Fabrikunfälle in der Textilindustrie wie der Brand in Karachi (Pakistan) 2012 und der Einsturz des Fabrikgebäudes (Rana Plaza) in Dhaka (Bangladesch) reagiert die Bundesregierung bisher allenfalls mit freiwilligen Initiativen wie beispielsweise dem „Bündnis für nachhaltige Textilien“52, 53 d. Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte Nachdem der UN Menschenrechtsrat 2011 die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet hat, haben die darauf aufbauende UN Arbeitsgruppe (2011) zu Wirtschaft und Menschenrechten und auch die EU-Kommission Regierungen aufgefordert, die UN-Leitprinzipien umzusetzen und dazu Nationale Aktionspläne zu erarbeiten. Die Bundesregierung hat im November 2014 den Prozess zur Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans zu Wirtschaft und Menschenrechten auf den Weg gebracht. Zahlreiche relevante Gruppen wurden in den Prozess der Erarbeitung des Aktionsplanes miteinbezogen, einschließlich Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsverbände. Im Dezember 2016 hat die Bundesregierung schließlich den Nationalen Aktionsplan verabschiedet.54 Zwar führt der Nationale Aktionsplan einleitend – unter Bezugnahme auf einen Auszug aus der G7-Abschlusserklärung 2015, Weltwirtschaft: Verantwortung in 50 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/10274 – Corporate Social Responsibility in Deutschland, BTDrucksache 17/10506 vom 21.08.2012, Antwort auf Frage 4. 51 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/10274 – Corporate Social Responsibility in Deutschland, BTDrucksache 17/10506 vom 21.08.2012, Antwort auf Frage 9. 52 Informationen zum „Bündnis für nachhaltige Textilien“ abrufbar unter https://www.textilbuendnis.com/de/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 53 Zur Position der Bundesregierung siehe Die Bundesregierung, „Neues Bündnis für nachhaltige Textilien: Bundesminister Müller hat ein Textilbündnis mit Unternehmen, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft auf den Weg gebracht. Ziel sind neue ökologische Standards und ein besseres Leben für die Arbeiterinnen und Arbeiter der globalen Bekleidungsindustrie“, 16. Oktober 2014, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/10/2014-10-16-textilbuendnis.html (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 54 Auswärtiges Amt, Nationaler Aktionsplan, Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, 2016 – 2020, 21.12.2016, abrufbar unter http://www.auswaertiges-amt.de/cae/ servlet/contentblob/754690/publicationFile/222786/161221-NAP-DL.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017).
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung207 globalen Lieferketten – aus, dass aufgrund des „herausragenden Anteils am Globalisierungsprozess den G7-Staaten eine wichtige Rolle bei der Förderung von Arbeitnehmerrechten, guten Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes in globalen Lieferketten zu[kommt].“ Weiter heißt es, man strebe „eine bessere Anwendung international anerkannter Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards, -grundsätze und -verpflichtungen (insbesondere von Über-einkünften der VN, der OECD und der IAO sowie anwendbarer Umweltabkommen) in globalen Lieferketten an.“55 Der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UN Leitprinzipien bleibt jedoch deutlich hinter den vorhandenen Möglichkeiten und auch bestehenden Erwartungen zurück.56 Der deutsche Aktionsplan lässt Präzisierungen oder spezifische Elemente der UN Leitprinzipien aus der Definition heraus etwa in Bezug auf Wiedergutmachung oder die Ausklammerung von Finanzdienstleistungen. Damit ist der deutsche Aktionsplan auch im Vergleich zu Nationalen Aktionsplänen anderer Staaten deutlich schwächer formuliert.57 Insbesondere aber verharrt der deutsche Aktionsplan im Bereich der freiwilligen Ansätze. Gerade eine verbindliche Regelung etwa im Bereich von Sorgfaltspflichten fehlt.58 e. ATCA Ein Vorrang von Kapitalinteressen vor einer Haftung von transnationalen Mutterunternehmen infolge von Menschenrechtsverletzungen im Ausland lässt sich auch aus diversen weiteren Stellungnahmen der Bundesregierung herauslesen. Ausdrücklich brachte die Bundesregierung – vor der oben ausgeführten Entscheidung Auswärtiges Amt, Nationaler Aktionsplan, Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, 2016 – 2020, 21.12.2016, S. 1, abrufbar unter http://www.auswaertiges-amt.de/ cae/servlet/contentblob/754690/publicationFile/222786/161221-NAP-DL.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 56 In einer Stellungnahme bewertet das Deutsche Instituts für Menschenrechte den Nationaler Aktionsplan – auch mit Blick auf das National Baseline Assessment (30.04.2015) – als wenig überzeugend, siehe Deutsches Institut für Menschenrechte, Stellungnahme »Zögerliche Umsetzung« – Der politische Wille reichte nicht weiter: Deutschland setzt die UN-Leitprinzipien um – mit kleinen Schritten zur Verabschiedung des deutschen Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte, S. 3 ff.; siehe auch Deutsches Institut für Menschenrechte, National Baseline Assessment: Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, S. 4 ff.; siehe Amnesty International Deutschland/Brot für die Welt/Forum Menschenrechte/CorA-Netzwerk/Germanwatch/Misereor/VENRO, Kein Mut zu mehr Verbindlichkeit, Kommentar deutscher Nichtregierungsorganisationen zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung, S. 2 ff. 57 Germanwatch/Brot für die Welt, Unternehmensverantwortung im europäischen Vergleich, Der deutsche Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte gemessen an Rahmensetzungen in anderen Ländern, S. 1 ff. 58 Ausführlich Amnesty International Deutschland/Brot für die Welt/Forum Menschenrechte/CorANetzwerk/Germanwatch/Misereor/VENRO, Kein Mut zu mehr Verbindlichkeit, Kommentar deutscher Nichtregierungsorganisationen zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung, S. 2 ff. 55
208 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz des Supreme Court 2013 – ihre Sorge zum Ausdruck, „dass der ATCA auch dazu benutzt werden kann, Schadenersatzklagen wegen behaupteter Menschenrechtsverletzungen gegen multinationale Unternehmen missbräuchlich zu erheben und diese dadurch zu schädigen. Um dieses Risiko zu vermeiden, könnten multinationale Unternehmen sich entschließen, die Wirtschaftstätigkeit mit oder Investitionen in bestimmten Staaten oder Regionen aufzugeben. Darin wird ein Schaden für den internationalen Handel gesehen, weil auf diese Weise zusätzliche Handels- und Investitionsbarrieren entstehen. Regelmäßig werden solche Unternehmensentscheidungen Staaten treffen, für die internationales wirtschaftliches Engagement erhebliche Bedeutung hat.“59 f. UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte Eine vergleichbar fehlende Umsetzungsbereitschaft lässt sich in Bezug auf eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen auch auf UN Ebene feststellen. Auch die UN Leitprinzipien thematisieren eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen. Relevant sind dabei die zweite und dritte Säule der UN Leitprinzipien. Die zweite Säule adressiert in den Prinzipen 11 bis 24 die Unternehmensverantwortung für die Respektierung von Menschenrechten (corporate responsibility to respect) und damit die Anforderungen, die unmittelbar an Unternehmen gerichtet sind. Ausdrücklich wird auf zentrale Verträge im Menschenrechtsschutz Bezug genommen.60 Gleichzeitig wird betont, dass die Verantwortung der Unternehmen für diese Menschenrechte von der rechtlichen Haftung und Durchsetzung zu unterscheiden sind.61 Durch diese enge Lesart der UN Leitprinzipien wird die Verantwortung der Unternehmen jenseits des verbindlichen Rechts verortet.62 Die UN Leitprinzipien betonen, dass „[t]he responsibility of business enterprises to respect human rights is Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/829 – Haltung der Bundesregierung zur Klage von Apartheidsopfern gegen deutsche Konzerne, BT-Drucksache 17/992 vom 12.03.2013, Antwort zu Frage 7. 60 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 12 und Kommentar. 61 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 12 – Kommentar. 62 Ruggie, An Interview with John Ruggie. Business Ethics – The Magazine of Corporate Responsibility, 2011, abrufbar unter http://business-ethics.com/2011/10/30/8127-un-principles-on-businessand-human-rights-interview-with-john-ruggie/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); hierzu auch Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation, S. 8 f. 59
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung209 distinct from issues of legal liability and enforcement, which remain defined largely by national law provisions in relevant jurisdictions“.63 Nach den UN Leitprinzipien können Wirtschaftsunternehmen entweder durch ihre eigene Tätigkeit oder infolge ihrer Geschäftsbeziehungen mit anderen Parteien an nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen beteiligt sein.64 Die Formen möglicher Auswirkungen werden danach unterschieden, ob ein Wirtschaftsunternehmen eine nachteilige Auswirkung verursacht oder dazu beiträgt, oder ob es lediglich daran beteiligt ist, weil die Auswirkung wegen einer Geschäftsbeziehung unmittelbar mit seiner Geschäftstätigkeit, seinen Produkten oder seinen Dienstleistungen verbunden ist.65 Prinzip 19 präzisiert, wie Wirtschaftsunternehmen diesen Situationen begegnen sollten und was dies beinhaltet. Zentral erscheint im Kontext der Unternehmensverantwortung der Begriff der sogenannten „human rights due diligence“,66 die in den Prinzipen 17 ff. weiter ausgeführt wird. In UN Leitprinzipien 17 heißt es, dass Wirtschaftsunternehmen Sorgfalt auf dem Gebiet der Menschenrechte walten lassen sollten, um ihre nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen zu ermitteln, zu verhüten und zu mildern sowie Rechenschaft darüber abzulegen, wie sie ihnen begegnen. Nach dem Sonderbeauftragten Ruggie geht es bei der Due Diligence-Prüfung darum, dass Unternehmen wissen und zeigen können, dass sie ihrer Unternehmensverantwortung für die Respektierung von Menschenrechten gerecht werden.67 Es wird oft davon ausgegangen, dass das Konzept der Due Diligence in den UN Leitprinzipien einer Due Diligence Prüfung im Sinne des Unternehmens- und Wertpapierrechts entspricht.68 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 12 – Kommentar. 64 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 13 – Kommentar. 65 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 19 (b) Absatz (i). 66 Ruggie, An Interview with John Ruggie. Business Ethics – The Magazine of Corporate Responsibility, 2011, abrufbar unter http://business-ethics.com/2011/10/30/8127-un-principles-onbusiness-and-human-rights-interview-with-john-ruggie/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 67 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Business and Human Rights: Further steps toward the operationalization of the „protect, respect and remedy“ framework, A/HRC/14/27, 09.04.2010, Rn. 80 ff. 68 Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation, S. 5 ff. 63
210 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz Zu einer möglichen, alternativen Auslegung der sogenannten „responsibility to respect“ bestehen hingegen Ansätze, die versuchen, die „human rights due diligence“ in bestehende zivilrechtliche Konzepte der Unternehmenshaftung zu übersetzen. Diskutiert wird beispielsweise eine strikte Unternehmenshaftung über das Konzept der Due Diligence, aber auch eine Auslegung der Due Diligence hin zu einer Fahrlässigkeitshaftung.69 Inwieweit sich eine solche progressive Übersetzungsleistung tatsächlich den UN Leitprinzipien entnehmen und darüber hinaus durchsetzen lässt, bleibt abzuwarten. Die dritte Säule der UN Leitprinzipien („access to remedy“) hat den Komplex der gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen, den Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung zum Gegenstand. Der Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung betrifft den Zugang zu Beschwerdemechanismen und Sanktionen, durch gerichtliche Verfahren (judicial mechanisms), aber auch durch außergerichtliche Mechanismen (non-judicial mechanisms).70 Die Durchsetzung wird unterteilt in Formen der gerichtlichen und außergerichtlichen sowie der staatlichen und nicht-staatlichen Durchsetzung. Betont wird dabei, dass der Durchsetzung zentrale Bedeutung für die Umsetzung der staatlichen Schutzpflichten zukommt.71 Im Hinblick auf die Durchsetzung wird unter anderem deutlich gemacht, dass gesellschaftsrechtlich bedingte Unternehmensstrukturen der Durchsetzung durchaus entgegenstehen können und dass der Zugang zu Gerichten erschwert sein kann.72 Auch hier bleiben die UN Leitprinzipien indes hinter möglichen Wegen der gerichtlichen Durchsetzung weit zurück. Zwar deuten die UN Leitprinzipien auf den wesentlichen Aspekt hin, dass Staaten als „Teil ihrer Pflicht, Schutz gegenüber mit Unternehmen zusammenhängenden Menschenrechtsverletzungen zu gewähren [haben], […] geeignete Maßnahmen treffen [müssen], um durch gerichtliche, administrative, gesetzgeberische oder andere geeignete Mittel dafür Sorge zu tragen, dass die Betroffenen Zugang zu wirksamer Abhilfe haben, sofern solche Verletzungen 69 Zu einer strikten Unternehmenshaftung über das Konzept der Due Diligence siehe Bonnitcha/ McCorquodale, Is the Concept of „Due Diligence“ in the Guiding Principles Coherent?; für eine Auslegung der Due Diligence zu einer Fahrlässigkeitshaftung siehe Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation, S. 5 ff mit weiteren Nachweisen. 70 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 82 ff. 71 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 25 – Kommentar. 72 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 26.
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung211 in ihrem Hoheitsgebiet und/oder unter ihrer Jurisdiktion vorkommen“.73 Indes bleibt unbeantwortet, was unter den vagen Begriffen „geeignete Maßnahmen“ und „Zugang zu wirksamer Abhilfe“ zu verstehen ist. Zudem bleibt völlig ungeklärt, wie Staaten zur Vornahme eben solcher geeigneten Schritte zu bewegen sind. Die UN Leitprinzipien selbst weisen darauf hin, dass „legal, practical and other relevant barriers“74 bestehen. Allerdings überlassen es die UN Leitprinzipien auch hier den Staaten selbst, zu bestimmen, wie diese Hindernisse zu überwinden sind. Auch im Kontext der gerichtlichen Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen wurden progressive Ansätze somit weitestgehend ausgeblendet. g. Zwischenstaatliche UN Arbeitsgruppe zu Menschenrechten und Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen Inwieweit der sog. Treaty-Process, die Ausarbeitung eines international verbindlichen Abkommens im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte durch die 2014 eingesetzte UN UN Arbeitsgruppe zu Menschenrechten und Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen, in eine andere Richtung führen könnte, bleibt abzuwarten. Die Arbeitsgruppe befasst sich auch mit Fragen einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen.75 Die Position der Bundesregierung zum Treaty-Process und zur Arbeitsgruppe (2014) ist deutlich zurückhaltend.76 2. Ablehnung einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht Auch die fehlende Bereitschaft zur Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht lässt sich nachzeichnen. Hervorgehoben wurden in Teil II zum einen die materiell-rechtliche Ausgestaltung des Investitionsschutzes United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 25. 74 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 26. 75 United Nations Human Rights Council, Report on the second session of the open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, A/HRC/34/47, 04.01.2017. 76 Siehe oben Teil I, Kapitel 2; Martens/Seitz, Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln – Der „Treaty-Prozess“ bei den Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen, S. 5. 73
212 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz durch Schutzbestimmungen und zum anderen die Durchsetzung von Investorinteressen durch die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit. In Teil II wurde darlegt, dass der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsschutzrecht – sowohl durch IIAs als auch durch die InvestorStaat-Schiedsgerichtsbarkeit – gegenwärtig schwach ausgestaltet ist. Eine wesentliche Einbeziehung von Menschenrechten findet nicht statt. Es wurde weiterhin in Teil II dargelegt, dass sowohl materielle Bestimmungen als auch die Investor-StaatSchiedsgerichtsbarkeit für einen möglichen Schutz von Menschenrechten durch das internationale Investitionsschutzrecht fruchtbar gemacht werden können. Denkbar ist ein Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen durch Einbeziehung von Staaten- und Unternehmenspflichten in IIAs ebenso wie eine Berücksichtigung von Menschenrechten im Rahmen der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit. Zu einer Umsetzung der diskutierten Möglichkeiten, das internationale Investitionsschutzrecht zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen fruchtbar zu machen, ist es indes bisher nicht gekommen. a. UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte In den UN Leitprinzipien fehlt es an den oben aufgezeigten Möglichkeiten einer Integration des Menschenrechtsschutzes in das internationale Investitionsschutzrecht. Im Rahmenwerk von 2008 wurde die Bedeutung des internationalen Investitionsschutzrechts noch betont.77 Im Zusammenhang mit dem Rahmenwerk wurde anerkannt, dass IIAs Gaststaaten Schwierigkeiten bereiten können, Menschenrechte zu stärken, insbesondere aufgrund drohender Schiedsverfahren.78 In einem Zwischenbericht 2010 machte der Sonderbeauftragte auch die besondere Bedeutung des internationalen Investitionsschutzrechts und der möglichen, weitreichenden Auswirkungen von BITs deutlich.79 Dabei betonte er, dass Staaten beim Abschluss neuer Musterabkommen Schutzvorschriften mit Menschenrechten in United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 34 ff. 78 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 34 ff.: „Agreements between host governments and companies sometimes include promises to ‚freeze‛ the existing regulatory regime for the project’s duration, which can be a half-century for major infrastructure and extractive industries projects. During the investment’s lifetime, even social and environmental regulatory changes that are applied equally to domestic companies can be challenged by foreign investors claiming exemption or compensation.“ 79 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Business and Human Rights: Further steps toward the operationalization of the „protect, respect and remedy“ framework, A/HRC/14/27, 09.04.2010, Rn. 20. 77
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung213 Einklang bringen sollten, um ihrer staatlichen Schutzpflicht gerecht zu werden.80 Bindende Pflichten und Empfehlungen entsprechend den oben dargestellten Möglichkeiten einer Reform des internationalen Investitionsschutzrechts durch Unternehmenspflichten und Staatenpflichten resultierten aus diesen Feststellungen indes nicht. Die UN Leitprinzipien (2011) adressieren indirekt einen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen über das internationale Investitionsschutzrecht. Dies geschieht vor allem in der ersten Säule der UN Leitprinzipien, die die Schutzpflicht der Staaten (state duty to protect) zum Gegenstand hat. In Artikel 8 der UN Leitprinzipien heißt es, dass Staaten sicherstellen sollten, „dass staatliche Ministerien, Stellen und andere Einrichtungen auf staatlicher Grundlage, welche die Unternehmenspraxis beeinflussen, sich bei der Erfüllung ihres jeweiligen Mandats der Menschenrechtsverpflichtungen des Staates bewusst sind und diese beachten, unter anderem durch Bereitstellung entsprechender Informationen, Schulungen und Unterstützung.“ Dies bedeute auch, dass „Ministerien und Stellen auf nationaler wie subnationaler Ebene, die die Unternehmenspraxis beeinflussen, einschließlich derjenigen, die für […] Investitionen […] zuständig sind, dabei zu unterstützen und dazu zu befähigen, über Kenntnis der menschenrechtlichen Verpflichtungen der Regierung zu verfügen und auf damit vereinbare Weise zu handeln.“81 Damit werden zunächst die Staatenpflichten betont, die auch in Bezug auf Investitionen bestehen. Prinzip 9 macht darüber hinaus deutlich, dass Staaten sich „ausreichenden innerstaatlichen Politikspielraum zur Erfüllung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen erhalten [sollten], wenn sie mit anderen Staaten oder mit Wirtschaftsunternehmen geschäftsbezogene Politikziele verfolgen, wie etwa durch Investitionsschutzabkommenoder Investitionsverträge.“ Dadurch kann nach den UN Leitprinzipien das Mittel des internationalen Investitionsschutzrechts genutzt werden, den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen im Ausland geltend zu machen. Prinzip 9 wendet sich an die Gaststaaten, wenn es darum geht, innerstaatlichen Politikspielraum zur Erfüllung menschenrechtlicher Verpflichtungen zu erhalten. Gerade im Bereich des internationalen Investitionsschutzrechts wird indes deutlich, dass die UN Leitprinzipien immer auch eine Kehrseite in Bezug auf die 80 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Business and Human Rights: Further steps toward the operationalization of the „protect, respect and remedy“ framework, A/HRC/14/27, 09.04.2010, Rn. 20 f. United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Kommentar zu Prinzip 8. 81
214 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz Heimatstaaten haben.82 Denn der Abschluss von IIAs, die einen ausreichenden innerstaatlichen Politikspielraum der Gaststaaten vorsehen sollen, bedarf einen Heimatstaat als Vertragsstaat, der einen solchen Politikspielraum der Gaststaaten anerkennt. Da IIAs immer reziprok geschlossen werden, müssen sich die Staaten also gegenseitig einen ausreichenden Regulierungsspielraum einräumen. Die UN Leitprinzipien sehen auch die Bedeutung der Heimatstaaten transnationaler Mutterunternehmen. Denn nach Artikel 2 der UN Leitprinzipien sollten Staaten klar die Erwartung zum Ausdruck bringen, dass alle in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen und/ oder ihrer Jurisdiktion unterstehenden Wirtschaftsunternehmen bei ihrer gesamten Geschäftstätigkeit die Menschenrechte achten. Allerdings erkennen die UN Leitprinzipien damit keine Rechtspflicht zur Regulierung – etwa im Bereich des internationalen Investitionsschutzrechts – an.83 Für den Treaty-Process der UN Arbeitsgruppe zu Menschenrechten und Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen (2014) gelten auch in Bezug auf eine mögliche Einbeziehung von Menschenrechten durch in das internationale Investitionsschutzrecht die oben gemachten Ausführungen. Die Arbeitsgruppe thematisiert auch das Spannungsverhältnis zwischen Menschenrechten und internationalem Investitionsschutzrecht.84 Die Position Deutschlands und deutscher Wirtschaftsverbände ist wie ausgeführt bisher deutlich zurückhaltend.85 b. Strukturen des internationalen Investitionsschutzrechts Mehr noch als eine fehlende Umsetzungsbereitschaft stehen Strukturen, die sich aus dem internationalen Investitionsschutzrecht selbst ergeben, einer Umsetzung progressiver Ansätze im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte entgegen. Materielle Schutzstandards führen zusammen mit der Investor-Staat Schiedsgerichtsbarkeit gegenwärtig dazu, dass die Möglichkeiten der Gaststaaten, regulierend tätig zu Im Kontext der Europäische Union sind die Vertragsstaaten nicht mehr die einzelnen EU Heimatstaaten, sondern die Europäische Union selbst. Seit dem Vertrag von Lissabon besteht im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik nach Artikel 207 Absatz 1 AEUV eine ausschließliche Kompetenz der EU für ausländische Direktinvestitionen; differenzierend Johannsen, da den Mitgliedstaaten letztlich Einfluss auf Gestaltung der BITs verbleibe, Johannsen, Die Kompetenz der Europäischen Union für ausländische Direktinvestitionen nach dem Vertrag von Lissabon, S. 31 f. 83 Vgl. United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Kommentar zu Prinzip 2. 84 United Nations Human Rights Council, Report on the second session of the open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, A/HRC/34/47, 04.01.2017. 85 Siehe oben Teil I, Kapitel 2; Martens/Seitz, Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln – Der „Treaty-Prozess“ bei den Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen, S. 5. 82
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung215 werden und aktuelle Rechtslagen zu ändern, wegen der Annahme einer Verletzung materieller Schutzstandards beschränkt werden.86 „Faced with such constraints, some States may simply shy away from better regulating and controlling negative human rights and environmental impacts of European corporations investing in their countries.“87 Dies ist für den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte insoweit bedeutsam, wenn im Kontext der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit teilweise Entschädigungen in immenser Höhe Investorinnen und Investoren auch dann zugesprochen werden kann, wenn die zugrunde liegenden – die Entschädigungen begründenden – „Verletzungen“ materieller Standards in Gemeinwohl orientierten, regulativen Maßnahmen der Gaststaaten bestehen.88 Besorgniserregende, teils das System erodierende89 Fälle der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit sind jene Klagen auf Entschädigung, in denen der Gaststaat zwar legitime – auf verbindlichen internationalen Menschenrechtsregimen beruhende90 – Interessen verfolgt, aber dabei Interessen des Kapitals, in Form der wirtschaftlichen Interessen der Investoren, entgegenstehen. Die Kombination an starken materiellen Schutzstandards zusammen mit dem effektiven Mechanismus der Streitschlichtung in Form der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit einerseits und die schwache Ausgestaltung nicht-wirtschaftlicher Interessen andererseits führt zu dem, was im Bereich des internationalen Deutlich Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 20; University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 137 ff.; siehe auch Jacob, International investment agreements and human rights; Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 182, 191 ff.; auch Schill, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 2011, S. 253: „Investitionsschutzabkommen haben sich somit zu einem globalen Instrument entwickelt, das das Verhalten von Gaststaaten gegenüber ausländischen Investoren in Industrie- und Entwicklungsländern gleichermaßen beschränkt.“; Sornarajah, The international law on foreign investment, S. 227; Ceyssens, in: Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 20. 87 University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 139. 88 Krajewski/Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 182: „Während zuvor vor allem die völker(gewohnheits-)rechtliche Bewertung von direkten Enteignungen von praktischer und wissenschaftlicher Bedeutung war, geraten zunehmend regulative Eingriffe und ihre Bewertung als indirekte Enteignungen oder diskriminierende Behandlungen in den Mittelpunkt des Interesses.“; zur Problematik der Grenzziehung zwischen zulässiger Reulierung und entschädigungspflichtiger Enteignung Peterson, Human Rights and Bilateral Investment Treaties. Mapping the role of human rights law within investor-state arbitration, S. 20; Mann, International Investment Agreements, Business and Human Rights: Key Issues and Opportunities, S. 18. 89 Zum sogenannten „backlash against investment arrbitration“ und damit bezeichneten Krise des Investitionsschutzrechts siehe Waibel (Hrsg.), The backlash against investment arbitration; Schill, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 2011, S. 254; zur sogenannten Legitimationskrise Krajewski, Ensuring the primacy of human rights in trade and investment policies, S. 5 f.; Frank, in: Fordham Law Review 2005, S. 1521 ff. 90 Hierzu auch Jacob, International investment agreements and human rights, S. 13; Krajewski/ Ceyssens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 195. 86
216 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz Investitionsschutzrechts als „regulatory chill“91 bezeichnet wird.92 Durch Schiedsgerichtsentscheidungen drohende Entschädigungszahlungen führen dazu, dass Staaten bereits im Voraus – ohne verklagt zu werden – bestimmte regulative Maßnahmen, die unter Umständen gegen materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Direktinvestitionen verstoßen könnten, nicht vornehmen.93 Es kommt zu einem Unterlassen von Regulierung wegen drohender Klagen.94 Wird hier die oben ausgeführte Ausrichtung an Kapitalverwertungsbedingungen mit einbezogen, so erscheint die Annahme, dass die drohende Pflicht zum Schadensersatz den regulatorischen Spielraum der Gaststaaten eingeschränkt,95 als begründet. Dies wird auch als die „disziplinierend“ wirkende Ausgestaltung des internationalen Investitionsschutzrechts gegenüber nationalen Regelungen bezeichnet.96 Dem Gaststaat obliegt die Pflicht, dem Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen nachzukommen.97 Es lässt sich jedoch aufzeigen, dass Gaststaaten es wegen entgegenstehenden Kapitalinteressen unterlassen, für eine adäquate und effektive Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen Sorge zu tragen. Zwar bestehen keine Streitigkeiten, die arbeitsrechtliche Standards zum Gegenstand haben. Grundlegend ist indes zu sehen, dass es der gegenwärtigen Logik der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit wiederspricht, den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen einzubeziehen. 91 Tienhaara, in: Evolution in Investment Treaty Law and Arbitration; hierzu auch Jacob, International investment agreements and human rights, S. 13; United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 128; zum „chilling effect“ auch Krajewski, Ensuring the primacy of human rights in trade and investment policies, S. 11. 92 United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2015 – Reforming International Investment Governance, S. 128. 93 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 617; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 4 f.; „Vulnarable and/or corruptible governments may lack political will to enact or anforce corporate human rights liability laws, fearing that greater regulation and accountability, for example in the environment or labour arenas, may provoke TNCs to withdraw their investments“; Joseph, in: Liability of multinational corporations under international law, S. 78. 94 Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 177 mit weiteren Nachweisen. 95 Zur Möglichkeit der Einschränkung Public Statement on the International Investment Regime, abrufbar unter http://www.osgoode.yorku.ca/public-statement-international-investment-regime31-august-2010/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Jacob, International investment agreements and human rights, S. 13. 96 Schneiderman, Constitutionalizing economic globalization, S. 206; Krajewski, in: Kritische Justiz 2010, S. 390 f. 97 Siehe hierzu oben Teil II, Kapitel 8.
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung217 3. Ablehnung extraterritorialer Staatenpflichten Besonders deutlich wird die fehlende Bereitschaft extraterritoriale Staatenpflichten anzuerkennen durch die Arbeit des Sonderbeauftragten Ruggie und die UN Leitprinzipien. Auch aus deutscher Perspektive besteht zudem gegenwärtig keine Intention, extraterritoriale Staatenpflichten anzuerkennen. Teil II hat deutlich gemacht, dass extraterritoriale Staatenpflichten der Heimatstaaten zugunsten der Betroffenen in den Gaststaaten generell und aber auch im Kontext transnationaler Menschenrechtsverletzungen umstritten sind. Durch die Maastrichter Prinzipien hat die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte seit 2011 deutlichen Auftrieb erhalten. Diese erkennen die extraterritoriale Staatenpflicht der Heimatstaaten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte explizit an.98 Gleichzeitig wurde in Teil II dargelegt, in Bezug auf die extraterritoriale Reichweite der ILO Übereinkommender Wortlaut dieser Übereinkommen nicht explizit auf das eigene Territorium beschränkt ist und grundsätzlich eine offene Auslegung zulässt. Dies gilt mit der Einschränkung, dass den Übereinkommen 87 und 111 eine einschränkende Auslegung entnommen werden kann. a. Deutsche Position zu extraterritorialen Staatenpflichten Dem Menschenrechtsbericht der Bundesregierung 2016 zufolge werde Art und Umfang extraterritorialer Staatenpflichten zur Umsetzung der Menschenrechte auch im Zusammenhang mit Auslandsaktivitäten von Unternehmen zwar intensiv diskutiert.99 Dem Menschenrechtsbericht der Bundesregierung 2016 lässt sich indes keine Anerkennung extraterritorialer Staatenpflichten entnehmen. In diese Position fügt sich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Auswirkungen der Aktivitäten deutscher Unternehmen in China auf Arbeits-, Umwelt- und menschenrechtliche Bedingungen“ ein.100 Dort antwortete die Bundesregierung auf die Frage, wie die Bundesregierung die Diskussion um extraterritoriale Staatenpflichten in Bezug auf die Aktivitäten transnational agierender Unternehmen bewerte, lediglich mit einem Verweis auf die UN Leitprinzipien und die weitere Verbreitung und Implementierung der UN Leitprinzipien durch die UN Arbeitsgruppe (2011) zu Menschenrechten und transnationalen Unternehmen. Prinzip 1 der Maastrichter Prinzipien. Auswärtiges Amt, 12. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik Berichtszeitraum 1. März 2014 bis 30. September 2016, Berlin 2016, S. 137. 100 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 17/8860 – Auswirkungen der Aktivitäten deutscher Unternehmen in China auf Arbeits-, Umwelt- und menschenrechtliche Bedingungen, BT-Drucksache 17/9080 vom 22.03.2012. 98 99
218 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz Zudem verweist die darauf, dass die Bundesregierung diesen Prozess im Menschenrechtsrat unterstütze.101 Nach dem UN Menschenrechtsausschuss, dem UN Vertragsorgan zur Überwachung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, lehnt Deutschland etwa beim Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte eine über das eigene Territorium hinausgehende Reichweite ab.102 Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Vereinigungsfreiheit bei Tochterunternehmen deutscher Unternehmen103 ist in dieser Hinsicht aufschlussreich. Danach unterstützt die Bundesregierung „Unternehmen bei der Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt und der Implementierung der Menschenrechtsprinzipien.“ Darüber hinaus gehende rechtlich verbindliche Regelungen lehnt die Bundesregierung als extraterritoriale Maßnahmen ab.104 Die Qualifizierung solcher Regelungen als per se unzulässige extraterritoriale Maßnahmen ist jedoch nicht zutreffend. Je nach Ausgestaltung kommen durchaus verbindliche Regelungen der Sorgfalt in Betracht, die zulässige territoriale Rechtsetzung und -anwendung mit extraterritorialer Wirkung darstellen.105 Die Bundesregierung führt in der Antwort weiter aus, dass die „völkerrechtliche Verpflichtung zum Schutz und zur Umsetzung menschenrechtlicher Verpflichtungen […] in erster Linie bei dem Staat [liege], auf dessen Hoheitsgebiet das jeweilige Unternehmen tätig ist.“106 Damit vertritt die Bundesregierung deutlich den Status quo und steht einer Annahme extraterritorialer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 17/8860 – Auswirkungen der Aktivitäten deutscher Unternehmen in China auf Arbeits-, Umwelt- und menschenrechtliche Bedingungen, BT-Drucksache 17/9080 vom 22.03.2012, Rn. 10. 102 United Nations Human Rights Committee, Concluding observations: Germany, CCPR/CO/80/ DEU, 04.05.2004, Rn. 11: „The Committee notes with concern that Germany has not yet taken a position regarding the applicability of the Covenant to persons subject to its jurisdiction in situations where its troops or police forces operate abroad, in particular in the context of peace missions. It reiterates that the applicability of the regime of international humanitarian law does not preclude accountability of States parties under article 2, paragraph 1, of the Covenant for the actions of its agents outside their own territories.“; für die USA siehe United Nations Human Rights Committee, Concluding observations: United States of America. 15.09.2006. CCPR/C/USA/CO/3. 103 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/12588 – Vereinigungsfreiheit auch bei Tochterunternehmen deutscher Unternehmen sicherstellen, BT-Drucksache 17/12808 vom 20.03.2013. 104 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/12588 – Vereinigungsfreiheit auch bei Tochterunternehmen deutscher Unternehmen sicherstellen, BT-Drucksache 17/12808 vom 20.03.2013. 105 Hierzu siehe oben Teil II, Kapitel 7 und 8. 106 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD – Drucksache 17/12588 – Vereinigungsfreiheit auch bei Tochterunternehmen deutscher Unternehmen sicherstellen, BT-Drucksache 17/12808 vom 20.03.2013. 101
II. Entgegenstehende staatliche Ausrichtung219 Staatenpflichten ablehnend gegenüber. In ihrer Begründung verweist sie dabei auf die UN Leitprinzipien. Für den Treaty-Process der UN Arbeitsgruppe gelten auch in Bezug auf eine mögliche Annahme extraterritorialer Staatenpflichten die oben gemachten Ausführungen.107 In seiner Position zur Resolution 26/9 machte Deutschland 2014 deutlich, dass bestimmte Schritte, insbesondere verbindliche, mit Vorsicht zu genießen seien,108 und legte den Schwerpunkt auf einen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen durch den Gaststaat.109 b. UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte Die UN Leitprinzipien haben in ihrer ersten Säule die Pflicht des Staates zum Schutz der Menschenrechte (state duty to protect) zum Gegenstand.110 Die state duty to protect der UN Leitprinzipien betont die vorrangige Rolle der Staaten.111 Die UN Leitprinzipien erkennen die besondere Bedeutung von Exportkreditagenturen und damit implizit die extraterritoriale Respektierungspflicht an.112 Durch Bezugnahme auf das internationale Investitionsschutzrecht adressieren die UN Leitprinzipien in einem – wenn auch sehr begrenzten Umfang – extraterritoriale Staatenpflichten. Im Kommentar zu Prinzip 9 der UN Leitprinzipien heißt es, dass Staaten sicherstellen sollten, dass sie sich nach den Bedingungen von IIAs ausreichende politischen 107 Siehe oben unter Teil I, Kapitel 2. United Nations Human Rights Council, 26th session, 6th Meeting, 11.06.2014, Oral Statements, Germany: „However, we should beware of steps that undermine trust and the confidence that all stakeholders engage in good faith, otherwise we put this process in danger. Human rights-compatible economic development will not come about by remote control.“, abrufbar unter https:// extranet.ohchr.org/sites/hrc/HRCSessions/RegularSessions/26thSession/Pages/OralStatement. aspx?MeetingNumber=6&MeetingDate=Wednesday,%2011%20June%202014 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 108 United Nations Human Rights Council, 26th session, 6th Meeting, 11.06.2014, Oral Statements, Germany: „[…] first and foremost he prerogative of the states and communities most directly concerned.“, abrufbar unter https://extranet.ohchr.org/sites/hrc/HRCSessions/RegularSessions /26thSession/Pages/OralStatement.aspx?MeetingNumber=6&MeetingDate=Wednesday,%20 11%20June%202014 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 109 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzipien 1 bis 10. 110 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 1. 111 112 Hamm/Scheper, in: Handbuch der Menschenrechtsarbeit, S. 335.
220 Kapitel 10 Globale Wirtschaftsstrukturen vs. Menschenrechtsschutz und regulatorischen Handlungsspielraum zum Schutz der Menschenrechte erhalten, gleichzeitig aber den Investorinnen und Investoren den gebotenen Schutz gewähren. Mit der Anerkennung der Staatenpflicht wird jedoch insbesondere die territoriale Schutzpflicht und somit die Pflicht der Gaststaaten adressiert, auf ihrem Territorium den Schutz der für sie verbindlichen Menschenrechte gegenüber ihrer Bevölkerung sicherzustellen. In Prinzip 1 der UN Leitprinzipien heißt es dementsprechend, dass Staaten den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen gewähren müssen, die in ihrem Hoheitsgebiet und/oder ihrer Jurisdiktion von Dritten, einschließlich Wirtschaftsunternehmen verübt werden. In einem verminderten Umfang erweitern die Prinzipien den Blick auf transnationale Sachverhalte.113 Die Empfehlungen zu Staatenpflichten geben im Wesentlichen den Status quo der herrschenden Meinung im Völkerrecht wieder. Danach sind Staaten verpflichtet, auf dem eigenen Territorium Menschenrechte zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten, und zwar auch im Fall von Menschenrechtsverletzungen durch Dritte wie Unternehmen.114 Dem Kommentar zu Prinzip 2 der UN Leitprinzipien lässt sich allein entnehmen, dass nach dem gegenwärtigen Völkerrechtsverständnis eine extraterritoriale Schutzpflicht nicht bestehe, indes extraterritoriale Maßnahmen auch nicht verboten seien.115 113 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 2. 114 Allgemein zur Pflichtentrias der Respektierungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten siehe Shue, Basic rights, S. 52 f. („duty to avoid, duty to protect, and duty to aid“); Eide, in: Human Rights Law Journal 1989, S. 35 ff. („obligation to respect, protect, and fulfill human rights“); De Schutter, International Human Rights Law, S. 242 ff. 115 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Prinzip 2 – Kommentar Absatz 1: „Gegenwärtig verpflichten die Menschenrechte Staaten grundsätzlich nicht, die extraterritorialen Tätigkeiten in ihrem Hoheitsgebiet ansässiger und/oder ihrer Jurisdiktion unterstehender Unternehmen zu regulieren. Andererseits ist ihnen dies auch nicht generell untersagt, sofern dafür eine anerkannte Rechtsgrundlage vorhanden ist.“
Kapitel 11 Konsequenzen fehlender Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte Ausgehend von dem beschriebenen Konflikt zwischen Kapitalverwertungsinteressen global agierender Unternehmen auf der einen und einem effektiven Menschenrechtsschutz auf der anderen Seite, wird im Folgenden herausgearbeitet, dass die grundlegenden politisch-ökonomischen Strukturen der Weltwirtschaft in den bestehenden Menschenrechtsdiskurs nicht einbezogen werden (I.). In einem zweiten Schritt wird herausgearbeitet, inwiefern die fehlende Adressierung globaler Wirtschaftsstrukturen in der juristischen Diskussion negative Konsequenzen für einen effektiven Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen hat (II.). I. Fehlende Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen In der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte werden transnationale Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen weitgehend isoliert von Kapitalverwertungsinteressen von Unternehmen und Staaten, ihrer Manifestierung in einem liberalisierten Weltwirtschaftssystem und dem darin stattfindenden Wettbewerb der Staaten untereinander betrachtet. Auch Ansätze, die einen weitgehenden Menschenrechtsschutz favorisieren, schweigen teilweise vollständig in Bezug auf diese politisch-ökonomischen Sachverhalte.1 In einer für die Europäische Kommission angefertigten Studie zum relevanten Rechtsrahmen von Menschenrechts- und Umweltschutz in Bezug auf im Ausland tätige europäische Unternehmen heißt es ausdrücklich, dass politische 1 Vgl. Kinley/Tadaki, in: Virginia Journal of International Law 2004, S. 931 ff. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 221 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_11
222 Kapitel 11 Konsequenzen fehlender Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen… Schlussfolgerungen unterlassen werden.2 Die Frage der Beseitigung der in der Studie identifizierten Probleme und die Umsetzung durch mögliche Reformen werden demnach bewusst ausgespart. Oft benannt wird die wirtschaftliche Überlegenheit transnationaler Unternehmen, beispielsweise gemessen am Bruttoinlandsprodukt mancher Staaten.3 Zudem wird auch betont, dass „die wirtschaftliche Globalisierung […] dazu [führt], dass Staaten und andere globale Akteure beträchtlichen Einfluss auf die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte auf der ganzen Welt ausüben.“4 Gleichzeitig verlieren sich diese Feststellungen staatlicher Regulierungsfähigkeit und -notwendigkeit in den einleitenden Worten der Verfasserinnen und Verfasser, ohne sich in der anschließenden Auseinandersetzung wiederzufinden. Angesprochen wird als Ursache eines unzureichenden Menschenrechtsschutzes vielerorts auch der fehlende politische Wille der Gaststaaten5 und der Wettbewerb der Unternehmen untereinander.6 Die Folgen daraus werden allerdings nicht weiter ausgearbeitet und nicht zentral adressiert. Aus einem fehlenden politischen Willen und fehlenden Möglichkeiten in den Gaststaaten wird zwar gefolgert, dass etwa Rechtsstreitigkeiten auch in den Heimatstaaten ausgetragen werden sollten. Indes wird hier wiederrum nicht problematisiert, dass Heimatstaaten sich demselben Diktat wirtschaftlicher Interessen unterwerfen wie die Gaststaaten. Diese Tatsache University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 5: „The study is not intended to, and deliberately avoids, drawing political and policy conclusions in relation to the feasibility of the legal options it identifies.“ 3 Schmalenbach, in: Archiv des Völkerrechts 2001, S. 60; Kinley/Tadaki, in: Virginia Journal of International Law 2004, S. 933; Stern, in: The role of law in international politics, S. 248; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 1: „Given the enormous economic and consequent de facto political power exercised by TNCs, which is aided by the increased rate of globalized economic interdependence and freer international markets, it is not surprising that TNCs can and do influence the enjoyment of internationally recognized human rights […].“ 4 Präambel Maastrichter Prinzipien. 5 European Coalition for Corporate Justice, Principles and pathways: Legal opportunities to improve Europe’s corporate accountability framework, S. 8; Deva, in: Melbourne Journal of International Law 2004, S. 63: „[…] is improbable that a sizable number of states will establish an extraterritorial regulatory framework. States might, for example: lack the political will, give higher priority to the creation of an investment-friendly environment than to promotion of human rights, succumb to pressure from powerful corporate interests, or act in connivance with MNCs.“; zur „reluctance of states to harm international competetiveness“ siehe Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, S. 7; Woodroffe, in: Human rights standards and the responsibility of transnational corporations, S. 131 ff.; Joseph, in: Liability of multinational corporations under international law, S. 78; Joseph, Corporations and transnational human rights litigation, S. 4f.: „Vulnerable and/or corruptible governments may lack political will to enact or enforce corporate human rights liability laws, fearing that greater regulation and accountability, for example in the environment or labour arenas, may provoke TNCs to withdraw their investments.“. 6 Jägers, Corporate human rights obligations, S. 8; Joseph, in: Liability of multinational corporations under international law, S. 90 ff. 2
I. Fehlende Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen223 wird zwar gesehen, aber bleibt ohne weitere Konsequenz.7 Teilweise wird angesprochen, dass es sich letztlich um eine politische Form der Auseinandersetzung handelt, aber auch dies wird nicht weiter ausgeführt.8 Auch der – die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte 2005–2011 zentral dominierende – Sonderbeauftragte Ruggie adressierte zwar aus der Globalisierung folgende Probleme.9 Seine Antwort auf diese Probleme bestand indes vorwiegend in der Bereitstellung des Rahmenwerks.10 Von Anbeginn seiner Arbeit verfolgte der Sonderbeauftragte den Ansatz einer „principled form of pragmatism“.11 Dieser Ansatz ließe sich zu seinen Gunsten als Versuch auslegen, pragmatisch nach Lösungswegen zu suchen und dadurch das Menschenrechtsregime zu stärken.12 Joseph, in: Netherlands International Law Review 1999, S. 181: „Unfortunately, in the absence of such a legal obligation, home states have been reluctant to regulate the extraterritorial activities of their MNEs; they perceive that such regulation puts their corporations at a competitive disadvantage with other countries’ corporations.“ 8 Schmalenbach, in: Archiv des Völkerrechts 2001, S. 58 und 81: „[…] stände einer nationalen Regulierung grundsätzlich nichts im Wege. Alles weitere ist eine Frage der politischen und ökonomischen Abwägung.“ Auch Zerk, Multinationals and corporate social responsibility. Limitations and opportunities in international law, Summary. University of Edinburgh/Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the EU, Rn. 11, 240: „While the study is concerned with the European legal framework, it is worth noting that in an area such as extraterritorial jurisdiction over corporate human rights and environmental abuses, where the boundaries between what is legally required or permissible and what is the politically feasible or opportune are often blurred, the role of political will and commitment is crucial.“; Hörtreiter, in: Zwischenstaatliche Instrumente zur Stärkung der Unternehmensverantwortlichkeit, S. 12: „Vielmehr geht es darum, ob sich unter den Stakeholdern ein Konsens über das rechtspolitische Bedürfnis nach einer solchen Regelung herstellen lässt.“ 9 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 3; Ruggie, Just business, S. xxxv. 10 United Nations Human Rights Council, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, A/HRC/8/5, 07.04.2008, Rn. 17: „Therefore, more coherent and concerted approaches are required. The framework of ‚protect, respect, and remedy‘ can assist all social actors – governments, companies, and civil society – to reduce the adverse human rights consequences of these misalignments.“ 11 United Nations Commission on Human Rights, Promotion and Protection of Human Rights. Interim report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, E/CN.4/2006/97, 22.02.2006, Rn. 70 ff.; United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Business and Human Rights: Further steps toward the operationalization of the „protect, respect and remedy“ framework, A/HRC/14/27, 09.04.2010, Rn. 4 ff. 7 12 United Nations Commission on Human Rights, Promotion and Protection of Human Rights. Interim report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, E/CN.4/2006/97, 22.02.2006, Rn. 70 ff.: „In the Special Representative’s case, the basis for those judgements might best be described as a principled form of pragmatism: an unflinching commitment to the principle of strengthening the promotion and protection of human rights as it relates to business, coupled
224 Kapitel 11 Konsequenzen fehlender Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen… Indes erscheint sich der Pragmatismus des Sonderbeauftragten Ruggie sehr mit den wirtschaftlichen Realitäten zu arrangieren, wenn es darum gehen sollte, „nur“ zu Papier zu bringen, was der Status quo „zulässt“.13 Eine tiefergehende Auseinandersetzung, die eine Analyse der politisch-ökonomischen Struktur der Weltwirtschaft in die Erarbeitung effektiver Strategien zu einem besseren Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen miteinbezieht, findet sich nur vereinzelt.14 II. Konsequenzen der fehlenden Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen Die Ausrichtung staatlicher Politik in einer liberalisierten Weltwirtschaft, dem flexibel „agierenden Kapital in Konkurrenz mit anderen Staaten günstige Verwertungsvoraussetzungen zu verschaffen“,15 offenbart einen Konflikt zwischen Kapitalverwertungsinteressen und Menschenrechtsschutz. In dem Maße, in dem dieser Konflikt nicht adressiert wird, erscheinen Probleme bei der Identifizierung und Verhinderung transnationaler Menschenrechtsverletzungen lediglich als solche rein with a pragmatic attachment to what works best in creating change where it matters most – in the daily lives of people.“; Ruggie, UN Guiding Principles for Business and Human Rights. The Harvard Law School Forum on Corporate Governance and Financial Regulation, Kennedy School of Government and Harvard Law School, 2011: „In short, Guiding Principles encapsulates the Special Representative’s stated commitment to ‚principled pragmatism,‘ reflecting the world’s fundamental human rights expectations in a balanced way that takes account of the varied, complex global business landscape.“, abrufbar unter http://blogs.law.harvard.edu/corpgov/2011/04/09/unguiding-principles-for-business-human-rights/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 13 In diesem Sinne beispielsweise die Kritik von MISEREOR/Strohscheidt/Global Policy Forum Europe/Martens, Problematic Pragmatism The Ruggie Report 2008: Background, Analysis and Perspectives: „Thus Ruggie’s report falls way short of the expectations of civil society organisations. With his ‚principled pragmatism‘ approach, Ruggie formulates what he feels is politically feasible given the forces that be in society but does not state what would be desirable and necessary to protect human rights.“ 14 Instruktiv Simons, International Law’s Invisible Hand and the Future of Corporate Accountability for Violations of Human Rights, S. 7ff.; Wötzel, in: Corporate social responsibility – Mythen und Maßnahmen, S. 17: „Leider werden die Strukturen, die zu Arbeitsrechtsverletzungen führen, nicht angetastet.“; Love, in: SUR – International Journal on Human Rights 2014, S. 105 ff.; Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 6 f.; Ireland/Pillay, in: Corporate social responsibility and regulatory governance, S. 77 ff.; Prieto-Carrón/Lund-Thomsen/Chan u. a., in: International Affairs 2006, S. 977 ff.; in Bezug auf Arbeitsrechte Fudge, in: The legal protection of human rights; Aguirre, in: California Western International Law Journal 2004, S. 54: „[…] the state remains the primary duty holder in terms of ESCR. However, this article suggests this has little or no relevance within a global system dominated by economic factors […].“ 15 Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 103.
II. Konsequenzen der fehlenden Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen225 rechtlicher Art. Welche negativen Konsequenzen eine fehlende Einbeziehung entgegenstehender globaler Wirtschaftsstrukturen für den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen haben kann, wird im Folgenden an zwei Aspekten dargelegt. Erstens wird der Ausschluss progressiver Ideen durch die zentrale Ausrichtung an den UN Leitprinzipien thematisiert (1.). Zweitens wird die Verfestigung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung problematisiert (2.). 1. Ausschluss progressiver Ideen Problematisch ist die überwiegend fehlende Einbeziehung entgegenstehender globaler Wirtschaftsstrukturen für den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zunächst insoweit, als sie mit einer zentralen Ausrichtung an den UN Leitprinzipien einhergeht. Die Auseinandersetzung um und der Fokus auf das UN Rahmenwerk und die UN Leitprinzipien ist gegenwärtig vorherrschend.16 Die Auseinandersetzung, insbesondere in den letzten Jahren des Bestehens des Mandates des Sonderbeauftragten Ruggie, weist deutlich zentralisierte Züge auf und führt gerade zu einer Inklusion und Kontrolle möglicher Alternativen in das Konzept des Rahmenwerkes des Sonderbeauftragten, anstatt Raum für eine Herausforderung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung zu eröffnen.17 Eine zentrale Ausrichtung an den UN Leitprinzipien erfolgte vor allem auch durch die Vielzahl der Konsultationen des Sonderbeauftragten und die Einbindung zahlreicher Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft.18 Eine vergleichbare Einbeziehung findet auch durch die UN Arbeitsgruppe (2011) zu Menschenrechten und transnationalen Unternehmen19 statt. Das von der UN Arbeitsgruppe (2011) zu Menschenrechten und transnationalen Unternehmen jährlich veranstaltete Forum Wirtschaft und Menschenrechte Zur Position des Sonderbeauftragten Ruggie in der Auseinandersetzung auch Simons, International Law’s Invisible Hand and the Future of Corporate Accountability for Violations of Human Rights. 17 Zu einer Kritik der Arbeit des Sonderbeauftragten Ruggie und der Konsequenz eines niedrigen gemeinsamen Nenners siehe Bilchitz, in: SUR – International Journal on Human Rights 2010, S. 199 ff. 18 United Nations Human Rights Council, Report of the Special Representative of the SecretaryGeneral on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations „Protect, Respect and Remedy“ Framework, A/HRC/17/31, 21.03.2011, Einleitung zu den UN Leitprinzipien, Rn. 8 „Apart from the Framework’s intrinsic utility, the large number and inclusive character of stakeholder consultations convened by and for the mandate no doubt have contributed to its widespread positive reception. Indeed, by January 2011 the mandate had held 47 international consultations, on all continents, and the Special Representative and his team had made site visits to business operations and their local stakeholders in more than 20 countries.“ 19 Zur Arbeitsgruppe (2014) siehe oben Teil I, Kapitel 2. 16
226 Kapitel 11 Konsequenzen fehlender Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen… bringt diverse Akteure aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen, um im Kontext der UN Leitprinzipien die bestehenden Herausforderungen in der Umsetzung der UN Leitprinzipien zu diskutieren und den Dialog infragen Wirtschaft und Menschenrechte zu fördern.20 Die zentrale Ausrichtung an den UN Leitprinzipien lässt sich mittels verschiedener Akteure aufzeigen. Regierungen,21 Zivilgesellschaft,22 internationale Organisationen23 und Wissenschaft24 nehmen die UN Leitprinzipien als Ausgangspunkt und Grundlage für die Auseinandersetzung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. In der Folge fehlt es an einem Raum für Überlegungen jenseits des bestehenden rechtlichen Diskurses. Eine alternative Auseinandersetzung um die Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen in der Weltwirtschaftsordnung lässt sich nur schwer ausmachen.25 In diesem Sinne ist es zutreffend, festzustellen, dass es „eine potenzielle Schattenseite des Leitlinienprozesses [ist], dass alternative Diskursentwicklungen durch seinen großen Erfolg verschüttet werden könnten.“26 In eine andere Richtung könnte der sog. Treaty-Process, die Ausarbeitung eines international verbindlichen Abkommens im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte durch die 2014 eingesetzte UN Arbeitsgruppe (2014), weisen. Die Vgl. United Nations Office of the High Commissioner on Human Rights, United Nations Forum on Business and Human Rights, abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/Issues/Business/Forum/ Pages/ForumonBusinessandHumanRights.aspx (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017). 21 Für die Nationalen Aktionspläne, die aufbauend auf der Aufforderung der UN-Arbeitsgruppe zu Wirtschaft und Menschenrechten und auch der EU-Kommission zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien erarbeitet wurden, siehe Faracik, Study on the Implementation of the UN Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 8, 20 ff. 22 Siehe hierzu die stete Einbeziehung der Zivilgesellschaft etwa im UN Forum Wirtschaft und Menschenrechte United Nations Office of the High Commissioner on Human Rights, 2016 Forum on Business and Human Rights, Übersicht zu den Teilnehmenden (Companies, law firms & investor organisations, Civil Society; Business and employer organisations, International & regional bodies) abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/Issues/Business/Forum/Pages/2016ForumBHR. aspx (zuletzt aufgerufen am 10.08.2017); Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen, S. 5; MISEREOR/Germanwatch, Globales Wirtschaften und Menschenrechte. Deutschland auf dem Prüfstand; vgl. auch Harrison, An Evaluation of the Institutionalisation of Corporate Human Rights Due Diligence, S. 3 ff. 23 Organisation for Economic Co-operation and Development, Memorandum of Understanding between the Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) and the Association International Coordinating Committee of National Human Rights Institutions (ICC), S. 2. 24 Weissbrodt, in: Minnesota Journal of International Law 2014, S. 135 ff.; Sanders, The Impact of the „Ruggie Framework“ and the United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights on Transnational Human Rights Litigation; kritisch Deva/Bilchitz (Hrsg.), Human rights obligations of business. Beyond the corporate responsibility to respect?; Mares, The UN guiding principles on business and human rights. 25 Zu einer grundsätzlichen Kritik der möglichen eigenen Einschränkung siehe Kennedy, in: Harvard Human Rights Journal 2002, S. 110: „The human rights movement ties its own hands on progressive development.“ 26 Von Bernstorff, Die UN Guiding Principles on Business and Human Rights. Ein Kommentar aus völkerrechtlicher Sicht. 20
II. Konsequenzen der fehlenden Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen227 Ausarbeitung des Abkommens ist daher aufschlussreich. Die Position Deutschlands und deutscher Wirtschaftsverbände ist bisher deutlich zurückhaltend bis ablehnend zu beurteilen.27 Die Bedeutung der zentralen Ausrichtung an den UN Leitprinzipien lässt sich an Gramscis Beobachtung eines Trasformismo – basierend auf der politischen Praxis des italienischen Parlaments im ausgehenden 19. Jahrhundert – und an kritische Fragestellungen der (neo-)gramscianischen Internationalen Politischen Ökonomie anlehnen. Das Konzept des Trasformismo beschreibt eine taktische Hemmung der Politik durch moderate Reformen, um progressive Vorschläge und potenziell gefährliche Ideen kontrollieren zu können.28 „Trasformismo also absorbs counterhegemonic ideas and makes these ideas and makes these ideas consistent with hegemonic doctrine.“29 Transformismo soll politische Tendenzen, die beispielsweise eine Gegenreaktion gegen eine neoliberale Ausrichtung der Wirtschaft darstellen könnten, einschränken.30 In diesem Sinne können auch Tendenzen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte und die Entwicklung der UN Leitprinzipien betrachtet werden, wenn es zu einer zentralen Ausrichtung an den UN Leitprinzipien kommt und darin zu einer Inklusion und Kontrolle möglicher Alternativen sowie gleichzeitig zu einer Ausblendung entgegenstehender globaler Wirtschaftsstrukturen und progressiver Ansätze. In diesem Licht betrachtet kann die zentrale Ausrichtung an den UN Leitprinzipien dazu führen, dass progressiven Vorschlägen – wie sie in Teil II diskutiert wurden – der Boden entzogen wird.31 Interessenkonflikte werden – indem sie gar nicht erst thematisiert werden – nivelliert. Eine Auseinandersetzung oder Infragestellung der Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen Zu verschiedenen Vorschlägen siehe Martens/Seitz, Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln – Der „Treaty-Prozess“ bei den Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen, S. 1 ff. 28 Hierzu Cox, in: Millennium: Journal of International Studies 1983, S. 166; Gill, Power and resistance in the new world order, S. 173. 29 Cox, in: Millennium: Journal of International Studies 1983, S. 173; Cox, Weltordnung und Hegemonie – Grundlagen der „Internationalen Politischen Okonomie“, S. 75 f. 30 Gill, Power and resistance in the new world order, S. 173. 31 Ähnlich wie der Wohlfahrtstaat eine notwendige Bedingung war für das weitere Voranschreiten der kapitalistischen Staaten im Zentrum, vgl. Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 15: „Die damit verbundene ökonomische und politische Vorherrschaft der Zentren schuf nun ihrerseits die materiellen Spielräume für soziale Zugeständnisse, mit denen die internen Klassengegensätze einigermaßen befriedbar waren und ohne die demokratische politische Verhältnisse auf längere Sicht kaum hätten stabil sein können.“, 110: „Trotz aller Bekenntnisse zum freien Welthandel und zur unbeschränkt globalen Konkurrenz setzen sich daher protektionistische Praktiken faktisch fort, wird der Weltmarkt durch widersprüchliche Tendenzen von Globalisierung und Regionalisierung, Liberalisierung und Abschottung gekennzeichnet und bricht sich die Strategie eines flexibilisierenden Sozialstaatsabbaus immer noch an der Notwendigkeit, Wahlerfolge durch gewisse materielle Konzessionen abzusichern.“ und 111: „Soziale Spaltungs- und Ausgrenzungsprozesse konnten dadurch bis zu einem gewissen Grade materiell abgefedert und so politisch entschärft werden.“ 27
228 Kapitel 11 Konsequenzen fehlender Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen… findet nicht statt. Dieser eigentlich politische Konflikt wird nicht adressiert, stattdessen wird ein Konsens suggeriert, auch unter (formaler) Einbeziehung der Zivilgesellschaft aus dem globalen Süden. Damit realisiert sich die Stumme Gewalt des Kapitals32 – als sei dieser Konflikt nicht vorhanden. „Die Unterwerfung nationaler Regierungen unter das Diktat der ‚Standortpolitik‘ hat Folgen, die denen der berüchtigten Auflagen (‚Konditionalitäten‘) des Internationalen Währungsfonds für ökonomisch abhängige Länder entsprechen, allerdings mit dem Unterschied, daß sie ohne besondere institutionelle Mechanismen auskommen und somit politisch weniger verortbar und zugleich umfassender wirksam sind.“33 In diesem Sinne ist es dann zutreffend, wenn es heißt: „The lie of labor law, then, is that it pretends to guarantee people their rights while in fact sacrificing them to the illegitimate interests of management and union bureaucracy.“34 Vertagt die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte die Einbeziehung bestehender Strukturhindernisse, ist es durchaus möglich, dass sie schlicht billigend gegenüber Tendenzen und Auswirkungen der globalen Weltwirtschaftsordnung wirkt. Losgelöst von bestehenden Strukturhindernissen, wie der Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen, führt die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte dann zu dem Paradox, den Status quo zu legitimieren und dem Race to the bottom keinen effektiven Widerstand entgegenzusetzen.35 Mit der fehlenden Einbeziehung behandelt die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte somit allenfalls Symptome, nicht Ursachen der Probleme.36 Das politische Feld möglicher Steuerung der Weltwirtschaftsordnung wird stattdessen anderen, insbesondere den Protagonisten der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung, überlassen. Vgl. Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 19; siehe auch Eppler, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hrsg.), Der Sound des Sachzwangs, S. 140, demzufolge offen artikulierter Druck nicht erforderlich sei. 33 Hirsch, Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, S. 104. 34 Kennedy, in: Industrial Relations Law Journal 1981, S. 504. 35 Zu diesem Paradox sowie zu möglichen negativen Auswirkungen der fehlenden Einbeziehung und grundlegenden Infragestellung der Ökonomie siehe Kennedy, in: Harvard Human Rights Journal 2002, S. 109: „Insulating the economy. Putting these narrowings together often means defining problems and solutions in ways not likely to change the economy. Human rights foregrounds problems of participation and procedure, at the expense of distribution, implicitly legitimating the existing distributions of wealth, status and power in societies.“ 36 Zur verfehlten Symptom- statt Ursachenbehandlung siehe Kennedy, in: Harvard Human Rights Journal 2002, S. 118: „Treating symptoms. Human rights remedies, even when successful, treat the symptoms rather than the illness, and this allows the illness not only to fester, but to seem like health itself.“. Zu einer Kritik an einer Hegenomie der Menschenrechte siehe Kennedy, The dark sides of virtue, S. 8 ff., der darauf hinweist, wie es zu einer Exclusion und Abwertung anderer progressiver Ideen auch im Bereich des Menschenrechtsschutzes kommen kann. 32
II. Konsequenzen der fehlenden Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen229 2. Verfestigung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung Aus Teil II und Teil III wird deutlich, dass einem effektiven Schutz der Interessen ökonomischer Akteure lediglich weiche, unverbindliche Instrumente zum Schutz von Menschenrechten gegenüberstehen.37 Diese „rechtliche Asymmetrie“38 im Blick ist die Ausblendung wesentlicher Wirtschaftsstrukturen besonders problematisch, wenn es zusätzlich zu einer Verfestigung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung kommt. Das Konzept des Neuen Konstitutionalismus (new constitutionalism) beschreibt gerade eine solche Verfestigung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung.39 Folge des Neuen Konstitutionalismus sind strukturell gegen politischen Druck immune Regime.40 Staaten werden dadurch in der Ausübung ihrer Möglichkeit und ihres Rechts zur Regulierung beschränkt.41 Dies läuft folglich auf eine Isolierung der Wirtschaft von (nationaler) Politik hinaus.42 Der Neue Konstitutionalismus beschreibt die Verfestigung eines „disziplinierenden Neoliberalismus“ auch am Beispiel des internationalen Investitionsschutzrechts.43 IIAs und die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit sind wichtiger Bestandteil des Neuen Konstitutionalismus.44 Der Neue Konstitutionalismus sichert hier Eigentums- und Investorenrechte.45 Lassen sich andere als wirtschaftliche Interessen Zu dieser „Asymmetrie“ von Bernstorff, Die UN Guiding Principles on Business and Human Rights. Ein Kommentar aus völkerrechtlicher Sicht; Ireland/Pillay, in: Corporate social responsibility and regulatory governance, S. 77 ff. 38 Von Bernstorff, Die UN Guiding Principles on Business and Human Rights. Ein Kommentar aus völkerrechtlicher Sicht. 39 Zum Neuen Konstitutionalismus Gill, Power and resistance in the new world order, S. 123 ff., S. 161: „to extend, deepen and lock in neo-liberal governance“; besonders zum Neuen Konstitutionalismus und dem internationalen Investitionsschutzrecht Schneiderman, Constitutionalizing economic globalization; Scherrer, in: PROKLA Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 2000, S. 13 ff.; Krajewski, in: Kritische Justiz 2010, S. 387 ff.; Nicol, in: The legal protection of human rights, S. 232; für eine Auseinandersetzung mit der Theorie des Neuen Konstitutionalismus in Bezug auf Wirtschaft und Menschenrechte siehe Ireland/Pillay, in: Corporate social responsibility and regulatory governance, S. 77 ff.; in Bezug auf das internationale Investitionsschutzrecht und Menschenrechte Curtis, Human Rights & Foreign Investment, S. 7 ff. 40 Schneiderman, Constitutionalizing economic globalization; Gill, Power and resistance in the new world order; Ireland/Pillay, in: Corporate social responsibility and regulatory governance, S. 77 ff. 41 Gill, in: Millennium: Journal of International Studies 1995, S. 412; Gill, Power and resistance in the new world order, S. 170: „[…] insulation of key aspects of the economy from the influence of politicians […] by imposing […] binding constraints.“; Schneiderman, in: Law & Social Inquiry 2000, S. 763 f.; Ireland/Pillay, in: Corporate social responsibility and regulatory governance, S. 77 ff.; Muchlinski, Multinational enterprises and the law, S. 578 ff. 42 Schneiderman, in: Law & Social Inquiry 2000, S. 757. 43 Gill, Power and resistance in the new world order, S. 168: „[…] underpinning the extension of the disciplinary power of capital on a world scale.“ 44 Schneiderman, in: Law & Social Inquiry 2000, S. 759. 45 Gill, Power and resistance in the new world order, S. 168. 37
230 Kapitel 11 Konsequenzen fehlender Einbeziehung globaler Wirtschaftsstrukturen… in der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit kaum durchsetzen, führt gerade die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit mit der ihr innewohnenden Drohung von Entschädigungszahlungen zu einer Einschränkung des Verhaltens der Gaststaaten (regulatory chill).46 Dadurch wird auch die disziplinierende Wirkung des internationalen Investitionsschutzrechts durch die Investor-Staat Schiedsgerichtsbarkeit deutlich.47 Neben dieser disziplinierenden Wirkung des internationalen Investitionsschutzrechts tritt die erschwerte Abänderbarkeit des internationalen Investitionsschutzrechts.48 Diese stellt sich insbesondere durch die langen Vertragslaufzeiten her. Die meisten BITs enthalten Bestimmungen über die Vertragslaufzeit. Zu den langen Vertragslaufzeiten kommen sogenannte survival clauses, die dazu führen, dass der Schutz eines BITs über die Vertragslaufzeit hinaus Wirkung entfaltet. Im deutschen Mustervertrag heißt es hierzu unter Artikel 13 (entry into force, duration and notice of termination): „In respect of investments made prior to the date of termination of this Treaty, the provisions of the above Articles shall continue to be effective for a further period of twenty years from the date of termination of this Treaty.“ Gerade durch die erschwerte Abänderbarkeit kommt dem internationalen Investitionsschutzrecht ein Verfassungen vergleichbarer Status zu. Anders als Verfassungen, die Ausdruck demokratischer Entscheidungsprozesse sind, verfestigen sich durch das internationale Investitionsschutzrecht indes überwiegend Wirtschaftsinteressen. In der Folge bewegen sich Kapitalverwertungsinteressen und Weltwirtschaftsordnung, hier am Beispiel des disziplinierenden und konstitutionalisierenden internationalen Investitionsschutzrechts, in einer sich gegenseitig verstärkenden Spirale, in der nicht-wirtschaftliche Interessen des Menschenrechtsschutzes kaum Platz finden. Unter Berücksichtigung der Verfestigung im internationalen Investitionsschutzrecht handelt es sich in der Folge um einen Konflikt, in dem sich Kapitalverwertungsinteressen gegenüber dem Menschenrechtsschutz durchsetzen. Eine solche Verfestigung ist im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte dadurch besonders problematisch, dass gerade die Strukturen der bestehenden Weltwirtschaftsordnung wie aufgezeigt einer Umsetzung progressiver Ansätze entgegenstehen. Hierzu siehe oben Teil II, Kapitel 8. Krajewski, in: Kritische Justiz 2010, S. 390 f. 48 Krajewski, in: Kritische Justiz 2010, S. 387; Behrens, in: Archiv des Völkerrechts 2007, S. 172 ff.; Schneiderman, in: Law & Social Inquiry 2000, S. 771. 46 47
Teil IV Schlussbetrachtung
Kapitel 12 Zusammenfassung Zentrales Anliegen der Arbeit war, dem Problem des fehlenden effektiven Schutzes vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen nachzugehen und Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen auch im Kontext globaler ökonomischer Bedingungen zu analysieren. Zu diesem Zweck erfolgte in Teil I eine Einführung in die Thematik von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen. Es wurde nachgezeichnet, dass Unternehmensaktivitäten sich auf das gesamte Spektrum der Menschenrechte auswirken, auf bürgerliche und politische Rechte ebenso wie auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und auf internationale Arbeitsrechte. Zudem wurde dargestellt, dass Aktivitäten von Unternehmen und damit einhergehende Menschenrechtsverletzungen in den verschiedensten Sektoren stattfinden. Urheber der diskutierten Rechtsverletzungen sind stets natürliche Personen. Dennoch ereignen sich die Rechtsverletzungen im Kontext wirtschaftlicher Unternehmensaktivitäten. Diese Unternehmen standen im Fokus der Arbeit. Die Arbeit berücksichtigte dabei nicht nur gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmen (also die klassischen Mutter-Tochter-Gesellschaftsstruktur), sondern auch die Möglichkeit einer menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen in globalen Lieferketten. Seit 2005, dem Beginn des Mandats des Sonderbeauftragten Ruggie, ist die Arbeit des Sonderbeauftragten in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte gerückt. Dies bezieht sich insbesondere auf die 2011 vorgelegten UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte als Mittel der Implementierung des zuvor 2008 entworfenen Rahmenwerkes. Die UN Leitprinzipien stellen seither den „Focal point“ für die Debatte Wirtschaft und Menschenrechte dar. Die Zahl der Kritikerinnen und Kritiker blieb gering. Vor dem Hintergrund vergangener, gegenwärtiger und fortdauernder transnationaler Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen haben sich darüber hinaus (und bereits vor Entstehung © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 233 S. Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, Interdisziplinäre Studien zu Menschenrechten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56780-7_12
234 Kapitel 12 Zusammenfassung des Rahmenwerkes und der UN Leitprinzipien) eine Vielzahl diverser, sich teils überschneidender und auch ergänzender Ansätze entwickelt, um Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu begegnen. Die Ansätze haben eine weite Bandbreite, von freiwilligen Initiativen bis hin zu verbindlicher Regulierung. In Teil II wurde aufgezeigt, dass und inwieweit eine Konstitution effektiver rechtlicher Verantwortung überhaupt möglich ist. In diesem Hauptteil wurden drei Ansätze untersucht, die eine rechtliche Verantwortlichkeit für die Verletzung von Menschenrechten im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu konstituieren versuchen. Diese sollten wesentliche Positionen widerspiegeln und als Grundlage für Überlegungen über Potenzial und Grenzen der gegenwärtigen Auseinandersetzung um Möglichkeiten im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen dienen. Zusammenfassend stellen sich die diskutierten Ansätze überzeugende Möglichkeiten dar, transnationalen Menschenrechtsverletzungen national sowie international zu begegnen. Dies gilt unter dem Vorbehalt notwendiger Rechtsänderungen de lege ferenda. Gegenwärtig ist die Rechtslage nach wie vor in allen drei behandelten Bereichen defizitär. Im Einzelnen kam die Arbeit zu folgenden Ergebnissen. Der erste diskutierte Ansatz hatte die privatrechtliche Geltendmachung der im Ausland begangenen Menschenrechtsverletzungen vor Gerichten der Heimatstaaten im Wege einer zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen zum Gegenstand. Dieser Ansatz stellt in Deutschland bisher nur ansatzweise eine Möglichkeit dar, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen zu begegnen. Gegenwärtig ist es nicht möglich, transnationale Mutterunternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten ihrer transnationalen Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe haftbar zu machen. De lege lata lässt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für zivilrechtliche Haftungsklagen durchaus dann begründen, wenn sich das Begehren gegen Mutterunternehmen mit Sitz oder Gründungsort in Deutschland richtet. In diesem Fall bestehen Defizite weniger in der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte als in der Frage nach der Begründung eines materiellen Haftungsanspruches gegen eben jene Unternehmenseinheiten. Im Hinblick auf die Frage nach dem anwendbaren Recht lässt sich de lege lata zusammenfassen, dass es im Regelfall zu einer Anwendung des Rechts des Gaststaates nach Artikel 4 Absatz 1 Rom II VO kommen wird. Die Anwendung des deutschen Rechts über eine Eingriffsnorm im Sinne von Artikel 16 Rom II VO bedürfte einer entsprechenden Regelung. Eine Anwendung des Rechts der Gasstaaten ist im Hinblick auf eine Haftung auch oder allein von transnationalen Mutterunternehmen problematisch. Eine Haftung wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten oder Kontrollpflichten stellt, wenn sie durch das Recht des Gaststaates erfolgt, eine unzulässige extraterritoriale Regulierung des Gaststaates dar. Somit würde die Anwendung allein des Rechts der Gaststaaten keine Haftung der transnationalen Mutterunternehmen ermöglichen. In
Kapitel 12 Zusammenfassung235 Bezug auf die materiell-rechtliche Ausgestaltung der Unternehmenshaftung nach deutschem Deliktsrecht findet sich bisher nur wenig Grundlage für eine Durchsetzung einer Unternehmenshaftung. Es finden sich allenfalls erste Anknüpfungspunkte im gegenwärtigen Recht. Materiell-rechtlich hat sich auch ein Durchgriff als Grundlage für eine Haftung transnationaler Mutterunternehmen in der deutschen Rechtsprechung noch nicht etabliert. Auch Sorgfaltspflichten von Mutterunternehmen mit dem Inhalt, eine Aufsicht und Kontrolle über Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe im Ausland auszuüben, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, sind im deutschen Recht bisher nicht anerkannt. Konsequenz der bestehenden Rechtslage hinsichtlich der deliktischen Haftung transnationaler Mutterunternehmen ist folglich, dass aufgrund der Trennung juristischer Personen und der Haftungsbeschränkung eine zivilrechtliche Haftung deutscher Mutterunternehmen und belieferter Unternehmen nach deutschem Recht nicht besteht. Um in Deutschland eine zivilrechtliche Haftung auch der Mutterunternehmen zu begründen, bedarf es der Einführung einer Pflicht seitens der transnationalen Mutterunternehmen und belieferten Unternehmen, um bei einer Verletzung durch transnationale Tochterunternehmen und Zulieferbetriebe einen Durchgriff auf die Mutterunternehmen bzw. die Verletzung einer eigenen Sorgfalt der Mutterunternehmen zu begründen. Durchgriff und Sorgfaltspflichten stehen weder deliktsrechtliche, gesellschaftsrechtliche noch völkerrechtliche Bedenken grundlegend entgegen. Entgegen der deutschen Rechtslage deuten jedoch ausgewählte Entscheidungen im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden sowie das französische Gesetz zu neuen Sorgfaltspflichten von Unternehmen an, dass eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen möglich und unter bestimmten Voraussetzungen erfolgreich sein kann. Der zweite Ansatz untersuchte das internationale Investitionsschutzrecht. Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsschutzrecht ist gegenwärtig ebenfalls schwach ausgestaltet. IIAs räumen durch materielle Bestimmungen zum Schutz von ausländischen Investitionen Investorinnen und Investoren zahlreiche substanzielle Rechte ein. Insbesondere durch Mindeststandards und deren Auslegung durch Investor-Staat-Schiedsgerichte erfährt das Recht des Gaststaates zur Regulierung eine deutliche Beschränkung. Am Beispiel der Entschädigungspflicht bei indirekter Enteignung wegen staatlicher Regulierung wird das Spannungsverhältnis zwischen Investitionsschutz und staatlicher Regulierung, vor allem wegen der Einschränkung staatlicher Regulierungsspielraume durch das internationale Investitionsschutzrecht, deutlich. Trotz dieser gegenwärtigen Einschränkungen ließ sich aufzeigen, dass ein Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen durch IIAs ebenso wie durch den Mechanismus der Streitschlichtung möglich ist. Es kommt eine Berücksichtigung von Menschenrechten durch eine Einbeziehung in IIAs mittels Unternehmenspflichten in Betracht. Des Weiteren ist denkbar, Staatenpflichten zur Einhaltung von Menschenrechten und internationalen arbeitsrechtlichen Normen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen in IIAs zu integrieren.
236 Kapitel 12 Zusammenfassung Die sich aus dem internationalen Investitionsschutzrecht ergebenden materiellen Schutzstandards könnten zum Teil einer Umsetzung der diskutierten Vorschläge entgegenstehen. Eine neue Regulierung, bei der Staaten etwa zum Schutz der Menschenrechte von ihrem Recht zur Regulierung Gebrauch machen, könnte mit materiellen Standards des internationalen Investitionsschutzrechts kollidieren. Allerdings wurde verdeutlicht, dass dies keine Bedenken sind, die gegen die Möglichkeiten einer Regulierung in Form einer Einbeziehung von Menschenrechten in das internationale Investitionsschutzrecht sprechen. Abschließend wurde das Potenzial extraterritorialer Staatenpflichten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen untersucht und aufgezeigt, dass es möglich ist, diese zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zunutzen. Der Begriff der extraterritorialen Staatenpflichten bezieht sich auf jene völkerrechtlichen Pflichten, die einem Staat außerhalb des eigenen Territoriums zukommen. Dadurch erfolgt eine Ausweitung des Menschenrechtsschutzes über nationale Grenzen hinaus. Unmittelbar relevanteste Staatenpflicht der Pflichtentrias ist im Kontext transnationaler Menschenrechtsverletzungen die staatliche Schutzpflicht. Ob Staatenpflichten auch extraterritorial – somit zugunsten der Betroffenen in den Gaststaaten – Geltung beanspruchen können, ist umstritten. Es ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass sich dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte derzeit nur beschränkt eine extraterritoriale Anwendbarkeit entnehmen lässt. Im Gegensatz hierzu lässt der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte deutlich mehr Raum, eine Annahme extraterritorialer Schutzpflichten zu begründen. In Bezug auf die extraterritoriale Reichweite der ILO Übereinkommen zum Schutz der Kernarbeitsnormen ist – mit Ausnahme der Übereinkommen 87 und 111 – der Wortlaut nicht explitit auf das eigene Territorium beschränkt und lässt grundsätzlich eine offene Auslegung zu. Wesentlichen Auftrieb hat die Annahme extraterritorialer Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte 2011 durch die Annahme der Maastrichter Prinzipien erhalten. Die Maastrichter Prinzipien erkennen extraterritoriale Staatenpflichten explizit an. Dies gilt vor allem für den Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, aber auch für bürgerliche und politische Rechte. Werden bisher extraterritoriale Staatenpflichten noch restriktiv ausgelegt, konnte die Möglichkeit aufgezeigt werden, durch Annahme einer extraterritorialen Pflicht der Heimatstaaten, regulierend im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte tätig werden zu müssen. Dass dem Heimatstaat aus dem Ermessensspielraum mehrere Handlungsoptionen zur Verfügung stehen, relativiert die Bedeutung extraterritorialer Staatenpflichten nicht. Eine Möglichkeit der Erfüllung extraterritorialer Staatenpflichten besteht in der gesetzlichen Festlegung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Zusammenfassend ergab die Untersuchung der ausgewählten Ansätze in Teil II demnach, dass weder das geltende Zivilrecht, noch das Völkerrecht eine effektive rechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, die im transnationalen Kontext wirtschaftlich agieren, begründen. Gleichzeitig konnte festgestellt werden, dass durch Änderungen des nationalen Rechts sowie des Völkerrechts bestehenden Defiziten begegnet werden kann.
Kapitel 12 Zusammenfassung237 Darauf aufbauend wurde in Teil III aufgezeigt, dass Fragen nach dem Zusammenspiel und der Vereinbarkeit von Kapitalverwertungsinteressen und Menschenrechten gegenwärtig kaum adäquaten Raum finden, artikuliert zu werden. Teil V verdeutlichte das Spannungsverhältnis zwischen Menschenrechen und ökonomischer Globalisierung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Hierzu wurde zunächst herausgestellt, dass gegenwärtige Wirtschaftsinteressen sowie ihre Verrechtlichung und darüber hinaus die rechtliche Verfestigung von Kapitalverwertungsinteressen wesentliche Hindernisse im Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen darstellen. Die sich aus der bestehenden Weltwirtschaftsordnung beschriebenen Realitäten und wesentlichen Strukturen stehen der Realisierung von Ansätzen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen entgegen. Wesentliches Hindernis ist die Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen, mithin die staatliche Abhängigkeit von und der Wettbewerb um Investitionen. Denn Regulierung als staatliches Steuerungsinstrument wird zugunsten von Kapitalverwertungsinteressen eingesetzt, und nicht zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen. Die Auswirkungen globaler Wirtschaftsregime auf Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen wurden durch die bisher jeweils fehlende Umsetzungsbereitschaft in Bezug auf die diskutierten Steuerungsmechanismen aufgezeigt. Mehr noch als eine fehlende Umsetzungsbereitschaft stehen Strukturen, die sich beispielsweise aus dem internationalen Investitionsschutzrecht selbst ergeben, einer Umsetzung progressiver Ansätze im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte grundlegend entgegen. Der Durchsetzung von Kapitalinteressen und der Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen entsprechen damit die bisher vorzeigbaren – aus der Perspektive der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wenig effektiven – Ergebnisse in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte. Zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen gelingt es nach wie vor allein, unverbindliche Leitsätze und unverbindliche Verhaltenskodizes zu etablieren. Derart weiche Mechanismen gehen d'accord mit der bestehenden Weltwirtschaftsordnung, dem globalen Wettbewerb und Kapitalverwertungsinteressen, soweit sie internationalen Investitionen und Welthandel kaum im Wege stehen. Wie sich aufzeigen ließ, führt die Ausrichtung an Kapitalverwertungsinteressen und der Wettbewerb der Staaten untereinander zu einem Zielkonflikt mit einem effektiven Menschenrechtschutz, soweit die Ausrichtung der Staaten an Kapitalverwertungsbedingungen der Verwirklichung überzeugender Ansätze zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen entgegensteht. In der Folge lässt sich daher zu Recht schlussfolgern, dass jedenfalls zum Schutz der Menschenrechte ein geringes Interesse der Staaten besteht, Unternehmen Regulierungen zu unterwerfen. Bedeutsam wird dann die fehlende Hierarchie zwischen internationalen Regimen dadurch, dass – de facto – diese verschiedenen Regime nicht isoliert nebeneinander, sondern miteinander in Konkurrenz stehen. Die im Völkerrecht fehlende Hierarchie zwischen den verschiedenen internationalen Rechtsregimen bedeutet – wie sich unschwer im Hinblick auf die fehlende Umsetzungsbereitschaft als Resultat der Strukturen der Weltwirtschaftsordnung
238 Kapitel 12 Zusammenfassung nachvollziehen lässt – auch, dass das bloße Bestehen kodifizierter Menschenrechte Konflikte mit anderen, konkurrierenden Interessen nicht löst. Verschärfend kam die Beobachtung hinzu, dass gerade die Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte diese Hindernisse nicht zentral adressiert. Globale Wirtschaftsstrukturen und die damit einhergehende staatliche Ausrichtung, dem Kapital in Konkurrenz mit anderen Staaten günstige Verwertungsvoraussetzungen zu verschaffen, führt zu Spannungen zwischen Kapitalverwertungsinteressen und Menschenrechtsschutz. Dies wird in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte indes nicht zentral adressiert. In der Folge erscheinen Probleme in der Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen nicht als solche, die im Zusammenhang mit Ausrichtung an Kapitalverwertungsinteressen stehen, sondern als rein rechtliche Hindernisse. Infolge dieser zentralen Ausrichtung an den UN Leitprinzipien kann die gegenwärtige Ausblendung wesentlicher Wirtschaftsstrukturen dazu führen, dass anderen Möglichkeiten zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen der Raum entzogen wird. Einem schwach ausgestalteten Menschenrechtsschutz steht gegenwärtig ein hartes Wirtschaftsvölkerrecht gegenüber. Dieser Gegensatz gestaltet sich besonders problematisch, wenn es zu einer steten Verfestigung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung kommt. Staaten haben de iure grundsätzlich die Wahl, welchen Bereich sie jeweils zugunsten bzw. zulasten des anderen regulieren. Gerade auch die effektive staatliche Steuerung zugunsten von Kapitalverwertungsinteressen zeigt, dass Staaten weiterhin die wesentlichen Akteure der Weltwirtschaft sind. Sie unterliegen nicht hilflos der bestehenden Ordnung, sondern schaffen sie stetig neu und stabilisieren sie. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Wahl zwischen Kapitalverwertungsinteressen und Menschenrechten in der Regel zugunsten jener Regime getroffen wird, die sich an Kapitalverwertungsinteressen ausrichten. Ebenso kann der Schluss gezogen werden, dass die Ausrichtung an Kapitalverwertungsinteressen keinen Anreiz für die Umsetzung überzeugender Ansätze im Kontext der Geltendmachung transnationaler Menschenrechtsverletzungen bereitstellt. Anhand des internationalen Investitionsschutzrechts wurde exemplarisch für die Weltwirtschaftsordnung deutlich, wie gering diese den Menschenrechtsschutz einbezieht. Soweit in der Auseinandersetzung Wirtschaft und Menschenrechte gesellschaftliche, allen voran ökonomische Gegebenheiten ausblendet werden, verfehlt die Auseinandersetzung ihre eigentliche Intention, den Schutz und die Durchsetzung elementarer Menschenrechte zu verstärken. Durch die fehlende Einbeziehung der Strukturen der Weltwirtschaftsordnung wird der Möglichkeit, die Ausrichtung an Kapitalverwertungsinteressen infrage zu stellen, der Boden entzogen. Durch einen zudem disziplinierend wirkenden, konstitutionalisierenden Prozess finden nichtwirtschaftliche Interessen des Menschenrechtsschutzes kaum Platz in der Weltwirtschaftsordnung des 21. Jahrhunderts.
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