Author: Zander Horst F.  

Tags: dokumentarfilm   memoiren  

ISBN: 3-922370-03-2

Year: 1981

Text
                    Mit klingendem Spiel
Insterburg 1919 —1939
GOLLENBERG VERLAG


Mit klingendem Spiel Insterburg 1919 - 1939 Eine ostpreußische Garnison zwischen den beiden Weltkriegen Herausgegeben von Horst F. Zander GOLLENBERG VERLAG
Das Foto auf Seite 2 zeigt das Ehrenmal der 1. (ostpreußischen) Infanterie-Division in Wuppertal. CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Zander, Horst F. Mit klingendem Spiel Insterburg 1919 — 1939 Eine ostpreußische Garnison zwischen den beiden Weltkriegen Seesen: Gollenberg Verlag 1981 ISBN 3-922370-03-2 © 1981 by Gollenberg Verlag, 3370 Seesen am Harz Gesamtherstellung H. Risius KG, 2952 Weener
Inhaltsverzeichnis Zum Geleit. Hermann Heinrich Behrend...................................... 7 Vorwort. Horst F. Zander.................................................. 9 Einleitung. Oskar F. W. Schmidt.......................................... 11 Übersichtskarte von Ostpreußen........................................... 13 I. Teil: Die Garnison. Von Wilhelm Turkowski........................... 15 Stäbe in Insterburg............................................. 17 Truppenteile, Standorte und Kommandeure......................... 19 Nachweis der Friedensstärke Insterburger Truppenteile........... 21 Heeresverwaltungen in Insterburg................................ 29 Bildteil........................................................ 30 II. Teil: Infanterie-Regiment 43. Von Otto Mertens ..................... 35 Prolog ......................................................... 37 Der Standort.................................................... 39 Die Traditionsregimenter........................................ 41 Vom Übergangsheer zur Reichswehr................................ 43 Grenzschutz im Osten............................................ 48 Das Ende der Reichswehr......................................... 50 Ausbildung der Rekruten......................................... 54 Musik und Spielleute ........................................... 57 Nachrichtenzug. Maschinengewehr-Kompanie........................ 58 Berittene Truppe. Von Oskar Haack (5./IR 1)..................... 59 Randnotizen von Manövern und Abkommandierungen.................. 60 Stellenbesetzungen.............................................. 65 Bildteil........................................................ 72 III. Teil: Kavallerie in Insterburg ..................................... 87 Geschichtlicher Abriß von 1714 bis 1919. Von Dietrich Kühn..... 89 Das Reiter-Regiment 1 von 1919 bis 1939. Von Wilhelm Behrens t .. 95 Reminiszenzen. Von Wilhelm Behrens t........................... 113 Bildteil....................................................... 134 IV. Teil: Artillerie-Regiment 37....................................... 163 Erinnerungen an die Garnisonstadt. Von Reinhard Hartmann....... 165 Aufstellung der Schweren Artillerie-Abteilung Nr. 37. Von Gerhard Kiehl.............................................. 170 Die I./AR 37 im Manöver. Von Joachim Thulke.................... 173 Bildteil....................................................... 176
V. Teil: Reitende Artillerie-Abteilung 1. Von Heinz Meyer............ 189 Bildteil...................................................... 214 VI. Teil: Die Nachrichten-Abteilung 1. Von Oskar F. W. Schmidt........ 225 Bildteil...................................................... 231 VII. Teil: Der Fliegerhorst.............................................. 233 Erinnerungen eines Flugzeugführers. Von Paul Blös .......... 235 Das Sturzkampf-Flugzeug Ju 87. Von Kurt Kuhlmey............... 238 Luftwaffenmusiker mit Hindernissen. Von Wilhelm Lindorf .... 239 Bildteil...................................................... 243 VIII. Teil: Militärsport verein »York von Boyen«. Von Wilhelm TUrkowski.. 247 Nachwort. Superintendent i. R. Ernst Füg.................................. 255 Die Autoren............................................................... 259 Quellenverzeichnis und ergänzende Literaturhinweise....................... 263
Nun zieht das große Schweigen ein. Der Mensch bleibt einsam und allein und wendet stumm nur seinen Blick auf das Vergangene zurück. Zum Geleit Und sinnend steht er, wie befangen, vor Bildern, welche längst vergangen, und fragt sich zweifelnd, ob es stört, Hermann Heinrich Behrend wenn er sie jetzt heraufbeschwört. So manches hat er einst verschenkt, zu rasch vielleicht und abgelenkt von dem Getriebe einer Welt, der nur der äuß’re Glanz gefällt. Er hat dabei den Wert verkannt bei vielem, was am Wege stand; nun sieht er es in neuem Licht und weiß um Würde und Gewicht. Doch sein Erkennen kommt zu spät, die Spuren sind schon lang’ verweht. Die Zeit verging. Er forscht vergebens nach dem Geheimnis jenes Lebens. Es löschte aus vor Tag und Jahr, als noch sein Herz verschlossen war. Nun ist sein innigstes Verlangen als Saat der Hoffnung aufgegangen. Von allem, war wir einst besaßen, ist tot nur das, was wir vergaßen, nicht aber das, was um uns schwebt und in den Herzen weit er lebt.

Vorwort Fünfundvierzig Jahre nach Kriegsende ist es fast schon zu spät, das Geschehen vergangener Jahrzehnte aufzuzeichnen. Da die Folgen des Zweiten Weltkriegs für den deutschen Osten am verheerendsten sind, weil kaum Archive gerettet werden konnten, kann der Ablauf von Ereignissen in jenen uns heute so fernen Gebieten in den meisten Fällen nur noch nach dem Gedächtnis rekonstruiert werden. Das betrifft auch die Geschichte der Garnisonstadt Insterburg in Ostpreußen während der Friedensjahre von 1919 bis 1939. In jahrelanger Kleinarbeit haben ehemalige Angehörige der in Insterburg stationierten Truppenteile Fakten und Materialien zusammengetragen, um sie vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Was mit diesem Buch der Nachwelt überliefert wird, ist keine Glorifizierung irgendwelcher Heldentaten oder Soldaten. Die Verfasser der einzelnen Kapitel wollen aus ihrem Gedächtnis heraus und nach den wenigen vorhandenen Notizen, Tagebüchern und Dokumenten nur Kenntnis geben von einer Zeit, die zwar unwiderruflich vorbei ist, andererseits aber ein Teil deutscher Soldatengeschichte ist. Bedingt durch den Abstand der Zeit — teilweise liegen die Geschehnisse über sechzig Jahre zurück — kann dies Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Aufgrund der Art der Darstellung möchten die Verfasser ihre Aufzeichnungen auch nur als Erinnerungen verstanden wissen. Deshalb hat der Herausgeber die Beiträge in ihrem Wortlaut nicht verändert, um die Ursprünglichkeit der Texte und die Vielfalt der Berichterstattung zu erhalten. Während die Kavallerie in der glücklichen Lage fast vollständiger Aufzeichnungen ist, leidet die Artillerie unter dem Blutzoll von Stalingrad. Auch über die Nachrichten-Abteilung konnte nur in sehr geringem Umfang berichtet werden. Besondere Hochachtung gebührt Oskar F. W. Schmidt, der trotz der Folgen seiner schweren Verwundungen eine Sisyphusarbeit geleistet hat, um die Grundlagen für dieses Buch zu schaffen. Er gehört zu den »Stillen im Lande«, denen ihr Handeln echtes Anliegen und nicht Streben nach welkendem Lorbeer ist. Ihm und allen selbstlosen Mitarbeitern dieses Buches habe ich vor allem dafür zu danken, daß sie mit dazu beitragen, der ostpreußischen Stadt Insterburg den ihr gebührenden Platz in der deutschen Geschichte auch für kommende Generationen zu sichern. Horst Zander

Einleitung Im Verhältnis zur Einwohnerzahl war Insterburg die größte Garnisonstadt Ostpreußens und gehörte darüber hinaus mit seinen rund 6000 Soldaten und weit über 2000 Pferden auch zum Kreis der größten Garnisonstädte des Deutschen Reiches zwischen den beiden Weltkriegen. Da diese Stätte durch das Potsdamer Abkommen für uns nicht mehr erreichbar ist (Insterburg steht seitdem unter sowjetischer Verwaltung), lag es nahe, alle Truppenteile in Wort und Bild darzustellen, die in Friedenszeiten in dieser deutschen Stadt lebten. Während der Kriegszeit vom 1. September 1939 bis zum 20. Januar 1945 dienten die Kasernen (am 21. Januar 1945 erreichten die sowjetischen Truppen den Stadtteil Sprindt) den Ersatztruppenteilen, zeitweilig auch den Feldtruppen, als Unterkunft oder waren Lazarett geworden, so z.B. die Kaserne der Reitenden Artillerie-Abteilung in der Artilleriestraße. Dankenswerterweise haben sich von den Kameradenvereinigungen des Reiter-Regiments 1 und der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 Oberst a.D. Walter Hochheimer und Oberstleutnant Hubert Platz bereitgefunden, aus der jeweiligen Geschichte ihres Verbands den Abschnitt »Friedenszeit« zur Verfügung zu stellen. Damit war der Grundstock für dieses Buch gelegt. Besonderer Dank gilt hier vor allem Generalleutnant a.D. Wilhelm Behrens t, Rittmeister a.D. Dietrich Kuehn sowie Oberwachtmeister a.D. Heinz Meyer für ihre umfassende Arbeit. Es begann nun — nach 40 Jahren — die nicht leichte Arbeit, Erlebnisberichte aus den anderen Truppenteilen, wenn möglich mit Bildern, zusammenzutragen und die Entstehung und das Wirken der Insterburger Infanterie, der schweren Artillerieabteilung, der Nachrichtenabteilung des Fliegerhorstes nachzuzeichnen. Für die Darstellung der Infanterie hat Major a.D. Otto Mertens viel Mühe aufgewendet. Anhand der bereits vorhandenen Literatur, mit Hilfe der Archive und dem Wissen aus vielen Dienstjahren konnte er ein anschauliches Infanteriebild malen, das sowohl die Geschichte als auch das Leben dieser Truppe widerspiegelt. Von der schweren Artillerieabteilung (I./AR 37) hat Oberschirrmeister a.D. Gerhard Kiehl die einzelnen Phasen der Entwicklung dieser Einheit übersichtlich dargestellt. Oberstleutnant a.D. Joachim Thulke hat aus seiner Dienstzeit das Leben als junger, freiwilliger Artillerist skizziert. Eine umfassende Garnisonschau vermittelt Oberstleutnant a.D. Reinhard Hartmann, die den ehemaligen Insterburger Soldaten aller Waffengattungen Freude bereiten dürfte, weil hier ein kenntnisreicher Erzähler berichtet. Über die Nachrichtenabteilung schreibt ein Freiwilliger (mit Annahmeschein in der Tasche), der seine Truppe von außen betrachtet. Abschließend kommen zwei Luftwaffensoldaten zu Wort. Der eine war Flugzeugführer der Sturzkampfflieger und bewundert aus der Höhe die ostpreußische
Landschaft, während der andere nach vielen Hindernissen endlich Musiker des Luftwaffen-Musikkorps wurde. Er wartet mit Überraschungen auf, die an Träumerei grenzen. Selbst die Sportfreunde können an jenen Jahren Anteil nehmen. Über den Militärsportverein »Yorck v. Boyen« (MSV) berichtet dessen ehemaliger Fußball-Torwart, Leutnant a.D. Wilhelm Turkowski. An dieser Stelle sei erwähnt, daß die Landsleute, die sich diesen Erinnerungen gewidmet haben, nicht der Meinung sind, daß Soldatenerlebnisse nur so lange von Bedeutung sind, wie die Akteure leben: Die jüngere, junge und kommende Generation soll wissen, wie das Leben eines Soldaten in der Reichswehr und in der späteren Deutschen Wehrmacht aussah, der in den Zeiten des kurzen Friedens seinen Dienst versah. Die »Erinnerungen« werden erst dann an Wert gewinnen, wenn die Zeugen jener Zeit allesamt von der Bühne des Lebens abgetreten sind. Genugtuung empfinden wir darüber, daß es uns — wenn auch nicht immer vollkommen — gelungen ist, alle Insterburger Truppenteile (wohl zum ersten Mal) unter einem »Dach« zu vereinen, das schlicht »Insterburg 1919 bis 1939 — eine ostpreußische Garnison zwischen den beiden Weltkriegen« heißt. Dennoch wird die Zeit davor nicht außer acht gelassen. Daß in diesem Buch textliche Überschneidungen vorkommen, sollte bei der großen Zahl der Mitarbeiter niemanden stören. Hätten wir dies vermeiden wollen, wäre das Erscheinen dieser Dokumentation infrage gestellt worden. Viele Fotos, die in diesem Buch wiedergegeben werden, sind leider nicht mehr in der Qualität vorhanden, wie sie sich der Betrachter wünscht. Die Originale, die teilweise 40 bis 60 Jahre alt sind, wurden wegen der langen Zeit der Vorbereitung bis zum Drucktermin leider nur kurzfristig zur Verfügung gestellt. Deshalb mußten wir uns mit Reproduktionen zufrieden geben. Von verschiedenen Darstellungen waren überhaupt nur Kopien vorhanden. Immerhin sind über 100 Aufnahmen von den Kameraden dankenswerterweise ausgeliehen worden. Alle Bilder haben dokumentarischen Wert. Oskar F.W. Schmidt


I. TEIL Die Garnison Von Wilhelm Turkowski

Stäbe in Insterburg Insterburg war nicht nur eine Garnisonstadt im üblichen Sinne, sondern auch eine Stadt, die mehrere Kommandostellen verschiedener Größe, militärisch als Stäbe bezeichnet, beherbergte. Ein Stab ist die Führung eines Truppenverbandes, der sich aus Kommandeur und den ihm zugeteilten Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften zusammensetzt. Ein Bataillon oder eine Abteilung (bestehend aus mehreren Kompanien bzw. Batterien) ist der kleinste Truppenverband, der von einem Stab geführt wird. Die 1. Infanterie-Division Der höchste Stab, der in Insterburg stationiert war, war der Stab der 1. Infanterie-Division. Jeder Insterburger kennt wohl das alte rote Backsteingebäude in der Be-lowstraße, gegenüber dem Wasserturm, das früher als Krankenhaus gedient hatte und in das am 1. Januar 1936 der Stab der 1. Infanterie-Division einzog. Der Divisionsstab war am 1. Oktober 1934 bei der Heeresvergrößerung aus Teilen des alten Stabes der 1. Infanterie-Division (später Generalkommando I) in Königsberg gebildet und dort auch im gleichen Gebäude untergebracht worden. Der erste Kommandeur war Generalleutnant v. Schrodt, der im März 1938 die Führung an Generalmajor v. Kortzfleisch abgab, um das XII. Armeekorps in Wiesbaden zu übernehmen. General v. Kortzfleisch ist dann leider noch kurz vor Beendigung des Krieges, im April 1945, als Kommandierender General des XI. Armeekorps im Ruhrgebiet gefallen. Der Befehlsbereich der 1. Infanterie-Division umfaßte Nord-Ostpreußen, etwa nördlich der Linie Angerburg/Königsberg. Der Divisions-Kommandeur war der Vorgesetzte aller Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Division, zugleich auch oberster Gerichtsherr. Ihm oblag die militärische Ausbildung der Truppe. Ihm zur Seite stand der 1. Generalstabsoffizier (la), der die Operationsabteilung leitete. Für die Versorgung der Truppe war der 2. Generalstabsoffizier (Ib) verantwortlich. Ihm unterstand die Abteilung W.u.G. (Waffen und Gerät), die für den Nachschub von Waffen, Gerät und Munition zuständig war. Der Ic-Offizier bearbeitete die Feindlage. Abteilungsleiter der Abteilung Ila war der Divisions-Adjutant, der gleichzeitig Personalchef des militärischen Personals des Divisionsstabes war. Abteilung III wurde vom Divisions-Gericht gebildet. Die Abteilung IVa unterstand dem Divisions-Intendanten. Er war verantwortlich für die Versorgung der Truppe mit Bekleidung, Verpflegung und Besoldung. Die Abteilung IVb unterstand dem Divisions-Arzt und die Abteilung IVc war der Geschäftsbereich des Divisions-Veterinärs. In dem Gebiet nördlich der Linie Angerburg/Königsberg hatte auch die 1. Kavallerie-Brigade, deren Stab ebenfalls in Insterburg untergebracht war, ihren Befehlsbereich, mit dem Unterschied allerdings, daß das Kavallerie-Regiment 4 (Alienstein), sozusagen als Enklave im Bereich der 11. Infanterie-Division, der Brigade in Insterburg unterstand.
Der Stab der 1. Kavallerie-Brigade entwickelte sich aus der am 1. Oktober 1928 aufgestellten »Kommandantur Insterburg«, die am 1. Oktober 1934 in Kavallerie-Kommando Insterburg als Stab der 5. Reiter-Brigade umbenannt wurde. Am 1. Oktober 1936 erhielt der Stab dann die endgültige Bezeichnung: Stab 1. Kavallerie-Brigade. Untergebracht war der Stab in einem Gebäude gegenüber der Reiter-Kaserne. Einer ihrer Kommandeure war Generalmajor v. Mackensen, der Sohn des bekannten Generalfeldmarschalls. Aufgaben und Gliederung des Stabes entsprachen denen des Divisionsstabes. Als dritte höhere Kommandostelle hatte der Artillerie-Kommandeur 1 seinen Sitz in Insterburg. Er unterstand der I. Infanterie-Division und war Vorgesetzter aller Artillerieeinheiten der Division. Der Artillerie-Kommandeur koordinierte den gesamten Einsatz der Divisions-Artillerie. Schließlich sei als vierte überregionale Kommandostelle der Landwehr-Kommandeur Insterburg genannt.
Truppenteile, Standorte und Kommandeure in der 1. Infanterie-Division sowie der 1. Kavallerie-Brigade 1. Infanterie-Division Insterburg Stand Anfang 1939 - nach Generalleutnant Friedrich Stahl Truppenteil Standort Kommandeur Infanterie-Regiment 1 Königsberg Oberst Weiß I. Bataillon Königsberg Oberstleutnant Chili II. Bataillon Königsberg Major v. Proeck III. Bataillon Königsberg Oberstleutnant Noack Infanterie-Regiment 22 Gumbinnen Oberst Schreder I. Bataillon Gumbinnen Major Domizlaff II. Bataillon Goldap Major Knobelspieß III. Bataillon Gumbinnen Oberstleutnant Scheidies E-Bataillon Gumbinnen Oberstleutnant Hahne Infanterie-Regiment 43 Insterburg Oberst v. Kropff I. Bataillon Insterburg Major Huethe II. Bataillon Insterburg Oberstleutnant Melzer III. Bataillon Maschinengewehr- Tilsit Königsberg Oberstleutnant Fixson Bataillon 31 (vorl. Tapiau) Oberstleutnant Hauschulz Artillerie-Regiment 1 Königsberg Oberst Böttcher I. Abteilung Gumbinnen Major Berr II. Abteilung Königsberg Major Hammer III. Abteilung Tilsit Major Hähling I. Artillerie-Regiment 37 Insterburg Major Frankewitz II. Artillerie-Regiment 37 Königsberg Major Dr. Schauen Beobachtungs-Abteilung 1 Königsberg Major Hittcher Panzerabwehr-Abteilung 1 Goldap Oberstleutnant v. Frankenberg und Proschlitz Pionier-Bataillon 1 Königsberg Oberstleutnant Meyer Nachtrichten-Abteilung 1 Insterburg Oberstleutnant Stenzel Sanitäts-Abteilung 1 Standortlazarett Insterburg Insterburg Oberst-Arzt Dr. Forster Sanitätsstaffel Goldap Oberstabsarzt Dr. Dukat Sanitätsstaffel Gumbinnen Oberstabsarzt Dr. Kasemir Sanitätsstaffel Insterburg Oberfeldarzt Dr. Willimzik Sanitätsstaffel Königsberg Oberfeldarzt Dr. Dobbek Sanitätsstaffel Tapiau Stabsarzt Dr. Borrmann Sanitätsstaffel Tilsit Oberfeldarzt Dr. Ennulat
1. Kavallerie-Brigade, Stab Insterburg Stand Anfang 1939 Truppenteil Standort Kommandeur Radfahrer-Abteilung 1 Tilsit Major Reichsfreiherr von Edelsheim Reiter-Regiment 1 Reiter-Regiment 2 Kavallerie-Regiment 4 Insterburg Oberst Freiherr v. Esebeck Angerburg Oberstleutnant v. Saucken Allenstein Oberstleutnant v. Heydebrand und der Lasa I 4. Schwadron Allenstein Major Freiherr v. Lüttwitz vorl. Osterode II 7. Radfahrer 8. Radfahrer Allenstein Major Källner vorl. Osterode vorl. Truppen- Übungs-Platz Stablack Aufklärungs-Abteilung 1 Reitende Artillerie-Abteilung 1 Königsberg Major Grassel Insterburg Major Holste
Nachweis der Friedensstärke Insterburger Truppenteile Viele Leser werden von der Stärke der Insterburger Garnison überrascht sein. Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 48000 Einwohnern Anfang 1937 betrug der Anteil der Soldaten rund 6000 Mann. Das sind 12,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese Zahl erhält aber erst Gewicht, wenn man sie z.B. auf die Bevölkerungszahl einer Großstadt, wie etwa Hamburg, anwendet. 12,5 Prozent von 1,7 Millionen Einwohnern ergäben einen Soldatenanteil von 212000 Mann. Für die heutigen und auch die damaligen Verhältnisse wäre eine solche Mammut-Garnison nicht vorstellbar. Ein anderes Bild von heute verdeutlicht die Insterburger Truppenstärke: Die schleswig-holsteinischen Garnisonen und die Hamburger Garnison zusammen verfügen nur über einen deutschen Truppenverband in Stärke von 24000 Bundeswehrsoldaten (Heer). Wie bei den Einzelstärkenachweisen vermerkt, handelt es sich bei den Zahlen um Sollstärken. Das Bundesarchiv »Militärarchiv«, Freiburg i.Br., konnte sie fast ausnahmslos für einen Stichtag (1. Februar 1937) zur Verfügung stellen. Nach Aussage von Wilhelm Turkowski, der vier Jahre lang beim Stab der 1. Infanterie-Division die Nachweise der Friedensstärke bearbeitet hat, konnten die Offiziersstellen bei der Infanterie selbst 1939 nur zu etwa 50 bis 60 Prozent besetzt werden. Bei den anderen Truppenteilen klafften die Ist- und Sollzahlen der Offiziersstellenbesetzung nicht so weit auseinander. Manchmal erreichten allerdings die Istzahlen sogar die Sollzahlen. Unteroffiziere und Mannschaften dagegen kamen im letzten Friedensjahr fast auf die volle Stärke. Bei verschiedenen Einheiten übertrafen zu der Zeit schon die Istzahlen die Sollzahlen, wie z.B. beim Reiter-Regiment 1. Bei der Luftwaffe können die Istzahlen genannt werden, da von der Entstehung dieser Truppe an Wilhelm Lindorf als Luftwaffenmusiker Zeuge der Entwicklung war. Jedoch sind bei dem großen Zeitabstand zwischen damals und heute kleinere Irrtümer — auch bei gutem Erinnerungsvermögen — nicht auszuschließen. Über die Insterburger Heereseinheiten können nur wenige Istzahlen von ehemaligen Angehörigen dieser Truppenteile genannt werden. Um überhaupt ein Stärkebild der Garnison zu gewinnen sind die durch das Freiburger Militärarchiv bereitwillig zur Verfügung gestellten Sollzahlen für die folgenden Übersichten bei den Heerestruppen verwandt worden. Die genannten Abweichungen vom »Soll« sind, auf das Ganze gesehen, nicht gravierend und die Zahl von 6000 Soldaten also weithin zutreffend.
Die Sollstärke der Insterburger Truppenteile (Heer) Ausgabetag 1. Februar 1937 - nach Militär-Archiv Freiburg i. Br. Truppenteil Offiziere Unteroffiziere Gefreite Mannschaften Pferde Pferde gesamt Infanterie-Regiment 43 Stab I.R. 43 9 9 + 1 7 5 12 R, 1 Re 13 Rgt.Nachr.Zug 1 7 9 22 3 R, 1 Re, 10 Z 14 Inf. Reiter-Zug 1 4 8 19 30 R, 3 Re, 2 Z 35 Musikkorps (1. Nov. 1938) 1 27 5 5 — — Stab I.IR 43 8+ 1 21 + 1 13 16 7 R, 2 Re, 2 Z 11 l./I.R. 43 4 34 + 1 44 105 1 R, 8 Z 9 2./I.R. 43 4 34 + 1 44 105 1 R, 8 Z 9 3./I.R. 43 4 34 + 1 44 105 1 R, 8 Z 9 4./I.R. 43 4 39 + 1 47 112 20 R, 6 Re, 32 Z 58 Stab II./IR 43 8+ 1 21 + 1 13 16 7 R, 2 Re, 2 Z 11 5./I.R. 43 4 34 + 1 44 105 1 R, 8 Z 9 6./I.R. 43 4 34 + 1 44 105 1 R, 8 Z 9 7./I.R. 43 4 34 + 1 44 105 1 R, 8 Z 9 8./I.R. 43 4 39 + 1 47 112 20 R, 6 Re, 32 Z 58 13./I.R. 43 7 35 + 1 44 95 34 R, 8 Re, 48 Z 90 14./I.R. 43 5 34 + 1 39 91 — — gesamt: 72 + 2 440 + 13 496 1 123 139 R, 29 Re, 176 Z 344 2 146 Soldaten 344 Pferde Zu Spalte 2 und 3: +1 = 1 Sanitäts-Offizier bzw. Sanitäts-Unteroffizier Zu Spalte 6: R = Reitpferd, Re = Remonte, Z = Zugpferd
Die Sollstärke der Insterburger Truppenteile (Heer) Ausgabetag 1. Februar 1937 - nach Militär-Archiv Freiburg i. Br. Truppenteil Offiziere Unteroffiziere Gefreite Mannschaften Pferde Pferde gesamt Reiter-Regiment 1 Stab R.R. 1 12 + 2 18+1 darin 3 Vet.- Offiziere u. 5 Beamte 18 12 29 R, 4 Re 33 Stabsschwadron R.R. 1 2 14 + 1 4 11 — — Nachrichtenzug R.R. 1 1 9 11 27 20 R, 3 Re, 4 Z 27 1. Schwadron R.R.l 5 41 + 1 45 106 176 R, 17 Re 193 2. Schwadron R.R. 1 5 41 + 1 45 106 176 R, 17 Re 193 3. Schwadron R.R. 1 5 41 + 1 45 106 176 R, 17 Re 193 4. Schwadron R.R. 1 5 41 + 1 45 106 176 R, 17 Re 193 5. Schwadron R.R. 1 5 41 + 1 43 99 140 R, 14 Re 154 Trompeterkorps R.R. 1 1 21 3 3 29 R, 3 Re 32 gesamt: 41+2 267 + 7 259 576 922 R, 4 Z, 92 Re 1 018 1 152 Soldaten 1 018 Pferde Zu Spalte 2 und 3: +2 = 2 Sanitäts-Offiziere bzw. 1 Sanitäts-Unteroffizier Zu Spalte 6: R = Reitpferd, Re = Remonte, Z = Zugpferd Zum Vergleich: Sollstärke nach Mobilmachung Offi- Unter- Gefreite und ziere offiziere Mannschaften 41 204 1195 Pferde 1 440 Soldaten 1421
Die Sollstärke der Insterburger Truppenteile (Heer) Ausgabetag 1. Februar 1937 - nach Militär-Archiv Freiburg i. Br. Truppenteil Offiziere Unteroffiziere Gefreite Mannschaften Pferde Pferde gesamt I. Abteilung Artillerie-Regiment 37 Stab I./A.R. 37 8+ 1 16 + 1 10 7 12 R, 2 Re, 2 Z 16 1. Batterie A.R. 37 2. Batterie 6 32 + 1 37 87 38 R, 10 Re, 62 Z 110 A.R. 37 3. Batterie 6 32 + 1 37 87 38 R, 10 Re, 62 Z 110 A.R. 37 6 32 + 1 37 87 38 R, 10 Re, 62 Z 110 gesamt: 26+ 1 112 + 4 121 268 126 R, 32 Re, 188 Z 346 532 Soldaten 346 Pferde Zu Spalte 2 und 3: + 1 = 1 Sanitätsoffizier bzw. Sanitäts-Unteroffizier Zu Spalte 6: R = Reitpferd, Re = Remonte, Z = Zugpferd
Die Sollstärke der Insterburger Truppenteile (Heer) Ausgabetag 1. Februar 1937 - nach Militär-Archiv Freiburg i. Br. Truppenteil Offiziere Unteroffiziere Gefreite Mannschaften Pferde Pferde gesamt Reitende Artillerie-Abteilung 1 Stab R.A. 1 1. Batterie 9+ 1 19 + 1 15 10 14 R, 3 Re, 8 Z 25 R.A. 1 2. Batterie 6 30 + 1 33 77 77 R, 14 Re, 60 Z 151 R.A. 1 3. Batterie 6 30 + 1 33 77 77 R, 14 Re, 60 Z 151 R.A. 1 Trompeterkorps 6 30 + 1 33 77 77 R, 14 Re, 60 Z 151 R.A. 1 1 21 3 3 29 R, 3 Re 32 gesamt: 28 + 1 130 + 4 117 244 274 R, 48 Re, 188 Z 510 524 Soldaten 510 Pferde Zu Spalte 2 und 3: +1-1 Sanitätsoffizier bzw. Sanitäts-Unteroffizier Zu Spalte 6: R = Reitpferd, Re = Remonte, Z = Zugpferd
Die Sollstärke der Insterburger Truppenteile (Heer) Ausgabetag 1. Oktober 1937 - nach Militär-Archiv Freiburg i. Br. Truppenteil Offiziere Unteroffiziere Gefreite Mannschaften Pferde Pferde gesamt Nachrichten- Abteilung 1 Stab N. 1 1. Kompanie 7+ 1 2 + 1 2 2 8 R 8 N. 1 2. Kompanie 5 29 + 1 53 122 14 R, 5 Re, 36 Z 55 N. 1 3. Kompanie 4 34 + 1 44 102 — — N. 1 5 31 + 1 46 106 24 R, 4 Re, 28 Z 56 gesamt: 21 + 1 96 + 4 145 332 46 R, 2 Re, 64 Z 119 599 Soldaten 119 Pferde Zu Spalte 2 und 3: + 1 = 1 Sanitätsoffizier bzw. Sanitäts-Unteroffizier Zu Spalte 6: R = Reitpferd, Re = Remonte, Z = Zugpferd
Die Sollstärke der Insterburger Truppenteile (Heer) Ausgabetag 15. Mai 1937 - nach Militär-Archiv Freiburg i. Br. Truppenteil Offiziere Unteroffiziere Gefreite Mannschaften Pferde Pferde gesamt Stab 1. Infanterie- Division 20 + 2 16 + 5 13 9 16R 16 (15. 4. 1938) Stab 1. Kavallerie-Brigade 19+1 11 13 9 21 R, 2 Z 23 Stab Artillerie-Kommandeur 6 5 8 4 12 R 12 Stab Landwehr-Kommandeur 14 30 5 1 12 R 12 gesamt: 51 + 3 62 + 5 39 23 61 R, 2 Z 63 191 Soldaten 63 Pferde aller Dienstgrade Zu Spalte 2 und 3: +3 = 3 Sanitätsoffiziere bzw. 5 Sanitäts-Unteroffiziere Zu Spalte 6: R = Reitpferd, Z = Zugpferd Die Ist-Stärke der Insterburger Truppenteile (Luftwaffe) Stand: 1. Juli 1939 Truppenteil Offiziere Unteroffiziere Mannschaften insgesamt I. Gruppe Sturzkampfgeschwader 1, Fliegendes und Bodenpersonal 24 18 240 282 Fliegerhorstkompanie 2 14 200 216 Luftnachrichtenkompanie 2 7 90 99 Pionierkompanie 2 5 200 207 Kommandantur (Offiziere 5, Zahlmeister 6) 11 8 20 39 41 52 750 843
Gesamtstärkenachweis Heer und Luftwaffe Truppenteil Soldaten aller Dienstgrade Pferde Heer: Infanterie-Regiment 43 2 146 344 Reiter-Regiment 1 1 152 1 018 I. Abteilung Artillerie-Regiment 37 532 346 Reitende Artillerie-Abteilung 1 524 510 Nachrichten-Abteilung 1 599 119 Stäbe 191 63 Sollstärke (Heer) insgesamt 5 144 2 400 Iststärke (Luftwaffe) insgesamt 843 — Stärke der Garnison insgesamt 5 987 2 400
Heeresverwaltungen in Insterburg • • Uber die Aufgabengebiete der in Insterburg stationierten Verwaltungsdienststellen ist folgendes zu sagen: 1. Wehrbezirkskommando und Wehrmeldeamt waren für die Erfassung und Einstellung der Wehrpflichtigen zuständig. 2. Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt sowie Wehrmachtsfürsorgeoffizier betreuten die im Wehrdienst beschädigten und durch Unfall dienstunfähig gewordenen Soldaten, ebenso die Berufssoldaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Wehrdienst. 3. Die Standortverwaltung versorgte die Truppe und alle Dienststellen mit dem erforderlichen Mobiliar und war für den baulichen Zustand der Kasernen usw. verantwortlich. 4. Das Heeresverpflegungsamt war für die Verpflegung der Truppe zuständig. 5. Im Heeresnebenzeugamt wurde die Mobilmachungsausrüstung der Truppe mit Waffen und Gerät gelagert und gepflegt. 6. Die für den Mobilmachungsfall benötigte Munition war bei der Heeresneben-munitionsanstalt gelagert. 7. Dem Heeresbauamt oblag die Vergabe und Überwachung von militärischen Bauvorhaben. Die Verwaltungen zu Ziffer 1 bis 4 und 7 waren der Wehrkreisverwaltung I in Königsberg unterstellt. Das Heeresnebenzeugamt (5) und die Heeresnebenmunitionsanstalt (6) waren nachgeordnete Dienststellen des Feldzeugkommandos I in Königsberg.
Das Stabsgebäude der 1. Infanterie-Division in der Belowstraße Vor dem Divisionsstabsgebäude. Von links: Fahnengruppe mit Bataillonsfahne 1. Bataillon und II. Bataillon Infanterie-Regiment 43; Standartengruppe mit Standarten I. Abteilung Artillerie-Regiment 37, Nachrichten-Abteilung 1, Reiter-Regiment 1 und Reitende Artillerie-Abteilung 1. 30
Unteroffizier in Paradeuniform 1939 Heldengedenktag 1938 am Sonntag »Reminiszere« auf dem alten Markt in Insterburg
Maifeier 1937 in Insterburg: Abordnung der Wehrmacht in Paradeuniform (rechts eine Kompanie der neuen Luftwaffe) Maifeier 1938 in Insterburg: Abordnung der Wehrmacht (Heer)
Rekrutenvereidigung Herbst 1938 im Stadion: Es spricht Generalmajor v. Kortzfleisch
•• •* Auf dem großen Exerzierplatz 1939: Aufmarsch zur großen Parade aller Waffengattungen sä« IIMwHW Parade in Insterburg 1939: Das 1. und II. Bataillon sowie die 13. und 14. Kompanie des Infanterie-Regiments 43 eröffnen den Vorbeimarsch vor Divsionskommandeur Generalmajor v'. Kortzfleisch. An der Spitze die Fahnengruppe. 34
II. TEIL Infanterie-Regiment 43 Von Otto Mertens

Prolog Wer auf die preußische Fahne schwört, hat nichts mehr, was ihm selber gehört«. Die Forderung des Fahnenspruches des Infanterie-Regiments Herzog Karl v. Mecklenburg-Strelitz (6. ostpreußisches) Nr. 43 war das Fundament, auf dem der Aufbau eines neuen Heeres 1919 erfolgte. Über sechzig Jahre sind seit diesem Neubeginn vergangen. Eine Zeitspanne, die in der Geschichte wenig, im Leben der Menschen das Kommen und Gehen von zwei Generationen bedeutet. Geschichtsschreibung soll die Schilderung von dem sein, was die Menschen in dieser Zeit getan und erlebt haben. Wenn wir ehemaligen Soldaten das in die Erinnerung zurückrufen, was sich damals in und um unsere Garnisonstädte ereignete, dann ist dies auch ein Teil der Zeitgeschichte, die sich dem Urteil kommender Generationen stellen muß. Viele Bücher sind schon geschrieben worden, die sich mit dem preußischen Heer beschäftigen. Sie haben nur ein Thema — Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln — der Krieg und die daraus entstandenen Folgen. Dabei werden von den Verfassern, von denen man annehmen muß, daß sie nie die Luft in einer Kasernenstube, ganz zu schweigen von der eisenhaltigen an der Front, gerochen haben, Menschen in Uniform geboren, die es nie gegeben hat und nicht geben wird. Dennoch wird der deutsche Soldat mit diesen »Helden« vom Typ eines Feldwebel Steiner gleichgestellt, da sich dann die Bücher gut verkaufen lassen. Niemand erwähnt, daß diese Männer Menschen aus Fleisch und Blut sind, die den Dienst im Heer in dem Glauben auf sich nahmen, für den Schutz des Landes, der Heimat mit seinen Bürgern, verpflichtet zu sein. Um diesen Zerrbildern des Soldaten die Wirklichkeit entgegenzusetzen, haben wir als Angehörige dieser so viel geschmähten Armee es unternommen, nach so langer Zeit das Vergangene so wiederzugeben, wie wir es erlebt haben. Wir wissen, wie schwer es ist, ohne ausreichende Beweismittel — diese sind zum größten Teil durch die Kriegsereignisse und die Abtrennung Ostpreußens verloren gegangen — Tatsachen zu vermitteln. Um eine wirklichkeitsgetreue Darstellung der Vergangenheit zu vermitteln, mußten Quellen gefunden und ausgewertet werden. Unter diesen Erschwernissen sind diese Erinnerungen entstanden. Dennoch hoffen wir, daß die Leser, die diese Zeit erlebt haben, das Geschehen noch einmal nacherleben können. Der Jugend mögen die Erlebnisse der Großväter und Väter dazu dienen, deren Auffassung von Treue, Pflichterfüllung, Gehorsam und Kameradschaft — Tugenden des deutschen Soldaten, die im Frieden anerzogen, sich im Krieg bewährten — begreifen und verstehen zu lernen. Wenn dieses gelingt, dann muß es auch möglich sein, das zu bewahren, was uns der aus seinem Amt scheidende Chef der Heeresleitung, General v. Seeckt, mit auf den Weg gab: »Haltet die deutsche Soldatenehre hoch, die in der Pflichterfüllung liegt.« An wieder so denkende und handelnde Menschen könnte dann auch das Erbe übergehen, das wir übernommen haben. Als die Freiwilligen der ersten Stunde den Aufbau des neuen Heeres begannen, schrieben die Angehörigen eines unserer Traditionstruppenteile, das den Namen
von Boyen führte, auf die erste Seite des Buches unserer Geschichte: »Wir alten Soldaten sind stolz darauf, daß die Erinnerung an unser Regiment in einem trefflichen Bataillon fest verankert ist. Möge das II. Bataillon des 1. (preußischen) Infanterie-Regiments eingedenk der Helden, die in den Reihen des Mutterregiments ihr Leben für das Vaterland gelassen haben, den alten Geist hochhalten. Sie haben ihn herübergerettet aus dem Niedergang des Jahres 1918. Sie sollen ihn vererben von Generation zu Generation, einer besseren Zukunft entgegen.« Versprochen und gehalten haben dies die Nachfolger, die einmal die Regimentsnummer 1 und 43 auf ihren Schulterklappen trugen. Ob dieses Versprechen bei unseren Nachfolgern weiterhin gilt, hängt davon ab, inwieweit die Inschrift am Kreuz des Soldatenfriedhofs auf der Jägerhöhe bei Angerburg/Ostpreußen, das die Gräber der in der Schlacht von Tannenberg 1914 gefallenen Grenadiere und Musketiere der Regimenter Kronprinz und v. Boyen, zu denen wir auch die zählen, die von uns im zweiten Weltkrieg gefallen sind, überragt, verstanden wird: »Sie starben — und leben noch. Sie schlummern — und wachen doch. Sie ruhen — zu neuer Tat Der Zukunft Saat«
Der Standort Garnisonstadt bedeutet Standort militärischer Verbände. Diese Bezeichnung kann man auf Insterburg vom Jahr 1336 an anwenden. Als in diesem Jahr mit dem Bau der Burg auf dem Hügel am Ufer der Angerapp begonnen wurde, mußte diese bewacht und geschützt werden. Den Schutz gaben die Ordensritter und die in ihren Diensten stehenden Ordensknechte zu Fuß, Vorgänger der Infanterie späterer Zeiten. Als sich der Ordensstaat zum weltlichen Herzogtum wandelte, übernahmen die Bürgerwehr und Wybranzen-Landwehr diese Aufgabe. Oft wurde die Stadt erobert und verwüstet. Die Burg blieb unbezwungen. Erst im Krieg mit den Schweden mußte die Burg dem schwedischen General Horn die Tore öffnen, weil die schlecht bewaffneten Wybranzen die Flucht ergriffen. Um derartige Niederlagen nicht noch einmal zu erleiden, behielt der Große Kurfürst seine bisher nur in Kriegszeiten unter Waffen stehenden Truppen auch im Frieden bei, das stehende Heer in Preußen war geboren. Diesem Heer wurden strategisch wichtige Orte als Standort zugewiesen. Zu diesen Orten gehört Insterburg. Am Schnittpunkt vieler Straßen, später noch Eisenbahnlinien, gelegen, ist die Stadt von jeher Ziel von Angriffen gewesen. Als erste Einheit des Heeres übernahmen ein Primplan — heute etwa ein Bataillon — und zweiundsechzig Mann vom Regiment v. Dönhoff den Schutz von Burg und Stadt. Das Regiment war im Schwedenkrieg von einem Grafen Dönhoff aus eigenen Mitteln angeworben und dem Großen Kurfürsten zur Verfügung gestellt worden. Aus diesem Regiment ging das bis 1918 in Goldap stehende Infanterie-Regiment v. Dönhoff Nr. 44 hervor. Nach der Vernichtung des napoleonischen Heeres im Winter 1812 bevölkerten Freiwillige Jäger und preußische Landwehr die Stadt, um sich auf die Freiheitskriege 1813/15 vorzubereiten. Nach dem Krieg kamen die 3. Grenadiere in die Stadt. Sie blieben bis zum 1. April 1889. Ihnen folgte das I. Bataillon des Infanterie-Regiments 41 und der Regimentsstab des Infanterie-Regiments 45 mit I. und II. Bataillon. Das III. Infanterie-Remiment 45 bezog in Darkehmen (Angerapp) seine Garnison. Im Verlauf der seit den Kriegen von 1864/71 andauernden Heeresvermehrung und der damit verbundenen Umorganisation des Heerwesens wurde das I./IR 41 nach Tilsit verlegt. In die von diesem Bataillon bis 1. April 1897 belegte Kaserne rückte die nach Einführung des Maschinengewehrs in die Armee neu aufgestellte Maschinengewehr-Abteilung Nr. 5 ein. Mit dieser Abteilung kam auch ein bisher nicht gekanntes Soldatenbild in die Stadt. Die Angehörigen der Abteilung trugen nicht die Pikeihaube der Infanterie, sondern den Tschako der Jägerbataillone. Bei Paraden aber ohne Haarbusch. Außerdem war die Abteilung beritten. Die Gefechtsfahrzeuge mit Maschinengewehren und aufgesessener Bedienung wurden vierspännig vom Sattel gefahren. Als taktische Einheit des I. Armeekorps war sie wirtschaftlich dem IR 45 angegliedert. Eingesetzt wurde sie wegen ihrer Beweglichkeit meistens mit der Kavallerie. Mit dem Einzug dieser Einheit war der Wechsel von Einheiten innerhalb des Standorts bis zum Ersten Weltkrieg abgeschlossen.
Mit den in Insterburg lebenden Soldaten hatte die Bürgerschaft ein gutes Verhältnis, und manche ihrer Töchter fand unter den Soldaten ihren Ehepartner. Waren die Artilleristen »Bumsköppe«, wurden aus den Infanteristen »Sandhasen« oder »Stoppelhopser«. Aus allen diesen Männern wurden in den Augen der Bürger Helden, nachdem diese 1914/15 die Russen aus der Stadt und der Provinz Ostpreußen vertrieben hatten. An diesen bis zum Jahr 1918 heimisch gewesenen Soldaten wurden die Nachfolger gemessen, die als Freiwillige des unter den Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles entstehenden neuen Heeres in die Kasernen der Stadt einzogen. Dieses neue Heer, das als Reichswehr in die Geschichte eingegangen ist, hat sein Entstehen dem alten Heer zu danken. Freiwillige der alten Regimenter, die bis 1918 oder früher einmal in der Stadt waren, legten den Grundstein des neuen Heeres. Deshalb muß man sich daran erinnern, wenn man Vergleiche zwischen altem und neuem Heer ziehen will.
Die Traditionsregimenter Tradition bedeutet im militärischen Sinne die Pflege, Bewahrung und Weitergabe von Tugenden, die den Soldaten auszeichnen. Ehre, Treue, Opferbereitschaft und Kameradschaft stehen dabei obenan. Diese Werte sind im preußischen Heer von Anbeginn verankert. Sie sind die Garanten für die Leistungen, die das Heer vollbracht hat. Da diese Tugenden heute abgelehnt werden und als Kadavergehorsam verschrien sind, sei daran erinnert, daß es dem deutschen Heer dank dieser Tugenden immer wieder gelang, Kraft für eine Erneuerung zu schöpfen. Nach den Ereignissen des Jahres 1918 schien es, daß die Pflege und Wiederaufnahme der Heerestradition nicht mehr möglich sei. Dies war aber ein Trugschluß, vor dem die Freiwilligen der alten Armee das neue Heer bewahrten. Diese Freiwilligen entstammten den Infanterie-Regimentern, deren Namen in Insterburg nicht unbekannt waren. Traditionspflege setzt voraus, daß man von dem, was gepflegt werden soll, etwas weiß. Dieses Wissen können heute nur noch die Regimentsgeschichten vermitteln. Aus den in Frage kommenden ist das entnommen, was zur Klarstellung nötig ist. Von den vielen Regimentern der alten Armee waren nur 21 Infanterie-Regimenter verblieben, die sich in kleinsten Verbänden auf viele Orte verteilten. Um das Andenken aller aufgelösten Truppenteile wahren zu können, mußten zumeist die einzelnen Kompanien mit der Fortführung der Tradition eines oder mehrerer Regimenter beauftragt werden, die in keiner Beziehung zur Wurzel der Kompanie gehörten. Dies war auch bei der Infanterie der Fall. So führten von dem in Insterburg kasernierten Bataillon die einzelnen Kompanien folgende Regimentsbezeichnungen: Bataillonsstab II./1 IR41 5. Kompanie IR41 6. Kompanie IR 45 7. Kompanie IR 44 8. (MG) Kompanie IR 41 Diese alten Regimenter hatten einmal Insterburg zur Garnison. Im amtlichen Verzeichnis des deutschen Heeres wurden diese Regimenter unter der Bezeichnung Infanterie-Regiment v. Boyen (5.ostpreußisches) Nr. 41, Infanterie-Regiment Graf Dönhoff (7.ostpreußisches) Nr. 44 und 8. (ostpreußisches) Infanterie-Regiment Nr. 45 geführt. Das Infanterie-Regiment v. Boyen Nr. 41 wurde im Rahmen der Heeresvermeh-rung am 28. Juli 1859 neu aufgestellt. Seine ersten Standorte waren Königsberg und Pillau. Es nahm an den Feldzügen 1866, 1870/71 teil. 1867 wurde das III. Bataillon dieses Regiments im Zuge der Umorganisation von Pillau nach Memel verlegt. Sein II. Bataillon wechselte 1885 von Königsberg nach Tilsit. Ihm folgte 1897 das in Insterburg befindliche I. Bataillon. Damit hatte das Regiment mit Tilsit und Memel seine bis zur Auflösung zugewiesenen Standorte erhalten. Den Namen »v. Boyen« erhielt das Regiment für bewiesene Treue und Tapferkeit 1889
verliehen. Teile des Regiments nahmen 1900 an den Kämpfen während des Boxeraufstands in China teil. Im Verband der 1. Brigade der 1. (ostpreußischen) Division fochten die Einundvierziger an der Seite der Kronprinz-Grenadiere 1914/15 bei den Grenzgefechten und in der Schlacht von Tannenberg an den Brennpunkten des Geschehens. Als 1915 die Infanterie-Divisionen von vier auf drei Regimenter verkleinert wurden, schieden die Einundvierziger aus der 1. Division und kamen an die Westfront. In der Schlacht um Verdun hatten sie den größten Anteil an der Einnahme des Fort Vaux dieser Festung, die sie mit großen Verlusten bezahlten. Am Ende des Krieges konnte das Regiment den traurigen Ruhm verbuchen, die höchsten Verluste eines deutschen Regiments mit 6790 gefallenen Offizieren, Unteroffizieren und Musketieren erlitten zu haben. Die 1. Brigade der 2. ostpreußischen Division, bestehend aus den 4. Grenadieren und dem Infanterie-Regiment Graf Dönhoff Nr. 44, erlebte ihre Feuertaufe in der Schlacht von Tannenberg. Von den Musketieren des Regiments Nr. 44 sagte General v. Francois, daß die Russen diese Soldaten mehr fürchten als den Teufel. In dieser ungebrochenen Haltung nahm es am Krieg im Osten bis zum Ende teil. Hausregiment der Insterburger war das Infanterie-Regiment Nr. 45. Es gehörte mit den Füsilieren des Regiments Graf Roon Nr. 33 in Gumbinnen 1914 zur vierten Brigade der 2. ostpreußischen Division. Im gleichen Jahr wie die Einundvierziger neu aufgestellt, nahm es an den Feldzügen 1866 in Österreich und 1870/71 in Frankreich teil. Neue Lorbeeren pflückte das Regiment 1914 während der Kämpfe im Raum Stallupönen (Ebenrode), die zur Schlacht von Tannenberg führten. Das Ruhmesblatt seiner Geschichte schrieb das Regiment während der Dobrudscha-offensive, als es die russische Front durchbrach und dem I. Armeekorps den Weg in die Weiten Rußlands ebnete. An diese drei ostpreußischen Regimenter, deren Tradition von der Infanterie in Insterburg gewahrt wird, erinnert heute nur noch die Fahne des I. Bataillons vom Infanterie-Regiment v. Boyen, die in der Bundeswehrschule für Innere Führung in Koblenz aufbewahrt wird. Sie wurde geborgen, als der Sarg des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg aus dem Tannenbergdenkmal im Januar 1945 in das Reich überführt wurde.
Vom Übergangsheer zur Reichswehr Als am 9. November des Jahres 1918 an den Fronten die Waffen schwiegen, war klar, daß der Krieg verloren ist. Damit hatten die Alliierten ihr Ziel, Deutschland als Weltmacht auszuschalten, erreicht. Um Deutschland daran zu hindern, in absehbarer Zeit wieder auf der Weltbühne Fuß zu fassen, mußte das Heer als Garant solcher Bestrebungen ausgeschaltet werden. Der Weg zu diesem Ziel war schon in den Bestimmungen des Waffenstillstands vorgezeichnet. Da das deutsche Heer noch große Gebiete der Alliierten besetzt hielt, mußte es diese räumen. Die Fristen dazu waren so kurz bemessen, daß es nur einer disziplinierten Truppe gelingen konnte, Gerät und Kriegsmaterial zu bergen und die Gebiete geordnet zu verlassen. Die Hoffnung der Feindmächte, daß aus Zeitmangel die Rückführung der Truppen in einem Chaos der Flucht enden würde, erfüllte sich nicht. Vorausschauend waren von der deutschen Heeresleitung Maßnahmen getroffen worden, um die Räumung, Sicherheit der Grenzen und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Landesinneren sicherzustellen. Dennoch trat das ein, was die militärische Führung schon seit langem vorausgesehen hatte. Die Unruhen im Reich weiteten sich aus. Hunger, Kälte, Arbeitslosigkeit und die Machtkämpfe innerhalb der Regierung und der Parteien trugen mit dazu bei, daß sich die Auflösungserscheinungen ausweiteten. Die schwachen Heimattruppen waren nicht in der Lage, für Ruhe und Sicherheit zu sorgen. Vor allem die im Osten befindlichen Truppen erschienen dem Oberbefehlshaber Ost, General Hoffmann, wenig zuverlässig. Diese Einschätzung der Lage veranlaßte ihn, am 15. November 1918 bei der Reichsregierung den Antrag zu stellen, die Freiwilligenwerbung und Aufstellung von Freiwilligeneinheiten anzuordnen. Diesem Ansinnen widersetzten sich viele Regierungsmitglieder, denen das Feilschen um einträgliche Posten erstrebenswerter erschien, als dem berechtigten Anliegen eines Generals ihre Arbeit zu widmen. Bestärkt wurden diese Ablehnungen noch durch die Regierung selbst, die glaubte, aus dem zurückgeführten Westheer sechzehn Divisionen mit zuverlässigen Angehörigen bilden zu können. Diese Hoffnung trog. Während durch die Entschlußlosigkeit der Regierung kostbare Zeit verstrich, verschlechterte sich die Lage im Innern des Reiches und an den Ostgrenzen. Um der Aufstände in Westpreußen, den großen Städten und dem Vordringen der Russen in die Baltischen Staaten und nach Ostpreußen begegnen zu können, hatten viele Führer größerer oder kleinerer Einheiten ohne Befehl und Auftrag gehandelt. Freiwillige aus vielen Truppenteilen schlossen sich zu Verbänden von unterschiedlicher Stärke und waffenmäßiger Herkunft zusammen, die, mit dem Namen ihrer Führer versehen, als Freikorps Aufträge ausführten. Diese Art der Bildung von Freiwilligenverbänden wurde ab 5. Dezember 1918 in geordnete Bahnen gelenkt. Auf Befehl des Oberkommandos Ost erfolgte die Numerierung der einzelnen Freiwilligeneinheiten, Zusammenfassung in größere, nach dem Namen der Führer benannte Verbände, und Unterstellung dieser in die Abschnitte Grodno,
Nord- und Südlitauen und Baltikum. Im Schutz dieser Freiwilligeneinheiten erfolgte im Bereich des 1. Armeekorps die Aufstellung großer Einheiten, nachdem die Oberste Heeresleitung die im Westen eingesetzten ostpreußischen Regimenter mit der Bahn in ihre Friedensstandorte in Marsch gesetzt hatte. Eile war geboten, denn an der ostpreußischen Grenze, in Westpreußen und in Schlesien wuchs die Gefahr, daß durch den Aufstand der Polen in Posen am 27. Dezember 1918 und deren Einfall in Oberschlesien deutsches Land verloren ging. In dieser Krise war es ein Lichtblick, daß sich mit Gustav Noske endlich ein Mann bereit erklärte, das Amt des Reichswehrministers zu übernehmen. Ihm ist es zu danken, daß in Zusammenarbeit mit dem Chef der Heeresleitung, General Reinhardt, nun die längst fälligen Entscheidungen getroffen wurden. Mit den Erlassen vom 2. und 7. Januar 1919 erhielten die Freiwilligen Werbung und Aufstellung von Verbänden gesetzliche Grundlage. Damit wurde auch die vom I. Armeekorps befohlene Bildung der ostpreußischen Freiwilligenbrigade für einen Einsatz bestätigt. Diese Brigade bestand aus (Comb.) Freiwilligen-Regiment, gebildet von Regimentsstab Bataillon Bataillon Bataillon Batterien Batterien Batterien 1. Grenadier-Regiment 3 Königsberg Grenadier-Regiment 1 Königsberg Grenadier-Regiment 3 Königsberg Infanterie-Regiment 43 Königsberg Fußartillerie-Regiment 1 Königsberg Feldartillerie-Regiment 16 Königsberg Feldartillerie-Regiment 52 Königsberg 2. I. II. III. 2 2 2 (Comb.) Freiwilligen-Regiment, gebildet von Regimentsstab Bataillon Bataillon Bataillon Batterien Batterien Füsilier-Regiment 33 Gumbinnen Grenadier-Regiment 4 Rastenburg Füsilier-Regiment 33 Gumbinnen Infanterie-Regiment 44 Goldap Feldartillerie-Regiment 1 Insterburg Feldartillerie-Regiment 37 Insterburg 1. I. II. III. 2 2 (ostpreußisches) Freiwilligen Kavallerie-Regiment, gebildet aus je 1 Schwadron vom Dragoner-Regiment 1 Tilsit Ulanen-Regiment 12 Insterburg Jäger-Regiment zu Pferde 9 Insterburg Ulanen-Regiment 8 Gumbinnen Jäger-Regiment zu Pferde 10 Angerburg und Maschinengewehr-Abteilung 5 Insterburg Die Mannschaftsstärken sind unbekannt. Der Einsatz der Brigade erfolgte ab 18. Januar 1919 im Raum Graudenz-Culm/Westpreußen und teilweise in Schlesien. Die Brigade wurde nach Beendigung des Grenzschutzes mit Teilen in die 1. Division des 100000-Mann-Heeres übernommen. Neben dieser Brigade bestanden noch viele derartige Formationen. Während ihres Einsatzes erfolgte die Organisation für die Schaffung des Friedensheeres, die umfangreiche und einschneidende Maßnahmen erforderte.
Die Bildung des II. Infanterie-Regiments 1 ist in der folgenden schematischen Darstellung mit Erläuterungen sichtbar gemacht. Schematische Darstellung der Bildung des II./I.R.l 1. IR 41 kehrt am 21. Dezember 1918 mit 2 Bataillonen aus dem Feld zurück. IR 44 stellt 1 Bataillon an Ostpreußisches Freiwilligen-Regiment 2 ab, II./44 tritt zum Freiwilligen-Regiment Preußen, III. Bataillon wird Freiwilligen-Bataillon Nr. 14. IR 45 wird auf die Freiwilligen-Brigade Grodno aufgeteilt. 2. IR 41 bildet Grenzkompanie A, B, F Abschnitt Heydekrug, II./41 tritt zum Grenzabschnitt Memel über. IR 41 bildet III. Freiwilligen-Bataillon neu. 3. IR 41 wird in Freiwilligen-IR 41 umbenannt. IR 44 bildet aus Regimentsstab und III. Freiwilligen-Regiment 2 das Freiwilligen-IR 44 IR 45 bildet aus Regimentsstab, I. und E-Bataillon das Fr.IR 45 4. Fr.IR 41 wird in IR b umbenannt Fr.IR 45 bildet aus Regimentsstab, I. und E-Bataillon das II./IR b. 5. IR b wird IR 95, Fr.IR 44 bildet das I./IR 66. 6. IR 95 wird IR 101. Als IV./101 kommen die Freiwilligen-Regimenter Fischer — v. Hagen hinzu (s. Erläuterung). IR 66 Das gebildete I. Bataillon nimmt das Freiwilligen-Bataillon Nr. 14 auf und bildet mit diesem das IV. Schützen-Regiment 2. 7. IR 101 bildet das II./Schützen-Regiment 2. Das II./101 kommt zum I./Schützen-Regiment 2, das IV./101 bildet mit dem IV./Schüt-zen-Regiment 2 das I./Schützen-Regiment 2. 8. II./2 wird in II./IR 1 umbenannt. Das I./Schützen-Regiment 2 geht im III./IR 1 auf. 9. Vom Schützen-Regiment 9 (IR 155 Ostrowo/Schlesien) wird die 6./IR 1 gebildet und in das Bataillon eingegliedert. Erläuterungen zur schematischen Darstellung (Ziffer 5—8) Regimentsstab IR 101 (IR 41) Regiments-Kommandeur Oberst Schmidt Nachrichten-Kompanie IR 101 (IR 41) Minenwerfer-Kompanie IR 101 (IR 41) wie IR 95 (IR 41) (IR 41) wie IR 95 (IR 41) wie IR 95 (IR 41) wie IR 95 (IR 41) I./IR 101 1. Kompanie 2. Kompanie 3. Kompanie 4. (MG)-Kompanie gebildet aus I. und III./IR 95 (IR 41) gebildet aus 1. und teilweise 2./95 (IR 41) gebildet aus 11. und teilweise 10./95 (IR 41) gebildet aus 9. und teilweise 10./95 (IR 41) gebildet aus 1. und 3./95 (IR 41)
II./IR 101 Stab gebildet aus Regimentsstab IR 45 5. Kompanie 6. Kompanie 7. Kompanie 8. (MG)-Kompanie gebildet aus gebildet aus gebildet aus gebildet aus 5./IR 45 6./IR 45 3./IR 95 und teilweise 2./95 E-Bataillon IR 45 III./IR 101 Stab 9. Kompanie 10. Kompanie 11. Kompanie 12. (MG)-Kompanie gebildet aus gebildet aus gebildet aus gebildet aus gebildet aus Regimentsstab Kettner (IR 212) IR 212 IR 212 IR 212 IR 212 IV./IR 101 Stab gebildet aus Regimentsstab IR 211 und 341 12. bis 16. Kompanie (Fischer und v. Hagen) gebildet aus beiden Regimentern. Das Bataillon wurde während des Grenzschutzes gebildet und kam am 1. Januar 1920 zum IR 101 als IV./101, das IR 101 bildete das II./Schützen-Regiment 2. Die Reste des Regiments wurden aufgelöst. II./Schützen-Regiment 2 (I. und III./IR 41) Bataillons-Stab gebildet aus Regiments-Stab IR 101 Bataillons-Kommandeur: Major Schlenther Bataillons-Adjutant: Oberleutnant Hippler (IR 41) 5. Kompanie: Hauptmann Münster J. (IR 41) 7. Kompanie: Hauptmann Lambeck (IR 41) 8. Kompanie: Hauptmann Sturm (IR 44) 6. Kompanie: Hauptmann Bormann (IR 341) — III./101 Das II. und IV./IR 101 bildeten das I. und III. Schützen-Regiment 2 in Insterburg und Gumbinnen. II./I. (Preußisches) Infanterie-Regiment Bataillons-Stab gebildet aus Stab II./Schützen-Regiment 2 Bataillons-Kommandeur: Oberstleutnant Cruse (Grenadier-Regiment 1) Bataillons-Adjutant: Oberleutnant Hippler (IR 41) 5. Kompanie: wie 5./2 Hauptmann Münster (IR 41) 7. Kompanie: 6./7./2 Hauptmann Lambeck (IR 41) 8. Kompanie: wie 8./2 Hauptmann Sturm (IR 44) 6. Kompanie: Hauptmann v. d. Hagen (IR 341) Die 6. Kompanie kam vom Schützen-Regiment 9 (IR 155, Ostrowo/Schlesien) als neu formierte Kompanie zum Bataillon.
Aus diesen Erläuterungen geht auch hervor, daß Herkunft und Tradition zwei grundverschiedene Dinge sind. Wie aus den Erläuterungen ersichtlich, ist das II./1 vom IR 41 und IR 155 gebildet worden. Die Wahrung der Tradition wurde aber durch die Verordnung über die Traditionspflege im Reichsheer so angewandt, daß der Bataillonsstab II./I, die 5. und 8. Kompanie die Traditionsbezeichnung IR 41, die 7. Kompanie die des IR 44 und die 6. Kompanie vom IR 45 führten. Dieses Verhältnis war in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Besser wird wahrscheinlich heute noch der Name des in Insterburg beheimatet gewesenen Militärsportvereins »Yorck v. Boyen« in Erinnerung sein. Grenzschutz im Osten Das neue Heer war gebildet. Nun galt es trotz aller Behinderungen, die der Friedensvertrag auf erlegte, aus Kriegsteilnehmern und neu eingestellten Freiwilligen das vom Chef der Heeresleitung geforderte Führerheer zu verwirklichen. Die Grundlage hierzu bildeten die neu gefaßten Heeresdienstvorschriften (HdV), in denen die Erfahrungen des Krieges mit der veränderten Aufgabenstellung des kleinen, aller schweren Waffen entblößten Heeres vereinigt waren. In ihnen war nichts von den Zielen enthalten, welche die Alliierten dem Heer als Polizeitruppe vorgezeichnet hatten. Vielmehr war Schnelligkeit, Beweglichkeit und volle Beherrschung der Waffen erste Bedingung. Diesem gleichrangig war die taktische Schulung der Unteroffiziere und Mannschaften. Hierbei mußten die primitivsten Hilfsmittel fehlende Truppen, Flugzeuge, Panzer und Waffen ergänzen. Am Sandkasten, in dem das Geländebild nachgebaut war, wurden Geländeübungen im Rahmen der Kompanie und des Bataillons der gegebenen Lage entsprechend vorbereitet und die Fehler nach der praktischen Ausführung besprochen. Daneben wurde das Exerzieren, verbunden mit der Waffen- und Schießausbildung, Leibesübungen, Unterricht über die HdV, vaterländische Geschichte, Pflege der Waffen, von Gerät und Bekleidung nicht vergessen. Um alles in die wöchentlich aufzustellenden Dienstpläne aufnehmen und durchführen zu können, waren Länge und Härte des Dienstes unumgänglich. Mancher Soldat des heutigen Heeres würde sich wundern, wenn er trotz zwölfjähriger Dienstzeit wenig Freizeit bekäme. Bis zum 18. August 1921 blieb das Bataillon in Tilsit vereinigt. Hier ging die Ausbildung trotz Behinderung durch den Ausbruch des polnisch-russischen Krieges ab Oktober 1920, während dessen das Bataillon umfangreiche Sicherungs- und Bewachungsaufgaben zu lösen hatte, weiter. Mit einem von Oktober bis Dezember 1920 währenden Aufenthalts auf dem Truppenübungsplatz Arys wurde das erste Jahr des Bestehens des Bataillons abgeschlossen. Da zu dieser Zeit die Unruhen im Reich noch nicht aufgehört hatten und die Sicherheit der Ostgrenzen nicht gewährleistet war, erfolgte eine Umgruppierung des Bataillons. Nachdem die
Infanteriekasernen von den demobilmachenden Truppen geräumt waren, wurden die 6. und 7. Kompanie am 18. August 1921 von Tilsit nach Insterburg verlegt. Die Führung des Bataillons war bei den bestehenden Nachrichtenmitteln erschwert. Es war deshalb für die in Tilsit verbliebenen Teile des Bataillons selbstverständlich, daß es — manche schieden nur ungern — in Insterburg im Oktober 1928 wieder vereinigt wurde. Daß dafür die in Insterburg befindlichen Schwadronen des Reiterregiments nach Tilsit gehen mußten, war für die Tilsiter ein kleiner Trost. Daß diese Umorganisation das Letzte in dieser Entwicklung sei, glaubte niemand. Hatten doch die Übungen und Manöver gezeigt, daß mit dieser kleinen Wehrmacht gegen einen modern ausgerüsteten Gegner die vom Reich abgeschnittene Provinz Ostpreußen nicht gehalten werden konnte. Daran könne auch der Bau der Befestigungen im Heilsberger Dreieck, an denen das Bataillon vier Wochen mitwirkte, nicht viel ändern. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde deshalb die Belastung, die ab 1932 durch die Ausbildung von jungen Männern durch die Kompanien geleistet werden mußte, hingenommen. Hierzu wurden Ausbildungstrupps von einem Unteroffizier und zwei Gefreiten gebildet, die mit dem Auftrag, sich am Tag X um 0 Uhr in der Gastwirtschaft oder dem Gut B zu melden und dort den Versammelten das kleine Einmaleins in Waffen- und Geländekunde beizubringen, in die Orte des Kreises geschickt wurden. Wer aber geglaubt hatte — Ausbilder oder Auszubildender — daß dies eine feuchtfröhliche Angelegenheit sei, hatte sich getäuscht, denn das Auge des mit dieser Ausbildung beauftragten Oberleutnants v. Lentzke wachte. Da diese zweimal im Monat durchgeführten Lehrgänge nicht den erwarteten Erfolg hatten, wurde die Geländesportschule Gudwallen in den Gebäuden des aufgelassenen Landgestüts eingerichtet. Hier erhielten die Teilnehmer, in der Mehrheit Oberschüler und Studenten, in vier Wochen ihre Grundausbildung. Zu diesen Lehrgängen kam ab 1933 noch die Unterführerschule im Lager Goldap, von den Teilnehmern Neu-Abessinien genannt. Teilnehmer waren Förster aus der Rominter Heide, Studenten und Weltkriegsteilnehmer. Diese Teilnehmer erfuhren und erlebten, was es heißt, Soldat zu sein. Die Ausbildung erfolgte weitgehend im Verborgenen, da Waffen in der Öffentlichkeit nicht gezeigt und die einheitlich getragene Uniform an den Arbeitsdienst erinnerte. Diese Ausbildung erfolgte offiziell unter der Bezeichnung »Grenzschutz für den Fall einer Bedrohung Ostpreußens im Ernstfall«. Von heimlicher Aufrüstung war keine Rede. Auch als 1934 die Söhne der Erbhofbauern für ein Jahr eingezogen wurden, geschah dies mit dem Hinweis, daß mit diesem Dienst die Übernahme eines Erbhofs erst gewährleistet sei. Mit der Übernahme der Ausbildung von Rekruten, die bisher von den Ausbildungsbataillonen durchgeführt wurde, wurden Offiziere und Unteroffiziere des Bataillons zu einer radikalen Umstellung im Ausbildungsablauf gezwungen. Standen bisher mit der Grundausbildung versehene Freiwillige zur Verfügung, mußten nun Gerade und Krumme, bauernschlaue und gutmütige Jungen vom Lande in einem Jahr zu einsatzfähigen Soldaten gemacht werden. Dazu fehlte es an Ausbildern, denn Abgaben an die Stämme der im Geheimen entstehenden Einheiten
her nicht vorhandener Waffengattungen häuften sich. Offiziere waren Mangelware und die meisten nur in der Person des Kompaniechefs anzutreffen. Trotzdem gelang es, bis zur Besichtigung die Grundausbildung auf einen ausreichenden Stand zu bringen und den Aufenthalt auf dem Truppenübungsplatz mit Erfolg zu beenden, so daß der Marsch in das Manöver mit der Bezeichnung III. Bataillon Infanterie-Regiment Königsberg angetreten werden konnte. Diese Bezeichnung hatte das Bataillon am 1. April 1934 erhalten. Nach der Rückkehr aus dem Manöver des Jahres 1934 und der daran anschließenden alljährlichen Überholung der Waffen in der Waffenmeisterei des Bataillons, wurde am 1. Oktober 1934 das Ausscheiden des Bataillons aus seinem bisherigen Regiment und die Bildung des Infanterie-Regiments Nr. 43 bekannt. Hatte in diesem Zusammenhang die Zuweisung von Angehörigen des Ausbildungsbataillons, von dessen Auflösung selbst diese nichts wußten, Verwunderung ausgelöst, war das plötzliche Auftauchen von Panzerabwehrkanonen, Infanteriegeschützen und die Zuweisung von Maschinengewehren Modell 34 eine Sensation. Wenn man heute, nachdem die Einsicht in Geheimbefehle und Dokumente der Wehrmacht möglich geworden ist, die Ereignisse von damals mit diesen Erkenntnissen betrachtet, muß man die völlige Geheimhaltung, die dies ermöglichte, mit Achtung aufnehmen. Daß damals durch diese Ausrüstung und Aufstellung die Aufrüstung und das Ende des 100000-Mann-Heeres gekommen war, in dessen Gefolge auch die Weimarer Republik endete, ahnte von uns niemand.
Das Ende der Reichswehr Den Grundstein für eine Wiederaufrüstung der Wehrmacht hatte schon General v. Seeckt am 14. Januar 1921, wenige Tage nach dem einjährigen Bestehen des neuen Heeres, gelegt. Mit generalstabsmäßiger Gründlichkeit vorbereitet, nahm der Plan auch nach dem Ausscheiden des Generals Formen an. Über die Zwischenziele Ausbildung zum Führerheer, geheime Herstellung neuer moderner Waffen und Geräte in Rußland, Ausbildung von Lehrpersonal an verbotenen Waffen und Geräten, Planung einer geheimen Rüstungsindustrie, reifte der Plan für die Aufstellung von 21 Heeres- und 5 Kavallerie-Divisionen. Zu deren Aufstellung waren folgende Zeitpläne gültig: 1928 — 1. Welle. Zusammensetzung: Aktive Reserve 50% 50% 1929 — 2. Welle. Zusammensetzung: Aktive Reserve 30% 70% 1930 — 3. Welle. Zusammensetzung: Aktive Reserve 10% 90% Für die Ausbildung sollten immer 10 % der aktiven Soldaten zur Verfügung stehen. Außerdem war noch die Aufstellung von 39 Grenzschutz- und Luftwaffen-Divisionen in Vorbereitung. Da die Bewaffnung und Ausrüstung für diese geplanten Einheiten aus den vorhandenen Beständen nicht möglich war, und sich der Aufbau einer geheimen Rüstungsindustrie wegen der alliierten Überwachung nicht verwirklichen ließ, außerdem das nötige Geld fehlte, unterblieb die Aufrüstung. Als Versuch kann man deshalb nur die Geländesportschulen und die Einberufung der Söhne von Erbhofbauern ansehen. Auch die wechselnden Schwerpunkte in der Gefechtsausbildung können dazu gerechnet werden. Stand bis zum Jahr 1928 Verteidigung, hinhaltender Widerstand und die Ausbildung zum Infanteriepionier im Vordergrund, galt ab diesem Zeitpunkt der Angriff als die beste Verteidigung. Hierbei wurde das Hauptziel des Angriffs in der überholenden Verfolgung gesehen. Dabei wurden von der Truppe Marschleistungen gefordert, die mit der schweren Ausrüstung nur von gesunden und an derartige Leistungen gewöhnten Soldaten zu erbringen sind. Zum besseren Verständnis veröffentlichen wir hier eine Übersicht über die damalige Ausrüstung eines Schützen.
Gewicht der Ausrüstung eines Schützen Gewehr-kg MG-Schütze kg Uniform, Wäsche, Stiefel usw. 3,000 3,000 Stahlhelm 1,500 1,500 Gewehr 98 4,100 — Pistole 0/8 — 0,800 Koppel mit Seitengewehr 98/05 1,200 — Koppel mit Seitengewehr 84/98 — 1,000 Brotbeutel mit Feldflasche, 1 Liter 1,200 1,200 Patronentaschen mit 120 Patronen 3,500 — MG 08/15 mit Gabelstütze und Kühlwasser — 18,100 Werkzeugtasche und Reserveschloß — 1,900 oder 2 Reserveläufe, Wischstock mit Laufbehälter — 5,000 Gasmaske alter Art mit Büchse 1,500 1,500 oder Gasmaske neuer Art mit Tragetasche und Schlauch 4,000 4,000 Spaten lang 3,000 — Spaten kurz — 1,200 oder Klapphacke — 1,700 Axt oder Kreuzhacke lang 3,500 — Dampfablaßschlauch für IMG — 0,400 Tornister mit Mantel, Zeltausrüstung, Schuhe, 60 Patronen usw. 18,000 18,000 44,500 49,300 Das Gewicht schwankte je nach Art der Ausrüstung zwischen Plus-Minus 5 kg, so daß vom Schützen rund 40 bis 45 kg auf dem Marsch und im Gefecht zu tragen waren. Für die MG-Schützen änderte sich das Gewicht bei freigemachtem Gerät derart, daß der Tornister auf den Handwagen verladen wurde und dafür von den Schützen je 2 bis 4 Munitionskästen ä 250 Schuß getragen werden mußten. Gewicht eines Kastens: 250 x 26,2 Gramm = 6,550 kg, Kasten mit Gurt = 1 kg, zusammen 7,550 kg. 2 Kästen mit Munition wogen also 15,100 kg.
Bewaffnung einer Schützenkompanie nach dem Vertrag von Versailles Gewehr Modell 98........................................ 130 Pistole Modell 08......................................... 42 Zielfernrohrgewehr D.V.E. 257a Modell 98.................. 1 Seitengewehr 98/05 lang in Stahlscheide................... 80 Seitengewehr 84/98 kurz in Stahlscheide................... 50 leichte Maschinengewehre mit Gabelstütze und Handwagen.. 6 Patronen für Gewehre, je Waffe ......................... 400 Patronen für Pistole...........................je Stück 50 Patronen für IMG.................................je MG 8000 Von dieser Munition sind 5 °/o Reserve. Nahkampfmittel (Handgranaten) sind den Beständen der Regimenter zu entnehmen. Als Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten von Hindenburg keine Behinderung mehr zu befürchten hatte, befahl er die offene Aufrüstung. Diese ging weit über das hinaus, was mit den vorhandenen Kräften möglich war. Statt der 21 Divisionen in drei Wellen, wie dies v. Seeckt vorgesehen hatte, entstanden 36 Divisionen mit schweren Waffen aus 21 Infanterie-Regimentern ohne schwere Waffen und eingeschränkte Stärke. Stärke einer Schützenkompanie nach den Bestimmungen des Friedensvertrages Kompanie-Chef............................................. 1 Kompanie-Offz., Zugführer und Gehilfe des Kompanie-Chefs . 1 Oberfeldwebel............................................. 1 Rechnungsführer........................................... 1 Waffenunteroffizier, Waffen und Munition ................. 1 Kammerunteroffizier, Bekleidung und Ausrüstung............ 1 Verpflegungsunteroffizier, Küche und Verpflegung.......... 1 Zugführer................................................. 3 Gruppenführer............................................ 12 Gewehrschützen........................................... 72 Maschinengewehrschützen ................................. 24 Fahrer vom Bock........................................... 5 Pferdepfleger der Offizierspferde......................... 1 Feld koche................................................ 2 Hornisten und Tamboure, Kompanie- und Zugmelder............4 Gesamtstärke: Mann 130
Die Besetzung der Planstellen für Feldwebel, Unterfeldwebel und Unteroffiziere wurde innerhalb des Bataillons geregelt. Pferde: 1 Offizierreitpferd 10 Zugpferde Fahrzeuge: 4 Hf/11 (Heeresfahrzeug) 1 Feldküche Um die hierzu benötigten Offiziere und Unterführer zu schaffen, mußten diese erst ausgebildet werden. Da bei der Fülle der Aufgaben der Tag auch nur 24 Stunden hatte, mußte die Menge die Qualität ersetzen. Trotz dieser Engpässe, die auch durch die Einreihung des Personals der Ausbildungs-Bataillone nicht ausgeglichen werden konnte, war in Insterburg bis zum 15. Oktober 1935 die Aufstellung des IR 43 mit Stab, Stabskompanie, 13. (IG) Kompanie, 14. (PzA) Kompanie, I. und II. Bataillon in den Grundzügen gebildet. Es fehlten jedoch zahlreiche Offiziere und Unteroffiziere. Auch die Zahl an Mannschaften war nicht vorhanden. Diesen Rahmen galt es auszufüllen. Eine Aufgabe, die nur mit äußerster Konzentration auf die Schwerpunkte, die der Ausbildung von Unteroffizieren und der neu eingestellten Mannschaften diente, gelöst werden konnte. Erschwerend kam dabei hinzu, daß in der Kaserne, in der bisher ein Bataillon untergebracht war, jetzt Regimentstruppen und zwei Bataillone mit erhöhtem Mannschaftsbestand waren. In diesem Durcheinander, bei dem keiner recht wußte, wer nun wohin gehört, mußten erneut aktive Angehörige der Bataillone zur Aufstellung weiterer 16 Divisionen abgegeben werden. Bei den Unteroffizierlehrgängen ging es wie beim Bäcker zu. Wenn man glaubte, wieder einige »fertig zu haben«, mußten schon wieder welche abgestellt werden. Etwas Erleichterung trat ein, als die neue Kaserne an der Karalener Chaussee von den Regimentstruppen und dem I. Bataillon bezogen werden konnte. Alles glaubte, daß nun wieder eine geregelte Ausbildung stattfinden könnte. Dem war nicht so. Am 1. Oktober 1936 mußte die gesamte 1. Kompanie, außer sechs älteren Unteroffizieren, an das in Kaiserslautern entstehende IR 70 abgegeben werden, um dort das I. Batail-lonzu bilden. Wieder drehte sich das Rad des Wechsels, vondem fast alle Kompanien durch Abgabe von Unteroffizieren und dazu geeigneten Gefreiten betroffen wurden. Major Wagner, der diesen zusammengewürfelten Haufen, von Kompanie war keine Rede, übernahm, war nicht zu beneiden. Wieder mußte aus dem Nichts heraus eine Einheit geformt werden, die den Namen Kompanie verdiente. Wieviel an Einsatz, gutem Willen und Verzicht auf Freizeit dabei von allen Kompanieangehörigen erbracht werden mußte, kann ein Unbeteiligter nur ahnen. Es gelang aber, bis zur Besichtigung im März, ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen und die Kompanie als das hinzustellen, was diesen Namen verdient. Da es keine wesentlichen Veränderungen innerhalb des Unteroffizierskorps gab, konnte die Ausbildung desselben und die der Kompanie so gefördert werden, daß das Bataillon nach Beendigung des Aufenthalts auf dem Truppenübungsplatz und dem Ende des Manövers als einsatzfähig zu betrachten war. Daß sich dieser Einsatz aus der Sicht eines Angehörigen des Regiments gelohnt hat, beweisen die Leistungen des Regiments Nr. 43, die es während des Krieges erbrachte und zu einem der Besten des Heeres werden ließ.
Ausbildung der Rekruten Wenn man nach sechzig Jahren die Ereignisse der Vergangenheit in Erinnerung ruft, muß man feststellen, daß die Militärjahre im Frieden so viel Werte vermittelt haben, mit denen alles Schwere der Zeit bewältigt werden konnte. Wer damals den Rock des Soldaten anzog ahnte, daß in dem Augenblick, in dem er das Kasernentor durchschritt, nun das Leben eines Neugeborenen begann. »Dieses Wesen konnte weder gehen, stehen, sprechen. Nur fressen, sch.. und Menschen ärgern.« So jedenfalls war die Meinung der Ausbilder, die aus diesem Kind erst einen Menschen machen mußten, den man auf die Öffentlichkeit loslassen konnte. Die Ausbildung erfolgte bei den Ausbildungsbataillonen. Aus drei Schützenkompanien bestehend, die MGK fehlte, erfolgte innerhalb eines halben Jahres die Grundausbildung. Damit die Rekruten nicht auf den Gedanken kamen, daß waschen, flicken, putzen, Betten bauen und Stubenreinigen Mutters Angelegenheit sei, die Braut des Soldaten für die Pflege selbst zu sorgen hätte, war die Zeit am Abend mit Waffenreinigen, Putz- und Flickstunden, nutzbringend ausgefüllt. Dafür war Stadt- und Nachturlaub durch Flaggen dargestellt, wie dies mit fehlenden Waffen und Kompanien erfolgte. Auch Besuche bei der Mutter der Kompanie, bei der Bekleidungsstücke zur Prüfung auf Sauberkeit und Unversehrtheit vorgezeigt werden mußten, halfen, die Gedanken an Urlaub zu verdrängen. Damit dem Rekruten auch das Motto »Preußen hat sich groß gehungert« geläufig wurde und er keinen Speck ansetzte, gab es jeden zweiten Tag einen Karo einfach zu drei Pfund, pro Tag 25 Gramm Margarine und die gleiche Menge Marmelade. Neben dem Mittagessen jede Menge Schweiß und am Abend abwechselnd Pellkartoffeln und Hering oder Gemüsekonservensuppe, Marke Drahtverhau, mit dem schon hungrige Mägen im Krieg gefüllt worden waren. Einfach, aber ausreichend, wenn man bedenkt, daß die Bevölkerung oft nicht satt wurde. Um dem Wehrgesetz zu genügen, erfolgte nach zehntägiger Prüfungszeit die Vereidigung. Ohne Prunk erfolgte diese für den Freiwilligen bindende Handlung, indem die Säbelklinge des Kompaniechefs berührt und die Eidesformel wiederholt wurde. Auch das Rekrutenleben geht einmal zu Ende. Höhepunkt und Ende desselben war die Besichtigung, zu der die Kommandeure und Chefs erschienen, um die Männer, die zu ihren Einheiten kamen, zu sehen und zu begutachten. Mit stolzgeschwellter Brust und dem Gefühl, »alte Männer« zu sein (ein Irrtum, der noch viel Schweiß kostete), erfolgte die Meldung bei der Stammkompanie: Schütze A. meldet sich vom A-Bataillon zur Kompanie versetzt. Nach Erledigung aller Formalitäten Zuteilung zur Korporalschaft X, Stube sowieso. Abschließend die Mahnung: Bildet euch nicht ein, daß ihr jetzt alte Männer seid, jetzt geht es erst richtig los! Wie es losging, merkte der Dümmste, wenn er die zugewiesene Stube, ohne den dabei zu beachtenden Ritus einzuhalten, betrat. Anklopfen und das Herein abwarten. Stramme Haltung annehmen. »Gott grüße euch, ihr alten Knochen, es kommt ein Hammel angekrochen, bitte eintreten zu
dürfen«, war der Spruch und zugleich die Bitte, mit der der junge Spund um Aufnahme in den Kreis der Kameraden bat. Um die Kameradschaft zu beweisen, wurde, damit der Stadturlaub für die Alten gesichert war, der Neue mit der Wahr-nahme des Stubendienstes und der Feuerwache beauftragt. Beides verpflichtete, in der Kaserne zu bleiben. Anschließend zum Einkleiden und Waffenempfang. Hatte man dabei das Glück, vom Schießunteroffizier nicht das schlechteste Gewehr und vom Kammerbullen die abgetragensten Sachen zu bekommen, war schon eine große Klippe umgangen, die bei einem schlechten Schützen mit den in der Mittagspause abzuleistenden Nachhilfen (mit Gewehrübungen, Daueranschlag und ähnlichen Dingen aufgelockert) für Beschäftigung außer der Reihe sorgte. Die gleiche Mühsal erwartete den, der bei den empfangenen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken nur arg ramponierte Sachen bekam. Da half kein Jammern, sondern nur intensive Pflege bei der Putz- und Flickstunde, denn die Sachen mußten weiter getragen werden, da die Regierung kein Geld zur Beschaffung neuer Sachen besaß. Hatte man trotz aller Mühe das Pech, beim Antreten oder beim Bekleidungsappell aufzufallen und im »Kohlenkasten der Mutter der Kompanie« (Notizbuch zwischen zweitem und drittem Knopf des Waffenrocks) verewigt zu werden, war es sicher, daß der Sünder am Sonnabend dabei war, die Kohlenvorräte der Küche zu ergänzen. Hierzu mußte die Kohle vom Kohlenhof mit Muskelkraft angefahren und in den Keller getragen werden. Daß sich daran ein Reinigen des Fahrzeugs und des Drillichanzugs anschloß, bedarf eigentlich keiner Erwähnung. Dies waren keine Strafen, sondern Erziehungsmittel, die aus manchem Muttersöhnchen eine Persönlichkeit formte, die sich später selbst helfen und behaupten konnte. Waren alle Hindernisse dieser Art glücklich umgangen und die gemeinsamen Erfahrungen während der »Erdkunde«, dem Schinkenklopfen bei der Sportausbil-dung — der Kameraden Fl. und P. als gute Meister dieses Fachs sei hier gedacht — gesammelt, waren die ersten Schritte zum brauchbaren Mann getan. Da der Sport in den Jahren des Friedensdienstes als Grundlage des Erfolgs bei Märschen und beim Gefechtsdienst im Gelände angesehen wurde, stand der Frühsport mit anschließendem Geländelauf immer dann auf dem Dienstplan, wenn Geländedienst, Schulschießen oder ein Übungsmarsch keine Zeit dafür ließen. Eine besondere Note erhielten Geländeläufe zur Zeit des Hauptmanns D. War Schulschießen angesetzt, wurde alles zum Schießen nötige verladen und zum Stand gefahren. Die Kompanie im Sportanzug, der Chef hoch zu Roß an der Spitze, machte das Tempo, lief die Kilometer. Die zuletzt Ankommenden bekamen Gelegenheit, in der Deckung die Treffer anzuzeigen. Hatte die Kompanie sich derart vorbereitet, kam zum Abschluß das Sportfest des Jahres, bei dem alle Übungen auf die Erfordernisse des Dienstes abgestellt waren: Handgranatenwerfen, Patrouillenlauf mit anschließendem Schießen auf die Scheibe oder auf schwebende Ballons, 20-km-Gepäckmarsch und Patrouillenschwimmen gaben dabei die Wertung über den Stand der Ausbildung. Da die Regimentsführung auch wissen wollte, welchen Ausbildungsstand die Bataillone im Gefechtsdienst hatten, hieß es, die Garnison mit dem Truppen
Übungsplatz Arys, später auch Stablack, zu tauschen. »Arys, du Mörder meiner Jugend« wurde zitiert, wenn der Sand am Galgenberg, Fuchsberg und der Schwey-kower Höhen das Mark aus den Knochen sog und der Schweiß in Strömen floß, den man dann aus der Gasmaske vor dem Gesicht wieder trinken konnte. Wenn nach solchen Stunden noch der obligatorische Vorbeimarsch in Kompaniefront vor dem Kommandeur folgte, gab nur die Aussicht, daß die Musik die müden Knochen beflügeln könne, ein wenig Trost.
Musik und Spielleute Wem ist der Rhythmus und wem sind die Melodien nicht mehr im Ohr? Wer spürt nicht mehr das Zucken, wenn die Beine einen Marsch von 45 bis 50 km hinter sich hatten, wenn das Musikkorps an der Spitze die Kompanie oder das Bataillon zur Stadt und in die Kaserne geleitete? So war es schon, als die Fähnlein und Haufen der Landsknechte um das Jahr 1500 mit ihren Trommlern und Pfeifern marschierten. Diese bildeten bis ins 18. Jahrhundert hinein die Militärmusik. Jede Schützenkompanie, die MGK nicht, hatte zwei Hornisten mit Querflöte und zwei Trommler (Tamboure). Diese mußten den gleichen Dienst wie die Schützen in der Kompanie verrichten und wurden nur auf Anforderung durch den Bataillonshornisten — Tambourmajor — zum Spielmannsdienst kommandiert. Spielmannszüge gab es nicht. Die Spielleute der Kompanien wurden nur zum Üben, zum Einholen der Gruppe, zum Großen Zapfenstreich und für Wehrmachtkonzerte zusammengezogen. Wer konnte in der Wehrmacht Spielmann werden? Vorbedingung war, daß der Ausgesuchte ein überdurchschnittlicher Exerzierer war, musikalische Vorkenntnisse und das Gefühl für Zeitmaß und Tempo hatte. Obwohl die Spielleute keine Musiker sind, mußten Notenlesen und -schreiben, Exerzierbewegungen mit der Musik und das perfekte Blasen und Schlagen der Instrumente erlernt werden. Diese Fähigkeiten konnten nur durch harte Arbeit währen der Übungszeit erworben werden, ehe die Spielleute als Visitenkarte bei Paraden und anderen besonderen Anlässen gezeigt wurden. Da diese Art des Zusammenspielens der Spielleute mit dem Musikkorps dem Obermusikmeister Schmidt, später Grothe, nicht genügte, erwirkte er die Beschaffung von Pikkoloflöten, Fanfaren und Rührtrommeln für die Spielleute, die ein gemeinsames Musizieren bei besonderen Anlässen ermöglichte. Dies bewirkte, daß die Spielleute in Insterburg zu den Besten des Regiments gehörten. Die angefügten Bilder erinnern an jene Zeit, als im Garten oder im Saal des Gesellschaftshauses am Neuen Markt, im Stadion oder an anderen Orten der Düppeler Schanzen-Marsch, der Fehrbelliner oder Hohenfriedberger Marsch, der Parademarsch des II. Bataillons, gespielt wurden. Hauptaufgabe der Spielleute war jedoch, bei den unzureichenden Nachrichtenmitteln das Überbringen von Meldungen und das Blasen der Signale zur Führung der Truppe. So hatte jedes Bataillon einen Ruf, der mit dem für die Kompanien bestimmten verbunden wurde. Damit diese Signale sich bei den Soldaten besser einprägten, wurden diesen ungeschriebene Texte unterlegt. So riefen die Signalhörner z. B., wenn die erste Kompanie des Bataillons gerufen wurde: »Die erste Kompanie hat Läuse«. Damit bei den anderen Kompanien keine Schadenfreude aufkam, hatte die zweite das Signal »Die Zweite, die hat auch ein paar« und bei der dritten hieß es »Aber die Dritt’, aber die Dritt’, hat das gleiche Übel«. Übungen wurden, um aus der Fülle der Signale nur das beliebteste zu erwähnen, unterbrochen oder beendet, wenn »Das Ganze — Halt« ertönte.
Für die Ausbildung der Angehörigen des Musikkorps als Teil der Bataillonstruppe — eine Stabskompanie oder ähnliches gab es nicht — war der Bataillonsadjutant und in dessen Auftrag der Musikmeister verantwortlich. Um als Militärmusiker eingestellt zu werden, mußten die Bewerber die gleichen Voraussetzungen wie alle Heeresangehörigen haben. Außerdem war Bedingung, daß sie den Beruf eines Musikers erlernt hatten und wenigstens zwei Instrumente beherrschten. Bevorzugt wurden Bewerber, die eine Musikschule besucht hatten. Durch diese Auslese gelang es den Musikmeistern des Bataillons, einen Klangkörper zu entwickeln, der heute in der Bundeswehr nicht so leicht zu finden sein dürfte. Nachrichtenzug Wichtigstes Mittel der Truppenführung war der Nachrichtenzug. Obwohl er am Anfang nur mit dem Feldtelefon aus dem Ersten Weltkrieg, mit Meldehunden und Blinklampe ausgerüstet wurde, waren seine Leistungen dennoch bewundernswert. Mit der Blinklampe, für deren Betrieb der Strom mit einem von Hand betätigten Dynamo erzeugt werden mußte, wurden verschlüsselte Meldungen im Morseverfahren abgesetzt. Zur Erweiterung der Nachrichtenübermittlung diente die im Standort untergebrachte Brieftaubenstation unter der Leitung eines Brieftaubenmeisters. Maschinengewehr-Kompanie Bei der Maschinengewehr-Kompanie (MGK), die mit dem schweren Maschinengewehr Modell 08 ausgesrüstet war, und das schon im Ersten Weltkrieg die Feuerkraft des Bataillons verstärkte, waren die Bedienungen zu bewundern. Schnelligkeit beim Instellunggehen, bei der Handhabung und Bedienung, die im Schlaf beherrscht werden mußte, waren Ausbildungziele dieser Waffengattung. Davon konnte sich jeder überzeugen, wenn beim Scharfschießen des Bataillons die Schützen beim Vorgehen überschossen, das Feuer durch Lücken gelenkt, Flächenziele wie bei der Artillerie aus verdeckter Feuerstellung beschossen wurden. Höchste Anforderungen an Roß, Reiter und Bedienung wurden gestellt, wenn der Begleitzug der Kompanie in die Feuerstellung fuhr oder bei Vorführungen während der Turniere auf dem Rennplatz in gestrecktem Galopp an den Tribünen vorbeidonnerte. Dies diente nicht dem Nervenkitzel, sondern war der Beweis dafür, welchen Stand die Ausbildung bei guter Zusammenarbeit von Führung und Truppe erreichen konnte.
Berittene Truppe Schnelligkeit ist Trumpf. Aus dieser taktischen Erkenntnis heraus wurde die Idee geboren, die Infanterie beritten zu machen. Die Bekanntgabe dieses Vorhabens am »Schwarzen Brett« der Kompanie schlug wie eine Bombe ein. Nun sollten aus Infanteristen stolze Reiter werden. Mein Schwager, Wachtmeister bei einer Reiterschwadron, sah mich mitleidig an — was ich stolz übersah. Was dieser Blick auf sich hatte, sollte ich jedoch bald erfahren. Am festgesetzten Tag ging es mit Gesang zur Reiterkaserne. Sie war von einer Schwadron geräumt worden, und wir zogen ein. Während es in den Stuben der Infanterie leicht nach Firnis, Gewehrfett und Schuhkrem roch, kam hier der Duft von Amoniak und Pferdeschweiß hinzu. Vom Dienstplan wurde schnell Kenntnis genommen. Danach zeigten die Gesichter der Kameraden erste Empfindungen: Weiß diejenigen, die noch nie ein Pferd berührt und rot jene, die schon einmal draufgesessen hatten, normal waren sie bei denen, die vom Bauernhof stammten. Stallbesichtigung und Einteilung des Dienstes folgten. Großzügigerweise durften die Pferde ausgesucht werden. Vor mir stand ein mittelgroßes, braunes Pferd, ruhig, ohne Bewegung. Dieses wählte ich. Aber ich übersah, daß es schlief. Im Schnellverfahren lernten wir Füttern, Tränken, Putzen, und, daß man unruhigen Pferden die Äpfel mit der Hand und nicht mit der Forke wegzunehmen hat. Uns durfte dabei etwas passieren, den Pferden nicht. Erster Dienst in der Reithalle. Aufsitzen! Wie sich dabei ein Pferd verwandeln kann. Sekunden später befand ich mich am anderen Ende der Bahn. »Bremsen« hatte ich noch nicht gelernt. Den Kameraden erging es ähnlich. Der Wachtmeister als Ausbilder hatte den Eindruck, eher im Zirkus, als in einer Reitbahn zu sein, wurde aber bald Herr der Lage. Wir lernten Aufsitzen, Sitz, Gangarten und andere Dinge, so daß wir bald Ausritte in das Gelände unternehmen konnten. Nach einigen Wochen waren wir froh, wieder Infanteristen zu sein. Rückmarsch in die heimischen Gefilde ohne Gesang — wer kann schon mit zerschundenen Backen singen? Wenn die Kameraden der Kavallerie später an uns vorüberritten, winkten wir ihnen verständnisvoll zu. Mancher Blick galt den Pferden — ob meins wohl dabei war?
Randnotizen von Manövern und Abkommandierungen Um das Zusammenwirken und Kennenlernen mit den Truppen im Reich zu fördern, erfolgte vor allem während der Manöver der Austausch von Einheiten aus dem Osten und Westen. Die erste Begegnung dieser Art erfolgte 1926 auf dem Truppenübungsplatz Döberitz mit anschließendem Manöver in der Westprieg-nitz. Der Chef unserer Kompanie, Hauptmann D., hielt nicht viel von Musik, da die Kompanie ja singen könne. Diese Ansicht teilten eines Tages die Kameraden nicht, als es bei der Gefechtsausbildung mit aufgesetzter Gasmaske (eine Spezialität unseres Hauptmanns) heiß hergegangen war. Nachdem mehrere Versuche, ein Lied anzustimmen, den Unwillen des Chefs erregt hatten und ein Umweg auch keine Besserung ergab, wurde für den Nachmittag ein Marsch zum Üben angesetzt. Die Führung übernahm Oberleutnant H.-H. B., von den Angehörigen der Kompanie hinter der vorgehaltenen Hand »unser Heinrich« genannt. Für ihn rissen sich die Kameraden am Riemen, da er es verstand, Unmögliches möglich zu machen, Auch an diesem Tag enttäuschte Heinrich uns nicht. Nachdem wir etwa 4 bis 5 km gewandert waren und keine Aufforderung, ein Lied anzustimmen, gekommen war, erreichte die Kompanie ein im Wald gelegenes Gasthaus. Dort wurden Posten aufgestellt, die vor Überraschungen schützten, alle Übrigen nahmen vom Haus Besitz. Da es sich mit trockener Kehle schlecht singen läßt, spendierte Heinrich ein Faß Bier — und dann wurde gesungen. Der Alte hätte am Vormittag seine Freude daran gehabt, wenn es da so geklungen hätte. Leicht beschwingt und mit Gesang kehrte die Kompanie nach errechneter Zeit und auf einem anderen Weg zurück. Marsch und Gesangsprobe waren bestanden. Der Chef hatte seinen Willen gehabt, unser Heinrich dafür noch mehr Vertrauen gewonnen. Das anschließende Manöver, das uns bis zum Hafen in Stettin führte, von dem aus wir mit dem Schiff nach Königsberg zurückkehrten, bewies unserem Oberleutnant B., daß trotz der kleinen Täuschung des Chefs die Kompanie hinter ihm stand. Derartige Künste wandte B. auch an, als Pappa H. die Kompanie übernommen hatte. Immer dann, wenn Heinrich meinte, daß für eine Übertretung durch eine Bestrafung das Gegenteil des damit beabsichtigten Erfolgs erreicht würde, benutzte er die Kasinoabende, den Chef — beide waren damals noch ledig — für seine Überlegungen zu gewinnen. Diese wurden meist noch im Hinterzimmer der Kantine in der Kaserne fortgesetzt und endeten meist damit, daß der Sünder nicht in den Bau mußte, sondern auf andere Weise Gelegenheit erhielt, über seine Dummheiten nachzudenken und dafür dankbar zu sein, neben der Arreststrafe auch die damit verbundene einjährige Beförderungssperre erlassen bekommen zu haben. Trotzdem mußte »Vater Philipp« manchmal in Aktion treten. Daß es dort aber nicht so schlimm war, wie böse Zungen behaupten, schildert folgende Begebenheit. »Sonniges Frühlingswetter. Abmarsch der Kompanie zum Schießstand. Ein Lied — wie immer. Weg — der gleiche. Schielen nach den Mädchen — erlaubt.
Ankunft am Wachhäuschen mit dem Scheibenschuppen. Einteilung für die Deckung, Schreiber zum Führen der Schießkladde, Munitionsausgabe. Meldung, daß Sicherheit beim Schießen vorhanden. Zu schießende Bedingung: 300 m liegend freihändig. Kein Schuß unter 9 oder 30 Ringe, drei Schuß. Die ersten fünf Mann fertigmachen. Läufe entfetten, Meldung beim Schreiber, Empfang der Patronen. Schütze L. auf die Pritsche. Standaufsicht Feldwebel S. Zielen, durchkrümmen, Klick — kein Schuß. Versager? Das war neu. Untersuchung des Gewehrs durch S. Ergebnis, Feder im Schlößchen verrostet. Soldatengold am Gewehr? Einfach nicht zu fassen. Befehl von S.: ’L., sie melden dies sofort dem Chef!’ Ich, Oberschütze H., schoß anschließend meine Bedingung. Ging zum Laufeinfetten zum rückwärtigen Reinigungsstand. L. kam vom Chef zurück und erklärte mir: 'Der Alte hat mich mit zwei Tagen gelindem Arrest bestraft.’ Ich erschrak, denn ich hatte nach dem Regen des vergangenen Tages die Feder im Schlößchen, sie durfte nur auf Anweisung herausgenommen werden, nicht geprüft. Siehe da, auch Rost. L. dieses sehen und zum Chef laufen waren eins. Wieder zurück, sagte er: ’H. mit Gewehr zum Chef.’ Ergebnis: Auch zwei Tage 'Gelinden’. Das Schimpfwort von mir bleibt hier ungesagt. Fristgerecht um 13.00 Uhr am nächsten Tag wurden wir beide eingeliefert. Auf dem Weg zum Arrestlokal fiel mir als Tröstung ein, daß derjenige, der nicht im Bau gewesen ist, kein echter Soldat sei. Diese Überzeugung gab mir wieder Auftrieb, und ich begann das vor mir stehende Ereignis als Zweig meiner Laufbahn zu betrachten. Einlieferung Bau — ganz annehmbar, da Pritsche mit Bettwäsche. Lesen auch erlaubt. Wußte ich bisher nicht und bat deshalb den Unteroffizier vom Dienst, der uns einlieferte, mir von der Korporalschaft etwas schicken zu lassen. Was kam: 'Volk ohne Raum* — typisch mein Gruppenführer. Trotzdem war es nicht langweilig. Immer lesen, ging nicht. Einfälle mußte man deshalb haben. Eine Spinne von draußen geangelt, Schwimmübungen in der Waschschüssel, wer redete von Umweltschutz. Gesangbuch als Zelleninventar. Was sollte dies? Ich habe noch niemanden in der Zelle fromme Lieder singen hören. Aber, halt! Vielleicht habe ich damals das Quiz erfunden. Lied 23. Wie oft kommt darin der Buchstabe H vor? Ich rate: 120 mal. Gezählt: Es sind 134 H. Ganz schön für den Anfang. Deshalb mit anderen Liedern neue Möglichkeiten. Inzwischen klopfte L., der in der Zelle nebenan saß: 'Wie spät?1 Da ich die Kasernenuhr sehen konnte, klopfte ich die Zeit zurück. Bei dieser Abwechslung kam ich kaum zum Lesen. Auch brauchte ich Zeit, um mir auszumalen, wie die Kameraden, die ihre Gewehre gereinigt hatten, diese erneut versauten und wieder reinigen mußten. Bei solchem Tun vergingen die zwei Tage wie im Flug, und wenn ich heute lese, wie grausam es bei den Preußen zuging, dann habe ich dafür nur ein müdes Lächeln.« Herbstmanöver in Ostpreußen. Wir bezogen in Rosengarten, Kreis Angerburg, Quartier. »Meine Herren«, sagte unser Quartierwirt, »wenn sie heute zu ihren Zimmern hinaufgehen, verfehlen sie nicht den Aufgang. Rechts geht es in den ersten Stock, links in den Neubau, in dem es nur Balken, aber noch keinen Fußboden gibt«. So also sprach der Gutsherr.
Als wir zu Bett gingen, war es eigentlich schon Morgen. Es hatte Burgunder und einen uralten Kirsch gegeben. Kamerad Max K. ging die Treppe hinauf, hielt sich rechts und stieß gegen eine Gestalt. »Achtung« flüsterte sie. Max erkannte unseren Kameraden D. »Vorsicht! Wir haben die richtige Treppe verfehlt, sind im Neubau und stehen auf einem Balken. Einen Schritt noch und wir sind des Todes«. »Unsinn«, sagte Max. »Wir sind rechts gegangen und nicht links«. »Wir sind links gegangen«, beharrte D. »Hier nimm meinen Stock, den ich aus der Flurgarderobe mitgenommen habe«. Max nahm den Stock und versuchte mit ihm nach einer Wand zu tasten, aber er stieß in einen leeren Raum. Er versuchte den Fußboden zu fühlen und stieß ins Nichts. Er hob den Stock, um die Decke zu erreichen, doch auch die war nicht da. Ein eisiger Schreck durchfuhr ihn. Trotz Burgunder und Kirsch wurde ihm plötzlich klar: Sie standen in tiefster Dunkelheit auf einem schmalen Balken, unter sich den Abgrund, neben sich den Abgrund. D. packte Max an den Schultern, Max umklammerte D. So warteten sie stundenlang bis es hell wurde. Da lösten sich D. und Max allmählich aus der Erstarrung und sahen, daß sie auf einem weichen Läufer standen, der über den Korridor lief. Sahen daß sie links den Schalter vom elektrischen Licht, rechts die Türen zu ihren Zimmern hatten. Keine Spur von Balken, kein Abgrund. »Wie war das möglich?«, ächzte Max. D. stieß einen ostpreußischen Fluch aus und wies auf den Stock, den Max in der Hand hielt. Der war dicht unter dem Handgriff abgebrochen . . . Wie Sonnenschein mit Regen so wechselte auch der Dienst mit guten und weniger angenehmen Seiten. Saure Tage überwogen zwar, aber es gab auch frohe Feste und erfreuliche Ereignisse. So auch, als das Manöver zu Ende war. Gerade hatten wir die Kaserne mit Heuschuppen, Biwak und Bürgerquartier getauscht, da wurde verkündet: Die Kompanie wird ab 1. Januar 1928 für ein Vierteljahr als 1. Wachkompanie zum Wachregiment Berlin ab kommandiert. Nun, Wache in jeder Form hatten wir schon oft geschoben. Daß aber zur Vorbereitung auf dieses Ereignis ein steifer Wind beim »Monokelaugust«, Oberleutnant Sch., beim Wachexerzieren wehte und die Abende mit dem Putzen neuer Stiefel und des übrigen Lederzeugs ausgefüllt wurden, bis alles wie Lackleder glänzte, wollte uns nicht einleuchten. Bei diesen Vorbereitungen und Belehrungen über das Verhalten auf Wache, lernten wir auch die von Polen diktierten Transportbedingungen für die Wehrmacht bei Fahrten durch den Korridor kennen. Alles an Waffen und Gerät mußte in verschlossenen und versiegelten Waggons den polnischen Bereich durchfahren haben, ehe die Kompanie in verschlossenen Wagen, deren Fenster außerdem zugehängt sein mußten, folgen durfte. Schikane oder Angst? Wer weiß dies heute zu enträtseln. Der Auftrag zur Wache in Berlin mußte mit dem Verzicht auf dienstfreie Zeit bezahlt werden. Einen Tag Bereitschaft mit Alarmübungen (die politische Landschaft war noch von Unruhen erschüttert), bei denen sich Übereifrige oder Optimisten Blasen an den Füßen holten. Sie waren in der Hoffnung in die Stiefel gefah
ren, daß die Kompanie nach dem Antreten sofort wieder wegtreten konnte. Wer so dachte, hatte die Rechnung ohne den Wachkommandeur gemacht. Um die Schnelligkeit der Einsatzbereitschaft und das Erreichen des Einsatzorts zu prüfen, wurde oft ein Marsch angesetzt, der in ein entferntes Stadtgebiet führte. Am Mittag des anderen Tages Aufzug der in Wachen aufgeteilten Kompanie. Das Reichspräsidentenpalais, das Ehrenmal unter den Linden, die Munitionsanstalt Tegel usw. mußten bewacht werden. Putzen vor und nach der Wache dienten der Ausfüllung wachfreier Stunden und, um die Berliner in dem Glauben zu lassen, daß das Lederzeug aus Lackleder sei. Der Aufzug der Wachen begann um 12 Uhr mit einem Wachappell, bei dem durch den Offizier der Wache der Anzug geprüft wurde. Die Wachen des Ehrenmals, des Reichspräsidentenpalais1 und der 3. Division wurden dabei besonders unter die Lupe genommen. Dann erfolgte der Abmarsch Richtung Ehrenmal, bei dem die Wachen so eingeordnet waren, daß sie, von hinten beginnend, abzweigen konnten. Im Exerziermarsch erfolgten Aufmarsch und Einschwenken zur Kompaniefront bis zum Halt. Auf das Kommando: »In den Wachen — abrücken!« traten die Wachen im Exerzierschritt an, schwenkten zur Gruppenkolonne innerhalb der Wachen ein und marschierten am Offizier der Wachen vorbei. Danach trennten sich die Wachabordnungen und marschierten im Gleichschritt zu ihrer Wache, wo nach Ablegen der Tornister die Ablösung der Posten erfolgte. Der berittene Offizier war der befehlende Offizier der Wachen, dessen Aufgabe mit dem Abrücken der Wachen beendet war. Der dritte freie Tag war durch Exerzieren oder Besichtigung von Museen oder Schlössern ausgefüllt, falls nicht für einen Staatsgast eine Ehrenkompanie gestellt werden mußte. Trotz der vielen Eindrücke, die gesammelt werden konnten, waren wir froh, nach drei Monaten wieder das Pflaster der Garnisonstadt Insterburg treten zu können. Dort begann sofort wieder des Dienstes gleichgestellte Uhr zu ticken, die der vernachlässigten Schießausbildung den Vorrang einräumte. Das Kompanie- und Divisionspreisschießen stand bevor, bei dem von der Kompanie beschaffte Preise oder die goldene Uhr der Division zu gewinnen waren. Übungen im Bataillonsrahmen häuften sich und mahnten, daß die Zeit für den Aufenthalt auf dem Übungsplatz und das Manöver nahten. Früh kam der Winter in diesem Jahr (1928), der eisige Kälte bescherte und den Aufenthalt auf dem Standortübungsplatz zwischen Krähenwäldchen und Eichwal-der Forst nicht zum Vergnügen machte. Da Kälte unseren damaligen Chef, Hauptmann H., nicht störte, zog an einem Morgen bei starkem Frost die Kompanie hinaus, an dem es Stein und Bein fror und die anderen Kompanien deshalb in der Kaserne blieben. Schon nach kurzer Zeit merkten wir, daß Kopfschützer die Ohren und Handschuhe die Hände nicht wärmen konnten. Auch reiben und die Mahnung des Chefs, die Lauscher nicht erfrieren zu lassen, nützten nichts. Mit Frostschäden an Ohren, Nasen und Händen mußte nach kurzer Zeit wieder eingerückt werden. Bataillonsarzt und Sanitäter hatten für einige Tage Beschäftigung und wir Schutz vor der Außenwelt.
Vier Jahre waren seit dem letzten Chefwechsel vergangen. Da war es üblich, daß ein Neuer kam — und er kam. Das erste, was wir von diesem Ereignis wahmah-men, war das Streitroß des Neuen, die dicke Karla. Kräftig gebaut, kupierter Schweif, war sie fähig, einen kräftigen Mann zu tragen. Dann kam er, der künftige Chef. Mittelgroß, durchdringende Augen hinter Brillengläsern, Hauptmann A. Er kam vom Generalstab in Berlin, war aber ein Chef aus dem Bilderbuch, mit Herz. Er war ein Chef, der die Kompanie auf einen Stand brachte, von dem seine Nachfolger noch Nutzen zogen. Da er sich selbst nicht zu schade war, immer dienstbereit zu sein, verlangte er dies vor allem auch von den Kompanieoffizieren, von uns Pitt-Pitt und Motte genannt, und den Unteroffizieren. Mit ihm gingen wir zum Übungsplatz Stablack, der gerade neu eingerichtet worden war und dann ins Manöver. Alles freute sich, als es vorbei war, denn die randvoll ausgefüllten Tage des Herbstmanövers im Divisionsverband hatten das Letzte von Mann und Roß gefordert. Die Freude war aber verfrüht. Als das Bataillon gesammelt hatte, hieß es: »Freiwillige melden, die zur Rahmenübung nach Bayern gehen«. Aus diesen wurden die Marschfähigsten zu einer Kompanie zusammengestellt, Führer Leutnant N., Spieß Oberfeldwebel Otto. Während das Bataillon zum Verladen zum Bahnhof marschierte, wurden die Freiwilligen an einer in der Nähe verlaufenden Nebenbahnstrecke verladen, wo Pioniere eine Rampe gebaut hatten. In Rodach bei Hildburghausen in Thüringen gab es noch zwei Ruhetage, und dann begann das Unternehmen, das acht Tage währte und nur am Morgen und Abend für je zwei Stunden neutralisiert wurde. Ein ganz annehmbarer Staucher auf nüchternen Magen. Das bayerische Bier schmeckte dennoch zu jeder Tageszeit, zum Leidwesen unseres Kompanieführeres. Dies war für uns der letzte Ausflug dieser Art.
Stellenbesetzungen II./Schiitzenregiment 2-1. Mai 1920 Stelle Dienstgrad Name Herkunft Bataillons-Kommandeur Major Schlenther GrR 1 Bataillons-Adjutant Oberleutnant Hippler IR41 Kompanie-Chef 5. Kompanie Hauptmann Münster J. IR41 Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann Bormann IR 155 Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Lambeck IR41 Kompanie-Chef 8. Kompanie Hauptmann Sturm IR 44 II./l. (preußisches) Infanterie-Regiment -1. Januar 1921 Bataillons-Kommandeur Oberstleutnant Cruse GrR 1 Bataillons-Adjutant Oberleutnant Hippler IR41 Kompanie-Chef 5. Kompanie Hauptmann Münster J. IR 41 Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann v. d. Hagen IR 341 Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Lambeck IR 41 Kompanie-Chef 8. Kompanie Hauptmann Sturm IR 44 1. Mai 1921 Bataillons-Kommandeur Oberstleutnant Liebmann GrprGenSt Bataillons-Adjutant Leutnant Knoblauch GrR 6 Hauptmann beim Stab Hauptmann v. Wasilewski GrR 1 Kompanie-Chef 5. Kompanie Hauptmann Münster J. IR41 Kompanie-Offizier 5. Kompanie Oberleutnant Neubacher GrR 1 Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann Hoffmann IR 43 Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant Negendank FüsR 37 Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant Arndt IR 148 Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant zu Eulenburg, Jonas Graf Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Sauvant IR 148 Kompanie-Offizier 7. Kompanie Oberleutnant Stürmer FüsR 80 Kompanie-Offizier 7. Kompanie Leutnant Seifert FüsR 37 Kompanie-Offizier 7. Kompanie Leutnant Wichmann Kompanie-Chef 8. Kompanie Hauptmann Kessel IR 155 Kompanie-Offizier 8. Kompanie Oberleutnant Steiner IR41 Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant Willigmann FüsR 36 Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant Kizinna
Stelle Dienstgrad Name Herkunft 1. April 1923 Bataillons-Kommandeur Major Kobus IR44 Hauptmann beim Stab Hauptmann Heinrici IR95 Bataillons-Adjutant Leutnant Knoblauch GrR6 Kompanie-Chef 5. Kompanie Hauptmann Münster J. IR41 Kompanie-Offizier 5. Kompanie Oberleutnant Neubacher GrR 1 Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann Hoffmann IR43 Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant Negendank FüsR 37 Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant Arndt IR 148 Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant zu Eulenburg, Jonas Graf Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Sauvant IR 43 Kompanie-Offizier 7. Kompanie Oberleutnant Stürmer FüsR 80 Kompanie-Offizier 7. Kompanie Leutnant Seifert FüsR 37 Kompanie-Offizier 7. Kompanie Leutnant Wichmann Kompanie-Chef 8. Kompanie Oberleutnant Steiner IR41 Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant Willigmann FüsR 36 Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant Kizinna Bataillons-Kommandeur Hauptmann beim Stab Bataillons-Adjutant Kompanie-Chef 5. Kompanie Kompanie-Offizier 5. Kompanie Kompanie-Chef 6. Kompanie Kompanie-Offizier 6. Kompanie Kompanie-Offizier 6. Kompanie Kompanie-Chef 7. Kompanie Kompanie-Offizier 7. Kompanie Kompanie-Offizier 7. Kompanie Kompanie-Chef 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie 1. April 1924 Oberstleutnant Brenner Hauptmann Moeller Oberleutnant Negendank Hauptmann Dormagen Leutnant Behrend Hauptmann v. Apell Oberleutnant v. Schwichow Leutnant Moeller Hauptmann Sauvant Leutnant Wiesner Leutnant Wichmann Hauptmann Arndt Leutnant Knoblauch Leutnant Willigmann Leutnant Kizinna
Stelle Dienstgrad Name 1. Mai 1925 Bataillons-Kommandeur Oberstleutnant Brenner Bataillons-Adjutant Oberleutnant Negendank Bataillons-Nachrichten-Zug Leutnant v. Schaeven Kompanie-Chef 5. Kompanie Hauptmann Dormagen Kompanie-Offizier 5. Kompanie Leutnant Behrend Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann v. Apell Kompanie-Offizier 6. Kompanie Oberleutnant v. Schwichow Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant Moeller Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Sauvant Kompanie-Offizier 7. Kompanie Leutnant Wiesner Kompanie-Offizier 7. Kompanie Leutnant Wichmann Kompanie-Chef 8. Kompanie Hauptmann Arndt Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant Knoblauch Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant Willigmann Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant Kizinna Bataillons-Kommandeur Bataillons-Adj utant Kompanie-Chef 5. Kompanie Kompanie-Offizier 5. Kompanie Kompanie-Offizier 5. Kompanie Kompanie-Offizier 5. Kompanie Kompanie-Chef 6. Kompanie Kompanie-Offizier 6. Kompanie Kompanie-Chef 7. Kompanie Kompanie-Offizier 7. Kompanie Kompanie-Offizier 7. Kompanie Kompanie-Chef 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie 1. Mai 1926 Oberstleutnant Oberleutnant Brenner Büscher Hauptmann Dormagen Oberleutnant Behrend Oberleutnant Kizinna (Btl.N.Zg.) Leutnant Moeller Hauptmann v. Apell Oberleutnant v. Schwichow Hauptmann Hanke Leutnant v. Schaeven Leutnant Wichmann Hauptmann Arndt Oberleutnant Abernetty Oberleutnant Lorentzen Oberleutnant Wiesner Leutnant Hielscher
Stelle Dienstgrad Name 1. Mai 1927 Bataillons-Kommandeur Major v. Wasilewski Hauptmann beim Stab Hauptmann v. Schellwitz Bataillons-Adj utant Oberleutnant Büscher Bataillons-Nachrichten-Offizier Oberleutnant Kizinna Kompanie-Chef 5. Kompanie Hauptmann Holdermann Kompanie-Offizier 5. Kompanie Oberleutnant Behrend Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann v. Apell Kompanie-Offizier 6. Kompanie Oberleutnant v. Schwichow Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Hanke Kompanie-Offizier 7. Kompanie Oberleutnant Moeller Kompanie-Chef 8. Kompanie Hauptmann Arndt Kompanie-Offizier 8. Kompanie Oberleutnant Abernetty Kompanie-Offizier 8. Kompanie Oberleutnant Wiesner Kompanie-Offizier 8. Kompanie Oberleutnant Hielscher Bataillons-Kommandeur Hauptmann beim Stab Bataillons-Adjutant Bataillons-Nachrichten-Offizier Kompanie-Chef 5. Kompanie Kompanie Offizier 5. Kompanie Kompanie-Chef 6. Kompanie Kompanie-Offizier 6. Kompanie Kompanie-Chef 7. Kompanie Kompanie-Offizier 7. Kompanie Kompanie-Chef 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie 1. Mai 1928 Major v. Wasilewski Hauptmann v. Schellwitz Oberleutnant Büscher Oberleutnant Kizinna Hauptmann Holdermann Oberleutnant Behrend Hauptmann v. Apell Oberleutnant v. Schwichow Hauptmann Hanke Oberleutnant Moeller Hauptmann Arndt Oberleutnant Abernetty Oberleutnant Wiesner Oberleutnant Hielscher
Stelle Dienstgrad Name 1. Mai 1929 Bataillons-Kommandeur Major Knoblauch Hauptmann beim Stab Major Schley Bataillons-Adjutant Oberleutnant v. Schaeven Kompanie-Offizier und N-Zug Oberleutnant Wiesner Kompanie-Chef 5. Kompanie Major Holdermann Kompanie-Offizier 5. Kompanie Oberleutnant Schmidtke Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann v. Schwichow Kompanie-Offizier 6. Kompanie Leutnant Siedschlag Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Gandert Kompanie-Offizier 7. Kompanie Leutnant Hartenstein Kompanie-Chef 8. Kompanie Hauptmann v. Apell Kompanie-Offizier 8. Kompanie Oberleutnant Wichmann Kompanie-Offizier 8. Kompanie Oberleutnant Moeller Kompanie-Offizier 8. Kompanie Leutnant v. Lentzke Bataillons-Kommandeur Hauptmann beim Stab Bataillons-Adjutant Bataillons-Nachrichten-Zug Kompanie-Chef 5. Kompanie Kompanie-Offizier 5. Kompanie Kompanie-Chef 6. Kompanie Kompanie-Offizier 6. Kompanie Kompanie-Offizier 6. Kompanie Kompanie-Chef 7. Kompanie Kompanie-Offizier 7. Kompanie Kompanie-Offizier 7. Kompanie Kompanie-Chef 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie Kompanie-Offizier 8. Kompanie 1. Mai 1930 Oberstleutnant Hauptmann Oberleutnant Oberleutnant Knoblauch Hühner v. Schaeven Hielscher Hauptmann Allmendinger Leutnant Nüse Hauptmann v. Schwichow Oberleutnant Wiesner Leutnant Koller Hauptmann Gandert Oberleutnant Behrend Leutnant Siedschlag Hauptmann v. Apell Oberleutnant Albrecht Graf zu Eulenburg Oberleutnant Moeller Leutnant v. Lentzke
Stelle Dienstgrad Name 1. Mai 1931 Bataillons-Kommandeur Major Afheldt Hauptmann beim Stab Hauptmann Hühner Bataillons-Adjutant Oberleutnant v. Schaewen Kompanie-Chef 5. Kompanie Hauptmann Allmendinger Kompanie-Offizier Leutnant Nüse Kompanie-Chef 6. Kompanie Hauptmann Bleyer Kompanie-Offizier Oberleutnant Wiesner Kompanie-Offizier Leutnant Ostendorff Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Gandert Kompanie-Offizier Oberleutnant Petzold Kompanie-Chef 8. Kompanie Hauptmann Albrecht Graf zu Eulenburg Kompanie-Offizier Oberleutnant Moeller Kompanie-Offizier Leutnant v. Lentzke Kompanie-Offizier Leutnant Siedschlag Da bis zum Ende des Jahres 1937 keine Stellenbesetzungslisten vorliegen, sind die vom 17. Februar 1934 und 15. Oktober 1935 aufgrund von Notizen und aus dem Gedächtnis aufgestellt worden. III./IR Königsberg -1. Februar 1934 Bataillons-Kommandeur Major Hauptmann beim Stab Major Bataillons-Adjutant Leutnant Kompanie-Chef 9. Kompanie Hauptmann Kompanie-Offizier Oberleutnant Kompanie-Chef 10. Kompanie Hauptmann (E) Kompanie-Offizier Leutnant Kompanie-Chef 11. Kompanie Hauptmann (E) Kompanie-Offizier Leutnant Kompanie-Ched 12. Kompanie Hauptmann Kompanie-Offizier Oberleutnant Kompanie-Offizier Leutnant Kompanie-Offizier Leutnant Edler Freiherr v. Daniels Hühner Ostendorff Fabian Petzold Lux v. Wildemann v. Staden Riedel Linde v. Lentzke Siedschlag Nüse
Stelle Dienstgrad Name I./IR 43 -10. Oktober 1935 Bataillons-Kommandeur Major 3. Janur 1938 Edler Freiherr v. Daniels Regiments-Kommandeur Oberst v. Kropff Regiments-Adj utant Oberleutnant v. Baer Regiments-St. -Kp. Oberleutnant Luetjens Leutnant Seiler OberstabsveterinärDr. Pollner Kompanie-Chef 13. (I.G.)Komp. Hauptmann Leutnant Leutnant v. Lentzke Schuelke v. Ruthendorf-Przewoski Kompanie-Chef 14. (PzA) Hauptmann Leutnant Linde Momber Bataillons-Kommandeur I. Btl. Major Huethe Bataillons-Ajutant Leutnant Clausen Kompanie-Chef 1. Kompanie Major Leutnant Kühne Schmidt Kompanie-Chef 2. Kompanie Oberleutnant Leutnant Prang Hinterbauer Kompanie-Chef 3. Kompanie Hauptmann Leutnant Diermayer Matheus Kompanie-Chef 4. (MG)-Kp. Hauptmann Leutnant Meyer v. Wildemann Bataillons-Kommandeur II. Btl. Oberstleutnant Melzer Bataillons-Adj utant Leutnant Bergius Kompanie-Chef 5. Kompanie Oberleutnant Leutnant de la Motte Ehlers Kompanie-Chef 6. Kompanie Oberleutnant Leutnant Winter Jeske Kompanie-Chef 7. Kompanie Hauptmann Leutnant Iffland Neumann-Collina Kompanie-Chef 8. (MG)-Kp. Hauptmann Leutnant Leutnant Ponath Andree Rapreger Bataillons-Kommandeur III. Btl. Oberstleutnant Fixson Bataillons-Adj utant Leutnant Stelzer Kompanie-Chef 9. Kompanie Oberleutnant Leutnant Bründel Krause Kompanie-Chef 10. Kompanie Major Leutnant Müller-Melahn Jordan Kompanie-Chef 11. Kompanie Major Leutnant Driedger Alm Kompanie-Chef 12. (MG)-Kp. Hauptmann Leutnant Grooke Waubke
Insterburg I ti fan ter ts-Kaser ne Infanterie-Kaserne Insterburg: Alte Ansichten aus dem Jahr 1915 72
Infanteriekaserne II: Kanzel für die Rekruten Vereidigung Posten vor der Wache der Infanteriekaserne II, Kasernenstraße
Ehrenkompanie: Vereidigung 1934 (im Hintergrund Bataillons-Stall, Schmiede, Waffenmeisterei und Kammergebäude Alter Markt/Ecke Mühlendamm: Hauptmann Allmendinger rückt mit der 5. Kompanie, von einer Übung kommend, in die Stadt ein
Spielleute II./IR 1 beim Reichswehrmusikabend vor dem Gesellschaftsbaus 1930 Rückmarsch nach Insterburg. Hinter der Kompanie der Nachrichten-Zug mit Hundestaffel
Rückkehr vor Arys: Spielleute und Musik auf dem Güterbahnhof Insterburg Musikkorps vor der Markthalle am Neuen Markt in Insterburg: Geburtstagsparade 1933 für Reichspräsident Paul v, Hindenburg 76
Stabsmusikmeister Grothe dankt für den Applaus Spielmannszug und Musikkorps des Infanterie-Regiments 43 bei einem Konzert 1938 in der Stadthalle
Musikkorps IR 43. Im Vordergrund Rührtrommeln und Fanfaren der Spielleute der Kompanien. Erste Reihe hinter den Fanfaren: Ober-Musikmeister Grothe.
Trauerparade in Insterburg Schwimmbad Insterburg, Patrouillenschwimmen: Bataillons-Sportfest 1930
Rast während des Manövers 1930 im Raum Angerburg Die Maschinengewehr-Kompanie sammelt auf dem Übungsplatz in Insterburg am Ende einer Übung 80
Vorbeimarsch der 8. (MG)-Kompanie anläßlich der Geburtstagsparade für Reichspräsident v. Hindenburg vor dem Standortältesten auf dem Übungsplatz Einrücken der 8. (MG)-Kompanie von der Parade auf dem Alten Markt in Insterburg
Vor dem Reichspräsidentenpalais in Berlin: Wache der 5. Kompanie des Infanterie-Regiments 1 1 als Wachkompanie vom Wache auf dem Marsch zur Munitions-Anstalt Tegel 1. Januar bis zum 1. April 1928 in Berlin
>x<: w vEJC t-K-TvSwS 00 5 /IR 1 als Ehrenkompanie beim Empfang von König Aman Ullah von Afghanistan vor dem Anhalter Bahnhof in Berlin 1928. Von links Reichswehr-Minister Groener, Major Holdermann, Reichspräsident v. Hindenburg, der Adjutant des Königs, König Aman Ullah
Vor dem Reichspräsidentenpalais in der Wilhelmstraße: Die Ehrenkompanie aus Insterburg bei der Anfahrt von König Aman Ullah Abschluß der großen Wachablösung vor dem »Ehrenmal Unter den Linden« durch die 7. Kompanie des Infanterie-Regiments im Jahre 1934. Hier marschiert Ernst Höltke mit, der heute in Hannover wohnt und die Aufnahme zur Verfügung stellte. Auch Wilhelm Turkowski gehörte dieser Wachkompanie an. (Otto Mertens schildert in seinem Bericht die Wache der 5. Kompanie des gleichen Regiments im Jahre 1928). Zweimal in der Woche ehrte die Reichswehr (später auch die Deutsche Wehrmacht) nach beendeter Wachablösung durch diesen Vorbeimarsch die gefallenen Soldaten. Es war ein ergreifendes, würdiges Bild, das sich den vielen Zuschauern darbot, wenn die Wacheinheit im Parademarsch, mit großer Musik an der Spitze, die hier nicht mehr zu sehen ist, mit Blickrichtung zum Ehrenmal vorbeidefilierte. Die Aufnahme zeigt den Zeitpunkt, an dem der kommandierende Offizier mit dem Degen das Zeichen zur Beendigung des ehrenden Achtungmarsches gibt 84
Rahmenbataillon II./IR 1 bei der Rahmenübung 1930 in Bayern: Rast in Weilburg bei Coburg 5./IR 1 auf dem Übungsplatz Jüterborg
BW wZwwX'X'N-X W4<;>y vXv. < •••••-• 9^^ Insterburg, Stube 155: 6. Korporalschaft 5./IR 1 Stabskompanie Infanterie-Regiment 43, 1937 in Insterburg. Untere Reihe, achter von links: Regiments-Kommandeur Oberst v. Kropff. 86
III. TEIL Kavallerie in Insterburg Von Dietrich Kühn und Wilhelm Behrends

Ein geschichtlicher Abriß von 1714 bis 1919 Nachdem schon 1701, im Jahr der Erhebung Preußens zum Königreich, Teile des 1655 errichteten 2. Infanterie-Regiments Graf Dönhoff in Insterburg Garnison erhalten hatten und dann von 1714 — 1732 wieder, wurde die Stadt 1714 auch Kavallerie-Garnison, als Teile des 1689 errichteten 8. Kürassier-Regiments Markgraf von Bayreuth-Kulmbach, der späteren Seydlitz-Kürassiere (20. November 1757), für einige Monate hierher verlegt wurden. 1717 Seit 1717 ist dann die Geschichte Insterburgs mit der Geschichte von 3 Stammregimentern des Reiter-Regiments 1 verbunden. Am 19. April jenes Jahres übertrug König Friedrich Wilhelm I. dem Generalmajor v. Wuthenau die Errichtung eines Regiments Dragoner aus sächsischen Reitern und Dragonern 15 verschiedener Regimenter, welche August II. bei Verringerung seiner Armee dem König überlassen hatte. Die Offiziere gab der König aus dem preußischen Heer. Im Mai wurde das Regiment zu 8 Kompanien formiert. Uniform: Weiße Röcke mit hellblauen Abzeichen. Als Dragoner bezeichnete man berittene Gewehrschützen, die sowohl zu Pferde als auch zu Fuß als Infanteristen kämpften. Solche Truppen (Dragons = Drachen) entstanden zuerst in Frankreich und erlangten während der Hugenotten Verfolgung im 17. Jahrhundert traurigen Ruhm. In der brandenburgischen Armee des Großen Kurfürsten bildeten sie eine besonders schlagkräftige Truppe (Schlachten bei Fehrbellin, Warschau, Türkenkriege), galten aber zunächst nicht eigentlich als Kavallerie. Erst seit etwa 1760 rechneten sie in der preußischen Armee zur leichten Kavallerie, und erst 1788 verschwanden aus ihrer Bewaffnung die Bajonette. Die Wuthenau-Dragoner wurden damals scherzweise »Porzellan-Regiment« genannt, nach ihren Farben, wie man sagt; eine andere Ableitung dieses Namens ist, daß der Preußenkönig als Gegengabe ein wertvolles Porzellan- und Bernstein-Kabinett an König August sandte. Im Dezember marschierte das Regiment in die ostpreußischen Garnisonen Insterburg (Stab), Tilsit, Ragnit, Pillkallen, Stallupönen und Goldap. Die Provinz Preußen war durch die schreckliche Pest von 1709 — 1711 weitgehend entvölkert worden. Im Bereich des Hauptamts Insterburg hatten 66000 Menschen den Tod gefunden. Da damals die Truppen fast ausschließlich in Bürgerquartieren untergebracht wurden, kann man sich vorstellen, daß auch in den größeren Ortschaften die Unterbringungsmöglichkeiten begrenzt waren und schon aus diesem Grund ein berittenes Regiment auf mehrere Standorte verteilt werden mußte. Das enge Zusammenwohnen der großenteils verheirateten Soldaten mit der Zivilbevölkerung führte zu manchen Reibungen. So wurde das Militär oft als drückende Last empfunden. Erst später änderte sich das, und Truppen wurden auch aus wirtschaftlichen Gründen in den Städten meist gern gesehen — so auch in Insterburg, das bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein reines Ackerbürgerstädtchen war.
Im Bürgerbuch und in den Kämmerei-Akten der Stadt findet sich daher seit 1717 wiederholt bei Hausstellen die Bemerkung »Dragonerhaus« oder »Dragonerquartier« . 1718 Im Juli 1718 wurde das Regiment zum ersten Mal bei Insterburg zur Übung vereinigt, im August auf 10 Kompanien verstärkt. Sieben Jahre später wurden diese dann auf je 110 Dragoner verstärkt und erhielten die Bezeichnung »Eskadrons«. Hans Joachim v. Ziethen, der spätere berühmte Husaren-General Friedrichs des Großen, wurde als Leutnant im Regiment angestellt. Seinen Namen führten bis 1945 die ehemalige Kaserne der 9. Jäger zu Pferde, ab 1920 Kaserne des Reiter-Regiments 1, und der zum Turnier- und Rennplatz führende Weg. 1727 Nach dem Tod des Generals v. Wuthenau im Jahre 1727 wurde das Regiment geteilt in die Regimenter v. Cosel und v. Dockum. Ersteres blieb in den alten Garnisonen außer Tilsit, letzteres wurde mit allen 5 Eskadrons nach Tilsit verlegt, erhielt rote Abzeichen und später die Nummer 7. Die Dragoner des Regiments v. Cosel (Nr. 6), aus dem später die Kürassier-Regimenter Generalfeldmarschall Graf Wrangel (ostpreußisches) Nr. 3 und v. Driesen (westfälisches) Nr. 4 hervorgingen, blieben nicht lange in Insterburg. 1733 traten sie zur Reichsarmee (polnischer Erbfolgekrieg), 1736 kehrten sie wieder in ihre Garnisonen zurück. 1743 Sieben Jahre später wurden sie dann aber als Regiment v. Möllendorf nach Königsberg, Wehlau, Labiau, Alienburg und Gerdauen verlegt. 1741 Im Jahre 1741 wurde das auf 10 Eskadrons mit zusammen 1476 Pferden erweiterte Dragoner-Regiment Nr. 7, dessen Chef seit 1732 Prinz Eugen v. Anhalt-Dessau, der vierte Sohn des »Alten Dessauers« und Besitzer der Herrschaft Norkitten, war, in 2 Bataillone eingeteilt. Drei Eskadrons vom II. Bataillon kamen nach Insterburg, erhielten aber schon im Juni Befehl, mit dem ganzen Regiment unter dem Befehl des neuen Chefs Generalmajor v. Werdeck in den 1. schlesischen Krieg auszurücken. 1744 wurden die 7. Dragoner geteilt. Das I. Bataillon blieb unter Generalmajor v. Roell Dragoner-Regiment Nr. 7 und rückte zwei Jahre später wieder in Tilsit ein. Das II. Bataillon wurde Dragoner-Regiment v. Stosch, erhielt später die Nr. 8 und bezog 1746 Garnison in Insterburg, mit Teilen in Ragnit. Unterdessen hatte man im Insterburger Schloß eine Kavallerie-Kaserne eingerichtet.
Zehn Jahre später brach der Siebenjährige Krieg aus. Das Regiment hatte zunächst keine Feindberührung. Erst im Mai 1757 näherte sich die mehr als 100000 Mann starke russische Armee unter Feldmarschall Apraxin der preußischen Grenze. Die 24000 Mann starken preußischen Truppen unter Feldmarschall v. Lehwald bezogen ein Lager bei Insterburg, wo es am 10. August zu einem Rückzugsgefecht kam, und lieferten dem vierfach überlegenen Gegner am 30. August die unglückliche Schlacht von Groß Jägersdorf bei Norkitten. Bald danach wurden die preußischen Truppen nach Pommern beordert. 1764 Das Dragoner-Regiment 8 kehrte 1764 wieder nach Insterburg zurück. 1765 Im folgenden Jahr kaufte die Stadt ein Bürgerhaus an der Ecke Kommandantenstraße/Alter Markt und richtete es zur Wohnung des jeweiligen Regimentschefs ein. Als General v. Bardeleben von 1790 — 1801 Chef der 8. Dragoner war, wurde eine Wetterfahne angebracht, auf der »G.v.B. 1793« stand. Das Haus hieß daher das Generalshaus, und nach ihm bürgerte sich auch der Name Generalstraße ein. Nach Abzug des Generals v. Bardeleben kaufte dessen Koch Wiegandt das Haus von der Stadt, konnte es aber wegen der hohen Abgaben während der Kriegszeiten 1806 — 1815 nicht halten. Nach mehrfachem Besitzerwechsel wurde es 1833 als Gasthaus »Deutsches Haus« eingerichtet. 1922 schlief der Hotelbetrieb ein, der Name »Deutsches Haus« ging auf ein anderes Lokal über. 1780 1780 erhielt der Regimentskommandeur Oberst Graf Kalckreuth vom Justizdirektor v. Aweyden die Genehmigung zur Errichtung einer hölzernen Reitbahn am Schloßplatz. Dort stand später das Salzmagazin. 1808 Im Zuge der Heeresreform nach dem Krieg gegen Frankreich 1806/07 wurden die Regimenter nicht mehr nach ihren Chefs benannt. Das Dragoner-Regiment v. Baczko (Nr. 7) in Tilsit erhielt im September 1808 die Benennung »Ostpreußisches«, bald darauf »Litthauisches Dragoner-Regiment« und die Stammnummer 3. Aus dem Dragoner-Regiment v. Esebeck (Nr.8) in Insterburg wurde das »Westpreußische Dragoner-Regiment«. 1811 Vom Dezember 1808 bis Spätherbst 1811 lagen 2 Schwadronen der Litthauischen Dragoner unter dem Kommando des Majors v. Koschembahr in Insterburg.
Ende März 1812 bildeten je 2 Schwadronen der Litthauischen und Westpreu-ßischen Dragoner das kombinierte Dragoner-Regiment 1 unter Major v. Tresckow. Dieses trat am 6. Juni zum von Preußen zu stellenden Hilfskorps für den Krieg Napoleons gegen Rußland. Die beiden westpreußischen Schwadronen unter Major v. Stiern kamen vorübergehend nach Insterburg, bevor das Regiment zur Versammlung des Korps nach Königsberg abrückte. 1816 Nach dem Untergang der Großen Armee in Rußland und den Befreiungskriegen rückten am 1. Februar 1816 der Stab, die 1. und 2. Schwadron der Litthauischen Dragoner, deren Kommandeur Oberstleutnant Baron Hiller v. Gärtringen geworden war, in die Garnison Insterburg ein. Die beiden anderen Schwadronen kamen nach Tilsit. Das Regiment wurde in 3. Dragoner-Regiment (Litthauisches) und im Sommer 1819 in 1. Dragoner-Regiment umbenannt. 1860 Im Juli 1860 erhielt es die Bezeichnung Litthauisches Dragoner-Regiment (Nr. 1), und im Oktober wurde die 1. Eskadron nach Tilsit, die 2. nach Ragnit verlegt, da dieselben in Insterburg dem neugebildeten »4. kombinierten Ulanen-Regiment« unter Major v. Trotha Platz machen mußten. Der Name »Ulan« stammt aus dem Turkmenischen. »Oghlan« bedeutet Knabe oder Knappe. Im 16. und 17. Jahrhundert nahmen die polnischen Könige tatarische Reiter in ihren Sold. In der polnischen Sprache wurde aus »Oghlan« »Ulan«. Im Jahr 1745 in die preußische Armee eingestellte Lanzenreiter, »Bosniaken«, wurden 1762 in die reguläre Armee aufgenommen, bildeten ein Regiment mit 10 Schwadronen und wurden nach 1796 »Regiment Towarczys« benannt. Die Garnison war Lyck. Nach 1807 wurden sie in ein Ulanen-Regiment umgewandelt. Sie bildeten die Keimzelle weiterer Ulanen-Regimenter. Bis 1889 waren nur die Ulanen in der preußischen Armee mit Lanzen bewaffnet. Das aus Abgaben von je einer Eskadron des 2. und 3. Kürassier-Regiments und des 4. und 8. Ulanen-Regiments im Zuge der Heeresreorganisation formierte Regiment erhielt im Juli 1860 die Bezeichnung »Litthauisches Ulanen-Regiment (Nr. 12)«. Stab, 1. und 2. Eskadron kamen nach Insterburg, 3. und 4. Eskadron nach Wehlau. Die Unterbringung erfolgte in Bürger quartieren. Die einzelnen Ekadrons auch dieses Regiments, das sich später den Spitznamen »Insterkosaken« erwarb, mußten wiederholt ihre Garnisonen wechseln. 1865 Zum 1. Oktober 1865 kamen die Insterburger Teile mit der 4. Eskadron aus Wehlau nach Friedland an der Alle. Nach dem preußisch-österreichischen Krieg von 1866 wurden die 3. und 4. Eskadron wieder nach Insterburg verlegt.
Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 kehrte das Regiment am 16. und 17. Juni 1871 wieder nach Insterburg und Friedland zurück. Am 1. April 1883 wurde der Regimentsstab nach Insterburg verlegt, am 26. September auch die 1. Eskadron. Zwei Jahre später entstand die Ulanenkaserne an einer Nebenstraße der späteren Siehrstraße, die nun Ulanenstraße genannt wurde. 1913 Nachdem noch Goldap und Stallupönen dem Regiment vorübergehend als Garnison gedient hatten, wurde es am 1. Oktober 1913 endgültig in Insterburg vereinigt und bezog die Kaserne am Schloß. Im gleichen Jahr bekam Insterburg als zweites Kavallerie-Regiment das Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 9. In der Regimentsgeschichte heißt es unter anderem: »Das Regiment setzte sich zusammen aus der 1. Eskadron des Litth. Ulanen-Regiments Nr. 12 der 1. Eskadron des Ulanen-Regiments Nr. 4 der 5. Eskadron des Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 4 als 1. Eskadron als 2. Eskadron als 3. Eskadron der 1. Eskadron des 1. Brandbg. Dragoner-Regiments Nr. 2 als 4. Eskadron der 5. Eskadron des Grenadier-Regiments zu Pferde als 5. Eskadron Die Unterbringung der Mannschaften war zunächst in hölzernen Baracken, die der Pferde in Stallzelten vorgesehen. Von dem Kasernement war bei Eintreffen der Eskadrons nur die große Reitbahn fast fertig, einzelne Ställe näherten sich der Vollendung, von der Kaserne stand kein Stein. Je schlechter und regnerischer das Wetter wurde, um so schwieriger gestaltete sich der Verkehr zwischen den Stallzelten, den Baracken und den Reitbahnen. Dieser konnte schließlich nur auf Bohlenwegen aufrecht erhalten werden; in den Zelten ermöglichte eine dicke Lage von Sägespänen die Schaffung einer brauchbaren Matratzen-Streu. Der Reitdienst stieß auf große Schwierigkeiten. Es fehlten Reitplatz, Sättel, Zaumzeuge. Am 14. Oktober konnte endlich der Acker bei Lengkeningken der Benutzung überwiesen werden; es fand der erste Appell in der Jäger-Uniform statt. Das Einleben in die neuen Verhältnisse wurde durch das großzügige Entgegenkommen der städtischen Behörden und die stets bereite Unterstützung der alten Regimenter wesentlich erleichtert. Mit dem 7. November wurden die Reitbahnen I., II., III. in Gebrauch genommen und am 8. Dezember der Stall 3., 4., 5. bezogen, so daß vor Weihnachten wenigstens drei Eskadrons ein festes Dach über dem Kopf hatten. Leider blieb das Regiment von der vielfach auftretenden Brustseuche nicht verschont, die Krankheit zog sich bis zum Mai hin.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs rückte das Regiment in der Frühe des 1. August 1914 zum Sammelplatz der 1. Kavallerie-Division (Generalleutnant Brecht) in der Gegend von Gumbinnen ab. Es bildete mit den 12. Ulanen die 2. Kavallerie-Brigade (Generalmajor Freiherr v. Kapherr) und blieb in diesem Verband bis zum Kriegsende. Im Verlauf der Schlacht von Gumbinnen operierte die 1. KD auf dem linken Flügel der 8. Armee. Dabei ritten die 2. KB und Teile der 41. KB am 20. August bei Schil-leningken die letzte große Kavallerie-Attacke auf ostpreußischem Boden gegen abziehende russische Infanterie mit Maschinengewehren und Bagagen, machten einige hundert Gefange und erbeuteten einige Maschinengewehre und eine Fahne des russischen Infanterie-Regiments HO. Bei den Ulanen gab es 35 Gefallene, bei den Jägern zu Pferde 2 Gefallene und 12 Verwunderte bzw. Vermißte. Nach Kriegsende gelangten die Regimenter auf teilweise abenteuerlichen Märschen aus der Ukraine in die Heimat. Lediglich die 4. und die halbe MG-Eskadron der Ulanen erreichten im Bahntransport am 2. Januar 1919 Insterburg. Die Jäger zu Pferde rückten am 10. Februar in die Stadt ein, die restlichen Einheiten der Ulanen am 22. Februar.
Das Reiter-Regiment 1 von 1919 bis 1939 Bei der Demobilmachung des deutschen Heeres im Jahre 1919 bildeten sich Freiwilligen-Formationen zum Schutz der Reichsgrenzen und gegen Unruhen im Reichsinneren. So entstanden aus Angehörigen der 1. Dragoner, Tilsit, der 8. Ulanen, Gumbinnen, der 12. Ulanen und 9. Jäger zu Pferde, Insterburg, je bis zu 3 Freiwilligen-Es-kadrons, die später zum Teil in die dem Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg zugestandene Reichswehr übernommen wurden. 1920 Am 10. Januar 1920 trat das Diktat von Versailles in Kraft. Ab 1. Februar wurden aus 4 Eskadrons ostpreußischer Stammregimenter und einer Eskadron des ehemaligen Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 12 das Reiter-Regiment 1 gebildet. Die letztgenannte Eskadron wurde erst im Lauf des Sommers dem Regiment aus dem Sennelager nach Tilsit zugeführt. Sie hatte zuvor im Baltikum gekämpft. Da der »Polnische Korridor« für deutsche Truppentransporte gesperrt war, mußte die Eskadron auf dem einzigen für diesen Zweck freigegebenen Dampfer »Amoth« über See in das abgetrennte Ostpreußen gebracht werden. Erster Regimentskommandeur wurde Oberstleutnant Kunhardt v. Schmidt, der aber erst im Spätsommer beim Regiment eintraf. Unter den 7 Infanterie- und 3 Kavallerie-Divisionen des Reichsheeres trat das Regiment zur 1. Kavallerie-Division, deren Stab in Frankfurt an der Oder lag. Territorial war das Regiment wie sein Schwesterregiment RR 2 dem Befehlshaber im Wehrkreis I, Königsberg/Pr., unterstellt. Da für die Reiter-Regimenter 4 beziehungsweise 5 Eskadrons und eine Ausbildungs-Eskadron vorgesehen waren, mußten die anderen Freiwilligen-Eskadrons aufgelöst und die Unteroffiziere und Mannschaften entlassen werden. Überzählige Offiziere wurden verabschiedet. Einen Vorteil hatte die Neuorganisation: Unter den sich zahlreich meldenden Freiwilligen konnten die Mannschaften nunmehr sehr sorgfältig ausgewählt werden. Sie wurden auf 12 Jahre verpflichtet, bisherige Dienstzeit eingeschlossen. Bisher hatte für die Freiwilligen eine monatliche Kündigungsfrist bestanden, ein in einem Friedensheer völlig unmöglicher Zustand. Standorte und Stammtruppenteile des Regiments: Der Regimentsstab mit Trompeter-Korps erhielt seinen Standort in Tilsit. Er richtete eine Befehlsstelle im Zweigstandort Insterburg ein, die von einem Major beim Stab nach Befehlen des Regiments-Kommandeurs geführt wurde. 1. Eskadron (Dragoner-Regiment 1) 2. Eskadron (Ulanen-Regiment 8) 3. Eskadron (Ulanen-Regiment 12) 4. Eskadron (Jäger-Regiment zu Pferd 12) 5. Eskadron (Ausb.) (Jäger-Regt. z. Pf. 9) Standort Tilsit Standort Insterburg Standort Insterburg Standort Tilsit Standort Insterburg
Die 1. bis 4. (Feld-)Eskadron hatten einen Etat von je4 Offizieren, 170 Unteroffizieren und Mannschaften, sowie 200 Pferden; die 5. (Ausbildungs-)Eskadron hatte einen Etat von 4 Offizieren, 110 Unteroffizieren und Mannschaften sowie 170 Pferden. Von den Schwierigkeiten, unter denen sich die Bildung des Regiments vollziehen mußte, macht man sich heute kaum noch einen Begriff. Weder die innen- noch die außenpolitischen Ereignisse ließen eine gewisse Stetigkeit in Aufbau und Ausbildung zu. »Interalliierte Kontrollkommissionen« überwachten die Einhaltung der rigorosen Bestimmungen über die deutsche Abrüstung. Nach dem Kapp-Putsch im März brachen im Reich wieder innere Unruhen aus. Reichswehrminister Noske und der Chef der Heeresleitung, General Walter Reinhardt, traten zurück. Neuer Chef der Heeresleitung wurde am 25. April Generalmajor v. Seeckt. Der russisch-polnische Krieg erforderte höchste Wachsamkeit an der ostpreußischen Grenze. Generalmajor a.D. Wuthenow, damals Rittmeister und Regiments-Adjutant, erinnert sich: »Die Aufstellung war seit Wochen beendet und das Regiment verteilt im Grenzschutz eingesetzt — Stab und 3. Eskadron in Johannisburg, die anderen Eskadrons in Lyck, Stallupönen und Tilsit, Kommandeur immer noch nicht eingetroffen —, als Ende August bei Dlottowen in der Johannisburger Heide rund 42000 Russen der Reiterarmee Budjonny über die Grenze traten. Dank ihrer waghalsigen Führung ohne Nachschub konnten sie sich der unter dem französischen General Weygand reorganisierten polnischen Truppen nicht mehr erwehren, so daß ihnen nur die Wahl blieb: Gefangenschaft oder Übertritt nach Deutschland. — Unvergeßliche Eindrücke! Ihre Entwaffnung gestaltete sich unter dem Druck der nachdrängenden Polen fast leichter als die Abwehr der Entente-Kommissionen, die sich mit allen Mitteln der Massen von Handfeuerwaffen, Säbeln, Lanzen usw. bemächtigen wollten, damit sie nicht in deutsche Hände fielen. Als dann u.a. eine russische Garde-Kavallerie-Division unter den Klängen eines 'Heil Dir im Siegerkranz’ spielenden Trompeterkorps auf den Marktplatz von Johannisburg rückte, verschwanden die Kommissionen endlich Hals über Kopf, nachdem ich ihnen klargemacht hatte, daß angesichts der sich zusammenrottenden Johannisburger Kommunisten ihr Schutz nicht mehr garantiert werden könnte.« Die über die Grenze gekommenen sowjetrussischen Truppen wurden im Lager Arys interniert. Im September kehrten die Eskadrons in ihre Standorte Insterburg und Tilsit zurück. 1921 Am 1. April betrug die Stärke des Reichsheeres endgültig 100000 Mann einschließlich 4000 Offiziere. Im April wurden nach den Anordnungen der Heeresleitung zusätzlich zu den Reitereskadrons, aber zu deren Personallasten gebildet: In Tilsit der Regiments-Nachrichtenzug, in Tilsit und Insterburg je 1 sMG-Halbzug zu
2 Gewehren. Bewaffnet war das Regiment mit Lanze, Säbel, Karabiner 98, Pistole 08, die sMG-Halbzüge mit sMG 08. Die Uniformierung war zunächst uneinheitlich und richtete sich nach den zufällig vorhandenen Beständen. Erst nach Jahren wurden die neuen feldgrauen Feldblusen des Reichsheeres mit glattem Ärmel und Kragenspiegeln in den Waffenfarben (Kavallerie goldgelb) einheitlich ausgegeben und getragen. Erstmals ging das Regiment zu den Sommerübungen geschlossen auf den Truppenübungsplatz Arys. Die fortgesetzten Besuche der die Einhaltung der Abrüstungsbestimmungen überwachenden »Schnüffelkommissionen« brachten immer von neuem Unruhe und Störung in den Gang der Ausbildung und in die Vervollkommnung der Organisation. Angesichts der dauernden Bedrohung des Reiches — vor allem Ostpreußens — durch polnische und litauische Annexionswünsche wurde versucht, mehr Ausrüstungsmaterial zu halten, als die Bestimmungen von Versailles erlaubten. Es war daher nicht immer leicht, die Kommissionen so zu führen, daß ihnen die tatsächlichen Kammerbestände nur teilweise zu Gesicht kamen. In Tilsit komplimentierte der Re-gimentsadjutant die mitunter hohen und schon etwas würdigen Offiziere die vier Türme der Kaserne hinauf und hinunter, bis sie vor Ablenkung und Ermüdung gar nicht mehr merkten, daß ihnen durchaus nicht alles gezeigt wurde. In Insterburg betreute Oberstleutnant Graf Wolfskeel die unerwünschten Gäste. Hatten sie durch das eine Tor die Kaserne betreten, rollten bald danach aus einem anderen Tor Fahrzeuge mit irgendwelchen Ausrüstungsstücken hinaus, um erst nach Abfahrt der Kommission von ihrem »Übungsmarsch« zurückzukehren. Ein besonderes Kapitel bildete der Pferdebestand. Infolge seiner Herkunft aus fünf verschiedenen Stammregimentern wenig einheitlich, war das Material überdies durch den Krieg vielfach abgenutzt und auch reichlich alt. Zur Ergänzung wurden Pferde aus Depots und aufgelösten Formationen zugewiesen, bei der A-Eskadron durch halb- bis einjährige Ausbildung rittig gemacht und dann den Feldeskadrons übergeben. Auch mußten pro Eskadron bis zu 15 Pferde an die Landwirte in der Umgebung der Garnisonen zu Bestellungs- und Erntearbeiten ausgeliehen werden, was den geregelten Dienstbetrieb nicht gerade erleichterte. Im Herbst erhielt das Regiment erstmalig 50 Remonten aus dem Remontedepot Jur-geitschen. Sie wurden sämtlich der A-Eskadron zugewiesen und in drei Abteilungen ausgebildet. Bis auf die Rekruten- und B-Abteilungspferde gab die A-Eskadron ihre alten Pferde an die Feldeskadrons ab. Personalveränderungen: Major Büttner (Major beim Stab in Tilsit) schied im Lauf des Jahres aus. Rittmeister Wottrich wurde zum RR7 versetzt, sein Nachfolger als Chef der 1. Eskadron wurde Rittmeister v. Loewenich. Die ersten Fahnenjunker wurden beim Regiment eingestellt. 1922 In diesem Jahre wurde das Regiment umbenannt in »1. (preußisches) Reiter-Regiment« . Der soldatische Geist und die Kameradschaft im Regiment waren vorbildlich. Intensive Arbeit in der Ausbildung brachte es dank alter Friedens- und hervorragender
Kriegserfahrung auf höchste Höhe. Selbstverständlich wurden die Methoden der Ausbildung den jeweiligen Erfordernissen angepaßt, doch blieben ihre Prinzipien sowohl in der Reichswehr als auch im Heer der allgemeinen Wehrpflicht im wesentlichen unverändert gültig. Die Ausbildung sei daher hier näher beleuchtet: Das Reichsheer — auch 100000-Mann-Heer genannt — war kein Volksheer im eigentlichen Sinne, sondern ein Frei-willigen-Heer mit 12jähriger Dienstzeit. Unter den sich sehr zahlreich meldenden Freiwilligen konnten die besten ausgewählt werden. Innerlich lebend aus der Tradition der alten Regimenter, in bester Disziplin und Ausbildung erzogen, bildete das kleine Heer eine hochqualifizierte Truppe und wurzelte, beliebt und geachtet, tief im deutschen Volk. Auch im Ausland wurde es hoch geachtet. Das kam z.B. dadurch zum Ausdruck, daß hohe und auch jüngere ausländische Offiziere an den Manövern und Übungen auf den Truppenübungsplätzen teilnahmen oder sich für längere Zeit zum Reichsheer kommandieren ließen. So wurden zum Regiment Offiziere aus der Sowjetunion, Litauen, der Schweiz, Dänemark und Ungarn kommandiert. Im 100000-Mann-Heer wie auch später im Heer der Allgemeinen Wehrpflicht wurde außerordentlich gearbeitet und von Offizier, Unteroffizier und Mann ganz erhebliches verlangt. Jedermann tat aber gern seine Pflicht, es herrschten ein guter Geist und Ritterlichkeit. Allmählich wurden in Auswertung der Kriegserfahrungen grundsätzliche Änderungen in der taktischen Führung, in Organisation und Bewaffnung nötig. Man mußte fortschrittlich denken, die Zeit und der Nimbus glänzender Attacken geschlossener Eskadrons oder Regimenter war vorüber. An ihre Stelle traten Reiten und Kampf in aufgelösten Formen. Die infanteristische Gefechtsausbildung rückte in den Vordergrund. Dazu gab die Beweglichkeit zu Pferde dem Einsatz der Reiter-Regimenter im Gefecht sein besonderes Gepräge. Der Schwerpunkt der reiterlichen Ausbildung verlagerte sich von der geschlossenen Formation auf die Beherrschung des einzeln oder in kleinen Trupps gehorsam gehenden Pferdes. In der Reitausbildung mußte vom Abteilungsreiten vermehrt zum Einzelreiten übergegangen werden. Gliederung, Bewaffnung und Kampfweise der Eskadron glichen sich der einer Infanterie-Kompanie an. Soviel zur Ausbildung im Großen gesehen. Ihre Würdigung wäre aber unvollständig, ohne der stillen, täglichen, vielseitigen und mühsamen Tätigkeit jedes einzelnen zu gedenken. Der Dienst des Kavalleristen begann morgens um 5 Uhr und endete meist gegen 19 Uhr oder auch später. Er dauerte bei den Reiter-Regimentern (wie auch bei der Artillerie) länger als bei anderen Truppenteilen, weil die Reitausbildung und die Pflege der Pferde sehr viel Zeit beanspruchten. Trotzdem war der Andrang der Freiwilligen zu den Reitern bedeutend stärker als zu anderen Waffengattungen. Ostpreußens Söhne, den Pferden seit Generationen verwachsen, bewährten sich auch hier besonders. Alljährlich wurden die jungen Freiwilligen im Herbst eskadronsweise durch eine gemischte Kommission (Offiziere, Unteroffiziere, Heeresfachschullehrer, Sanitäts
Offiziere) überprüft und gemustert. Einstellungen erfolgten zunächst im Herbst und im Frühjahr, später nur noch im Herbst. Vom April 1920 bis Oktober 1922 erhielten in regelmäßigem, halbjährigem Turnus jeweils etwa 45 Rekruten bei der A-Eskadron ihre Grundausbildung und wurden dann auf die Feldeskadrons verteilt. Ab 1923 wurden die Rekruten nur noch in den Wintermonaten soweit ausgebildet, daß sie im Frühjahr bei den Feldeskadrons im Gruppen- und Zugverband verwendet werden konnten. Die Gefechtsausbildung im Gelände stand von Anfang an im Vordergrund. Fast gleichzeitig mit der Rekruteneinstellung im Herbst wurden die jungen Remon-ten dem Regiment aus den Remontedepots überwiesen. Ihre Zahl wechselte nach Bedarf und betrug zeitweise bis zu 30 Stück pro Eskadron, später in der Regel 14 bis 16. Sie wurden 1 Jahr lang als »junge Remonten« und ’/z Jahr lang als »alte Remonten« von den besten Reitern zugeritten, so daß sie nach Abschluß dieser Ausbildung unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit in die Eskadron eingestellt werden konnten. Mitte/Ende März eines jeden Jahres wurden die Abschlußprüfungen (Besichtigungen) der Reitabteilungen (junge und alte Remonten, Abteilungen A,B,C* und mehrere Rekrutenabteilungen), der Einzelausbildung der Rekruten und der Ausbildung der älteren Jahrgänge und Unteroffiziere durch den Regiments- und Brigadekommandeur abgehalten. Zur Winterausbildung gehörten auch das Schulschießen aller Soldaten auf dem Schießstand sowie Schulgefechts- und Gruppengefechtsschießen auf dem Truppenübungsplatz und in der Umgebung der Garnisonen. Die sMG-Züge waren außerdem im Winter drei Wochen lang zum Gefechtsschießen auf dem Truppenübungsplatz. Hinzu kam die taktische Ausbildung der Unteroffiziere und Unterführer bei Kriegsspielen, Planspielen und im Gelände. In Verbindung damit wurden die Unterführer zu Ausbildern erzogen. Die taktische Weiterbildung der Offiziere durch Kriegs- und Planspiele leitete der Regimentskommandeur oder der Major beim Stab. Durch die Offiziers- und Unteroffiziers-Geländebesprechungen lernten alle Beteiligten Ostpreußen gründlich kennen. Reiterlich wurden die Oberleutnante und Leutnante im Winter in den Offiziersreitstunden durch den Major beim Stab oder einen besonders geeigneten Eskadronschef weitergebildet. Einmal wöchentlich erhielten sie Veterinärunterricht. Nach den Frühjahrsbesichtigungen begann die Gefechtsausbildung zu Pferde und zu Fuß in der Gruppe wie im Zug auf dem Standortexerzierplatz oder im Gelände nahe der Garnison. * In der Abt. A gingen unter ausgesuchten Reitern alle Pferde »im dritten Jahr« nach Abschluß ihrer Ausbildung als »alte Remonte«, sowie nachzubildene ältere Pferde, in der Abt. B wurden auf gut gerittenen älteren Pferden Mannschaften im 2. Dienstjahr ausgebildet, die für die Übernahme als Unteroffiziere in Frage kamen, in der Abt. C wurden Pferde mit Gebäudefehlern oder sonstigen Schwierigkeiten unter besonders guten Reitern korrigiert. Im Truppenjargon hieß sie die »Zahnbrecher-Abteilung«.
In den Sommermonaten befand sich das Regiment mit dem Reiter-Regiment 2 zusammen 4 bis 6 Wochen auf dem Truppenübungsplatz Arys. Während dieser Zeit erfolgten die Eskadrons-Besichtigungen durch den Regiments- und Brigadekommandeur und zum Abschluß die Besichtigung im Regimentsverband durch den Brigadekommandeur, mehrfach auch durch den Divisionskommandeur. Außerdem fanden dort die Zug- und Eskadrons-Gefechtsschießen statt. Bei dem reichlichen Ausbildungsdienst auf dem Übungsplatz blieb nur am Sonntag Ruhe und Zeit, um die schöne masurische Seengegend zu durchstreifen. Ältere Rittmeister und die Stabsoffiziere wurden alle zwei Jahre zu Divisions-Geländebesprechungen befohlen, die meist im Reich stattfanden. Während dieser Zeit wurde ein Teil der Offiziere und Soldaten beurlaubt. Die Herbstübungen begannen mit Marsch- und Gefechtsübungen innerhalb der Eskadron, dann folgten Regiments- und Brigadeübungen. Sie endeten meist mit einem größeren Manöver im Verband der 1. Infanterie-Division, nach Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht auch in größerem Rahmen. 1923 — 25 wurden für die Übungsplatz- und Manöverzeit die Stamm- und Rekrutenpferde der A-Eskadron auf die Feldeskadrons aufgeteilt und dort meist wenig pfleglich behandelt. Ab 1925 wurde die A-Eskadron ebenfalls im Sommer geschlossen auf den Übungsplatz verlegt, jedoch bis 1928 weiterhin für die Divisions-Manöver auf die Feldeskadrons aufgeteilt. Auch diese Regelung bewährte sich nicht. Neben dem militärischen Dienst nahmen die älteren Jahrgänge der Unteroffiziere und Soldaten während des ganzen Jahres zwei- bis dreimal wöchentlich am Hee-resfachschulunterricht teil. Die Leitung lag in den Händen von Heeresfachschul-lehrern. In Tilsit waren das u.a. die bewährten Herren Dr. Gloger und Lange, für die landwirtschaftliche Ausbildung Graf Pahlen. Sein Nachfolger war Dr. Schultze. 1922 Im Herbst wurden dem Regiment etwa 120 Remonten zugewiesen. 45 davon erhielt die A-Eskadron, die anderen wurden auf die Feldeskadrons verteilt (je eine Abteilung). Personalveränderungen: Am 18. Februar wurde Rittmeister Wuthenow Chef der 4. Eskadron als Nachfolger von Rittmeister Stockmann, der vom zum RR3 versetzten Major Kloß die A-Eskadron übernahm. Regimentsadjutant wurde Oberleutnant May. 1923 Das Regiment erhielt 41 leichte Maschinengewehre (IMG 08/15). Die im Vorjahr eingestellten Remonten der A-Eskadron wurden zur weiteren Ausbildung an die Feldeskadrons abgegeben bis auf etwa 10, die zur Ergänzung des Bestandes verblieben. Die neuen jungen Remonten wurden wie 1922 aufgeteilt.
Personal Veränderungen: Neuer Regimentskommandeur wurde am 1. April Oberstleutnant Böckelmann, bisher Major beim Stab im RR18. Nachfolger von Oberstleutnant Graf Wolfskeel als Major beim Stab in Insterburg wurde Major v. Westrem z. Gutacker, Chef der 3. Ekadron wurde Rittmeister v. Schroeter, Chef der 4. Eskadron Rittmeister Perl-Mückenberger. 1924 Personalveränderungen: Chef der 1. Eskadron wurde Rittmeister Seer, Chef der 2. Eskadron Rittmeister Linkenbach, Regimentsadjutant Leutnant Faeckenstedt. 1925 Am 7. August wurde in Arys die A-Eskadron unter Führung von Oberleutnant Koch erstmals als Eskadron besichtigt. Sie behielt aber ihren gegenüber den Feldeskadrons wesentlich geringeren Etat. Ab Herbst dieses Jahres wurden die jungen Remonten an alle 5 Eskadrons gleichmäßig verteilt. Die beiden sMG-Halbzüge wurden in Tilsit unter Oberleutnant May zusammengezogen. Personalveränderungen: Oberstleutnant v. Westrem z. Gutacker wurde Kommandeur des RR4 in Potsdam, Major beim Stab in Insterburg wurde Major v. Ploetz. Am 1. Oktober übernahm Rittmeister Koch von Major Stockmann die A-Eska-dron, Chef der 3. Eskadron wurde Rittmeister Behrens. 1926 In diesem Jahre hatte das Regiment leider seinen ersten Toten zu beklagen. Während des Kommandos zu einer Spezialausbildung kam der allgemein beliebte Leutnant Amme bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Personalveränderungen: Major beim Stab in Insterburg wurde Major v.d. Knese-teck, Major beim Stab in Tilsit Major v. Schwerin. Im Oktober wurde Rittmeister Linkenbach als Reitlehrer zur Kavallerie-Schule nach Hannover versetzt. Sein Nachfolger als Chef der 2. Eskadron wurde Rittmeister Pietsch. 1927 Zur Überführung der Feldzeichen der alten ost- und westpreußischen Regimenter in das Königsberger Schloß wurde vom Regiment Ende April eine Abordnung unter Oberleutnant Botho v. Hillebrandt kommandiert. Darüber berichtet Arthur Kausch, ehemaliger Wachtmeister der 4. Eskadron: »Im April 1927 wurden 84 Fahnen und Standarten des ehemaligen I. und XX.A.K. aus der Zeit vor 1914 von Berlin durch ein Kommando aus Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften des Wehrkreises I nach Ostpreußen gebracht. Sie verblieben zunächst im Gewahrsam der 1. Division in Königsberg. Am Sonnabend, dem 23. April, fand im Schloß in Gegenwart des Chefs der Heeresleitung, General Heye, der 'Große Zapfenstreich’ statt. Beteiligt waren sämtliche Waffengattungen des Heeres und der Marine. Vom Eingang des Schloßhofs gesehen war
zur rechten Seite eine Tribüne für die Ehrengäste aufgebaut. Das Schloß war taghell angestrahlt. An dem packenden Schauspiel nahm die Bevölkerung von Königsberg und Umgebung in Massen teil und bekundete dadurch ihre Verbundenheit mit der alten Armee und der Reichswehr. Am Sonntag, dem 24. April, wurden um 11 Uhr die ruhmreichen alten Fahnen und Standarten von einer Fahnenkompanie des IR1 unter persönlicher Führung von General Heye und des Wehrkreiskommandeurs, Generalleutnant Freiherr v. Esebeck, in einem Marsch vom Trommelplatz durch die Innenstadt in das Schloß übergeführt, wo sie dann verblieben. Alle Straßen waren von Menschenmassen dicht gedrängt voll, sogar in die Bäume und auf die Schloßmauer waren die Zuschauer gestiegen.« Ein Symbol vergangener kavalleristischer Herrlichkeit mußte endgültig den Forderungen der modernen Kriegstechnik weichen: Am 1. Juni wurden die Lanzen abgegeben. Bei der Eskadron-Besichtigung im Mai führte Rittmeister Behrens seine 3. Eskadron in Insterburg spontan im Parademarsch im Galopp zum letzten Mal mit »angefaßter Lanze« an Oberst Böckelmann vorbei. Personalveränderungen: Rittmeister v. Reibnitz wurde Chef der 1. Eskadron, Rittmeister Schieß Chef der 4. Eskadron. 1928 Im Spätsommer bildete das Regiment eine Radfahr-Abteilung, die an den großen Manövern in Schlesien in Gegenwart von Generalfeldmarschall v. Hindenburg teilnahm. Hin- und Rücktransport erfolgten mit der Bahn durch den polnischen Korridor. Die Waffen wurden jeweils gesondert in plombierten Waggons vorausgesandt. Bei den Manövern wurde der sMG-Zug auf Fahrzeugen der 3.(preußischen) Kraft-fahr-Abteilung Berlin-Lankwitz motorisiert. Eine imposante Parade aller beteiligten Truppen nach Abschluß der Manöver in der Nähe von Görlitz vor Hindenburg vermittelte allen, die sie miterlebten, unvergeßliche Eindrücke. Am 1. Oktober wurde die 4. Eskadron auf die anderen Eskadrons aufgeteilt und an ihrer Stelle eine neue 4.(schwere) Eskadron gebildet. Zu ihr traten der sMG-Zug (2 Halbzüge zu je 3 sMG 08 auf sechspännigen Fahrzeugen), der Nachrichtenzug und ein Kavallerie-Geschütz-Zug. Letzterer hatte zunächst 2 Holzgeschütze (Attrappen), erhielt dann aber 2 alte Feldhaubitzen. Im November wurde die A-Eskadron nach Tilsit verlegt und wie eine Feldeskadron gegliedert, doch blieb ihr Etat vorerst geringer als der der 1. bis 3. Eskadron. Angegliedert wurden ihr das neu gebildete Unteroffizier-Lehrkommando (30 Mann, 30 Pferde) und das Rekruten-Ausbildungskommando (rund 50 Mann und 50 Pferde). Ausbildungspersonal und Lehrgangsteilnehmer wurden mit Pferden jeweils von den Eskadrons dazu kommandiert. Unter der Bezeichnung »Kommandantur Insterburg« wurde am 1. Oktober ein Kavallerie-Brigade-Stab in Insterburg aufgestellt, der später Stab der 5. Reiter-Brigade (ab 1936 1. Kavallerie-Brigade) wurde.
Personalveränderungen: Oberst Böckelmann, als Soldat und Mensch hochverehrt, der das Regiment in langen Jahren zu ausgezeichneten Leistungen geführt hatte, wurde erster Kommandeur der neuen Brigade. Am gleichen Tag übernahm Oberstleutnant Lisack die Führung des Regiments. Major beim Stab in Tilsit wurde zunächst Major v. Waldow, dann Major Perl-Mückenberger. Chef der 4.(schw.) Eskadron wurde Rittmeister Behrens, Chef der 3. Eskadron Rittmeister Schieß. 1929 Personalveränderungen: Rittmeister v. Reibnitz wurde Rittmeister beim Stab in Insterburg. Chef der 1. Eskadron wurde Rittmeister Michalik. Mit dem 1. September wurde Oberleutnant Faeckenstedt als Eskadron-Chef zum RR 14 versetzt. Das Regiment sah diesen hochbefähigten Offizier und besonders tüchtigen und beliebten Adjutanten mit großem Bedauern scheiden. Sein Nachfolger wurde Oberleutnant Botho v. Hillebrandt. 1930 Die A-Eskadron erhielt endgültig den Etat einer Feldeskadron. Personalveränderung: Regimentsadjutant wurde Oberleutnant v. Below. 1931 Zu einer größeren Übung ging das Regiment auf den Truppenübungsplatz Döbe-ritz bei Potsdam. Hin- und Rücktransport durch den polnischen Korridor erfolgten wie 1928. Im Herbst erhielt die 4.(schw.) Eskadron einen Panzerabwehr-Zug zu 2 Kanonen (sechsspännig). Wegen der scharfen Abrüstungsbestimmungen durften nur Holzattrappen verwendet werden. Lediglich auf dem Truppenübungsplatz konnte mit den richtigen Kanonen im scharfen Schuß geübt werden. Der Kavallerie-Geschütz-Zug wurde anstelle der alten Feldhaubitzen mit zwei »leichten Minenwerfern« (Tarnbezeichnung für das leichte Infanterie-Geschütz 18) ausgerüstet. Personalveränderungen: Major beim Stab in Insterburg wurde Major Baarth, Chef der 2. Eskadron Rittmeister Schultz-Kalau, Führer der 3. Eskadron Oberleutnant v.d. Meden. 1932 Nachfolger von Generalleutnant Freiherr v. Fritsch als Kommandeur der 1. Kavallerie-Division wurde Generalleutnant Beck, Nachfolger von Oberst Freiherr v. Weichs als Chef des Stabes wurde Oberst Koch. Im Herbst nahmen Teile des Regiments an den Manövern in der Neumark teil. Personalveränderungen: Nachfolger von Oberst Lisack als Regimentskommandeur wurde Oberstleutnant Stumme. Am 1. April schied Oberstleutnant Perl-Mückenberger aus dem Regiment aus und übernahm später eine Wehrkreis-Remonteschule. Rittmeister Behrens wurde Rittmeister beim Stab in Tilsit, die 4.(schw.) Eskadron
übernahm Oberleutnant Hans v. Hillebrandt. Am 1. Oktober wurde Rittmeister Koch zum RR3 versetzt, Chef der 5. Eskadron wurde Rittmeister v. Below, Regimentsadjutant Oberleutnant Toppe. 1934 Anfang Juli kam das Regiment auf den Truppenübungsplatz Arys. Den Eskadronsbesichtigungen folgte eine Regimentsbesichtigung in größerem Rahmen durch den Brigadekommandeur Generalmajor v. Pogrell. Anschließend versammelte sich die Kavallerie-Brigade im Raum ostwärts Lyck an der Landesgrenze zu einer Versuchsübung, bei der zum ersten Mal vorübergehend aufgcstellte Grenzschutzverbände das Höhengelände zwischen Lyck und Treuburg gegen von Osten eingebrochene Kavallerie hinhaltend verteidigen sollten. Die Kavallerie-Brigade unter Führung von Oberst Stumme stellte die Feindtruppe dar. Das Regiment führte bei dieser Übung Major Baarth. Die Leitung hatte der Artillerie-Führer I, Generalmajor v. Küchler. Die Übung fand in Gegenwart des Oberbefehlshabers des Gruppenkommandos I, General v. Rundstedt, statt. Um Deutsche und Polen einander näherzubringen, veranstaltete der Danziger Senatspräsident Rauschning auf der alten, schönen Rennbahn in Danzig-Zoppot ein größeres Reit- und Fahrturnier, an dem sich eine deutsche und eine polnische Mannschaft in fairen, sportlichen Wettkämpfen beteiligten. Zur deutschen Equipe unter der Führung von Major Behrens gehörten außer Offizieren auch Damen und Herren vom Zivil aus Ostpreußen. Equipenchef der Polen war der Kommandeur der 17. polnischen Ulanen in Lissa, ein ehemaliger k.u.k. Offizier und famoser Kamerad. Am 2. August starb Reichspräsident Generalfeldmarschall Paul v. Hindenburg. An der großen Beisetzungsparade nahm eine Abordnung des Regiments unter Führung von Major Behrens im Ehrenmal von Tannenberg teil. Im September trat die Masse der 5. (A) Eskadron unter Führung von Oberleutnant Eschenbach (1. Eskadron) mit Oberwachtmeister Reimer zur neu gebildeten Panzerabwehr-Abteilung Goldap, nachdem bereits 8 Wochen früher ein Vorkommando nach dort gegangen war. Nur 34 Unteroffiziere und Mannschaften unter Rittmeister v. Below blieben in der Eskadron, die aus der 1. bis 3. Eskadron aufgefüllt wurde und nach der Verlegung nach Insterburg noch etwa 100 Rekruten erhielt. Auch die übrigen Eskadrons stellten erstmals vermehrt Freiwillige ein. Die Umgruppierung des Heeres brachte eine Reihe von Veränderungen: Die 1. und 2. Kavallerie-Di vision wurden mit motorisierten Verbänden zu einem Kraftfahr-Kaval-lerie-Korps zusammengefaßt und neu gegliedert. Dabei schieden die Reiter-Regimenter 1 und 2 aus dem Verband der 1. Kavallerie-Division aus und bildeten zusammen mit der 1. reitenden Artillerie-Abteilung (Insterburg) und der Radfahr-Abteilung 1 (Tilsit) die selbständige Kavallerie-Brigade Insterburg (5. Reiter-Brigade). Am 1. Oktober wurde das Regiment mit allen Teilen in Insterburg zusammengezogen. Aus Tarnungsgründen erhielt es die Bezeichnung »Reiter-Regiment Insterburg«, doch wurde die Regimentsnummer 1 auf den Schulterstücken der Offiziere
und den Schulterklappen der Unteroffiziere und Mannschaften weitergetragen. Die Eskadrons wurden umbenannt in Schwadronen, außerdem wurde die bisherige 5. (A) Eskadron 4. Schwadron und die bisherige 4. (schwere) Eskadron die 5. (schwere) Schwadron. Regimentsstab, 1. und 4. Schwadron kamen in die Jägerkaserne. Stab, Nachrichtenzug und 1. Schwadron bezogen einen neu erbauten Block. Das bisher an dieser Stelle stehende Denkmal des Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 9 war an den Ziethenwcg versetzt worden. 5. (schw.) und Stabsschwadron (von Rittmeister Reiß neu aufgestellt) bezogen die angrenzende ehemalige Feldartillerie-Kaserne. Das Scheiden aus der alten Garnisonstadt Tilsit war nicht leicht, da die Bevölkerung dieser Stadt über zwei Jahrhunderte mit der Reiterwaffe (1. Dragoner) eng verbunden war. Alle Versuche der Stadt, beim Oberkommando die Zusammenziehung des ganzen Reiter-Regiments in Tilsit zu erreichen, blieben vergeblich. So war der Abschiedstag für die ganze Tilsiter Bevölkerung und für die Tilsiter Regimentsteile ein Trauertag. Die 5. (schw.) Schwadron wurde nun gegliedert in Schwadronstrupp, drei sMG-Züge zu je 2 Halbzügen mit je 2 sMG 08 auf sechsspännigen Fahrzeugen und den Kavallerie-Geschütz-Zug (2 1MW 18, Kaliber 7,5 cm). Schwadronschef blieb Rittmeister v. Hillebrandt. Zur vollmotorisierten Stabsschwadron gehörten 1 Schwadronstrupp (2 Pkw, 3 Kräder, 1 IMG), 1 Panzer-Späh-Zug (3 leichte Panzer-Spähwagen mit 1 MG Dreyse 13), 1 Panzer-Abwehr-Zug (3 Kanonen Kaliber 3,7 cm, 1 IMG-Trupp) und ein Pionier-Zug (3 Gruppen). Der Stabsschwadron wurden das Stabspersonal mit dem Trompeterkorps und der Nachrichtenzug zunächst wirtschaftlich und disziplinarisch unterstellt. Personalveränderungen: Am 1. April wurde Rittmeister Michalik zur Inspektion der Panzerabwehr nach Berlin versetzt. Die 1. Schwadron übernahm Rittmeister Reiß. Am 1. Oktober wurde Oberst Stumme als Kommandeur der 1. Reiter-Brigade nach Stettin versetzt. Von ihm — dem ehemaligen 1. Generalstabsoffizier der 2. Kavallerie-Division — hatte das Offizierskorps taktisch besonders viel gelernt. Sein Nachfolger als Regimentskommandeur wurde Oberstleutnant Wuthenow, der erste Regimentsadjutant aus den Jahren 1920/21. Oberstleutnant Baarth wurde als Kommandeur einer Panzerabwehr-Abteilung nach Kassel und Major Behrens zum RR12 nach Dresden versetzt. Die Stabsschwadron übernahm Oberleutnant v. Puttkamer (RR5), die 3. Schwadron Oberleutnant Sperling (RR18). Oberleutnant Toppe wurde zur Führergehilfenausbildung (Generalstab) kommandiert, neuer Regimentsadjutant wurde Oberleutnant Schumann. Am 1. Oktober wurde auch der Brigadekommandeur, Generalleutnant v. Pogrell, als Inspekteur der Kavallerie nach Berlin versetzt. Sein Nachfolger wurde Oberst Volk, bisher Kommandeur des RR3 und ein vorzüglicher Reiter. In seiner vornehmen und ruhigen Art war er stets bereit, vor allem den jungen Reitlehrern mit Rat und Tat zu helfen und ihnen etwas aus seiner großen reiterlichen Erfahrung zu vermitteln.
1935 Nachdem durch die Heeresvermehrung vom Herbst 1934 gewisse Voraussetzungen geschaffen waren, verkündete die Reichsregierung am 16. März den Aufbau der »Deutschen Wehrmacht« und die Wiedereinführung der »Allgemeinen Wehrpflicht«. General der Artillerie Freiherr v. Fritsch wurde Oberbefehlshaber des Heeres. So sehr vom rein soldatischen Standpunkt dieses Ereignis begrüßt wurde, so brachte die nun allgemein betonte Tendenz zur Heeresmotorisierung uns Kavalleristen für die Zukunft die traurige Gewißheit, daß die Tage der Reiterei gezählt seien. Eine Vermehrung der Kavallerie kam jedenfalls nicht in Frage, vielmehr wurden mehrere Reiter-Regimenter motorisiert bzw. Panzer-Regimenter. Die Heeresvermehrung auf 12 Korps mit 36 Divisionen forderte von den alten Truppenteilen weiter hohe Abgaben an Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften. In den Sommermonaten war das Regiment wie üblich auf dem Truppenübungsplatz Arys. Es wurden nun vermehrt Reseveoffiziere und Reserveoffiziers-Anwärter zu Übungen einberufen. Größere Herbstübungen fanden im Verband der 1. Infanterie-Division im Raum Wehlau — Alienburg — Gerdauen — Barten statt. Das Regiment erhielt wieder die Bezeichnung »Reiter-Regiment 1«, die es von nun an bis zu seiner Umwandlung in das Schützen-Regiment 21 im Dezember 1941 geführt hat. Am 1. Oktober wurden die 3. Schwadron unter Rittmeister Sperling und der Ka-vallcrie-Geschütz-Zug der 5. Schwadron an das neu aufgestellte Reiter-Regiment 4 nach Alienstein abgegeben (das alte RR4, Potsdam, war motorisiert worden). Zum Regiment kam eine berittene Hundertschaft der Landespolizei (1. berittene Polizeibereitschaft Insterburg). Sie bildete den Stamm für die neue 3. Schwadron. Der Kavallerie-Geschütz-Zug der 5. Schwadron wurde neu aufgestellt. Bei der 1. bis 4. Schwadron wurden die IMG 08/15 (wassergekühlt) durch die handlicheren IMG Dreyse 13 (luftgekühlt) ersetzt und dadurch die Beweglichkeit der Schwadronen auf dem Marsch und im Gefecht erhöht. Im Oktober wurden dem Regiment auch die ersten »gezogenen« Rekruten überwiesen. Von nun ab stellten die Reiterschwadronen jährlich im Herbst je etwa 120 Rekruten ein. Rund 30 Prozent davon stammten aus dem übrigen Reich, vor allem aus Westfalen, vom Niederrhein und aus dem Emsland. Leider durfte nur ein kleiner Prozentsatz Freiwilliger angenommen werden (etwa 10 %). Personalveränderungen: Am 1. Februar wurde Rittmeister Schultz-Kalau zum Reichswehrministerium versetzt. Neuer Chef der 2. Schwadron wurde Rittmeister Winkel (ehern. 11. Dragoner), der von der berittenen Landespolizei zum Regiment versetzt wurde. Am gleichen Tage wurde Rittmeister Hans v. Hillebrandt als Führer des Berittenmachungskommandos und Reitlehrer an die neugebildete Kriegsschule in Potsdam versetzt. Die 5. (schw.) Schwadron übernahm Oberleutnant Bo-riß. Am 1. April übernahm Rittmeister v. Radowitz für den ausscheidenden Rittmeister Reiß die 1. Schwadron. Am 1. Oktober wurde Rittmeister v. Rauchhaupt Chef der neuen 3. Schwadron und Oberleutnant Freiherr v. Ohlen und Adlerscron neuer Regimentsadjutant.
1936 Die Frühjahrsbesichtigungen erfolgten in Insterburg durch den Regiments- und den Brigadekommandeur. Anschließend begann die Gefechtsausbildung in der Gruppe, im Zug und in der Schwadron. Sie wurde abgeschlossen auf dem alten, vertrauten Truppenübungsplatz Arys. Wie eh und je spielten sich die Gefechtshandlungen um den Fuchsberg, die Bürknerhöhe, die Schweikower Höhen und wie die markanten Punkte sonst noch geheißen haben, ab. Sportlich stand das Jahr im Zeichen der Olympischen Spiele in Berlin, die auf dem Sektor Reiterei für Deutschland große Erfolge brachten. Wenn das Regiment auch nicht unmittelbar daran beteiligt war, so galten unsere Freude und unser Stolz den dabei siegreichen ostpreußischen Pferden und ihren Züchtern. Karl Rothe-Samo-nienen, Rittmeister d.R. im Regiment, erlebte einen einmaligen Triumph. Die von ihm gezüchteten Pferde Kronos und Absinth errangen die Gold- und Silber-Medaille in der Einzelwertung der olympischen Dressurprüfung. Die Manöver im Herbst begannen im Raum Tilsit-Ragnit-Pillkallen und endeten südlich des Pregel. Am 6. und 7. Oktober wurde im Raum Insterburg — Tarpupp — Pelleningken der erste Korpsdauerritt des I. Armee-Korps nach dem Ersten Weltkrieg durchgeführt. Im großen Rahmen baute er sich auf den Bedingungen der alten Kaiserpreisritte aus der Zeit vor 1914 auf. Nur wurden diesmal nicht so schnelle Zeiten gefordert, da nicht nur Kavallerieoffiziere sondern alle Leutnante und Oberleutnante des I. Korps in berittenen Stellen daran teilzunehmen hatten. Anforderungen: 1. Tag: a) Wegestrecke, 40 km, 7 1/2 Min. je km; b) Geländestrecke, 8 km, 4 Min. je km, 12 Hindernisse; c) Findigkeitsstrecke, 12 km, 6 Min. je km; d) Wegestrecke, 20 km, 7 1/2 Min. je km. 2. Tag: e) Dressurprüfung; f) Jagdgalopp, 1 km, 3 1/2 Min., 6 Hindernisse. Anzug der Reiter: Mindestgewicht mit Ausrüstung 90 kg (Pistole, Fernglas, Stahlhelm, Säbel, Gasmaske). Die Pferde feldmarschmäßig gesattelt, Packtaschen gepackt, eine Ration Hafer (4 kg) aufgeschnallt. Die Anforderungen des ersten Tages wurden durch einen heftigen Regen und infolgedessen grundlose Wege erschwert. Von den 143 gestarteten Reitern hielten 126 durch, 17 schieden während des Rittes infolge von Schäden am Pferd aus. Wegen nachträglich aufgetretener Schäden wurden am nächsten Tage zur Dressurprüfung 4 Pferde nicht zugelassen. So ergab sich ein Totalausfall von 21 Pferden, darunter ein Pferd tot (Kolik). Die Durchführung des Korpsdauerrittes war der 1. Kavallerie-Brigade übertragen worden. Die Leitung lag in den Händen des Brigade-Adjutanten Major Hasse. Im Oktober gab es für die Kavallerie wieder einschneidende Neuerungen. Das Kavallerie-Korps und die beiden noch bestehenden Kavallerie-Divisionen wurden aufgelöst. Reiter-Regimenter in der bisherigen Form blieben nur die Regimenter 1 und 2 im Rahmen der 1. Kavallerie-Brigade. Alle anderen wurden in Kavallerie-Regimenter umbenannt und umformiert. Jedes Regiment erhielt zwei Abteilungen (I. Abt. zu Stab und 5 Reiterschwadronen, II. Abt. zu Stab, 3 Radfahrerschwadro
nen, je 1 Panzerabwehr-, schwere und Nachrichten-Schwadron). Die Kavallerie-Regimenter waren von jetzt ab nur noch Ausbildungseinheiten, die im Mobilmachungsfall in Divisions-Aufklärungs-Abteilungen aufgeteilt wurden. Zu den Reiterschwadronen traten sMG-Staffeln zu je 2 sMG 34 auf Tragpferden, Schützen beritten. Zur dadurch erforderlichen Auffüllung des Pferdebestands erhielten die Schwadronen volljährig angekaufte Pferde (»Ankäufer«). Bald stellte sich heraus, daß darunter mehrere tragende Stuten waren, so daß einige Schwadronen im nächsten Frühjahr »überplanmäßige jüngste Remonten« melden konnten. Die IMG 13 wurden durch IMG 34 ersetzt. Die 5. (schw.) Schwadron erhielt anstelle der sMG 08 ebenfalls sMG 34 auf Tragpferden und wurde wieder einmal umbenannt in 5. (MG) Schwadron. Die zweijährige Dienstpflicht wurde gesetzlich festgelegt und ab 1. Oktober die tägliche Flaggenparade in den Kasernen eingeführt. Schließlich erhielt das Regiment in diesem Herbst noch die neuen taschenlosen Extraröcke mit brandenburgischen Aufschlägen (»Hindenburg«- oder »Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Rock« genannt). Personalveränderungen: Ende September wurde Oberst Wuthenow versetzt. Sein Nachfolger als Regimentskommandeur wurde Oberstleutnant Freiherr v. Esebeck, Major v. Below wurde als Abteilungs-Kommandeur in das Kavallerie-Regiment 10 nach Torgau versetzt. Chef der 4. Schwadron wurde Rittmeister v. Waldenburg. 1937 Das neue Jahr brachte eine Intensivierung der Gefechtsausbildung. Das Scharfschießen wurde zum ersten Mal auf dem neu geschaffenen Truppenübungsplatz Stablack im Kreis Preußisch Eylau durchgeführt. Die ganz anders geartete Geländestruktur als die von Arys verbot, die alten »Türken« aufzuziehen, und brachte für die Ausbildung manchen Gewinn. Bei der Pferdeausrüstung wurde das längst entbehrliche Vorderzeug abgeschafft. Zum 20. April wurden den Regimentern, Bataillonen und Abteilungen neue Fahnen und Standarten verliehen. Für die ostpreußischen Truppenteile erfolgte die feierliche Übergabe in Königsberg durch den Kommandierenden General des I. Armee-Korps. Am 19. April wurde einer Abordnung unseres Regiments unter Führung von Oberstleutnant Freiherr v. Esebeck die neue Standarte mit dem Standartenspruch »Vorwärts sehen, vorwärts denken, vorwärts reiten!« übergeben. Standartenschwadron wurde die 1. Schwadron, Standartenträger Unteroffizier Jäger. Bei der Parade am 20. April in Insterburg wurde die Standarte zum ersten Mal mitgeführt. Im späten Frühjahr wurde für die ganze Kavallerie-Brigade eine große Marschübung vom Korps befohlen, bei der die Leistungsfähigkeit und Beweglichkeit eines größeren Kavallerieverbands festgestellt werden sollte. Die Marschübung führte das Regiment einmal »auf der linken Hand« durch Ostpreußen. Etwa 400 km sollten in sechs Tagen ohne Ruhetag zurückgelegt werden, also etwa 60 — 70 km pro Tag. An einem schönen Maimorgen sammelte sich das Regiment vor den Toren
Insterburgs. Der Marschweg ging über Gerdauen — Friedland — Preußisch Eylau — Zinten — Heilsberg — Allenstein — Sensburg nach Arys. Häufig eintretender Regen, im Süden Ostpreußens starker Staub, erschwerten die Bewegung. Die ersten Ausfälle zeigten sich bei den Pferden, die eine tote Last (MG) tragen mußten. Im Endergebnis fielen zeitweilig 10 % an Pferden aus, meist durch Druck- oder Beinschäden. Der Ausfall an Reitern war kaum spürbar. Die Herbstübungen führten in die Mitte von Ostpreußen und endeten mit einer großen Parade in der Nähe von Königsberg. Die politische Führung wollte mit dieser Truppenschau wohl der Bevölkerung und auch dem Ausland die Stärke und Schlagkraft der neugeschaffenen Wehrmacht vor Augen führen. Personalveränderungen: Mit dem 1. Oktober wurden Major Winkel als Abteilungskommandeur in das Kavallerie-Regiment 9, Major v. Waldenburg in den Generalstab, Rittmeister v. Puttkamer in das Kavallerie-Regiment 15 und Rittmeister v. Redecker zur Kavallerieschule versetzt. Rittmeister Freiherr v. Ohlen und Adlerscron wurde zur Kriegsakademie kommandiert. Chef der 2. Schwadron wurde Rittmeister v. Rauchhaupt, Chef der 3. Schwadron Rittmeister Zietlow, Chef der 4. Schwadron Rittmeister Graf v. Schwerin, Chef der Stabsschwadron Oberleutnant Habedanck. Regimentsadjutant wurde Oberleutnant Graf v. Bernstorff I (Douglas). 1938 Die Herbstübungen begannen im Raum nördlich Insterburg. Während der sich anschließend bis in den Raum um Goldap-Treuburg ausdehnenden Manöver führte der für diese Zeit zum Regiment kommandierte österreichische Rittmeister v. Rühling die 2. Schwadron. Seine militärischen Qualitäten und sein liebenswürdiges Wesen gewannen ihm in kürzester Frist die Herzen aller Schwadronsangehörigen. In der Gliederung des Regiments traten am 1. Oktober wieder Veränderungen ein. Die sMG-Staffeln der 1. — 4. Schwadron wurden zu Zügen mit je 4 sMG 34 auf Tragpferden verstärkt. Die 5. (MG) Schwadron gab ihre sMG ab und erhielt einen Granatwerfer-Zug zu drei Gruppen mit je 2 Granatwerfern 8 cm auf 6-spännigen Fahrzeugen (Schützen auf Protze, Truppführer beritten) und zwei Kavallerie-Ge-schütz-Züge zu je 2 1IG 18 (bei der Kavallerie »Kavallerie-Geschütze« genannt). Die Ober Wachtmeister (im Soldatenjargon »Spieß« genannt) erhielten die Bezeichnung Hauptwachtmeister. Am 10. November wurde der allgemein hochverehrte Brigade-Kommandeur Generalmajor v. Mackensen versetzt. Am Abend vor seiner Abreise wurde ihm zu Ehren der Große Zapfenstreich (beritten) aufgeführt. Unter dem Kommando von Oberleutnant Graf v. Bernstorff waren daran außer dem durch Trompeter der reitenden Artillerie-Abteilung 1 verstärkten Trompeterkorps je ein Zug der 1. Schwadron (Leutnant v. Bülow) und der 2. Schwadron (Leutnant Kuehn) beteiligt. Gleichzeitig mit Generalmajor v. Mackensen wurde auch Major im Generalstab Faeckenstedt — seit 1935 la der Brigade und dem Regiment aus seiner Zeit als Regimentsadjutant besonders eng verbunden — als la zum Wehrkreiskommando III nach Berlin versetzt. Neuer Brigadekommandeur wurde Oberst Feldt, neuer la der Brigadehauptmann im Generalstab v. Collani.
Im Spätherbst erhielt das Regiment einige irische Pferde, denen die Klimaumstellung zunächst gar nicht bekam. Im Winter erkrankten fast sämtliche Pferde des Regiments an seuchenhaftem Katarrh der oberen Luftwege. Die Reitausbildung wurde dadurch sehr behindert und mußte bei einzelnen Schwadronen vorübergehend ganz eingestellt werden. Personalveränderungen: Am 1. Oktober wurden Rittmeister Boriß und Rittmeister Habedanck zur Kriegsakademie kommandiert. Versetzt wurden Major v. Rauchhaupt mit dem 10. November als Major beim Stabe zum Kavallerie-Regiment 18 und Rittmeister v. Radowitz. Chef der Stabsschwadron wurde Rittmeister v. Cor-vin-Wiersbitzki, Chef der 2. Schwadron Rittmeister Jiresch, die 5. Schwadron erhielt Oberleutnant Drews, die 1. Schwadron Oberleutnant Enß. 1939 Im Januar besuchte der Inspekteur der Schnellen Truppen, Generalleutnant Guderian, das Regiment. Nachdem er dem Dienst mehrerer Schwadronen beigewohnt hatte, fand ein großes Planspiel unter Leitung des Brigade-Kommandeurs, Oberst Feldt, statt, bei welchem Oberst v. Esebeck »Blau« und Oberstleutnant v. Heyde-brandt, Kommandeur des Kavallerie-Regiments 4, »Rot« führten. Bei einem abschließenden Herrenabend im Kasino äußerte Generalleutnant Guderian sich zwar lobend über die ostpreußische Kavallerie, ließ aber keinen Zweifel an der entscheidenden Bedeutung der Panzertruppe für die Zukunft. Im März ging das Regiment zum Schulgefechts- und Gruppengefechtsschießen wieder auf den Truppenübungsplatz Stablack. Auf dem Rücktransport wurde alarmiert. Das blieb für das Regiment allerdings die einzige Auswirkung der Besetzung der Tschechei durch deutsche Truppen am 15. März. Am 22. März gab Litauen das Memelland an das Deutsche Reich zurück. Die Hoffnung, das Regiment möge zu den Truppen gehören, die in das nach 19 Jahren wieder mit der Heimatprovinz vereinte Gebiet einrückten, mit dem viele Regimentsangehörige durch verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen eng verbunden waren, erfüllte sich nicht. Vorher bereits gebildete motorisierte Kommandos wurden nicht eingesetzt. Im Mai wurden dem Regiment zahlreiche tschechische Militärpferde zugewiesen. Da die Stallungen nicht ausreichten, mußten auch sämtliche Reitbahnen belegt werden. Die Pferde wurden zunächst in besonderen Abteilungen geritten, sobald wie möglich aber in die Schwadronen zur Verbandsausbildung eingestellt. Ein Teil wurde angespannt und den Trossen zugewiesen, ein kleinerer Teil als Tragpferde verwendet. Im Juni erhielt das Regiment eine Anzahl älterer Reservisten, die beim Ersatz-Bataillon des IR 39 (Wesel) eine 8-Wochen-Kurzausbildung durchgemacht hatten. Reiten konnten sie nicht. Bald nach ihrem Eintreffen wurden sie auf dem Exerzierhof vor dem Block der 4. Schwadron feierlich vereidigt. Mit dem 4. Juli wurden sie ins Regiment versetzt.
Es verursachte einiges Kopfzerbrechen, wie man die Männer möglichst schnell vor allem reiterlich so weit ausbilden konnte, daß sie wenigstens als Gewehrschützen in die Reiterzüge eingestellt werden konnten. Eine größere Anzahl wurde den Trossen zugeteilt sowie der leichten Kavallerie-Kolonne. Die Verbandsausbildung wurde mit besonderem Nachdruck betrieben. U.a. machte die 4. Schwadron auch eine Marschübung mit Flußübergang im Zusammenwirken mit einem Aufklärungsflugzeug, die sehr nützliche Erfahrungen brachte. In einem abgelegenen Gelände am Rand des Großen Moosbruchs führten die Schwadronen Gefechtsschießen durch. Dazu wurde sogenannte Leichtmunition mit geringerer Pulverladung verwendet. Die Gewehr- und MG-Geschosse flogen bei der schwachen Treibladung nur wenige hundert Meter weit und erforderten daher keine allzugroßen Sicherheitsbereiche. Hin- und Rückmarsch zu diesem Schießen boten Gelegenheit, die Verwendungsfähigkeit der Tschechenpferde zu überprüfen und vor allem auch die Trosse einzumarschieren. Im Lauf des Frühjahrs und des Sommers erfolgten noch mehrere Neuerungen in Bewaffnung und Ausrüstung, um Beweglichkeit und Feuerkraft des Regiments zu erhöhen. Die Stabsschwadron erhielt neue Panzerspähwagen mit MG 34 im Drehturm, Allradantrieb und schußsicheren Reifen. Die Reiterschwadronen verlasteten ihre IMG und die dazu gehörige Munition auf Tragpferde. Bisher hatte der IMG-Schütze 1 das MG an seinem Pferde mitgeführt, die übrigen Schützen die Munition und das Fliegerdreibein. Sämtliche Zugtrupp- und Gruppenführer wurden mit der neuen MPi 38 bewaffnet, desgleichen die Pferdehalter der Gruppenführerabmärsche in den Schützenzügen. Der bisher übliche Karabinerschuh am Sattel fiel weg, die Schützen trugen den Karabiner über dem Rücken. Außerdem wurden neue Packtaschen zugewiesen, die an den hinteren Trachten des Sattels und mit Schwungriemen am Sattelgurt befestigt wurden. Sie waren kleiner, aus schwächerem Leder gearbeitet und etwa 1,4 kg leichter als die alten Vorderpacktaschen. Leider konnte mit den neuen Hinterpacktaschen nur das von den Pferden der Reiterzüge zu tragende Gewicht vermindert werden. Die Reiter der sMG-Züge mußten die alten Vorderpacktaschen behalten, weil sie an ihren Sätteln zusätzliche Taschen mit Munitionskästen mitnehmen mußten. Die 3. Schwadron erhielt für einen größeren Versuch neue, leichter gearbeitete Sättel. Der voll gepackte alte Armeesattel 25 (ohne Karabinerschuh) wog einschließlich Woilach rund 29,6 kg, der Versuchssattel einschließlich Woilach voll gepackt 7,5 kg weniger. Die neuen Sättel wurden nur in einer Größe zugewiesen. Da die einzelnen Stücke aber unterschiedlich ausgefallen waren, konnte durch entsprechendes Umpolstern für jedes Pferd ein geeigneter Sattel verpaßt werden. Ferner wurde der 3. Schwadron ein neuer gummibereifter Stahlfeldwagen als Munitionsfahrzeug für den Gefechtstroß zur Erprobung zugewiesen. Diese Neuerungen waren im Prinzip begrüßenswert. Sie erfolgten jedoch so spät, daß die Truppe die notwendigen Erfahrungen und entsprechenden Verbesserungsvorschläge großenteils vor Ausbruch des Krieges nicht mehr machen konnte. i
Einige Änderungen an den Sätteln und an den Kraxen für die MG und Munition wurden sofort von den Regimentshandwerkern vorgenommen, um sie überhaupt erst einmal verwenden zu können. Ab 1. Juli wurden die Schwadronen auf ihre volle Mob-Stärke gebracht und dazu auch die leichte Kavallerie-Kolonne unter Führung von Oberwachtmeister Krohn aufgestellt. In der Nach vom 15. auf 16. August ritten Vorkommandos aus Insterburg ab. Das Regiment rückte im Laufe des 16. feldmarschmäßig mit scharfer Munition zu einer längeren Übung aus. In ihrem Verlauf sollte es den Raum um Tannenberg erreichen, um dort an einer großen Parade anläßlich der 25. Wiederkehr des Jahrestags der Schlacht von Tannenberg teilzunehmen. Daß es keine Rückkehr in die alte Garnison mehr geben würde, ahnte damals wohl niemand. Am 21. August erreichte das Regiment den Raum nördlich Allenstein und biwakierte am Wadangsee. In der Nacht vom 24. zum 25. August erreichte es in einem forcierten Marsch von rund 60 km den Raum südlich Ortelsburg. Personalveränderungen: Am 1. April schied zum allseitigen größten Bedauern Oberst Freiherr v. Esebeck vom Regiment, um Kommandeur einer Schützenbrigade zu werden. Sein Nachfolger wurde Oberstleutnant Wachsen, bisher Abteilungskommandeur im Kavallerie-Regiment 5. Nachfolger von Oberstabsveterinär Dr. Steinacker wurde Stabsveterinär Dr. Buchwalsky. Mitte August gab Rittmeister Graf v. Schwerin die Führung der 4. Schwadron an Rittmeister d.R. Priese ab. Er wurde mit Kriegsausbruch Regimentsadjutant des Reit er-Ersatz-Regiments 1 in Angerburg. Am 24. August gab Major von Corvin die Stabs-Schwadron an Oberleutnant Koenen ab und trat zur Führerreserve der 1. Kavallerie-Brigade.
Reminiszenzen Die Situation und die Stimmung im Regiment während des Heeresaufbaus nach 1935 und während der beiden letzten Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beleuchten die persönlichen Erinnerungen des damaligen Chefs der 3. Schwadron, Rittmeister v. Rauchhaupt, des damaligen Regimentsadjutanten Oberleutnant Graf v. Bernstorff und des letzten Friedens-Regimentskommandeurs Oberstleutnant v. Corvin-Wiersbitzki. Oberst a.D. v. Rauchhaupt schreibt: »Man hatte mich, der ich nie in Ostpreußen gewesen war, gefragt, ob ich eine Schwadron in Schlesien oder Ostpreußen haben wolle. War es schon merkwürdig, daß man vom Personalamt gefragt wurde, so war es noch seltsamer, daß ein solcher Wunsch erfüllt wurde. Meist passierte genau das Gegenteil. Aber ich bat um eine Schwadron in Ostpreußen und erwachte eines Morgens im September 1934 im Schlafwagen Berlin — Tilsit an der Grenze des Weichbildes von Insterburg. Was dies ’Weich’-Bild einer Stadt bedeutet, habe ich erst später im Herbst und Frühjahr kennengelernt, wenn mein Pferd sich bemühte, seine vier Beine aus dem anhänglichen Lehmboden herauszuziehen. Auch ’ons Exerzierplatz’ hatte da seine Schattenseiten: Sand gab es nur an den wenigsten Stellen, aber Lehm hinreichend, der bei Trockenheit wie gebacken, bei Nässe wie Schmierseife wirkte. Im Herbst 1935 wurde die berittene Landespolizei in Ostpreußen aufgelöst und die Insterburger Hundertschaft dem Regiment eingegliedert. Die bisherige 3. Schwadron wurde mit Mann und Maus und Wagen an das neuaufgestellte Kavallerie-Regiment 4 (damals noch Reiter-Regiment) in Allenstein abgegeben — was nicht ohne erheblichen Wirbel vor sich ging — , die 'Polizei1 wurde neue 'Dritte' in Insterburg. Auch hier zeigte sich wieder die schon erwähnte große Schmelzkraft der Truppe. Natürlich waren die Chargen der Polizei zunächst mehr Beamte als Unteroffiziere, aber in ganz kurzer Zeit war die neue 'Dritte1 eine Schwadron wie jede andere auch. Etwas schwieriger war es mit den Pferden, denn die Polizei brachte Pferde aus allen Teilen Deutschlands mit, während unsere Schwadronen ganz einheitlich auf Ostpreußen beritten waren. Die Holsteiner und Hannoveraner hielten in den Manövern das Tempo anfangs nicht immer so durch, hinzu kam auch, daß ihr Dienst natürlich ein anderer gewesen war, als bei der Truppe. Ich hatte festgestellt, daß manche 'aus dem Reich’ — wie wir damals sagten — nach Ostpreußen versetzte Offiziere dies als eine Art Verbannung betrachteten und die Jahre, die sie 'da oben’ im abgetrennten Teil unseres Vaterlands zubringen sollten, schon vorher als verlorene ansahen. Das änderte sich meist sehr schnell, wenn sie erstmal 'da oben’ waren. Ich hatte mir von vornherein vorgenommen, daß die Jahre in Ostpreußen meine schönsten Lebensjahre werden sollten, und — bei Gott! — sie wurden es. Ich geriet ... bei meiner Ankunft in Insterburg gerade in den Beginn des Heeres-aufbaues, und von da ab stand der Dienst über allem. Die riesigen Aufgaben, die auf jeden von uns zukamen, der Mangel an Offizieren, der sich ständig bemerkbar
machte, nahmen jeden voll in Anspruch. Ich war bei meinerSchwadron eigentlich immer allein, nur angewiesen auf die Mithilfe des Hauptwachtmeisters Buttgereit, des idealen Kavallerie-Wachtmeisters schlechthin. Die Wochenenden benutzte ich, soweit ich es dienstlich einrichten konnte, um motorisiert Ostpreußen kennenzulernen, damit man im Manöver nicht so ganz schimmerlos durchs Land ritt. Die Manöver, ausgedehnte Aufklärungsübungen, Aufenthalt auf den Truppenübungsplätzen Arys und Stablack, hielten uns wochenlang von Insterburg fern. Trotzdem gab es zahlreiche Bürgerhäuser, die sich uns Offizieren gastlich öffneten, dazu der Landverkehr, den ich wieder nur am Rande streifen kann. Erwähnen muß ich aber doch als pars pro toto Althof, eigentlich das einzige größere Gut in Insterburgs unmittelbarer Nähe. Schon als ich bei einer Reitjagd, mit der ich mein Insterburger Dasein begann, und die auf einer Althöfer Koppel endete, uneingeführt bei Eddo Brandes zum Kaffee aufkreuzte, war die Begrüßung typisch: ’ Rittmeisterchen, ich hab’ schon gehört, Sie sind der neue Chef von der Dritten. Wann komm’ Sie bei mir ’nen Bock schießen?’ So war das in Ostpreußen — und manch einer im kleinen Restdeutschland, der es noch könnte, mag sich von dieser sagenhaften, geradezu baltischen ostpreußischen Gastfreundschaft eine Scheibe abschneiden. In Althof traf man eigentlich zu jeder Tages- und Mahlzeit irgendwelche 1. Reiter, weil wir sozusagen zur Familie gehörten. Auch die Übungen legte man gern so an, daß man in Althof, immer willkommen, zum Frühstück einfallen konnte. Einmal war ein Wirbelsturm über Insterburg hinweggezogen und hatte, in schmalem Streifen, gerade Althof fürchterlich zugerichtet. Die schönen alten Bäume der Allee nach Insterburg und des Parks lagen wie ausgekippte Streichhölzer durcheinander. Eddo kam am nächsten Morgen von einer Reise zurück, sah sich von der Terrasse seines Hauses aus die Bescherung an und fragte nur: 'War denn Rauchhaupt mit der Dritten wieder hier?’ Die 'Dritte’, die von der Aufstellung des Regiments im Jahre 1920 an in Insterburg lag, hatte auch ein besonders herzliches Verhältnis zur Stadt, dazu kam, daß sie die Tradition der alten Tnsterkosaken’ weiterführte. Wir starteten auch nach Möglichkeit in jedem Jahr irgendein besonderes Unternehmen: Da wurde der ’lnsterkosa-ken-Chor’ gegründet, der mit über 40 ausgewählten Sängern unter der Leitung von Kantor Gobat ganz hervorragend sang — wir gaben Ständchen, besangen Schallplatten und konzertierten zusammen mit dem Trompeterkorps — da wurde die Uniformsammlung (siehe Seite 126) angelegt, bei der viele Reiter bei der Anfertigung der Schränke in ihrer Freizeit mitarbeiteten, da wurde in der Stadthalle Theater gespielt, wobei eine Ulanen-Vedette in der alten Uniform vor der Freitreppe aufzog und eigentlich jeder Reiter der Schwadron irgendein Amt hatte, es wurde ’der’ Jahreswettkampf ausgetragen, bei dem aus einem Zusammenspiel von Reiten, Laufen, Schießen, Handgranatenwerfen und Findigkeitsübungen vermittels eines entsetzlich komplizierten Punktsystems die Sieger ermittelt werden mußten. Das ’Ostpreußische Tageblatt’ sowie die 'Ostdeutsche Volkszeitung’ brachten spaltenlange Berichte.« Oberstleutnant a.D. Graf v. Bernstorff schreibt: »Am 1. Oktober 1937 wurde ich als Nachfolger des zur Kriegsakademie versetzten Rittmeisters Freiherr v. Ohlen
zum Adjutanten des Regiments ernannt, in welchem ich seit 1930 die militärische Stufenleiter vom Reiter über den Fahnenjunker und Leutnant aufgestiegen war. Freud und Leid des Regiments in fünf Jahren geteilt zu haben, was damals schon sehr viel war, eine intensive militärische und reiterliche Ausbildung, eine dreijährige Einführung als Regiments-Nachrichten-Offizier und Ordonanz-Offizier gaben mir an sich die notwendigen Voraussetzungen für meine Arbeit. Diese wurde noch besonders erleichtert durch die hervorragende Persönlichkeit des Regimentskommandeurs, Oberst Freiherr v. Esebeck, der meiner Arbeit volles Vertrauen entgegenbrachte und immer dort führend und helfend eingriff, wo jugendliche Unerfahrenheit oder Überschwang Fehler zu verursachen drohten. Wenn ich trotzdem zunächst mit etwas bangen Gefühlen meine neue Tätigkeit anfaßte, so deshalb, weil ich mir der großen Verantwortung bewußt war, die ich als Nachfolger außerordentlich bewährter Regimentsadjutanten, wie des vom ganzen Regiment verehrten Rittmeisters Faeckenstedt, zu tragen hatte. Der stete, starke personelle Wechsel der sich aus der im Gang befindlichen Heeresvermehrung ergab, forderte ein hohes Maß organisatorischer und vorausschauender Arbeit, die nur dank fleißiger Mitarbeit eines von meinen Vorgängern gut geschulten Regimentsstabs und eines, wenn auch manchmal etwas zähneknirschenden Mitgehens der Schwadronen zu leisten war. Nach Abschluß der Manöver galt es zunächst, die 1936 eingetretenen Wehrpflichtigen, deren Dienstzeit durch Einführung der zweijährigen Dienstpflicht bis zum Herbst 1938 verlängert war, als Stamm in die Schwadronen einzugliedern, wobei ein hoher Prozentsatz, besonders von Spezialisten, an Neuaufstellungen in anderen Wehrkreisen abzugeben war. Gleichzeitig war die Aufnahme der zum 1. November berufenen Rekruten vorzubereiten. Da der ostpreußische Ersatz nicht ausreichte, um das Soll der Truppenteile im Wehrkreis I aufzufüllen, erhielten wir etwa 30 % des Mannschaftsersatzes aus dem Industriegebiet um Krefeld und Recklinghausen. Wir alten Reiter sahen zunächst mit einigen Bedenken diesen neuen Soldaten entgegen, weil wir uns kaum vorstellen konnten, daß auch im Ruhrgebiet Liebe und Gefühl für Pferde wachsen konnten. Unsere Westfalen und Rheinländer haben uns schnell eines besseren belehrt. Sie brachten viel Schwung und Leben in die Schwadronen und ergänzten unsere treuen, aber oft etwas langsamen Ostpreußen besonders gut. So bewährte sich diese Vermischung der Landsmannschaften, zumal auch die Westdeutschen auf diese Weise ein Land mit seinen Schönheiten zu sehen bekamen, von dem sie häufig die Auffassung vom finstersten Sibirien mitgebracht hatten. Eine weitere vordringliche Arbeit war die Umarbeitung der Mobilmachungskalender. Nachdem aufgrund neuer Weisungen die vom Regiment im Mobilmachungsfalle aufzustellenden Verbände neu festgelegt waren, wurden die Mobilmachungsvorbereitungen neu bearbeitet, die dann schließlich auch die Grundlage für die endgültige Durchführung der Mobilmachung 1939 bildeten. Eine erste Probe auf die Wirksamkeit der vorgesehenen Maßnahmen hatten wir abzulegen, als unser Regiment im April 1938 unter den Augen des Kommandierenden Generals, General der Artillerie v. Küchler, und mit Überwachung durch Offi
ziere des Wehrkreises I eine 24 Stunden dauernde Probemobilmachung durchführen mußte. Trotz einiger Schwierigkeiten, der Regimentskommandeur und eine unverhältnismäßig große Zahl von Offizieren und Unteroffizieren waren gerade auf Urlaub, war das Regiment nach 24 Stunden kriegmäßig marschbereit. Der anschließende Marsch brachte dann viele wichtige Erfahrungen, die bei der weiteren Durcharbeitung der Mob-Kalender verwertet werden konnten. Insbesondere galt von da ab unsere Sorge den von den umliegenden Dörfern zu stellenden Ergänzungs-Troßfahrzeugen, die beim Probemarsch zum Teil doch noch einen recht zigeunerhaften Eindruck gemacht hatten. Die Manöver dieses Jahres waren besonders groß in Ostpreußen angelegt. Sie hießen im Soldatenmund 'Attache-Abwehrmanöver’! Die Reichsregierung hatte nämlich sämtliche in Berlin akkreditierten Militär-Attaches zu diesen Manövern nach Ostpreußen gebeten, um inzwischen unbeobachtet von ihren wachsamen Augen den Aufmarsch gegen die Grenzen der Tschechoslowakei zum Abschluß bringen zu können. Bereits am 14. September (Beginn des Reichsparteitags in Nürnberg) trafen wir wieder in der Garnison ein. Das Regiment blieb aber, wie auch alle übrigen Truppenteile des Wehrkreises I, in Alarmbereitschaft. In der Nacht vom 29. zum 30. September (Münchener Konferenz) waren alle Büros durch Adjutanten zu besetzen. Dabei leistete mir unser unvergeßlicher Leutnant Schlenther, der gerade von einer Remontierungskommission aus Jugoslawien zurückgekehrt war und den notwendigen Sliwowitz mitgebracht hatte, Gesellschaft. So erlebten wir den 'Tag von München’ — in gehobener aber leicht umnebelter Stimmung. Der Herbst 1938 war besonders schön, so daß wir die Reitjagden in Insterburg und Trakehnen nochmals bis zur Neige auskosten konnten. Das Herbstturnier in Insterburg brachte auch die erste Military-Vorbereitungsprüfung für die olympischen Spiele in Helsinki. Letztere waren für 1940 geplant, wurden aber wegen des Krieges erst 1952 durchgeführt. Der sehr schöne Geländeritt wurde in Trakehnen neben dem Geländeritt des ’Prinz-Friedrich-Sigismund-Preises’ geritten. Unsere Hubertusjagd in Insterburg war auch die letzte ostpreußische Reitjagd für mehrere Offiziere des Regiments, die im Rahmen der immer noch lebhaften Personalbewegungen innerhalb des Heeres aus dem Regiment versetzt wurden. Es wurde ein rauschendes Hubertus- und Abschiedsfest, so daß wir bei der Trakehner Hubertusjagd am nächsten Tag leider noch recht mitgenommen waren. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei am 15. März 1939 belehrte uns die wachsende Spannung mit Polen, daß die Entscheidung über Krieg oder Frieden nahe bevorstand. Umso schmerzlicher empfanden wir es daher zunächst, daß Oberst Freiherr v. Esebeck, der das Regiment mehr als zwei Jahre mit großem Erfolg geführt hatte, dem es gelungen war, die Ausbildung des Regiments nach modernen Gesichtspunkten zu gestalten und manchen alten Zopf über Bord zu werfen, und auf den wir alle in Manövern und Planspielen gut eingespielt waren, das Regiment am 1. April verließ und wir uns nun am Anfang einer schweren politischen Krise auf einen neuen Kommandeur umstellen mußten.
Organisatorisch mußten wir seit Juni 1939 auf zwei Klavieren spielen, und zwar einmal Mobilmachung und zum anderen Umorganisation. Ob letzteres nur Tarnung oder tatsächlich beabsichtigt war, falls der Krieg vermieden werden konnte, sei dahingestellt. Jedenfalls war befohlen, daß das Regiment am 1. Oktober 1939 umgegliedert werden sollte und zwar in Regimentsstab und Stabsschwadron, 2 Abteilungen zu je vier Schwadronen, 1 Kavalleriegeschütz-Schwadron und 1 Nachrichten-Schwadron. Dazu sollten Schwadronen aus Westdeutschland nach Ostpreußen kommen, deren Antransport, Unterbringung, Versorgung, Mannschaftsund Pferdeersatz zu regeln war. Ich entsinne mich, daß ich am 10. August 1939 den endgültigen Umgliederungsbefehl fertig bearbeitet in meinen Panzerschrank eingeschlossen habe. Rückschauend faßt man sich an den Kopf, wieviel Arbeit und Mühe man doch im Leben vergeblich aufgewendet hat. Die Mobilmachung des Regiments lief ab 1. Juli 1939 nach den vorbereiteten Kalendern mit verlängerten Fristen planmäßig ab. Als neue Einheit stellten wir nur die leichte Kavallerie-Kolonne unter Oberwachtmeister Krohn auf. Alles klappte gut, besonders weil genügend Zeit vorhanden war und dank guter und verständnisvoller Zusammenarbeit vom Kommandeur bis zum jüngsten Rekruten. Es herrschte keinerlei Begeisterung für einen kommenden Krieg, aber jeder fügte sich in das unvermeidliche und versuchte, das beste daraus zu machen. Die letzten Tage in der Garnison waren geprägt von dem in Insterburg durchgeführten internationalen Reitturnier. Es nahmen dänische und rumänische Reiter teil, die Wiener Hofreitschule war auch gewonnen worden. Äußerlich ein Bild des Friedens, aber die gepackten Fahrzeuge in allen Kasernen entgingen den geschulten Augen unserer ausländischen Gäste nicht. So ritten und tanzten wir auf einem Vulkan, und jedes Wort, das wir sprachen, mußte auf die Goldwaage gelegt werden. Als die Fahnen am Turnierplatz herabgeholt wurden, waren unsere Gäste auch schon durch den polnischen Korridor nach Westen entschwunden. Zurück blieben wir, unserem ungewissen Schicksal entgegenziehend, das uns und unsere geliebte, nie vergessene Heimat Ostpreußen über Höhen in tiefste Tiefen führen sollte. Es bleibt uns alten Kavalleristen die Erinnerung an eine Jugend voller Freude am Zusammenleben mit unseren Pferden, am frohen Galopp über den Rasen der Rennbahn und im Jagdfeld, an die Freuden einer aus diesem gemeinsamen Erleben geprägten Kameradschaft und schließlich an eine wohl in der Welt unübertroffene Gastfreundschaft, die wir aus allen Kreisen der ostpreußischen Bevölkerung stets haben entgegennehmen dürfen. Wie viele frohe Stunden haben wir bei Erdbeerbowle und Krebsen, bei Hühnchen und Bärenfang verbracht. Allen, die uns damals mit so offenen Armen aufgenommen haben, sollte an dieser Stelle unser inniger Dank gesagt werden.« Oberst a.D. Wachsen berichtet: »Es war April 1939, als ich in einer äußerst kritischen Zeit zum Kommandeur des Reiter-Regiments 1 ernannt wurde. Ich übernahm ein sehr gutes Regiment mit einem sehr gut ausgebildeten Offiziers- und Unterof fizierskorps.
Bei meiner Meldung bei dem Befehlshaber in Ostpreußen wie bei dem Kavallerie-Brigade-Kommandeur wurde ich von beiden Vorgesetzten auf den Ernst der Lage aufmerksam gemacht. Beide drückten aber doch die feste Hoffnung aus, daß es nicht zu einem Krieg kommen würde. Nach dieser Situation galt es für alle Fälle die Kriegsverwendungsfähigkeit des Regiments so schnell wie möglich sicherzustellen. Die Gefechtsausbildung mußte ohne zu pfuschen schneller zur Verbandsausbildung im Zug und in den Schwadronen betrieben werden. Da das Regiment im Winter fast mit allen Pferden einen Katarrh der oberen Luftwege durchgemacht hatte, und einzelne Pferde immer noch daran kränkelten bzw. fast allen Pferden diese Krankheit noch anzusehen war, mußte die gesamte Gefechtsausbildung zu Pferde unter großer Schonung stattfinden. Früher als üblich mußten die Schwadronsübungen beginnen und beendet werden, alle Einheiten mußten sich auf ihre jederzeitige Verwendung im Ernstfall vorbereiten. Es wurde an allen Stellen unaufgefordert in einem erheblichen Tempo gearbeitet. Trotz der gespannten Lage, im besonderen Polen gegenüber, konnten Offiziere wie Unteroffiziere erfolgreich an Rennen und Turnieren teilnehmen. Für das von Anfang bis Mitte August stattfindende internationale Jubiläumsturnier in Insterburg war das Regiment in jeder Form sehr stark eingespannt. U.a. mußte eine Mannschaft für den Preis der Nationen zusammengestellt und trainiert werden. Während auf dem schönen Platz in Georgenhorst bis zum 13. August das Turnier abrollte, und das Schaubild der Spanischen Hofreitschule Wien ganz besonderen Eindruck machte, mußte im Regiment mit Hochdruck weiter gearbeitet werden. Dabei war alles, was eine Spannung hätte vermuten lassen, natürlich den ausländischen Offizieren gegenüber im besonderen, zu vermeiden. Ich entsinne mich aber einer Äußerung des rumänischen Equipenchefs, der bei seiner Fahrt nach Trakehnen das Regiment an irgendeiner Stelle bei einer Gefechtsübung gesehen hatte. Er fragte mich, ob es Krieg gäbe und bemerkte auf meine Verneinung, Deutschland hätte nur eine Kavallerie-Brigade, Polen jedoch sehr viel Kavallerie.*) Am 16. August rückte das Regiment mit scharfer Munition zu sogenannten Regimentsübungen aus. Ich werde jenen frühen Sommermorgen in Ostpreußen bei aufgehender Sonne nicht vergessen, wie beim Ausrücken des Regiments die Straßen Insterburgs mit den zurückbleibenden Angehörigen, von Frauen und Kindern, Eltern und Geschwistern, Freunden und Bekannten gesäumt waren, die mit ernster Miene ihren Angehörigen und unseren Reitern einen letzten Gruß zuwinkten, stand man doch vor der großen Ungewißheit, was die Zunkunft bringen würde.« Aus hinterlassenen Aufzeichnungen von Oberst a.D. v. Corvin-Wiersbitzki, die Frau v. Corvin freundlicherweise zur Verfügung stellte: »Schon im Frühsommer 1939 merkte jeder Reitersmann in der alten Garnisonstadt Insterburg, daß beson *) Polen verfügte über 40 Kavallerie-Regimenter, die in 1 Kavallerie-Division und 12 selbständigen Kavallerie-Brigaden zusammengefaßt waren. Ein Kavallerie-Regiment bestand aus Stab, 1 Nachrichtenzug, 4 Reiterschwadronen, 1 sMG-Schwadron. Die Ulanen waren mit Karabiner, Lanze und Säbel bewaffnet.
dere Ereignisse in der Luft lagen. Die politische Lage war außerordentlich ernst. Die Gegensätze zwischen Deutschland und Polen verschärften sich immer mehr. Der Dienstbetrieb war schärfer denn je, er wurde immer mehr auf den Ernstfall ausgerichtet. Insterburg, schon vorher eine starke Garnison, glich einem Heerlager. Besonderer Wert wurde u.a. auf Übungen in der Wegnahme von Bunkern gelegt. Offiziell geschah dieses alles für die Teilnahme an einer großen Tannenberg-Parade mit anschließendem Manöver, doch glaubten das nur wenige. Die Einverleibung Österreichs, der Tscheche! und die Rückkehr des Memelgebiets in das Reich waren vorausgegangen. Die meisten ahnten, daß der nächste Schlag Hitlers sich gegen Polen richten würde. Oft unterhielt ich mich mit meinem Regimentskommandeur in diesen Tagen auf der Veranda unseres netten und gemütlichen Casinos über die politische Lage. Oberstleutnant Wachsen wollte nicht glauben, daß Hitler die Verantwortung für einen neuen Weltkrieg auf sich nehmen würde. Es war uns klar, daß die Zeit der Blumenkriege vorbei war, daß ein Einmarsch in polnisches Gebiet Kampf und Krieg bedeuten würde, und daß dann Frankreich und England nicht mit Gewehr bei Fuß dabeistehen konnten, ohne ihr gesamtes Prestige in der Welt zu verlieren. Mit schwerer Sorge blickten wir in die Zukunft. Dazwischen gab es wieder vollkommen friedensmäßige Bilder, so zwei besonders schöne Turniere auf dem herrlichen und mustergültigen Insterburger Turnierplatz. Der 16. August verging mit Kofferpacken und dienstlichen Vorbereitungen. Dann schloß ich meine Wohnung ab. Die Familie war, wie bei vielen Verheirateten der ostpreußischen Truppenteile, aufs Land gebracht worden. Da offiziell ja nur Abmarsch zur Tannenberg-Parade und Manöver bekanntgegeben worden war, erfolgte der Ausmarsch ohne jede Feierlichkeit. Bis zum 21. August erreichte die 1. Kavallerie-Brigade die Gegend hart nördlich Alienstein, wo sie biwakierte. Der Marsch bis dorthin war nicht anstrengend gewesen und hatte dem Einmarschieren der Verbände gedient. Kurze Übungen waren in die Märsche eingelegt worden. Nach Erreichen der Tagesziele wurde in Anlehnung an Ortschaften biwakiert, um die Truppe auch hieran zu gewöhnen. Die Stimmung der Truppe war glänzend, und in jedem Biwak gab es abends Musik, Lagerfeuer, Tanz und Fröhlichkeit. Die Rheinländer taten sich darin besonders hervor. Ich fuhr zwei- oder dreimal mit meinen Offizieren, dem reizenden Oberstleutnant v. Koenen und dem famosen Leutnant Schmidt in das schöne Alienstein hinein. Abends saßen wir dann mit Oberstleutnant Wachsen und anderen Herren in dem erstklassigen Bahnhofshotel, wo wir noch gut lebten. Die politische Lage hatte sich immer weiter verschärft. Täglich kamen Meldungen über die Drangsalierung der deutschen Bevölkerung in Polen. Wohl wurde noch weiter verhandelt, doch schienen sich die Verhandlungen in Kürze gänzlich festlaufen zu wollen. Der erstaunliche Schachzug des deutschen Nichtangriffspakts mit Rußland gab Adolf Hitler weitere Handlungsfreiheit. Auch sonst merkten wir, daß es Ernst wurde. Neue Kriegsvorschriften wurden ausgegeben. Ihr Inhalt war sofort bekanntzugeben. Es fand noch eine Übung im Regimentsverband statt.
Am 24. August erhielt die 1. Kavallerie-Brigade den Befehl zum Vormarsch über Ottelsburg an die Grenze in den Bereitstellungsraum bei Friedrichshof. Gleichzeitig bekam ich die Nachricht, daß ich die Stabsschwadron an Oberstleutnant v. Koenen abzugeben und sofort als Regimentsführer-Reserve zum Brigade-Stab zu treten hätte. Wenn ich auch als Major die Schwadron eigentlich nur nebenbei gehabt hatte, in der Hauptsache Dienst als Major beim Stab machte und am 15. September sowieso Abteilungs-Kommandeur werden sollte, so trennte ich mich doch ungern und schweren Herzens von meiner braven Schwadron, die ich gerne im Einsatz geführt hätte.«
Traditionspflege Ein Volk, das keine Vergangenheit haben will, verdient auch keine Zukunft! So dachte Generalfeldmarschall v. Hindenburg, so dachte auch General v. Seeckt, der bei Aufstellung des neuen Reichsheeres die Tradition der ruhmreichen alten Regimenter nicht untergehen lassen wollte. Aus diesem Grund ordnete er an, daß eine Einheit (bei den Reiter-Regimentern eine Eskadron) des Reichsheeres die Traditionspflege zu je einem alten Regiment zu übernehmen habe (Traditionstruppenteil). »Wer nicht weiterbaut, zerstöret Was Euch müh’los heut’ gehöret, Vaterlandes Glanz und Kraft!« Dies Wort Ernst v. Wildenbruchs kennzeichnet zugleich Sinn und Aufgabe der Tradition. Da bei allen alten Regimentern schon lange vor dem Krieg Soldatenvereine (Kriegervereine) vorhanden waren und seit 1920 Offiziersvereine entstanden, wurde die Verbindung zwischen Truppe und Vereinen bald hergestellt. Zwischen beiden bildete sich eine treue Kameradschaft. Beim Reiter-Regiment 1 waren die Bedingungen dafür besonders günstig, da sich in den Garnisonen zum Teil die zuständigen Traditionsvereine und in den Eska-drons noch Offiziere, Unteroffiziere und Reiter der alten Regimenter befanden. Die Eskadrons (später Schwadronen) übernahmen die Tradition folgender ehemaliger Königlich Preußischer Kavallerie-Regimenter: 1. Eskadron - Dragoner-Regiment Prinz Albrecht von Preußen (Litthauisches) Nr. 1, Tilsit, Gründungsjahr 1717 2. Eskadron - Ulanen-Regiment Graf zu Dohna (Ostpreußisches) Nr. 8 Gumbinnen, Stallupönen, Gründungsjahr 1812 3. Eskadron - Litthauisches Ulanen-Regiment Nr. 12, Insterburg, Gründungsjahr 1860 4. Eskadron - Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 12, St. Avold, Gründungsjahr 1913 5. Eskadron - Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 9, Insterburg, Gründungsjahr 1913. Es war ihnen eine besondere Ehre und Freude, die Tradition der im Krieg so ruhmreichen alten Regimenter führen zu dürfen. Offiziere, Unteroffiziere und ein großer Teil der Mannschaften beteiligten sich regelmäßig an den jährlichen Festlichkeiten der Traditionsvereine, umgekehrt waren die Vereinsmitglieder stets Gäste bei den Eskadronsveranstaltungen. Zu den Hauptversammlungen der Offiziersvereine, die teilweise ihren Sitz nicht in Ostpreußen hatten, wurden oft einige Offiziere und Unteroffiziere als Gäste gebeten. Die Kosten für Fahrt und Unterbringung übernahm dann der Verein. Über das Verhältnis zwischen 1. Eskadron und den alten 1. Dragonern berichtet Oberstleutnant d.R. Pachnio, Vorsitzender des Offiziers-Kreises im Prinz-Albrecht-Bund:
»Seit Aufstellung des Reiter-Regiments 1 war das Verhältnis zwischen dessen 1. Eskadron und unseren Traditionsverbänden ein sehr gutes. Die überaus freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Verein ehemaliger Prinz-Albrecht-Dragoner in Tilsit-Ragnit und der 1. Eskadron Reiter-Regiment 1 wirkten sich in vielen gegenseitigen Besuchen aus, so am Regiments-Gründungstag (19. April 1717) und zum Gedenken an das Gefecht bei Trautenau (27. Juni 1866). Rittmeister d.R. a.D. Mack, Althof-Ragnit, gehörte lange Jahre dem Vorstand des Traditionsverbands an. Unseren Offiziersverein führte seinerzeit Major a.D. Macketanz, Laxdoyen. Am 19. April, den wir als Gründungstag unseres Regiments fast immer festlich begangen haben, hatten unsere alten Offiziere fast regelmäßig ihr Jahrestreffen im alten Dragonerkasino in Tilsit, welches nach dem Ersten Weltkrieg Offizierskasino des Reiter-Regiments 1 wurde. Der Chef der 1. Eskadron war stets dazu eingeladen, ebenfalls die Offiziere der Eskadron. Als das Reiter-Regiment 1 ganz nach Insterburg zusammengelegt wurde (1. Oktober 1934), durften wir unsere Offizierstreffen im dortigen Offizierskasino des Regiments veranstalten. Wie groß das Vertrauensverhältnis zwischen uns war, geht auch daraus hervor, daß wir alte Erinnerungsstücke der 1./Reiter-Regiment 1 zu treuen Händen übergeben haben. Das Tafelsilber, die Bilder und andere schöne Erinnerungsstücke, wie das gesamte Mobiliar des ehemaligen Offiziers-Kasinos Dragoner 1 wurde dem Offizier-Korps des Reiter-Regiments 1 für dessen Kasino überreicht.« Oberst a.D. Winkel, ehemals Chef der 2./Reiter-Regiment 1, berichtet über die Beziehungen zum Verein ehern. Ulanen-Regiment 8: »Im Jahre 1937 stand für die 2. Schwadron noch ein besonderes Ereignis bevor. Die alten Ulanen wollten ihr 125jähriges Bestehen in ihrer ehemaligen Garnison Gumbinnen feiern. Dazu brauchten sie auch die Tradtionsschwadron. Für mich als deren Chef war es ein besonderer Anlaß, in meiner Heimatstadt Gumbinnen dieses Fest würdig zu begehen. Im Jahre 1912 hatte ich noch als Schüler miterlebt, wie anläßlich seines 100jährigen Bestehens das Ulanen-Regiment am Kommandierenden General des I. Armeekorps, v. Kluck, an 21 Angehörigen der Familie Dohna — unter ihnen der Kommandeur der Garde-Kavallerie-Division, Generalleutnant Alfred Graf zu Dohna, und Fürst Richard zu Dohna-Schlobitten — sowie zahlreichen weiteren hohen Gästen vorbeidefilierte. Jetzt war ich verantwortlich für eine würdige Feier. Ein Marsch durch die Stadt, wobei eine Gruppe in der alten Ulanen-Uniform ritt, ein Vorbeimarsch an dem Vertreter des Hauses Dohna, den Ehrenmitgliedern, dem Regimentskommandeur fand statt. Ein Reiterfest auf dem alten Kasernenhof der Ulanen bildete den Hauptteil der gelungenen Traditionsfeier.« Die 3. Eskadron in Insterburg stand in Treue und Kameradschaft zum Verein Ulanen-Regiment 12 (Unteroffiziers- und Mannschaftsverband), der seinen Sitz auch in Insterburg hatte. Vorsitzender des Vereins war der ehemalige Wachtmeister Weichler, ein prächtiger alter Soldat, mit dem die Angehörigen der 3. Eskadron so manche Pulle geleert haben. Kantinier war der ehemalige Ulanen-12-Wachtmeister
Schlemminger. Er wie seine fleißige Frau waren auch ganz famose Menschen. In den kalten Wintermonaten saß man oft nach den ersten Frühreitstunden in der Kantine beisammen. Am 24. Oktober 1926 wurde das Ehrenmal für die Gefallenen des Ulanen-Regiments 12 geweiht. An den zwei Festtagen (Sonnabend/Sonntag) nahm natürlich die 3. Eskadron teil, sowohl an den Feierlichkeiten des Ulanen-Regiment-12-Ver-eins wie mit Teilen an dem Festessen des Offiziersvereins im Offizierskasino. Zur Weihe des Ehrenmals am Sonntagvormittag marschierte die geschlossene Eskadron beritten, feldmarschmäßig auf. Nach der Feier marschierte sie am Ehrenmal und an allen Gästen vorbei. Am Abend spielte das Trompeterkorps des Regiments den »Großen Zapfenstreich«. Am 25. Oktober fanden morgens zum Abschluß Reitervorführungen der Traditions-Eskadron statt. Als die 4. Eskadron in die 4. (schwere) Eskadron umgewandelt wurde, behielt sie die Tradition des Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 12 und nahm im Oktober 1928 sofort wieder Verbindung zu dem Offiziers- und Mannschaftsverein dieses Regiments auf. Darauf stiftete der letzte Regimentskommandeur der Jäger seine Uniform, Helm, Mütze und Säbel, die in einem Schaukasten in der Schwadronskantine ausgestellt wurden. Weiterhin hatte der Offiziersverein der Eskadron Geldmittel zur Anfertigung von 6 Uniformen des Jäger-Regiments zur Verfügung gestellt, die zu besonderen Anlässen (Turniere, Theaterspiel usw.) getragen werden sollten. Außerdem wurde jährlich ein Preis für den besten Schützen der Eskadron gestiftet. Zu mehreren Treffen des Offiziers-Vereins in Celle (bei Hannover) wurde der Eskadron-Chef mit je einem Unteroffizier und Reiter, einschließlich Reisekosten, eingeladen. Der Kavallerie-Geschütz-Zug der 4. (schweren) Eskadron nahm außerdem mit dem Tilsiter Artillerie-Verein Verbindung auf. Dessen Vorsitzender war Rechtsanwalt Dennukat. Alle Soldaten des Kavallerie-Geschütz-Zugs wurden Mitglieder des Vereins. Kurz vor dem Garnisonwechsel der Tilsiter Teile des Regiments im Oktober 1934 gab der Artillerie-Verein noch in der Kantine der 4. Eskadron für den Kavallerie-Geschütz-Zug einen besonders schönen Abschiedsabend. Nach der Umbenennung der Eskadron in 5. (schwere) Schwadron führte diese die Tradition des Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 12 zunächst fort, gab sie aber nach 1935 an die Aufklärungs-Abteilung 29, Gotha, ab und übernahm ebenfalls die Tradition der 8. Ulanen. Oberst a.D. Koch, langjähriger Chef der 5./Reiter-Regiment 1 (ab 1. Oktober 1934 4. Schwadron) berichtet über die Verbindung seiner Eskadron zu den Traditionsvereinen des ehemaligen Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 9: »Chef der Eskadron war bei ihrer Aufstellung Major Kloß, Jäger zu Pferde 9. Dadurch war der Zusammenhalt mit dem Traditionsregiment von Anfang an gewährleistet. Der Unteroffiziers- und Mannschaftsverein Jäger zu Pferde 9 stand laufend in nahen Beziehungen zu den älteren Unteroffizieren der Traditionseskadron. Nach
der Versetzung von Major Kloß war der Kontakt besonders gewährleistet durch den Leutnant und späteren Rittmeister v. Below. Er war Vorsitzender des Mannschafts- und Schriftführer des Offiziersvereins. Im Oktober 1925 wurde das Denkmal für die Gefallenen des Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 9 unter großer Beteiligung der ehemaligen Offiziere und der Traditions-Eskadron unter Major Stockmann eingeweiht. Abends vereinte eine große festliche Veranstaltung die alten Jäger zu Pferde mit ihrer Traditions-Eskadron im Bürger-Kasino. Als ich am 1. Februar 1926 Chef der Eskadron wurde, trat dieselbe geschlossen dem Mannschafts-Verein bei. Jeder Angehörige der Eskadron ließ sich monatlich einen Beitrag für die Kasse des Jägervereins abziehen. Letzterer wurde jährlich zu den Veranstaltungen der Eskadron eingeladen, und dieses freundschaftliche Verhältnis blieb bestehen, als die Eskadron 1928 nach Tilsit verlegt wurde. Im Jahre 1927 fand wieder ein Traditionsfest statt, das ähnlich wie 1925 verlief. Als ich am 1. Oktober 1932 zum Reiter-Regiment 3 versezt wurde, wurde Rittmeister v. Below mein Nachfolger. Zu meinem Abschiedsessen war der Vorsitzende des Jäger-Vereins, Rittmeister a.D. von Reichel, gekommen, was ich als besondere Aufmerksamkeit empfand.« Als die Eskadron im Oktober 1934 in 4. Schwadron umbenannt und wieder nach Insterburg verlegt wurde, behielt sie die Tradition der 9. Jäger zu Pferde. Nachstehende Auszüge aus dem »Ostpreußischen Tageblatt«, Insterburg, Nr. 252 vom 27. Oktober 1925, kennzeichnen Einstellung und Stimmung von Bevölkerung und Truppe zu jener Zeit: Weihe des Ehrenmals für die gefallenen Jäger zu Pferde Nr. 9 Der Verein ehemaliger Kameraden des Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 9 wollte hinter den anderen Regimentsvereinen nicht zurückstehen und hatte auch seinerseits mit Unterstützung der Stadt, der Traditionsschwadron und anderer in Frage kommender Stellen die Mittel aufgebracht, um die Namen der im Weltkriege gefallenen Kameraden in ehernen Tafeln der Nachwelt zu erhalten, um die gefallenen Helden durch ein würdiges Denkmal zu ehren. An der Ecke zu der Reiterkaserne, die dem 1913 gegründeten Regiment nur kurze Unterkunft gewährte, hat das Ehrenmal einen passenden Platz gefunden. Es ist nach dem Entwurf des Professors V. H. Seifert-Berlin von dem hiesigen Steinmetzmeister Hahn in grauem schwedischen Granit kunstvoll ausgeführt und bildet einen schönen Beweis von der Leistungsfähigkeit dieser Firma. An der Vorderseite zeigt es in einem ehernen Relief einen Jäger zu Pferde in voller Ausrüstung. Auf den anderen Seiten künden eherne Tafeln die Namen der gefallenen Regimentsangehörigen.
Der gestrige Sonntag war für die Weihe des Denkmals ausersehen. Bereits am Sonnabend waren viele ehemalige Regimentsangehörige hierzu eingetroffen, die am Abend in der Kantine der Reiter-Kaserne durch eine schlichte Feier begrüßt wurden. Am Sonntag vormittag traten die Vereine und Innungen mit ihren Fahnen und Standarten auf dem Hof der Jägerkaserne zum Generalappell an. Darauf setzte sich der imposante Festzug um 11.15 Uhr zum Denkmalsplatz in Bewegung. Von den vier Masten, die die Hülle hielten, flatterten Fahnen in den alten preußischen und deutschen Farben und grüßten die große Festversammlung, die dann unter Begleitung des Trompeterkorps des Reiter-Regiments 1 das ’Altniederländische Dankgebet’ sang. Superintendent Kuhn hielt nun in der ihm eigenen warmherzigen Art die von tiefem vaterländischen Empfinden durchglühte Weiherede mit dem Grundton 'Seid getreu’ . . . Mit dem gemeinsamen Lied 'Ein feste Burg ist unser Gott’ schloß der gottesdienstliche Akt. Generalmajor a.D. von Koppelow, der erste Regimentskommandeur, hielt nun eine markige Gedächtnisrede, in der er den Geist der gefallenen Kameraden pries. Während danach die Musik gedämpft mit 'Ich hatt’ einen Kameraden’ einsetzte, das die Menge ergriffen und entblößten Hauptes mitsang, wurden den gefallenen, treuesten Kameraden am Fuße des Denkmals Kränze kameradschaftlicher Dankbarkeit niedergelegt. Generalleutnant Exzellenz Heye vom Wehrkreis-Kommando 1 rief den gefallenen Jägern den Dank des Wehrkreis-Kommandos nach. Oberbürgermeister Wedel übernahm dann das Denkmal in die Obhut der Stadt, wobei er etwa folgende Ansprache hielt: 'Das Denkmal soll der Erinnerung geweiht sein an das alte Stammregiment, die ruhmreichen Taten des Regiments und an die Gefallenen, die ihr Leben für das Vaterland eingesetzt haben. Wir wollen in ihm aber auch einen Mahnruf sehen für uns und die kommenden Geschlechter, nie zu vergessen das Große, das das deutsche Volk im Kriege geleistet hat, einen Mahnruf, den Gefallenen in treuer Pflichterfüllung und Hingabe für das Vaterland nachzueifern. Nur Liebe zum Vaterland, Arbeit und Einigkeit können dem deutschen Volke den Wiederaufstieg und damit seine Freiheit und seine alte Macht und Größe bringen. So übernehme ich das Denkmal in die Obhut unserer Stadt als ein Wahrzeichen unauslöschlicher dankbarer Erinnerung an die Gefallenen’. Oberleutnant von Below als erster Vorsitzender des Vereins ehemaliger Kameraden Jäger zu Pferde Nr. 9 nahm dann Gelegenheit, allen herzlichen Dank zu sagen, die durch tatkräftige Unterstützung die Errichtung dieses herrlichen Denkmals ermöglichten, ganz besonders dankte er der Traditions-Schwadron. Seine markige Rede ließ Herr von Below ausklingen in ein Hurra auf unser geliebtes Vaterland, das freudigen Widerhall fand. Begeistert sangen die Festteilnehmer den ersten und vierten Vers des Deutschlandliedes.« J
Die Uniformsammlung Praktische Traditionspflege bedeutete auch eine Sammlung alter Uniformen, die durch Rittmeister v. Rauchhaupt mit unendlicher Mühe und Sorgfalt zusammengetragen worden war. Die Geschichte der brandenburg-preußischen Reiterei ist von jeher das Hohe Lied aller reiterlich-ritterlichen Soldatentugenden gewesen. Diesen preußischen Reitergeist dem werdenden Offizier, der jungen Mannschaft auch rein äußerlich vor Augen zu führen, war die leitende Idee, als Rittmeister v. Rauchhaupt sich entschloß, die Sammlung anzulegen. In den Kasernenblocks der 2. und 3. Schwadron wurden Uniformen ihrer Traditionsregimenter Ulanen 8 und 12 in Glasschränken auf den Korridoren in nicht mehr benutzten Karabinernischen aufgestellt. Die übrigen Traditionsregimenter erhielten Schränke im eigentlichen Museumsraum, der gleichzeitig als Lesezimmer der 2. Schwadron diente. Über die eigentlichen Traditionsregimenter hinaus war die Sammlung ausgedehnt auf die übrigen alten Kavallerie-Regimenter Ostpreußens bzw. die Regimenter, die im 1920 noch deutsch gebliebenen Teil Westpreußens gestanden hatten oder deren Tradition in der 1. Kavallerie-Brigade gepflegt wurde, so die 3. und 5. Kürassiere, 10. und 11. Dragoner, 4. Ulanen, 10. Jäger zu Pferde, dazugenommen wurden die beiden Leibhusaren-Regimenter aus Danzig, ferner in einem besonderen Schrank die alten blauen Uniformen der Ärzte, Veterinäre und Zahlmeister mit ihren Abzeichen. Im ganzen enthielt die Sammlung rund 70 verschiedene Uniformen, dazu Schabracken, Zaumzeuge, Pallasche, Säbel, Degen, Säbeltaschen usw. Weitere kleine Sondersammlungen enthielten alle seit 1866 bei den 1. Dragonern getragenen Helme, alle seit 1870 in der deutschen Armee eingeführten Sporen, alle vor dem Ersten Weltkrieg geführten Lanzenflaggen von den einzelnen Regimentern u.a.m.. Kein anderes Regiment dürfte eine so vollständige und bis zum letzten Stück korrekte Sammlung besessen haben. Die Offiziersvereine der alten Regimenter hatten die Mittel für den Bau der Schränke gegeben.
Sport wurde sehr gepflegt Während der Reitsport schon immer zum Kavalleristen gehörte und weniger zusätzliche Ausbildungszeit für Reiter und Pferd erforderte, verblieben für die Ausbildung in der Leichtathletik anfangs nur die Abendstunden und Sonntage. Erst allmählich wurde auch der sogenannte »Fußsport« in das allgemeine Ausbildungsprogramm aufgenommen und in den Dienstplänen entsprechend berücksichtigt. Leichtathletische Wettbewerbe wurden seit 1920 schon regelmäßig abgehalten. Der »Fußsport« stieß anfangs auf geringes Verständnis, besonders bei den älteren Offizieren und Unteroffizieren. Als daher 1920 zum ersten Mal ein Offizier für fünf Monate nach Dresden zum Lehrgang für Leibesübungen entsandt werden mußte, bissen die Jüngsten die Hunde und so wurden Leutnant Munzel und ein Unteroffizier dorthin kommandiert. Alles Fluchen half nichts. In Dresden fanden sich 25 Offiziere und 40 Unteroffiziere zusammen, die unter der Leitung von Hauptmann Born durch Zivilsportlehrer in allen Sportarten erheblich herangenommen wurden. In Ermangelung einer geeigneten Anlage wurde daneben noch mit eigener Hand ein Sportplatz geschaffen. Das Boxen wurde auf diesem Lehrgang zwischen Offizieren und Unteroffizieren gemeinsam durchgeführt, was meist zu Ungunsten der Offiziere auslief. So bekam Leutnant Munzel kurz vor einer Jahresversammlung seines Kriegsregiments, Ulanen 8, eins auf die Nase, daß er absagen mußte, 1. wegen der blauen Gurke, 2. weil er befürchten mußte, daß seine alten Kavallerie-Kameraden ihn mit tiefster Verachtung strafen würden. Zurückgekehrt, erhielt Leutnant Munzel den Auftrag, einen Lehrgang für Sportlehrer des Regiments durchzuführen. So kam mit der Zeit eine neuzeitliche Auffassung auf dem Gebiet der Leichtathletik ins Regiment, wozu besonders der 1. Sportoffizier des Regiments, Rittmeister Perl-Mückenberger beitrug. Schon vor dem Ersten Weltkrieg ein bewährter Sportsmann, war er mehrfach mit Erfolg zur damaligen Militär-Turnanstalt nach Berlin kommandiert worden. 1923 gründete er den Militär-Sportverein »von Boyen«. (Das Infanterie-Regiment von Boyen [5. Ostpreußisches] Nr. 41 stand vor dem Ersten Weltkrieg in Tilsit und Memel.) Zunächst waren die Angehörigen der Tilsiter Garnison freiwillig Mitglieder. Der dem Sport sehr aufgeschlossene Oberst Stumme hatte befohlen, daß jeder Regimentsangehörige einmal im Jahr einen Vierkampf zu absolvieren hatte, dessen Bedingungen denen des Reichssportabzeichens gleichkamen (außer 10-km-Lauf). Es wurde keiner zum Unteroffizier befördert, der nicht Inhaber des Reichssportabzeichens war und des Grundscheins der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft. 1935/36 wurde der Wachtmeister Hermann Meyer (Stabsschwadron) zur Heeressportschule Wünsdorf bei Berlin kommandiert und bildete anschließend die Sport-Unteroffiziere der Schwadronen aus. Die Leichtathletik im Regiment wurde noch mehr gefördert und u.a. auch der Frühsport eingeführt.
Jedes Jahr wurde innerhalb des Regiments ein Regiments-Sportfest, offen für alle, veranstaltet. Hierbei wurden fast sämtliche leichtathletischen Wettbewerbe bestritten einschließlich Schwimmen. Die Krönung dieses Sportfests war jeweils der Fünfkampf bzw. der Zehnkampf (Leichtathletik, Schwimmen und Militärsport). Hier wurde z.B. im Jahre 1935 als 1. Preis für den Gewinner eine Kommandierung zu den Olympischen Spielen 1936 nach Berlin ausgesetzt. Gewinner war der damalige Wachtmeister Krieger, 2. Schwadron. In den Jahren 1936, 1937 und 1938 gelang es dem Wachtmeister Willi Schmäh, den Regimentsmehrkampf zu gewinnen, wobei jedesmal als Erster Preis eine Kommandierung zu den Deutschen Alpinen Ski-Meisterschaften ausgeschrieben war. 1936 gewann eine gemischte Staffel des Regiments den Wettbewerb »Rund um den Lyck-See«, der aus Laufen, Radfahren und Schwimmen bestand, gegen alle ostpreußischen Zivilvereine und Militärmannschaften. Die Schwimmwettbewerbe wurden im Spirding-See bei Arys ausgetragen anläßlich der Übungen auf dem Truppenübungsplatz in Arys. Sehr gefördert wurde in den letzten Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg das Handballspiel. Regimentsmeister 1939 wurde die Mannschaft der 4. Schwadron. Sie konnte sich auch bei den Kämpfen um die Standortmeisterschaft gegen die teilweise sehr spielstarken Vertreter der anderen Truppenteile durchsetzen.
Vielseitiger militärischer Reitsport Schon 1920, während das Regiment aus den Freiwilligen-Formationen aufgestellt wurde, begann der militärische Reitsport sich im Rahmen des wiederauflebenden Turnier- und Rennsports Ostpreußens neu zu entwickeln. Insterburg mit seinem herrlichen im Flußbogen der Angerapp gelegenen großen Turnierplatz wurde bald eine bedeutende, auch internationale Stätte vielseitigen Pferdesports. Königsberg und Tilsit waren schon lange vor dem Krieg die beiden führenden Plätze für Voll- und Halbblutrennen auf ostpreußischem Boden. Es war nur natürlich, daß das Reiter-Regiment 1 vor allem in seinen Standorten Tilsit und Insterburg ständig bei den sportlichen Veranstaltungen aktiv vertreten war, stets seine Soldaten für Bahn- und Hindernisdienst stellte und auch jede sonstige Hilfe (Ordner, Hindernisrichter, Hindernisbau) leistete. Als erster Offizier vom Regiment wurde der damalige Leutnant Faeckenstedt zur neu ins Leben gerufenen Offiziersreitschule Hannover kommandiert, danach Leutnant Botho v. Hillebrandt und Leutnant Friedrich v. d. Meden. Zunächst beteiligten sich die friedensmäßig ausgebildeten Offiziere des Regiments an den reiterlichen öffentlichen Veranstaltungen, insbesondere die Eskadron-Chefs Rittmeister v. Loewenich und v. Dufay und die Oberleutnante Koch und Heidenreich. Doch wagten sich sehr bald jüngere Offiziere nach Genehmigung durch das Regiment an den Start auf öffentlichen größeren und kleineren ländlichen Turnieren. Ihre Reitfertigkeit hatte sich in Insterburg wesentlich gesteigert durch private Reitstunden bei dem bekannten Vorkriegsreiter Major a.D. Walzer, der anfangs an der Reit- und Fahrschule Insterburg lehrte, sowie in Tilsit unter dem Reitlehrer der Offiziersreitstunden Rittmeister v. Loewenich. Die Konkurrenz war im ostpreußischen Pferdeland, wo fast jeder Bauernjunge ritt und oft erstklassige Pferde sein eigen nannte, groß. U.a. startete der bekannte Gutsbesitzer v. Below-Lugowen mit zahlreichen Pferden, die von ihm als damaligem alten Junggesellen Namen wie »Püppchen«, »Pippa« usw. erhielten, hervorragend sprangen und schnell liefen. Zudem erschienen führende Reiter und Reiterinnen aus dem Reich wie Prinz und Prinzessin Friedrich Sigismund von Preußen, Eduard Pulvermann aus Hamburg, Frau Glahn und Axel Holst in Insterburg. Unter den jungen Offizieren des Regiments hatte anfangs am meisten Erfolg Leutnant Munzel mit seinem vorzüglichen schwarzbraunen Wallach »Scheich«, der auf Jagden in Trakehnen laufen und springen gelernt hatte und nun in den Offiziersrennen der Jahre 1921/1922 in Tilsit so gute Pferde wie »Julian« des Rittmeisters v. Dufay oder den später so berühmten Trakehner »Adamello« unter Herrn Hillenberg schlug und auch auf anderen Plätzen wie Pillkallen, Skaisgirren, Lyck und Arys Siege und Plätze holte. Das Offizierskorps des Regiments beteiligte sich im allgemeinen mehr an Turnieren als an Rennen bis auf Rittmeister v. Schroeter, der 1923 zum Regiment kam und selbst stets 1 — 2 Rennpferde hielt, und Leutnant Munzel, der dann auf Grund seiner Erfolge (er konnte bei 22 Starts 4 Rennen
gewinnen) 1926 nach Potsdam zum Reiter-Regiment 4 kommandiert wurde, wo er an einer rennreiterlichen Ausbildung bei dem Trainer Rittmeister a.D. v. Bach-mayr teilnahm. Sehr schneidig ritt Leutnant Amme (2. Eskadron) und brachte u.a. seinen Charger »Unhold«, einen widerspenstigen Rappwallach, in einem Offiziersrennen in Trakehnen über die dortigen schweren Sprünge an die Spitze. 1923 gewann der damalige Oberleutnant Koch mit seinem Charger »Ulan« fünf Dressurprüfungen Klassen L und M, später war er mit seinen Pferden »Cato« und »Greif« erfolgreich. Mitte der zwanziger Jahre erhöhten sich die Turniererfolge des Regiments wesentlich durch die ins Regiment versetzten Rittmeister Seer mit seinen bekannten Pferden »Kirsche« und dem Trakehner »Ilja«, Rittmeister Linkenbach und Leutnant Sahla. Alle drei Offiziere waren auch international erfolgreich. Rittmeister Linkenbach gehörte 1928 mit »Gimpel« von der Kavallerieschule Hannover zu der deutschen Dressurmannschaft, die bei den Olympischen Spielen in Amsterdam die Goldmedaille gewann. Der spätere Rittmeister v.d. Meden ritt bereits als Leutnant und Oberleutnant in Springprüfungen und Geländeritten sein Pferd »Finanz« mit großem Erfolg. Bei einem mehrtägigen Insterburger Turnier errang er mit ihr allein 5 Preise. Als Chef der 3. Eskadron suchte er sich als Offizicrsdicnstpferd den sehr eleganten Fuchs »Kolibri« aus. Der Wallach gewann damals in Ostpreußen verschiedene Dressurprüfungen. 1933 siegte v.d. Meden auf »Kolibri« bei einem internationalen Turnier in Berlin in einer Dressurprüfung gegen so bekannte Reiter wie Lörke, Staeck und Frau Franke. Von seinem Kommando aus Potsdam zurück, gewann Oberleutnant Munzel auf seinem Pferd »Bajazzo« in Dressur und mit »Draufgänger« in Springen zahlreiche Preise. Auf dem ersten Wehrkreisturnier 1928 in Königsberg wurde er erfolgreichster Reiter der ostpreußischen Kavallerie-Brigade, hauptsächlich durch je einen II. Preis in einer Dressurprüfung Klassen L und M auf der eleganten Stute »Ente« des Major beim Stab Schwerin. Mit Rittmeister Behrens kam 1925 wieder ein Vorkriegsreiter in das Regiment, der sowohl auf dem grünen Rasen als auch in Geländeritten mehrfach Sieger war. Beim Reit er-Regiment 1 ritt er seine prachtvolle, aber schwierige, dunkelbraune Stute »Auserlesene« (v. »Contrakt« — »Pisaro«), seine Trakehner Rappstute »Botenfrau« (v. »Aladin«), das Schwadronspferd »Erich« und dann das Offiziersdienstpferd »Ilona« (v. »Artushof«) auf den Turnierplätzen in Königsberg, Tilsit, Insterburg und Gumbinnen. Er startete im ganzen in acht Eignungsprüfungen für Reitpferde, siegte dort viermal und wurde viermal Zweiter. In Dressurprüfungen L und M siegte er 12mal, wurde 6mal Zweiter, 6mal Dritter und 7mal Vierter. Anfang der dreißiger Jahre schoben sich die jüngeren Offiziere im Renn- und Turniersport nach vorne. Vor allem die Oberleutnante Toppe und v. Redecker, die Leutnante Freiherr v. Ruepprecht, Habedanck, v. Stünzner, Max Habel und Graf v. Bernstorff (Douglas). So ritten die Leutnante Freiherr v. Ruepprecht und Habedanck am 9. Oktober 1932 in Tilsit auf »lllo« und »Germanentreue« in einem Offiziers-Jagdrennen ein totes Rennen, 1933 lagen diese beiden Pferde unter Frei
herr v. Ruepprecht und Graf v. Bernstorff an erster und zweiter Stelle, Dritter wurde in diesem Rennen Oberleutnant v. Redecker auf »Ehrenlegion«. »Ilio« gewann wiederholt unter Leutnant v. Janson Jagdrennen in Insterburg. Neben anderen Offizieren des Regiments ritten 1934 in Jagdspringen die Oberleutnante v. Redecker (»Iltis«), Freiherr v. Ruepprecht (»Gendarm«), Habedanck (»Wildgraf«, »Kampfflieger«), Veterinär Freudenberg (»Diana«), die Leutnante v. Stünzner, Max Habel und Graf v. Bernstorff (Douglas), mit gutem, teils sehr gutem Erfolg. So siegte Habedanck am 29. April 1934 in Tilsit mit »Wildgraf« und wurde mit »Kampfflieger« in demselben Springen Dritter. In Vielseitigkeitsprüfungen zeichnete sich besonders Oberleutnant Toppe aus. Im Oktober 1932 schlug er in Tilsit auf »Emmich« den damals schon bekannten Springreiter Oberleutnant v.d. Meden auf »Wildgraf«. Auch Freiherr v. Ruepprecht (»Gendarm«) und Max Habel (»Golfspieler«) gewannen mehrere Vielseitigkeitsprüfungen und Geländeritte. In Dressurprüfungen errang Oberleutnant Toppe mit seinem »Harras« und auf »Darsteller« mehrere Siege und Plätze. Auf dem Turnierplatz Georgenhorst in Insterburg fand außer kleineren und größeren Turnier- und Renn Veranstaltungen alljährlich ein großes mehrtägiges, seit 1934 internationales, Reit- und Fahrturnier statt. Vorsitzender des Turnierverbandes war Paul v. Below-Lugowen, sein Sekretär und Turnierleiter Major a.D. Woelki. Letzterer war bekannt durch sein mannhaftes Eintreten für die ostpreußische Pferdezucht in den Jahren 1918 — 1920. Der später von Major a.D. Woelki um- und ausgebaute Turnier- und Rennplatz hatte, was Großräumigkeit und Naturanlage betrifft, wohl kaum seinesgleichen in Deutschland. Die knuffigen Hindernisse der Rennbahn einschließlich eines tief eingeschnittenen toten Arms der Angerapp waren nur etwas für beherzt und sauber springende Pferde, und auf den langen Linien der Parcours für die Jagdspringen konnten nur Pferde mit gutem Galoppiervermögen etwas gewinnen. Ein besonderer Bestandteil der Großturniere in Insterburg waren imposante militärische Schaubilder, an denen das Regiment den Hauptanteil hatte. So zeigten beim großen Ostpreußenturnier im Mai 1937 Reiter-Regiment 1 und Reiter-Regiment 2 die Friedens-Paradeuniformen ihrer Stammregimenter in Gruppen von je 2 Offizieren, 1 Standartenträger und 6 Unteroffizieren und Mannschaften. Voran ritt das Trompeterkorps des Reiter-Regiments 1, den Beschluß bildete eine Schwadron des Regiments. Das ganze wurde kommandiert von Rittmeister v. Rauchhaupt, der als Experte in mühevoller Arbeit auch für die bis zum letzten Knopf korrekte Equipierung gesorgt hatte. Zum Jubiläumsturnier im Juni 1939 ritten 16 Offiziere des Regiments eine Drcssurquadrille in historischen Uniformen der preußischen Kavallerie und Artillerie aus den Jahren 1840 und 1914.
Reiten hinter der Meute Jagdreiten war Dienst bei der Kavallerie, wohl der beliebteste, der sich für einen passionierten Reiter denken ließ. Im Pferdeland Ostpreußen waren die Reitjagden ein unentbehrlicher Bestandteil des Jahresablaufs. Außer Damen und Herren von Stadt und Land fanden sich fast sämtliche Offiziere der Garnisonen, ein großer Teil der Unteroffiziere und tüchtigsten Gefreiten beim »Stelldichein« zusammen. In Insterburg wurde seit 1925 hinter der Meute geritten. Die herrlichen Inster- und Pregelwiesen von Georgenburg, Zwion und Althof mit festgebauten Hindernissen und zahlreichen Gräben eigneten sich besonders dazu, wurden aber bei längerem Regen sehr steif. Auch das Gelände von Didlacken und der Standortübungsplatz waren sehr geeignet. Masterin Insterburgwaren u.a. Oberleutnant Koch, Rittmeister v. Schroeter, Rittmeister Beeckmann (Fahrabteilung 1), Rittmeister Behrens, ab 1928 Rittmeister Pietsch, ab 1932 Rittmeister Schultz-Kalau und von 1935 bis 1938 Rittmeister Boriß. Als Jagdherren ritten zunächst Herr v. Below-Lugowen oder der Brigadekommandeur, später der Brigadekommandeur oder der Kommandeur der 1. Infanterie-Division. Piqueure waren u.a. Unterwachtmeister Führer, Wachtmeister Engelhardt, ferner die Unteroffiziere Blume, Feyerherd und Tolksdorf sowie zuletzt die Trompeter Wachtmeister Witte und Unterwachtmeister Feldberg. Die Meute von etwa 5 bis 6 Koppeln, zu deren Unterhaltung 1928 der Reitjagdverein gegründet wurde, betreuten viele Jahre vorbildlich die Obergefreiten Hasenbein (3. Eskadron), Wischnewski und Augustin (2. Eskadron). Nach Beendigung der Herbstübungen wurde zweimal wöchentlich auf der Schleppe gejagt. Stets wurde die Bevölkerung durch Zeitungsnotizen darüber unterrichtet, wo sich die Zuschauer einzufinden hatten. Diese wurden dann von Unteroffizieren so eingewiesen, daß sie einen Teil der Jagd oder besondere Hindernisse übersehen konnten. Obwohl im allgemeinen reichlich Platz im Gelände war, mußte meist in zwei, oft auch in drei Feldern geritten werden. Beim »Halali« und zum »Küree« für die Meute fanden sich zahlreiche Schlachtenbummler — in erster Linie Angehörige der Jagdreiter — ein. Bei besonderen Anlässen, etwa zur Hubertusjagd, spielte dann das Trompeterkorps. Geritten wurde, solange die Witterung es erlaubte, auch noch nach dem Hubertustag, dem 3. November, doch gab es dann anstelle der Eichen Fichtenbrüche. Dank des Entgegenkommens der Trakehner Landstallmeister Graf Lehndorff und später Dr. Ehlert konnten laufend Offiziere des Regiments auch Jagden in Trakehnen auf Pferden des dortigen Jagdstalles reiten und zeitweise wurden für diesen Zweck noch Pferde des Regiments mit Pflegern mehrere Wochen ins Hauptgestüt kommandiert. Ein Erlebnis von einmaligem Reiz war die große Trakehner Hubertusjagd einschließlich der nach der Jagd im Schloß, dem Amtssitz des Landstallmeisters, servierten Erbsensuppe. Nur wer es selbst erlebt hat, dies Galoppieren über das weite Land hinter der lauthals jagenden Meute unter dem leuchtenden Blau oder dem nebeligen Grau des östlichen Herbsthimmels, das Einssein von Reiter und Pferd im stürmischen Vorwärts, der weiß, wie schön das Reiterleben in Ostpreußen war.
Die treuen Pferde der Truppe Die letzten Zeilen der Friedensgeschichte des Reiter-Regiments 1 seien unseren braven Pferden gewidmet, den treuen, stets dienstbereiten Kameraden des Kavalleristen. Bei der Aufstellung verfügte das Regiment ausschließlich über Pferde, die den Krieg mitgemacht und weitgehenden Anteil an den unvergänglichen Ruhmestaten des deutschen Heeres — besonders im Bewegungskrieg — hatten. Die meisten brachten die Eskadrons von ihren Stammregimentern mit. Nun in friedlichen Zeiten gaben sie im täglichen Truppendienst oder auch bei Rennen und Turnieren ihr Bestes her und trugen uns unverdrossen, wann und wo sie auch eingesetzt wurden. Der Pferdebestand des Regiments wurde ab 1921 fast ausschließlich aus Ostpreußen ergänzt. Nur ganz selten wurden — meist zu Spezialzwecken — Pferde aus anderen Zuchtgebieten eingestellt, wie 1935 der hannoversche Schimmel »Paladin«, der Nachfolger des berühmten langjährigen Paukenschimmels »Gunther« werden sollte. Die einzelnen Remontejahrgänge erhielten Namen mit jeweils den gleichen Anfangsbuchstaben, im Jahre 1921 mit A beginnend. Lediglich für eigene Pferde der Offiziere galt diese Regelung der Namensgebung nicht. Da die Remonten vierjährig zur Truppe kamen, vermochte der Kundige jederzeit anhand der Namen das Alter der Pferde zu errechnen. Dank ihrer sorgfältigen Ausbildung wurden unsere Kavalleriepferde im Dienst oft sehr alt und verbrachten normalerweise wenigstens 8 bis 10 Jahre bei der Truppe, häufig mehr. Erst etwa 1928 war daher die Masse der Kriegspferde ausgemustert. Als ältestes Pferd des Regiments tat noch im Jahre 1939 die brave »Ulrike« bei der 4. Schwadron Dienst. Sie stammte aus dem Jägerregiment zu Pferde 9, eine kleine dunkelbraune Stute, stets wohlgenährt. In den letzten Jahren trabte sie täglich vor dem Brotwagen zum Verpflegungsempfang, unter dem Sattel ging sie nur einmal im Jahr beim Musikreiten der alten Jäger zu Pferde. Beim Ausrücken des Regiments im August 1939 blieb sie in der Garnison zurück. Bald danach ging sie ein. Vor dem Tannenberg-Denkmal bei Hohenstein stand zur Erinnerung an das deutsche Kriegspferd ein besonders schöner Brunnen mit einer großen Tränke. Hier sollten vorbeiziehende Pferde Ruhe und Labung finden, der Mensch aber zur Besinnung, Dankbarkeit und Ehrfurcht gegenüber der Kreatur Gottes gemahnt werden, die ihm durch Jahrtausende gedient hat, und ohne die unsere heutige Kultur nicht denkbar wäre.
Ziethen-Kaserne in Insterburg: Regiments-Stabsgebäude mit Wache Einweihung des Ehrenmals Für die Gefallenen des Ulanen-Regiments 12 am 24. Oktober 1926: Rittmeister Behrens mit der 3. Eskadron/Reiter-Regiment 1 134
Oberst Kunhardt v. Schmidt, Regiments-Kommandeur 1920 - 1923 Oberst Freiherr v. Esebeck, Regiments-Kommendeur 1936 - 1939 (die Aufnahme zeigt ihn bereits als Generalleutnant) Sitzend (von links): Oberarzt Dr. Busse, Oberstabszahlmeister Krüger, Oberleutnant Drews, Rittmeister Zietlow, Rittmeister Graf v. Schwerin, Oberstabsveterinär Dr. Steinacker, Oberst Freiherr v. Esebeck, Major v. Corvin, Rittmeister Jiresch, Oberleutnant Enß, Oberleutnant Douglas Graf v. Bernstorff, Leutnant v. Dietmann 2. Reihe (von links): Obermusikmeister Breunig, Oberzahlmeister Austinat, Leutnant Kuehn* Leutnant Baron v. Heyking, Oberleutnant Bechtold Graf v. Bernstorff, Leutnant Schlenther, Leutnant v. d. Marwitz, Leutnant Drews, Leutnant v. Koenen, Veterinär Buß, Leutnant Schmidt 3. Reihe (von links): Leutnant Kolbe, Leutnant v. Hohberg und Buchwald, Leutnant Graf zu Solms-Wildenfels, Leutnant v. Schmidt-Pauli, Leutnant de Voß, Leutnant Römer, Leutnant v. Schulse-Bülow, Leutnant Hofmann * später Rittmeister, Mitgestalter der Geschichte des Reiter-Regiments 1, Teil 1, Friedensjahre 1919-1939
Garnisonssportfest in Insterburg am 18. Juli 1926: Quadrille Wehrkreisturnier 1929: Gefreiter Mosel mit Viererzug der 4. Eskadron, Reiter-Regiment 1 136
Fachleute unter sich: Paul von Below, Manfred Graf Lehndorff, Oberstleutnant a. D. Erich Woelki Der Turnierplatz: Plan-Zeichnung aus der Ostdeutschen Volkszeitung Insterburg von 1933
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Trompeterkorps, 20. April 1938: Unteroffizier Behrendt (links) mit Paukenschimmel »Paladin« Insterburg 1937: Standarte des Reiter-Regiments 1. Von links: Leutnant F. Habel, Unteroffizier H. Jäger, Leutnant W. Drews
Mai 1927: Die 3. Eskadron, Reiter-Regiment 1, durchschreitet die Angerapp bei Kamswyken Mannschaft der 4. Schwadron: Regiments-Handballmeister 1939 140
Königsberg, 24. April 1927: Fahnen und Standarten des ehemaligen I. und XX. Armee- Korps werden in das Schloß überführt Königsberg-Carolinenhof, 10. Mai 1936: Leutnant J. G. v. Schmidt-Pauli mit »Kiki« Sie- ger im Preis der 5. Reiter-Brigade
Pferdeappell 1936 bei der 4. Schwadron. Von links: Oberwachtmeister Falk, Major v. Below, Leutnant Habel Reiter-Regiment 1 auf dem Großen Exerzierplatz an der Karalener Chaussee: Vorbeimarsch im Trab vor dem Divisions-Kommandeur 142
Reservegalopp 1936: Ausscheidende Unteroffiziere der 1. Schwadron werden auf Dung-karren in die Kantine gefahren Trompeterkorps des Reiter-Regiments 1: Ausrücken aus der Ziethen-Kaserne zur Parade im Frühjahr 1939
Schulschießen des sMG-Zugs der 4. Schwadron 1938. Kniend: Oberwachtmeister Besemer, links Unteroffizier Gehrmann, rechts Unteroffizier Meyhöfer »Zigeuner-Artillerie«: Leichtes Kavalleriegeschütz beim Übungsschießen 144
w$- • ’WlJE .ji Rekruten des Reiter-Regiments 1 1937: Vor dem Spieß noch schüchtern . . . Mw’ .. . • : >< < < >* * M / <....;,. .... .,: •;., $ - ' - '< <; »i: S: -z- ><ä>:5«f; ’,- ..... . ,:x’: L1?1 V’i '• •' '.«•’- &- V - ;;•>: 3 ' ES*. ' ’• ’:• . . . vor dem Kammer-Unteroffizier schon selbstbewußt: Bei der »Klamottenabgabe« nach beendeter Dienstzeit
Beim letzten Bärenfang mit entlassenen Kameraden des Reiter-Regiments 1: Fröhlich, vermischt mit etwas Wehmut Reservisten auf dem Insterburger Bahnhof: Kurz vor der Abfahrt in die Heimat 146
fl • • • •. •. • um WO ' . ’ •• !•’. vi’-:•’:• »S : • ...... SM !•>>:%• ' W: WÄÄ*; Wüit Antreten zur Parade anläßlich des Maifeiertags 1939: Die 5. Schwadron des Reiter-Regiments 1
Das Kommando »Richt Euch!« II WO : -w W- 1»"4 ... • rf» . W8 Die Soldaten tragen die neuen Waffenröcke mit Ärmel-, Kragen- und Knopfschmuck 148
Das Reiter-Regiment 1 in Paradeaufstellung: In der Mitte Trompeterkorps mit Paukenschimmel Die 5. Schwadron: Vorbeimarsch der ersten motorisierten Fahrzeuge

Reise mit »Komfort«: Fahrt zum Truppenübungsplatz Arys Harmonischer »Unteroffiziersclub«: Pause während des Transports
Unterricht im Freien Waffenreinigung
Leichtes Kavalleriegeschütz: Wartung . . . . . . Reinigungskontrolle, 152
. . . Geländeübung, . . . Richtübung,
. . . Zielübung, . . . Feuer frei!
’ÄIVC- .PW ' < -' • tiiio ilÄ« - : S^B »»Ä k wsll «Bis» wfej 11S S 1 V*-- 'm 2 WIWB SIBSSSÄT“ : •••.' • • 1 B |11 »w Am Scherenfernrohr: Oberleutnant Schlenther
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Gefreiter im Wachanzug Unteroffizier :W HSRksX’X- w H ..........,|U|H ./ Führungsspitze der 5. Schwadron
Wachtmeister . . . und Unteroffiziere der 5. Schwadron 158
Vor der Wache der Reiterkaserne Fröhliche Skatrunde auf der Stube
:W-!; . ’ :W SÄ >x&w .'<? :&i;W •S䣒:<$ ÄBS ::>^>:v:<«;<:;:;-..w :^Swc%; Abschied für den Spieß: Zwölf Jahre Dienstzeit sind zu Ende 160
Fröhliche Kameraden: Abschied mit Musik und Mummenschanz Mit dem Krad ins Wochenende: »IC« war das Kfz-Kennzeichen für Ostpreußen
Denkmal für die Gefallenen des Ulanen-Regiments 12 162
IV. TEIL Artillerie-Regiment 37

Erinnerungen an die Garnisonstadt Insterburg Von Reinhard Hartmann In der bekannten Turnier- und Garnisonsstadt Insterburg geboren und aufgewachsen, ist mir noch gut in Erinnerung geblieben, wie Schwadronen des Reiter-Regiments im Jahr 1927 mit fähnchenbewehrten Lanzen auf dem Standortübungsplatz übten. Aber, fangen wir mit der Zeit während des Ersten Weltkriegs an. Bahnhofskommandant war zu der Zeit Oberstleutnant Heinrich, den ich damals als Pennäler durch meinen Vater kennenlernte und der mir von einem Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II in Insterburg und der Meldung an S.M. berichtete. Nach Kriegsende wurde, wie auch in anderen Städten, in Insterburg eine Bürgeroder Einwohnerwehr gebildet. Mir ist dazu noch lebhaft ein Foto aus dem Jahre 1919 in Erinnerung, auf dem neben vielen anderen auch mein Vater in Feldgrau mit Stahlhelm und Gewehr zu sehen war. Die Heeresverminderung auf 100000 Mann brachte es mit sich, daß ab 1921 (bis 1935) erhebliche Teile der Kasernenanlagen in »Mietskasernen« umfunktioniert wurden. So die Kasernenkomplexe in der Ulanenstraße, bisher Unterkünfte der 12er Ulanen und in der Kasernenstraße auf der linken Seite, wo früher die 45er und Teile des Artillerie-Regiments 37 lagen. Das Offizierskasino in den Schluchten wurde »Bürgerkasino«. An ihm vorbei führte mich mein täglicher Schulweg als Grundschüler zur Parkschule. Nicht unerwähnt lassen möchte ich das vorbildliche Verhältnis der Insterburger zu ihrer Garnison, das sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zeigte. Geduldig säumten die Bürger den Straßenrand, wenn Truppenteile durch die Stadt marschierten und mit ihren Lafetten und Trossen die Straßenübergänge blockierten. Auch die unvermeidlichen Manöverschäden in Wald und Flur konnten stets in bestem Einvernehmen reguliert werden. Unvergessen geblieben ist mir das Blasen des Zapfenstreichs. Schon seit meiner frühesten Kindheit gehörte der Zapfenstreich, die Locke um 21.45 Uhr und dann der Zapfenstreich um 22 Uhr, zum festen Tagesablauf. Jeder Truppenteil hatte seinen Hornisten, der mit der Wache aufzog; so waren es mehrere Horn- bzw. Trompetensoli, die die Nachtruhe ’einblusen’. Ein Ereignis, das mich als Junge ungemein beeindruckte, war das Truppenkarussell, dargestellt 1934 auf dem Insterburger Turnierplatz als Schaunummer. In der Mitte standen die Musikkorps mit schmetternder Marschmusik, im ersten Kreis um die Musik herum marschierten auf der rechten Hand Infanterie-Kompanien mit geschultertem Gewehr, dann auf einem zweiten Kreis auf der linken Hand um die Infanteristen herum trabten bespannte Gefechtsfahrzeuge und schließlich in einem dritten Kreis um die Gefechtsfahrzeuge galoppierten Schwadronen des Reiter-Regiments auf der rechten Hand. Es war ein großartiges Bild. Eine derartige Vorführung habe ich niemals mehr gesehen. Das war einmalig in Insterburg.
Ein Bericht über die Insterburger Garnison wäre unvollständig, meine ich, wenn wir nicht auch die im Ordensschloß stationierte Landespolizei erwähnen würden. Oft bin ich auf meinen Stadtgängen vor der »Machtübernahme«, also in den Jahren bis 1933, den berittenen Patrouillen zu zwei Reitern begegnet. In ihren blauen Uniformen mit den blanken Knöpfen und Tschakos, dem schwarzen Koppelzeug mit Schulterriemen, dem Patronentäschchen auf dem Rücken und dem langen Säbel am Sattel hinterließen sie im Stadtbild stets einen guten Eindruck. Nach meiner Erinnerung wurden sie bei der Heeresvermehrung in Truppenteile der Wehrmacht eingegliedert. Eine bedeutende Rolle spielten im Garnisonleben Besuche hoher Persönlichkeiten. Aus mir nicht mehr bekanntem Anlaß besuchte Generalfeldmarschall v. Mackensen Insterburg. Im wahrsten Sinne des Wortes gab es dazu einen großen Bahnhof. Das Schiebegitter im Bahnhofsgebäude zwischen den beiden Fahrkartenkontrollständen war weit geöffnet und Feldmarschall v. Mackensen schritt in würdiger Haltung durch diese 'Ehrenpforte’ mit seiner Begleitung und erhobenem Marschallstab an dem Spalier der angetretenen und salutierenden Bahnbeamten vorbei. Sein Hauptquartier war der historische »Dessauer Hof«, vor dessen Portal zu Ehren des hohen Gastes eine Wache des Reiter-Regiments 1 mit Schilderhaus aufgezogen war. Wenn ich vorher von der Verbundenheit der Bevölkerung mit ihren Soldaten sprach, so fand diese herzliche Eintracht nicht zuletzt ihren äußeren Niederschlag in häufigen Musikveranstaltungen der Insterburger Musikkorps im Gesellschaftsbaus am neuen Markt. In ihnen spiegelte sich das »Dankeschön« der Soldaten wider für manche Unbill. Die Leitung dieser Veranstaltungen lag in den 30er Jahren bis zum Kriegsbeginn in Händen des Stabsmusikmeisters Grothe vom Infanterie-Regiment 43, der dann bis Kriegsende das Musikkorps der 61. (ostpreußischen) Infanterie-Division leitete. Garnisonkirche war die reformierte Kirche auf dem Markgrafenplatz in Insterburg, in der auch ich 1931 konfirmiert wurde. Zum Gottesdienst an den Sonntagen rückten die Truppenteile im Fußmarsch in die Kirche ein und der Offizier vom Kirchendienst hatte dem anwesenden Standortkommandanten bzw. dem dienstältesten Offizier die Vollzähligkeit der teilnehmenden Soldaten zu melden. Noch heute klingen in mir die beim Marsch auf den mit Basalt gepflasterten Straßen klirrenden Sporen der Reiterstiefel nach. Die langen Säbel, ausgehakt und waagerecht in der linken Hand getragen, bildeten eine lange, gleichmäßig hin und her wogende Kette. Ein prächtiges soldatisches Schauspiel. Im Herbst 1932 — wir hatten beschlossen, auch Soldaten zu werden — fuhren wir, fünf Pennäler, zu den Herbstmanövern des Wehrkreises 1 nach Klein Datzen im Kreis Darkehmen (Angerapp). Dort erlebte ich zum Abschluß der Manöver die große Parade des Wehrkreises, also auch unserer Insterburger Soldaten, vor Generalfeldmarschall v. Hindenburg. In 12er Reihen, Infanterie mit aufgepflanztem Bajonett, defilierten Truppenteile aller Waffengattungen zu Fuß, zu Pferde und motorisiert 50 Minuten lang vor ihrem obersten Befehlshaber in makelloser Ordnung. Musikkorps schwenkten ein und aus, eine Glanzleistung preußischen Sol
datentums. Diese Szene erlebte ich, nur fünf Schritt von Hindenburg stehend, unmittelbar mit. Der alte Herr, in gerader Haltung stehend, hob und senkte immer wieder den Marschallstab zum Gruß. Bis zur Aufstellung des Wachregiments in Berlin bestand in der Reichswehr der Brauch, Infanterie-Kompanien aus den Provinzen des Reichs für eine kurze Zeit, ich glaube es war ein Vierteljahr, zum Wachdienst nach Berlin zu kommandieren. So erlebte ich als Junge, wie in den zwanziger Jahren eine Kompanie des IR 1 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung mit klingendem Spiel zum Verladen durch die Stadt marschierte. Ich erwähnte schon an anderer Stelle den Insterburger Turnierplatz. Ohne seiner zu gedenken wäre eine Würdigung der Insterburger Garnison unvollständig. Es gehörte mit zu den Ausbildungszielen der berittenen und bespannten Offiziere, sie so zu fördern, daß ihr Einsatz bei den Wettkämpfen auf dem Turnierplatz ermöglicht werden konnte. Dazu dienten u.a. Lehrgänge unter Leitung des Kommandeurs der reitenden Artillerie-Abteilung 1, Oberstleutnant Holste, in Insterburg. Bis es soweit war, beteiligten sich die jüngeren Offiziere an den organisatorischen Maßnahmen zur Durchführung der reiterlichen Veranstaltungen auf dem Turnierplatz. Unter der Leitung des Geschäftsführers des Insterburger Rennvereins, des Oberstleutnants a.D. Woelki — übrigens der einzige bekannte Fall, daß ein pensionierter Stabsoffizier befördert wurde — bereitete man die Offiziere auf ihre Aufgaben beim Turnier vor. So stand auch ich 1938 auf dem Turnierplatz und mußte als Ordner bei einer Dressurprüfung vor der großen Tribüne Roß und Reiter »gehenlassen«. Für die berittenen und bespannten Offiziere der ostpreußischen Garnisonen war die Reitausbildung besonders hart. Zu ihr gehörte u.a. auch der Korpsdauerritt. Er forderte von jedem Reiter die Bewältigung einer Strecke von 120 km in 24 Stunden bei Wind und Wetter mit Einlagen zur Lösung taktischer Aufgaben. Die Lösungen mußten in den nächst erreichbaren Briefkasten geworfen werden. Einen solchen Ritt hatte ich im Spätherbst 1938 mit einem Offizier-Kameraden in Richtung Tilsit zurückzulegen. Unvergessen wird mir die nette Hilfsbereitschaft eines Landwirts bleiben, der uns morgens gegen 3 Uhr aufnahm, uns beköstigte, für eine Stunde in die Sofaecke schickte, unsere Pferde versorgte und uns dann um 4 Uhr wieder wachrüttelte. Hatten wir uns nun gefreut, nach der Rückkehr den entbehrten Schlaf nachholen zu können, so hatten wir uns arg getäuscht. Vom Pferderücken weg wurden wir in Klausur geschickt und hatten eine Fülle von artilleristischen Schießaufgaben zu lösen. Eine gepflegte Härteübung! Wenn der Wind über die Stoppelfelder strich, nahte die Manöverzeit. Für uns junge Soldaten war das immer eine »hohe Zeit«. Nach den Übungen ging es dann ab in die Quartiere. Unsere Landsleute nahmen ihre Soldaten immer gerne auf. War es doch eine willkommene Abwechslung von dem täglichen Einerlei. Jede Menge Kuchen wurde gebacken, Bärenfang angeboten und den Höhepunkt bildete der Manöverball, der meist nicht ohne »blaue« Augen oder Beulen abging. Aber auch »Manöverkinder« soll es 9 Monate später gegeben haben . . . Zu den vornehmsten Standertaufgaben der jüngeren Offiziere, zu denen auch ich vor dem Krieg zählte, gehörte der ’ Standortdienst1. Er begann mittags mit der Ver
gatterung der Standortwache und fand seine Fortsetzung mit den aufgetragenen Kontrollgängen, die nach festgelegten Zeiten zu erfolgen hatten. So oblag mir auch einmal die Kontrolle der Standortarrestanstalt, die in einem Block der Infanterie-Kaserne in der Kasernenstraße untergebracht war. Auf das Stichwort öffnete mir »Vater Philipp«, und ich ließ mir die eine oder andere Zelle öffnen. Jedesmal erfolgte dann die vorgeschriebene Meldung. Etwas eigenartig klang die Antwort eines Untersuchungsgefangenen auf meine Frage, warum er in U-Haft sei: »Wegen Heiratsschwindel!« So etwas gab es also auch. Ein anderes Mal war ich zum Wochenende als Offizier vom Standortdienst eingeteilt mit der klaren Weisung, meinen Dienst in Zivil zu versehen und meine Kontrollgänge durch Insterburgs 'berüchtigte’ Lokale durchzuführen. Befehl war Befehl, und in Räuberzivil mit Schlägermütze und der Walther PP in der Tasche begab ich mich, dem Milieu entsprechend, die Pendeltüre mit dem Fuß aufstoßend, in die »Grüne Katze«, einem Lokal in der Schloßstraße, das uns schon so manchen Disziplinarfall geliefert hatte. Kaum eingetreten, hörte ich einen Pfiff, dann raschelte es unüberhörbar und anschließend wurde es wohltuend ruhig. Gleichzeitig kam der Wirt hinter dem Tresen hervor, trat auf mich zu und begrüßte mich außerordentlich freundlich mit den Worten: »Guten Abend, Herr Oberleutnant!« Ich tippte mit dem rechten Zeigefinger an meine Mützenkrempe und murmelte so vor mich hin, daß ich wohl hier nichts weiter zu tun hätte, sprach’s und verließ eilenden Schrittes das Lokal. Immerhin, die Alarmanlage hatte gut funktioniert. Die Freizeitgestaltung in der Garnison spielte sich vornehmlich im Offizier-Kasino ab. Dort blieb auch das Leutnantsgehalt, bis auf unbedeutende Reste. Nur wenn keine Verpflichtung bestand, suchte man auch außerhalb militärischer Anlagen Abwechslung. ’Tivoli’ mit Kabarett und einer Bar war ein Lokal, wohin man guten Gewissens — in Zivil, versteht sich — seine Schritte lenken konnte. Traut-chen, die Bardame, empfing dort die ihr wohlbekannten Kunden stets mit gewürzten Sprüchen oder spendete verzagten Gemütern Trost, wenn’s nötig war. Als Verkehrslokale standen uns der »Rheinische Hof« und »Ephas Weinstuben« (Inhaber war Herr Lindemann) am alten Markt, sowie der »Dessauer Hof« in der Wilhelmstraße zur Verfügung und in hohem Ansehen. Während Cafe Alt-Wien von Unteroffizieren und Mannschaftsdienstgraden ’heimgesucht’ wurde, trafen sich die Offiziersoldaten zum Fünf-Uhr-Tee im Cafe Dünckel, Ecke Wil-helm/Deutsche Straße. Dieses war auch mein Stammcafe. Ein ebenfalls regelmäßiger Besucher dieses Cafes war der Chef der 2. Schwadron des Reiter-Regiments 1, Rittmeister Jiresch, ein österreichischer Offizier aus Wien. Bis zum Beginn des Krieges haben wir dort manche Stunden verplaudert, dann verloren wir uns aus den Augen. Wie groß war unser beider Freude, als wir uns 30 Jahre später auf dem Parcours des Aachener Turnierplatzes wiedersahen. Oberstleutnant a.D. Jiresch ist ständiger Gast der Aachener Turniere in seiner Eigenschaft als internationaler Richter für das Dressurreiten. Anfang August 1939 feierte der Insterburger Turnierplatz sein, wenn ich mich richtig erinnere, 50jähriges Bestehen. Die Feierlichkeiten waren ganz groß aufgezogen,
dazu war eine große Zahl Ehrengäste aus dem Aus- und Inland eingeladen worden. Wir jungen Offiziere waren als »Bärenführer« eingeteilt und hatten die Exzellenzen und andere Würdenträger, z.T. noch aus kaiserlichen Zeiten, zu betreuen. Den Höhepunkt bildete ein feierliches Festbankett im Reiterkasino, Ecke Artille-rie-/Kasernen-Straße. Es sollte die letzte große Veranstaltung der Garnison sein; denn vierzehn Tage später, am 16. August 1939, saß ich im alten Ordensschloß zu Insterburg, vor mir den Mob-Kalender und stellte aus Kadern der 1./Artillerie-Regiment 37 die 10. Batterie Artillerie-Regiment 161 auf. Dabei gab es ein unverhofftes Wiedersehen. Die Arbeit an der Mob-Aufstellung nahm mich so in Anspruch, daß ich kaum von meinem Schreibtisch aufzusehen vermochte. Durch ein heftiges Hackenklappen und die Worte »Kennen Sie mich noch, Herr Leitnant?« wurde ich aus meiner Geschäftigkeit herausgerissen. Vor mir stand der Oberkellner der Gaststätte ’Tivo-li’, Gustav Gawehn. Auf meine Frage, was er denn hier wolle, gab er mir zu verstehen, daß er einberufen worden sei und wollte mich fragen, ob er nicht bei mir Bursche werden könne. Darüber hatte ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Das Angebot kam mir daher sehr gelegen und ich sagte zu. Er hat mir dann eineinhalb Jahr als Bursche treu zur Seite gestanden. In derselben Zeit, ebenfalls vom 16. August 1939 beginnend, wurde im Gymnasium in der Forchestraße der Stab der 61. Infanterie-Division aufgestellt, dessen Kommandeur der in Ostpreußen durch seine Sendungen »Kamerad, ich rufe Dich« bekannt gewordene General Haenicke wurde. Erst 1941 kehrte ich in die Garnisonstadt Insterburg zurück. Am 21. September 1941 vor Arensburg auf Oesel verwundet — Schußfraktur linker Oberarm — lernte ich als blessierter Heimkehrer nicht nur das Insterburger Lazarett, sondern dort auch meine spätere Frau, eine Schlesierin aus Liegnitz, kennen, die für ein halbes Jahr nach ihrer Arbeitsdienstzeit und vor ihrem Studium dienstverpflichtet worden war. Damit enden meine persönlichen Erinnerungen an Insterburg, die Stadt, die ich bis Kriegsende nur noch besuchsweise wiedergesehen habe. Nachzutragen wäre noch, daß, soweit meine Erinnerung reicht, zu den Reserveoffizieren der I./Artillerie-Regiment 37 gehörten: Herr Brendel, Inhaber des Kaufhauses am alten Markt, Herr Lindemann, Inhaber von Ephas Weinstuben am alten Markt, Herr Eggebrecht, Filial-Leiter einer Bank in der Hindenburgstraße, die Gebrüder Blücher, Landwirte aus dem Landkreis und nicht zuletzt Oberbürgermeister Dr. Schwendowius als Reserve-Offizier-Anwärter.
Aufstellung der Schweren Artillerie-Abteilung Nr. 37 Von Gerhard Kiehl Im Monat Juni des Jahres 1934 wurde die Insterburger Artillerie im Eisenbahntransport auf den Truppenübungsplatz Arys verlegt. »Insterburger Artillerie«, das war damals die 1. Abteilung des Artillerie-Regiments 1 (I./AR 1). Die Geschützausstattung der Abteilung war ziemlich veraltet: Die 1. Batterie besaß Feldkanonen 16, die 2. und 3. Batterie waren mit eigenartigen Feldhaubitzen ausgerüstet. Diese etwas klobig aussehende Geschützart wurde Ersatzlafcttc, abgekürzt »Erla«, genannt. Ich habe später nie wieder etwas von einer »Erla«-Haubitze gehört, das Geschütz hatte sich wohl nicht bewährt und wurde von der Truppe abgezogen. Die Feldkanonen 16 und die Ersatzlafetten der l./AR 1 wurden bald durch leichte Feldhaubitzen 16 (LFH 16) ersetzt. Erst nach dem Frankreichfeldzug (im Raum Biarritz) erfolgte dann die Ausrüstung aller drei leichten Abteilungen des AR 1 mit den modernen Feldhaubitzen 18 (LFH 18). Seit April 1934 hatte jede der drei Insterburger Batterien rund 150 Rekruten zugewiesen erhalten. Die Ausbildung dieser jungen Soldaten war im Juni noch nicht beendet und sollte in Arys abgeschlossen werden. Die Masseneinstellung von Rekruten deutete schon auf eine geplante Neuaufstellung von Artillerie-Einheiten hin. Der harte Ausbildungsdienst in Arys wurde Ende Juni durch eine Alarmierung der Abteilung plötzlich unterbrochen. Ich glaube, es war der 30. Juni 1934, als die Batterien scharfe Artillerie-Munition erhielten, die Barackenunterkünfte vollständig geräumt und an die Platzkommandantur zurückgegeben werden mußten. Die Batterien standen bespannt und feldmäßig ausgestattet zwischen den Baracken; die nicht zu den Geschützbedienungen gehörenden Mannschaften lagerten mit ihrem Gepäck (gepackte Tornister) auf den Rasenflächen. Niemand wußte, was das Ganze bedeuten sollte. Noch mehr Rätselraten gab es, als Kradschützeneinheiten im scharfen Tempo den Platz verließen. Im Lauf des Tages trat die gesamte Abteilung im offenen Viereck an und der Abteilungskommandeur verlas einen Befehl, in dem von einem Umsturzversuch die Rede war und zur Ruhe und Besonnenheit gemahnt wurde. Es war der Tag der sogenannten »Röhm-Revolte«. Der Alarm wurde abgeblasen und der Dienstbetrieb auf dem Truppenübungsplatz ging weiter. Im Herbst 1934 zeichneten sich dann die ersten Folgerungen aus der Masseneinstellung von Rekruten ab. Die 1. Batterie bekam den Befehl, einen sogenannten »S-Trupp« aufzustellen. Dieser Trupp, etwa 75 Mann stark, wurde auf die Umrüstung mit schweren Geschützen vorbereitet. Ein Wachtmeister (später Wachtmeister Hanroth) vom Artillerie-Lehr- und Versuchskommando Rastenburg übernahm die Ausbildungsleitung. Bald wurden auch die notwendigen Geschütze geliefert. Es handelte sich um die 10 cm Kanone 17/04 und um die schwere Feldhaubitze 13 (Kaliber 15 cm). Es waren alte Geschütze aus dem Ersten Weltkrieg, die aber noch voll und ganz einsatzfähig waren. Beide Geschützarten waren für den Pferdezug vorgesehen. Neu war für uns, daß die Kanone 17/04 in zwei Lasten
gefahren wurde. Für das Geschützrohr gab es einen besonderen Rohrkarren, der ebenso wie die Lafette von sechs schweren Pferden gezogen werden mußte. Die Ausbildung machte keine besonderen Schwierigkeiten; natürlich mußte einiges improvisiert werden, da die für diese Geschützarten erforderlichen Bedienungsvorschriften nur teilweise vorhanden waren. Das Hantieren mit dem schweren Gerät kostete viel körperliche Kraft. Es fehlten die besonders kräftigen und großen Soldaten, wie sie später zur Schweren Artillerie eingezogen wurden. Nebenbei wurde von dem damaligen Heeresnebenzeugamt Insterburg (Artillerie-Depot) laufend Ausrüstung für eine neu aufzustellende Abteilung empfangen. Darunter waren auch die hervorragenden neuen Sielengeschirre 25. Die alte Abteilung war noch mit Sielengeschirren 16 ausgestattet. Und dann war es soweit. Es zeichneten sich die ersten Konturen einer neuen Schweren Artillerie-Abteilung ab. »1V./AR Königsberg« sollte sie heißen. Der »S-Trupp« wurde die 10./AR Königsberg, ausgestattet mit der 10 cm Kanone 17/04. Der größte Teil der alten Insterburger 1. Batterie wurde nach Gumbinnen in Marsch gesetzt und stellte dort eine neue Leichte Abteilung auf. Aus Rastenburg, vom Lehr- und Versuchskommando, traf die neue 11./AR Königsberg ein. Sie erhielt die schweren Feldhaubitzen 13. Abteilungsstab und Nachrichtenzug wurden aus Soldaten verschiedener Truppenteile (darunter auch Kameraden von Kavallerie- und Polizeieinheiten) gebildet. Kommandeur war Major Zeiß, Adjutant Oberleutnant Fleck. Da auch die alte 2. und 3. Batterie Insterburg zu Neuaufstellungen verlassen hatten, wurde in der Artilleriestraße Unterkunftsraum frei, in den die neu aufgestellte »Reitende Artillerie-Abteilung Insterburg« einrückte. Ihre Batterien kamen aus Potsdam und Verden (Aller). So war sie nun geboren, die neue Insterburger Schwere Artillerie mit der Bezeichnung »IV./AR Königsberg«. Ein etwas eigenartiger Truppenname, aber in der damaligen Zeit wurden die Regimenter mit Städtenamen bezeichnet. Wieviel Mühe und Schweiß es gekostet hatte, bis diese neue Abteilung in nur kurzer Zeit Form und Gestalt angenommen hatte, kann in diesen wenigen Zeilen nicht geschildert werden. Ich denke dabei vor allem an die vielen Pferde, die nötig waren, um die schweren Geschütze und die Nachrichtenfahrzeuge zu bespannen. Die Pferde waren zum großen Teil kurzfristig angekauft worden. Bei dem geringen Mannschaftsbestand der Einheiten war es nur unter größten körperlichen Anstrengungen möglich, für diese Pferde das Futter heranzuschaffen, sie zu füttern und zu tränken (von Hand) und dann auch noch zu pflegen. Dazu kam die Pflege des Geschirrs, der Geschütze und des Nachrichtengeräts. Trotzdem, wenn am Sonnabend um 16 Uhr (oder später) Dienstschluß war, ging es in die Stadt; diverse Kneipen (z.B. »Gerichtskasino«) und Tanzlokale (»Grüne Katze«) standen zur Verfügung. Doch am Sonntag, um 6 Uhr, war schon wieder Wecken, und bis 9 Uhr ging es in den Stall, die Pferde mußten ja versorgt werden. Von »Gammeldienst« war damals nicht die Rede, man kam ja kaum zum Schlafen, geschweige denn zum Gammeln. Die Unterbringung von zwei Artillerie-Abteilungen in einer Kaserne (Artilleriestraße) war mit erheblichen Schwierigkeiten (12 Mann auf einer Stube) verbun
den. Als Lösung bot sich ein Umzug der Schweren Abteilung in die Insterburger Ulanenkaserne an. In dieser Kaserne waren Landespolizeieinheiten untergebracht gewesen, die im Zuge der Heeresvermehrung aufgelöst und in Heeres- oder Luftwaffenverbände übernommen worden waren. Die Kaserne, am Ende der Ulanenstraße gelegen, hatte vor dem Ersten Weltkrieg dem Litthauischen Ulanen-Regiment Nr. 12 (»Insterkosaken«) als Unterkunft gedient. Sie war für bespannte Artillerie gut geeignet, weil die notwendigen Stallungen (z.T. sogar mit automatischen Selbsttränken) vorhanden waren. Der Umzug ging reibungslos von-statten. Leider waren die Unterkünfte für Mannschaften und Unteroffiziere ziemlich verwohnt und es mußten überall die Maler zu Werk gehen. Die alten Kachelöfen mußten neu gesetzt werden, Lenster wurden abgedichtet und Dielen neu verlegt. Und bei allen diesen Arbeiten und noch anderen mußten die Artilleristen auch noch einen Platz zum Schlafen haben. Die Waffenmeisterei (Waffenmeister Joachim) war in einer ehemaligen Garage untergebracht, eine neue Waffenmeisterei war erst im Bau. Auch ein neues Unterkunftsgebäude wurde noch gebaut. Zugleich ging die Ausbildung pausenlos weiter. Ausbilder aber fehlten. So wurde im Sommer 1936, während der Urlaubszeit, eine Unteroffizier-Lehrabteilung (Ula) unter Oberleutnant Jucknies gebildet. Die Ausbildung war hart, und mit dem Ausgehen war es ziemlich vorbei. Statt dessen mußten Artillerie-Vorschriften gepaukt und allerlei Aufsätze (z.B. über die Olympiade 1936) geschrieben werden. Auch in dieser Ausbildung mußte improvisiert werden. Aber es klappte, wie beim Reitunterricht und bei den Fahrübungen. Hervorheben möchte ich, daß die Batterien nebenbei auch noch an den Fahrwettbewerben der großen Insterburger Reitturniere mit Erfolg teilnahmen und auch bei den Schauvorführungen nicht fehlten. Wie das alles zu schaffen war, ist mir aus heutiger Sicht rätselhaft. Inzwischen hatte die Abteilung auch ihren endgültigen Namen bekommen: I./AR 37 hieß sie fortan und war als IV. Abteilung dem Artillerie-Regiment 1 in Königsberg unterstellt. Die 3. Batterie wurde aufgestellt und die ganze Abteilung mit je 4 neuen schweren Feldhaubitzen 18 (sFH 18), insgesamt also 12, mit einem Kaliber von 15 cm, ausgerüstet. Die Reichweite betrug 13300 Meter. Kommandeur der Abteilung, also der l./AR 37, war 1937 Major Frankewitz, Adjutant Oberleutnant Vogler, Stabsveterinär Dr. Buchwalski, Stabsarzt Dr. Lensing und Führer des Stabes Leutnant Kublitz. Die Batterien wurden wie folgt geführt: Chef der 1. Batterie war Hauptmann Schmidt, Chef der 2. Batterie Oberleutnant Böhm. Chef der 3. Batterie wurde im Herbst 1938 Oberleutnant Vogler. An seine Stelle als Adjutant trat Leutnant Kublitz, Führer des Stabes wurde Leutnant v. Weiß. Bei der 1. Batterie kam es in der Führung zu einem Wechsel, neuer Chef wurde Hauptmann Enzenhofer. Jetzt war sie einsatzbereit, die Insterburger Schwere Artillerie. Hervorragend ausgebildete Soldaten, erstklassiges Pferdematerial und moderne Geschütze bildeten einen Truppenverband, der später im Krieg einmalige Leistungen vollbrachte.
Die L/AR 37 im Manöver Von Joachim Thulke Als Abschluß der soldatischen Ausbildung wird im Frieden das im Herbst abgehaltene Manöver gewertet. 1938 begann das Manöver im Raum Kreu-zingen-Tilsit. Die I./AR 37 ließ ein kleines Nachkommando in der Kaserne und marschierte von Insterburg über Georgenburg, Aulenbach in Richtung Kreuzingen. Bei einer Marschgeschwindigkeit von etwa 6 km, kurzem Halt und einer Rast zum Tränken und Füttern sowie zum Essenempfang, war das etwa 24 km entfernte Marschziel Georgenforst am späten Nachmittag erreicht. Ein Vorkommando hatte als Quartiermacher beim dortigen Bürgermeister Privatquartier für Reiter, Roß und Wagen gemacht. Nach kurzem Halt, Überprüfung der fertigen Einteilung und Aushändigung der Quartierscheine an den jeweils Dienstältesten im Quartier, löste sich die Truppe auf. Funkmeister Pusch, ein Unterveterinär und der Funkwagen mit Besatzung waren auf einem Bauernhof untergebracht. Nach dem Quartierschein zu urteilen war eine Bäuerin Besitzer. Funkmeister Pusch und der Unterveterinär waren ins Haus gegangen, wir Funker und Fahrer spannten aus, versorgten alle Pferde und säuberten uns und die Kleidung. Wir waren noch nicht ganz fertig, als aus dem Haus ein junges Mädchen trat, uns alle freundlich begrüßte und ins Haus bat und sich als die Herrin des Hofs zu erkennen gab. Wir haben wohl alle ziemlich dämlich aus der Wäsche geschaut. Wie es den beiden Dienstgraden erging? Wohl genauso wie uns. Nachdem die Zimmer und Betten verteilt waren, wurden alle zu Tisch gebeten. Ein Festessen war aufgetragen, wie zu einer Hochzeit. Zur Begrüßung wurde ein selbstgebrauter Bärenfang getrunken. Ich hatte bis dahin und habe auch nie wieder soviel Höflichkeit von Landsern erlebt wie an diesem Abend. Es wurde fleißig zugelangt. Die charmante Herrin des Hofs fand laufend neue Möglichkeiten, ihrer großen Gästeschar Appetit zu machen. Nach dem Essen saß eine fröhliche Runde bei Eierlikör (auch selbstgemacht), Bärenfang und Bier. Unser Hauptwachtmeister besuchte beim Quartierdurchgang auch uns und probierte den angebotenen Bärenfang, der ihm nach jedem Glas besser schmeckte. Die Dienstpflicht trieb unseren Spieß jedoch weiter, die restlichen Quartiere mußten von ihm ja auch noch aufgesucht werden. Wir, die jungen Soldaten, an frühe Nachtruhe gewöhnt, zogen uns »Gute Nacht« wünschend, zurück, wir haben herrlich geschlafen. Nach einem kräftigen Frühstück mußte aufgebrochen werden, um pünktlich am Sammelplatz zu sein. Mit einem »Dankeschön«, von jedem einzeln ausgesprochen, nahm die Einquartierung Abschied. Wir bekamen noch Bären fang und Eierlikör mit auf den Weg. Wer von uns wäre nicht gerne länger und wenn möglich alleine dort geblieben? Aus den Quartieren kommend, nahmen die Fahrzeuge und Reiter auf dem Sammelplatz in gewohnter Reihenfolge Aufstellung. Die üblichen Meldungen wurden
gemacht. Die Soldaten waren alle in guter Laune und berichteten voller Begeisterung von ihrem ersten Manöver-Quartier. Die Begeisterung war verständlich, hatte doch jeder zum Abschied eine Flasche Bärenfang oder Eierlikör als Wegzehrung, Stärkungsmittel oder Medizin mitbekommen. Einige Kameraden hatten sogar von jeder Sorte ein Fläschchen. Dem Erzählen nach, sollen wir die erste Einquartierung nach dem Ersten Weltkrieg gewesen sein. Kommando: »Fertigmachen«! Von vorne kam: »Pferd vom Hauptwachtmeister nach vorn«! Wenig später brachte der Pferdehalter den Fuchs vor. Der Hauptwachtmeister trat an sein Pferd, ordnete die Zügel, setzte den linken Fuß in den Steigbügel und stieß sich ab. In diesem Augenblick ging das Pferd in die Knie und legte sich ganz kurz auf die linke Seite, um schnell wieder aufzuspringen. Der am Pferd angeschnallte Säbel, durch den Sturz etwa rechtwinklig geknickt, hatte alle Zier verloren. Von dem zu Fall gekommenen Reiter war nur der Satz »das Pferd nicht getränkt« zu verstehen. Tatsache aber war, daß das Pferd getränkt war, der Reiter wohl aber vom Tag zuvor noch zuviel hatte . . . Die Truppe marschierte ab und nach wenigen Kilometern Marsch wurde bei einem »Halt« die Lage bekanntgegeben — wir befanden uns im Manöver. Nach mehreren Tagen und Nächten Einsatz gab es bei Tilsit eine Ruhepause. Der Stab zog auf einem großen Gut unter. In einem riesigen Viehstall war genügend Platz für alle Pferde und Soldaten. Nachdem zumindest ein Teil des eingebüßten Schlafs nachgeholt war, hatten wir die Möglichkeit, für ein paar Stunden nach Tilsit zu gehen. Mit einem Kameraden besuchte ich das Städtchen. Noch einmal gab es für eine Nacht eine Einquartierung. Mit dem Obergefreiten Pilwat war ich im Raum Goldap - Angerapp in einem sehr kleinen Haus in Quartier. Wir wurden sehr gut bewirtet. Die guten Leute gaben weit mehr, als nötig, für uns Soldaten. Ich bin der Überzeugung, wir wurden damals nicht nur als »Bürger in Uniform« sondern als »Ehrenbürger in Uniform« betrachtet, als »Söhne des Volkes«.
Untergebene, Vorgesetzte, Kameraden Von Joachim Thulke Die Soldaten waren der Befehlsgewalt ihrer militärischen Vorgesetzten unterworfen. Durch die Haltung und persönliche Lebensführung der Vorgesetzten wurden Untergebene, die in soldatischer Zucht lebten, zu freiwilligem Gehorsam und steter Einsatzbereitschaft angehalten. Verantwortungsfreude, überlegenes Können, Kameradschaftsgeist und Verschwiegenheit zeichnete die Unteroffiziere aus. Zunächst als Leitbilder betrachtet, wurden sie zum Teil Vorbilder für die jungen Soldaten. In wenigen Monaten harter Ausbildung entstand eine Gemeinschaft, die jeder Anforderung standhielt. Männer mit Willensstärke und Entschlußkraft haben eine treue, opferbereite Truppe geschaffen. Die dienstlichen Erfordernisse auf Freiwilligkeit gelenkt und gestaltet haben Schwierigkeiten gar nicht aufkommen lassen und wurden zur freudig erfüllten Pflicht. Unteroffiziere, die als Korporalschaftsführer eingeteilt waren, haben sich besonders in den ersten Wochen der Ausbildung in der Fürsorge um die jungen Soldaten bemüht. Wie oft wurde durch ihre Mithilfe passende Bekleidung und Ausrüstung für den Rekruten beschafft. Besonders an den Waffenröcken der Ausgehuniform wurden durch ihren persönlichen Einsatz viele Änderungen durch die Truppenschneiderei vorgenommen. Mit Rat und Tat waren sie in jeder Situation für uns Kameraden. Durch die Grußpflicht gegenüber allen Offizieren und Unteroffizieren, sowie den kameradschaftlichen Gruß mit anderen Soldaten hatte man in Insterburg bei einem Gang durch die Stadt oder beim Spaziergang in den Anlagen die rechte Hand recht oft zum Gruß an der Mütze. Wenn man einem direkten Vorgesetzten begegnete, freute man sich und grüßte besonders strahlenden Auges, der Beweis echten Kameradschaftsgefühls.
Die Kaserne der Schweren Artillerie-Abteilung 37 in der Ulanenstraße
Zugführer Wachtmeister Pollack vom Stab I./AR 37 mit seinem Reitpferd »Kluck« 1939 Nach dem ersten freien Ausgang 1938. Von links: Schmidtke, Maurer, Bauer, Rodekirchen, Thulke* Schuers, Lorenscheit, Ritter * Der damalige Gefreite und heutige Oberstleutnant der Reserve der Bundeswehr ist Mitgestalter der Geschichte der Schweren Artillerie-Abteilung 37
Putz- und Flickstunde
Aufsitzen der Geschützbedienung mit einer schwungvollen Flanke
Auf dem Verladebahnhof 1938: Der Kommandeur, Major Frankewitz, mit Stabs-Veterinär Dr. Buchwalski In Stablack 1938: t Vor dem Pferdezelt Auf dem Marsch zur Parade im Frühjahr 1938 auf dem großen Exerziergelände an der Karalener Chaussee: Die 1. Abteilung des Artillerie-Regiments 37. An der Spitze der Kommandeur, Major Frankewitz, dahinter Adjutant Oberleutnant Vogler und der Führer des Stabspersonals, Leutnant Kublitz. Anschließend folgt die Standartengruppe. Im Hintergrund des Bildes die Lutherkirche in Insterburg
Aut’ dem Kasernenhof in der Ulanenstraße: Die Stabsbatterie der I. Abteilung des Artillerie-Regiments 37 Aul dem Übungsgelände: Unteroffizier Kundt mit seinem Fuchs 180
Ak«-!; ;W liO :W:*W Äii^ ... ........... Abschiedsparade in der Ulanenstraße, Frühjahr 1939, für Regiments-Kommandeur Oberst Böttcher (AR 37)
Kamerad Pferd Pferdeschwemme in Kamswyken
Auf dem Truppenübungsplatz Stablack 1938: Die Soldaten sind in bester Stimmung Der Unteroffizier: Ein guter Kamerad
Der Nachrichtenzug 1938 auf dem Marsch Die schwere Feldhaubitze 18 184
•.w.v. > ? : BisS Manöver 1938: Essen fassen
Funktrupp im Übungseinsatz 1939 Fernsprechverbindung zur Beobachtungsstelle 186
Eisenbahntransport von Insterburg am 21. August 1939 mit dem Vermessungswagen und den Nachrichtenfahrzeugen. In den geschlossenen Waggons befanden sich die Pterde. Aut dem vorderen Wagen Gefreiter Dietrich, dahinter Gefreiter Hunsalz (?), Unteroffizier Radau

V. TEIL Reitende Artillerie-Abteilung 1 Von Heinz Meyer

Reitende Artillerie-Abteilung 1 1934 - 1939 »Die Reitende Artillerie, vorn Alten Fritz erschaffen, Sie lebe ewig hoch, die Krone aller Waffen!« Dieser stolze Spruch zierte einen der vielen Mauerrundbogen im Pferdestall der 11. (reitenden) Batterie des 6. (preußischen) Feldartillerie-Regiments in Verden (Aller). Es ist nicht überliefert, wessen Feder diese »Dichterworte« entstammen. Auch ist nicht wahrscheinlich, daß der Musenkuß gerade der reitenden Artillerie zu einem Wahlspruch verhülfen haben sollte, denn solche und ähnliche Sprüche fanden sich, in mancherlei Variationen auf die eigene Waffengattung angewandt, in vielen Kasernen der damaligen Reichswehr. Was macht es? Die Worte standen geschrieben und mögen deshalb auch das Motto für diesen Bericht sein. Das Jahr 1934, welches das Gefüge der offiziell noch bestehenden Reichswehr so nach und nach zu verändern begann, ging auch an den drei reitenden Artillerie-Abteilungen der bisherigen Feldartillerie-Regimenter nicht spurlos vorüber. Reitende Batterien gab es bisher in Sagan, Sprottau, Potsdam, Verden (Aller) und Fritzlar. Zunächst wurde die 13. (reitende) Batterie des Artillerie-Regiments 6 in Fritzlar in eine »fahrende« Batterie umgewandelt und einem anderen Artillerie-Regiment unterstellt. Aus Abgaben an Soldaten und Pferden der beiden Verdener Batterien stellte man dort im April 1934 eine neue 13. (reitende) Batterie auf. Chef dieser Batterie wurde Hauptmann v. Nostitz-Wallwitz, eben von der Kavallerieschule Hannover gekommen. Damit war die IV. (reitende) Abteilung des Feldartillerie-Regiments 6 endlich einmal vollständig im Standort Verden vereint und konnte dies auch bei einer Feldparade aus Anlaß des 175jährigen Bestehens der reitenden Artillerie auf der Verdener Maulohe jedermann veranschaulichen. In fliegender Karriere galoppierten eine Stabseinheit und drei reitende Batterien an dem Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Freiherr v. Fritsch, vorbei. Nicht lange währte die Geschlossenheit der Abteilung unter ihrem damaligen Kommandeur, Oberstleutnant v. Seydlitz-Kurzbach, denn bereits im Oktober 1934 nahm man die 13. (reitende) Batterie wieder aus dem Verband heraus und verlegte sie nach Insterburg in Ostpreußen. Das war für die Betroffenen zunächst eine harte Sache, denn nun sollte man die Heimat verlassen und von Freunden (und Freundinnen) Abschied nehmen. Was wußte man schon über Ostpreußen, das zwar auch zu Deutschland gehörte, das aber so unerreichbar weit weg war? »Provinz Weihnachten« nannte man das Land, in dem fast ständig Winter sein sollte. In der alten Garnison gab es ein rauschendes Abschiedsfest, das einige läge dauerte, dann aber rollten doch die Eisenbahntransporte gen Osten. Das aufregendste Ereignis dieser langen Reise war die Fahrt durch den Polnischen Korridor von Fir-chau aus über Marienburg. Polnische Soldaten versiegelten die Waggons und
bewachten die Transporte während der gesamten Strecke. Die breite Weichsel mit ihrer mächtigen Strombrücke, die Nogat und an deren Ostufer die Marienburg, ein Wahrzeichen deutscher Geschichte, ließen die Kanoniere nachdenklicher werden. Das dort drüben war auch deutsches Land und sollte ihre Heimat werden. In Insterburg kam man in finsterer Nacht auf dem großen Verschiebebahnhof an. Die Stadt lag im tiefen Schlaf und nahm kaum Notiz von den durch die nächtlichen Straßen rumpelnden Kanonen und klappernden Pferdehufe. In der Kaserne an der Artilleriestraße verschwand der ganze nächtliche Spuk auch schon wieder. Diese, ein altes Gemäuer aus roten Ziegelsteinen, zwei- und dreigeschossig mit flachen Dächern, war nicht eben besser als die alte, die man gerade verlassen hatte. Anscheinend aber war sie groß genug, um eine ganze Abteilung zu beherbergen. Eine ganze Abteilung! Zu diesem Zweck war die 13. (reitende) Batterie AR 6 nach hier verlegt worden. Sie sollte eine neue reitende Artillerie-Abteilung aufstellen. Der Kavallerie, zu der die reitende Artillerie taktisch immer gehört hatte, waren ab 1934 andere Aufgaben gestellt worden. In ihrer bisherigen Form schien für sie keine Verwendungsmöglichkeit mehr gegeben zu sein. Lediglich Ostpreußen mit seinen weiten Räumen schien da eine Ausnahmestellung einzunehmen. So wurden die bisher selbständig operierenden Reiter-Regimenter in »Kavallerie-Regimenter« umbenannt und als Aufklärungstruppemeile der Infanterie zugeteilt. Reitende Artillerie-Abteilungen brauchte man dabei nicht; die Infanterie war langsamer. Nur ein selbständiger Reiterverband sollte bestehen bleiben. Ihm wurde die neu-aufzustellende Reitende Artillerie-Abteilung unterstellt. Die Aufstellung der »Reitenden Artillerie-Abteilung Insterburg«, wie sie zunächst hieß, ging anfangs nicht sehr zügig voran, da sie sich in der Benutzung ihrer Kaserne noch ein Jahr mit der »Schweren Artillerie-Abteilung Insterburg«, den späteren 37ern, teilen mußte. Die 37er zogen dann in ihre eigene Kaserne an der Ulanenstraße um. So entstanden aus der nach Insterburg verlegten Batterie durch Teilung des Personal- und Pferdebestandes zunächst die 1. und 2. (reitende) Batterie. Auch eine Stabseinheit konnte aufgestellt werden, deren Personal, Pferde und Fahrzeuge im wesentlichen aus Potsdam gekommen waren. Kommandeur der Abteilung wurde Major v. Rost, später kurz »Papa« Rost genannt. Im Herbst 1936 folgte ihm Major Holste, der die Abteilung auch 1939 in das Feld führte und später erster Kommandeur des Reitenden Artillerie-Regiments 1 wurde. Die Abteilung gehörte zum Verband der 5. Reiter-Brigade (später 1. Reiter-Brigade). Als Regimentsnummer trug sie auf den Schulterklappen der Uniform bis zum 1. Oktober 1935 die rote 1. Dann erhielt sie ihr eigenes Kennzeichen, das große R mit der 1 darunter. Dieses Zeichen trug außer ihr nur noch die Radfahrabteilung 1 in Tilsit, die auch zur Brigade gehörte. Adjutanten der Abteilung waren nacheinander Oberleutnant Zehe, Oberleutnant Bormann und Oberleutnant v. Rosenberg-Lipinski. Die Stabseinheit wurde zunächst von Leutnant Vogel geführt, dem Leutnant Koch (Dieter) und Leutnant Koch (Hermann) folgten. Chef der 1. (reitenden) Batterie war bereits seit Verden Hauptmann v. Nostitz-Wallwitz, ein bekannter Springreiter
der deutschen Reiterelite. Er hatte 1932 in Rom zu der siegreichen Coppa d’ oro Mannschaft der Kavallerieschule gehört. 1936 folgte ihm in der Führung der Batterie Hauptmann Viebig, ein Dressurreiter par excellence. Er kam ebenfalls von der Kavallerieschule und gehörte 1936 zu der deutschen Olympiamannschaft der Dressurreiter. 1937 übernahm Oberleutnant v. Pawel die Batterie und ging auch mit ihr ins Feld. Chef der 2. (reitenden) Batterie war von 1934 bis 1935 Hauptmann Neßlinger (der kleinere der beiden Brüder). 1935 tauschte er mit seinem »größeren« Bruder, als dieser die nunmehrige 3. (reitende) Batterie aus Sagan nach Insterburg brachte. 1936 übernahm Hauptmann Nelke, der später der bekannteste Springreiter der Abteilung wurde und zu den populärsten Turnierreitern Deutschlands zählte, die Batterie. Die 3. (reitende) Batterie kam, wie gesagt, 1935 aus Sagan in Niederschlesien nach Insterburg. Sie wurde im Tausch von den Brüdern Neßlinger geführt und 1936 von Oberleutnant (später Hauptmann) Zehe, dem bisherigen Adjutanten der Abteilung, übernommen. Das Unteroffizierskorps der Abteilung wurde mit der ersten Beförderung, die schon wenige Tage nach Erreichen der neuen Garnison ausgesprochen wurde, nahezu komplett. 15 junge Unteroffiziere bekamen den »Schmand« an den Kragen, und einer Anzahl älterer Unteroffiziere überreichte der Abteilungskommandeur persönlich die Bestallungsurkunden zum Wachtmeister. Dieses Ereignis wurde mit allen Offizieren und Unteroffizieren der Abteilung durch eine würdige Beförderungsfeier im »Tivoli« in Insterburg festlich begangen. Die Feier hat wesentlich dazu beigetragen, daß unter den Unteroffizieren der Abteilung ein familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl entstand, das sich auch später im Regiment niemals ganz verlor. Die Mannschaften der Batterien waren aus den alten Standorten mitgekommen und wurden nur durch ganz wenige Abgaben anderer Artillerieeinheiten ergänzt. Rekruten brauchten also vorerst nicht ausgebildet zu werden, und die Batterien hatten Zeit, sich iher »neuen Heimat« anzupassen. Dazu gehörten auch abendliche Erkundungsausflüge und sonntägliche Spaziergänge in die nähere und weitere Umgebung der Stadt Insterburg. Was die Kanoniere zu sehen bekamen, war in Ordnung; diese Garnison begann, ihnen zu gefallen. Die bald einsetzenden Reitjagden hinter der Meute bestärkten noch die ersten Eindrücke: Wälder, Wiesen, Weite! Das war so recht nach den Herzen der Reiter. Auch in der »alten Heimat« konnte man reiten, so weit der Himmel blaute. Als die Männer dann auch bald landesüblich »schabbern« lernten, begannen sie, heimisch zu werden im Land Ostpreußen. Bei einer berittenen Truppe beginnt der Dienst immer vor Tau und Tag. Auch die Reitende Abteilung machte hierin keine Ausnahme. Pünktlich um fünf Uhr morgens krähte der Hahn. Er erschien in Gestalt des Trompeters vom Dienst, der am Kasernentor die Reveille blies. Zur nämlichen Zeit schrillten auf allen Fluren der Kaserne die Trillerpfeifen der Unteroffiziere vom Dienst und rissen die Kanoniere aus Schlaf und Betten. Bereits eine knappe Stunde später fand sich alles in den Stallungen zum Frühdienst ein. Mit dem Stalldienst begann das Tagewerk der Abteilung, und damit endete es auch wieder. Kein Kanonier war davon befreit, denn jeder hatte mindestens ein Pferd zu pflegen.
Im Winterhalbjahr nahm die Reitausbildung den überwiegenden Teil des Tages in Anspruch. Da jede Batterie etwa acht Reitabteilungen hatte, und nur drei gedeckte Reitbahnen zur Verfügung standen, gab es dabei stets ein Feilschen um Minuten und Sekunden. Der übrige Dienst verteilte sich auf die reitfreien Stunden. Trotz der Zeitknappheit wurde jedoch alles gemeistert. Nach der Reitbesichtigung im Frühjahr sah der Dienstplan plötzlich anders aus. Nach dem Frühstalldienst wurde sofort gesattelt, geschirrt und angespannt. Dann ging es hinaus auf den Exerzierplatz und in die nahen Wälder und Felder zu Gespann- und Geschützübungen. Der Standortexerzierplatz und die schöne Landschaft boten dazu beste Möglichkeiten. Das ging etwa zwei Monate so, dann begann die sauere Zeit der Schießplätze und der Manöver, wo sich der tägliche Dienst in keine Norm zwingen ließ. Harte Wochen waren dann zu bestehen, aber man wurde auch dafür belohnt, denn beim Durchstreifen des Landes offenbarten sich den Soldaten auch alle landschaftlichen Schönheiten, mit denen Ostpreußen reich gesegnet war. Bleiben wir noch ein wenig bei dem täglichen Dienst in der Garnison. Es wurde schon erwähnt, daß die Kanoniere jeden Morgen um fünf Uhr aus den »Federn« gerissen wurden. Um 22 Uhr war Zapfenstreich für diejenigen, die sich keinen Nachturlaub verschafft hatten. Um diese Zeit gab es in Insterburg ein lustiges Trompetenblasen, sowohl nach dem Ritus der Infanterie, als auch nach Art der Kavallerie. Als alter Soldat muß man korrekterweise sagen, daß die Infanterie ihren Zapfenstreich nicht auf der Trompete, sondern auf dem Signalhorn blies. Es gab unter den Hornisten und Trompetern wahre Künstler, und wer abends um diese Zeit durch die Kasernenstraße ging, konnte sich davon überzeugen. Er sah dann auch manchen Soldaten, der offensichtlich bemüht war, das Kasernentor noch vor dem letzten Ton des Signals zu erreichen. Nicht allen gelang das. Dafür gibt es verschiedene Gründe, von denen einige diskret verschwiegen werden sollen. Es soll auch nicht davon gesprochen werden, auf welche Weise solch ein armer Sünder, der den Zapfenstreich verpaßt hatte, sich aus der Affäre zog. Verboten war das sowieso, aber wenn man nicht erwischt wurde . . .? Anfänglich gab es gewisse Schwierigkeiten mit der Sprache des Landes. Es dauerte eine ganze Weile, bis man Raudszus, Bartschies, Giedigkeit, Szameitkehmen und Auxkallnehlen richtig aussprechen konnte, so daß jeder verstand, was gemeint war. Später, als man das Idiom der ostpreußischen Mundart richtig begriffen hatte, gaben Szenen wie diese eine so recht von Herzen kommende Fröhlichkeit: Beim Heraustreten zum Dienst hatte es einer der Soldaten nicht ganz geschafft. Er kam einige Minuten zu spät und im unordentlichen Anzug angeflogen. Auf die scharfe Frage des Haupt Wachtmeisters, wie er denn aussehe, und warum er erst jetzt erscheine, kam die Antwort: »Härr Oberwachtmäisterr, ech ben nech jerra-ten, umzuziehen!« Da wir gerade beim Anzug sind: Die Reitende Artillerie war schon im Hunderttausendmannheer dafür bekannt, daß sie »wienerte«. Ihre Parole hieß: »Leder wie Lack! — Sporen wie Glas!« Über den Wert oder Unwert der Putzerei soll hier nicht gestritten werden. Das schlichte Grau der Uniform bot so wenig äußere
Reize, daß man versuchte, auf diese Weise etwas Glanz ins Bild zu bringen. Alles, was aus Leder war, wurde geschwärzt und so lange mit Schuhcreme und einem dickrandigen Wasserglas bearbeitet, bis ein lackähnlicher Glanz erzielt worden war. Davon waren auch die Sielengeschirre mit ihren vielen Riemen und die Sättel nicht ausgenommen. Sporen, Trensen- und Kandarengebisse, Kau- und Kinnketten wurden mit einer Polierkette behandelt, bis sie wie Chrom glänzten. Es ging sogar soweit, daß Seitengewehrtaschen mit Leichtmetallnieten gegen solche mit Kupfer- oder Messingnieten ausgetauscht wurden, weil letztere mit Sidol auf Glanz gebracht werden konnten. Nun, auch der hartgesottenste Gegner der Wienerei mußte zugeben, daß ein gefetteter Stiefel keinen überwältigenden Eindruck machte, und wer einmal die Reitende Abteilung zu einer Parade angetreten gesehen hat, der wird neidlos anerkennen, daß sie tadellos auf dem Plan erschienen war. Mit der Putzerei ist zwar nicht ein einziges Gefecht entschieden worden, und man hat auch keinen Gegner mit polierten Kinnketten und Kandaren aus der Stellung werfen können. Aber die nachdrückliche Forderung nach diesen Dingen in Friedenszeiten hat in schwerer Zeit die Disziplin aufrecht erhalten helfen. Ich habe es schon erwähnt, daß den wesentlichsten Teil unseres Dienstes im Winter die Reitausbildung einnahm, und daß wir vom Frühjahr bis zum Herbst mit unseren Pferden im Gelände waren. Fast der einzige Weg, den wir als geschlossene Einheit zu Fuß machten, war der Kirchgang. Dann marschierten wir morgens früh zusammen mit den Reitern von Reiter 1 sporenklirrend und säbelscheppernd zur reformierten Kirche am Markgrafenplatz, der Insterburger Garnisonkirche. Wir berittenen Soldaten hatten einen langen Tag. Da war es nur zu natürlich, daß ein Soldat in einer Minute, in der er nicht gefordert wurde, sanft einschlummerte. Es war nicht zu vermeiden, und unser Herrgott wird gewußt haben, warum er seinen Geschöpfen solche Schwächen mitgegeben hat. Wir betraten sein Heiligtum mit den besten Vorsätzen, doch wir waren ja sooo schwach. Manche von uns hielten es noch bis zur Predigt durch, aber nur ganz starke Naturen erlebten auch noch den Segen. Die anderen verfielen mehr oder weniger schnell dem Schlaf. Wie das nun vor sich ging, hing sehr von dem Naturell des Schläfers ab und war oft sehr lustig anzusehen. Daß man das konnte, lag an unserer Garnisonkirche. Dort war nämlich die Kanzel in der Mitte des Hauptschiffs angebracht. Wenn nun unser Pfarrer die Stufen zu ihr emporklomm, um die Predigt zu halten, mußte die dem Altar nächstsitzende Hälfte der Andächtigen kehrtmachen, um dem Pfarrer in die Augen sehen zu können. Bei uns Soldaten mit Pallasch, Sporen und Stahlhelmen ging ein solcher Stellungswechsel nicht ganz so geräuscharm vor sich wie bei einer zivilen Gemeinde. Dabei erwachten einige der Schlummernden wieder zu kurzer Rückkehr in das selbstbewußte Sein. Nach den ersten Sätzen der Predigt hatten sie aber bereits wieder abgeschaltet und besahen sich von innen. Wenn man so einem halben Kirchenschiff voll müder Krieger gegenübersitzt, wird einem das Wie nicht verborgen bleiben, mit dem Morpheus einen nach dem anderen in seine Arme zieht. Man sah, wie sich ein solches Gegenüber verinnerlichte, wie seinen Augen der Glanz entfloh, und wie sie sich langsam aber sicher schlos
sen. Dann begann der Kopf sich zu neigen, rhythmisch, Stück für Stück tiefer. Jetzt brauchte man nur noch auf den »Knalleffekt« zu warten, denn hatte es einen Schläfer so weit nach unten gezogen, daß er an die am Kirchengestühl aufgehängten Säbel und Stahlhelme stieß, fielen sie laut scheppernd herunter und weckten alle Schlummernden ruckartig wieder auf. Der Kirchgang der Reitenden Abteilung war immer ein Erlebnis. Eine in den Dienstplänen einer Truppe ständig wiederkehrende Einrichtung ist die Wache. Kein Soldat, der nicht irgendeine Wache »geschoben« hätte. Den Hauptwachtmeistern der Reitenden Abteilung bereitete die Einteilung ihrer Soldaten zum Wachdienst immer beträchtliche Sorgen, denn es gab außer der gelegentlichen Kasernen- oder Schießstandwache auch noch die ständige Stallwache. Sie soll hier gleich behandelt werden, da eine berittene Truppe ohne Stallwache nicht denkbar war. Auf die Stallwache zog bereits der Rekrut, der eben den ersten Drillichanzug empfangen hatte. Auf »Stallwache« stand auch noch der Reitersoldat im Manöver oder später im Krieg. Sie war von den drei Wacharten die am wenigsten militärische, weil ihr das ganze Drum und Dran der Vergatterung und der Wachablösung fehlte. Die neue Wache blieb einfach nach Stallschluß im Stall zurück und übernahm von der alten die Funktion und das vorhandene Gerät. Das wurde ohne besonderes Zeremoniell erledigt. Als einzige Formalität wurde die Übernahme und die Übergabe der Wache im Wachbuch bescheinigt. Damit war die alte Wache entlassen und die neue im Amt. Außer dem Wachhabenden, einem längerdienenden Gefreiten oder Obergefreiten, zogen drei weitere Posten auf. Diese vier Mann sorgten außerhalb des Stalldienstes und während der Nacht für Ruhe und Ordnung im Stall. Außerdem waren sie die ständige Mannschaft des Futtermeisters oder »Futterbocks«, wie dieser wichtige Mann landauf, landab genannt wurde. Sie mußten ihm morgens beim Füttern der Pferde helfen und ihm auch an Sonn- und Feiertagen zur Verfügung stehen. Eine der wesentlichsten Funktionen der Stallwache in der stalldienstfreien Zeit war das Tränken und Nachtränken der Pferde, da es in den Stallungen der Abteilung keine Selbsttränken gab. Diese Hilfsdienste für den Futtermeister verlangten der Stallwache alles ab; es waren etwa 150 Pferde in jeder Batterie zu versorgen! Natürlich hatte die Wache den Stall auch sauber zu halten. Das war namentlich dann nicht ganz einfach, wenn nur ein Posten die Runde ging. Das »Fallobst« hatte nämlich die unangenehme Eigenschaft, überall zur gleichen Zeit zu reifen und herabzufallen. Da hieß es für den Wachgänger, flink zu sein und schnell zu »ernten«, um seinem Nachfolger einen sauberen Stall zu übergeben. Die Hauptaufgabe hatte die Stallwache während der Nachtzeit. Hier sollten die Pferde zur verdienten Ruhe kommen. Um 22 Uhr wurde in den Ställen bis auf wenige Notlampen das Licht gelöscht. In mondhellen Nächten erloschen auch diese noch. Die eingeteilten Posten begannen ihre Wache. Dabei gab es vier Schichten. Die unbeliebtesten Postenzeiten waren die beiden Mittelwachen etwa von Mitternacht bis drei Uhr morgens. Sie blieben deswegen auch den jüngeren Soldaten vorbehalten, während der Wachhabende und sein Vertreter die erste oder
die letzte Wache gingen. Die wachfreien Posten legten sich auf einer Schütte Stroh nieder und bedeckten sich mit einem Woilach. Nur ganz starke Naturen kamen hierbei zu einem wirklichen Schlaf, denn einmal gestattete die ammoniakgesättigte Stalluft das nicht, zum anderen klapperten ständig die Halfterketten der Pferde. So wurde aus dem Schlaf dann meistens nur ein Dämmern zwischen Sein und Nichtsein, und man war froh, wenn man zu seiner Schicht geweckt wurde. Ein Posten, der solchermaßen erwacht die Hundswache zu gehen hatte, also die Wache um oder nach Mitternacht, mußte schon von guter seelischer Konstitution sein, denn ihm begegneten im völlig abgedunkelten Stall allerlei finstere Mächte. Da webten sich zwischen die tiefen Atemzüge der schlafenden Pferde geisterhafte Geräusche. Unsichtbare Wesen fingerten durch die Finsternis. Plötzlich stand der leibhaftige Satan vor solch einem armen Gauch und entpuppte sich nach furchtbarem Erschrecken als der kohlpechrabenschwarze Rappe gleichen Namens aus dem Rekrutenberitt, der sich aus seinem Halfter gelöst hatte und nun die Stallgasse unsicher machte. Wenn sich ein einzelnes Pferd losgemacht hatte, konnte die Ordnung im Stall sehr schnell wieder hergestellt werden. Der Posten brauchte nur nachzusehen, wo ein Stand leer war. In diesen brachte er das Pferd zurück. Verzwickt wurde aber die Sache — und dann namentlich für den jungen Rekruten, der noch nicht alle Pferde nach Namen und Abzeichen unterscheiden konnte —, wenn die Vierbeiner das bei ihnen so beliebte Spiel »Alle Pferde wechseln sich« spielten. Es gab eine Anzahl Spaßmacher unter ihnen, die den Schalk sozusagen in der Mähne sitzen hatten. Sie befreiten sich aus ihren Halftern und gaben sich auf der Stallgasse ein Stelldichein. Der Rekrut brachte nicht alle wieder an den rechten Ort und stiftete heillose Verwirrung. Nicht so häufig wie zur Stallwache wurden die Kanoniere zur Kasernenwache eingeteilt, da diese in der gesamten Abteilung reihum ging. Die Kasernenwache war die unbeliebteste unter den Wachen. Ständig war man unter den Augen der Öffentlichkeit und der Vorgesetzten. Schon mit dem Wachanzug fing es an. Wehe, wenn der nicht den an ihn gestellten Anforderungen entsprach. Dann die Verantwortung für die zur Bewachung anvertraute Kaserne. Überall konnten unvorhergesehene Vorkommnisse auftreten, und der Kommandeur fackelte nicht lange. Nein, auf die Kasernenwache zog keiner gern. Umso lieber zog man dafür auf die Schießstandwache, zu der alle Truppenteile des Standorts herangezogen wurden. Diese Wache erfreute sich bei allen einer großen Beliebtheit. Gemeint ist die alte Schießstandwache auf dem Schießstand Tannenhof im Insterburger Stadtwald. Das war wie 24 Stunden Ferien. Die vergatterte Wache marschierte zwischen 12 und 13 Uhr mit einem Unteroffizier und vier Mann die Gumbinner Chaussee hinunter, über die Tilsiter Bahnstrecke hinweg, vorbei am Umspannwerk der Stromversorgung und bog dann zwischen dem Abbau Lehmann und dem Gut Ernstfelde nach Süden in die Straße nach Eichental ein. Dabei wurde auch noch die Gumbinner Bahnlinie überquert und weiter südlich die Irrmuntinne. Bei der Brücke über den Bach war die Wache am Ziel angelangt, denn jenseits lag die Standortmunitionsanstalt und gleich
dahinter, bereits vom Insterburger Stadtwald aufgenommen, der Schießstand. Die alte Wache war schon zur Ablösung herausgetreten und marschierte auch bald ab. Die neue machte es sich nun »gemütlich«. Man konnte das im wahrsten Sinne des Wortes so nennen, denn nicht immer brauchten Posten aufzuziehen. Am Tag sowieso nur, wenn nicht geschossen wurde, und das war sehr selten der Fall. Außerdem half auch die zivile Wache der Munitionsanstalt noch mit aus. So trat die Schießstandwache eigentlich nur während der Nacht in Funktion, und der Aufenthalt hier draußen war eine wahre Erholung. Es wurde manchmal märchenhaft schön in diesem Wald, dem die ordnende menschliche Hand zwar Gestalt und Form gegeben hatte, der aber ein Gottesgarten geblieben war, in dem man die Nähe des Schöpfers überall spüren konnte, im flüchtigen Reh, im lustigen Eichhörnchen, im Zirpen der Grille, im Vogelsang, im irrlichternden Glühwürmchen, im linden Frühlingswehen und im klirrenden Frost. Hier sah man den Tag zur Neige gehen und die flimmernde Stern en weit aufsteigen. Wundersame Bilder zauberte der silberne Mond durch das dichte Blätterdach. Jeden Augenblick konnten die Märchenfiguren der Kindheit lebendig werden. Schreck des Augenblicks, wenn ein zerknickender Zweig die Wirklichkeit zurückrief und daran erinnerte, daß es Zeit zum Postenwechsel sei. Von der Schießstandswache kamen die Soldaten stets erholt zurück. Im Herbst 1935 kamen die ersten Rekruten. Es waren ausnahmslos Söhne Ostpreußens und gehörten älteren Jahrgängen an. Später gab es junge, zwei Drittel Ostpreußen und ein Drittel Rheinländer, eine Mischung, die sich bestens bewährt hat. Die Ausbildung der Rekruten begann im Stall beim Dienst am Pferd. Dort sollten sie begreifen lernen, »daß Sie es mit edlen Geschöpfen von hoher Intelligenz zu tun haben, von deren Wohl und Wehe das ganze Dasein der Reitenden Abteilung abhängt«. So ähnlich wird es der Futtermeister seinen neuen Schutzbefohlenen erklärt haben. Sicher aber hat er auch hinzugefügt, daß es sich bei der Stallgasse, auf der sie jetzt alle stünden, um die »Kandarenallee« handele, auf der er niemanden im Schritt gehen sehen wolle. Sodann teilte er die Beritte ein, worauf die Berittführer den weiteren Gang der Dinge übernahmen. Wie erstaunt war nun der Rekrut, der erstmalig einem Pferd auf weniger als Armeslänge nahekam. Was der Berittführer alles von so einem Tier zu sagen wußte. Dieses sei ein Kohlfuchs, hieß es, und zwar eine Stute. Sofort wurde der Unterschied zwischen einer Stute und einem Wallach, ja sogar einem Hengst praktisch erläutert. Auch habe jedes Pferd einen Namen; dieses beispielsweise heiße Elfe, jenes dort Fridolin und das da Mampe. Und dann begann die Sache, heikel zu werden, als nämlich der Berittführer seinen Rekruten aufschwatzen wollte, daß ein Pferd, von dem man soeben augenscheinlich wahrgenommen hatte, daß es auf vier Beinen stand, auch noch sechs Hände haben sollte. Aber auch das stimmte, und nach einigen weiteren Erläuterungen zur Anatomie des Pferdes und zu seiner Pflege konnte der uralte Rhythmus des Stalldienstes nach der Zauberformel »lang den Strich und kurz die Pause« beginnen. Die Drehzahl bestimmten die Berittführer mit ihren Trillerpfeifen. Sie war nicht gering, aber das war auch notwendig, denn die Zeit war knapp. Die Rekruten gewöhnten sich bald
daran. Wer es nicht konnte, war in den Augen des Futtermeisters eine »lahme Ente«, und für diese hatte er genügend Funktionen außer der Reihe bereit, z.B. den Stalldienst am Sonntagmorgen, wenn die übrigen Kameraden dienstfrei hatten. Höhepunkt des Stalldienstes waren die wöchentliche Stall- und Geschirrdurchsicht und die »Pferderevision«, wie sie auf gut deutsch hieß. Davor zitterten nicht nur die Berittführer, denn wer bei einer solchen Gelegenheit auffiel, mußte am Sonntagvormittag nachputzen und hatte außerdem bis zu dem Tag ausgefrühstückt, an dem die »FTankierbäume zu blühen anfingen«. Mit der Zeit brach das Eis. Mag auch anfänglich so mancher Rekrut mit Zittern und Zagen an sein Pferd gegangen sein, als sein Drillichanzug erst einmal den Stallgeruch angenommen hatte, biß und schlug ihn kein Pferd mehr, sofern er aufpaßte. »Guter Putz ist halbes Futter« war die Parole des Futtermeisters. Daß an diesem Spruch viel Wahrheit war, lernte der Rekrut erst später erkennen. Andererseits aber sorgte er schon vom ersten Tag an dafür, daß sein Pferd nicht mit dem Futter zu kurz kam. Stets hatte er einen Brotknust in der »Fupp«, den er seinem Pferd als zusätzliche Ration in die Futterkrippe legte. Die Pferde kannten und schätzten solche Zugaben sehr. Sie holten sich den Leckerbissen schon allein aus der Hosentasche des Soldaten heraus, und wenn es erst einmal so weit gekommen war, war das erwünschte Einvernehmen zwischen Mensch und Pferd hergestellt. Manchen Rekruten erfaßte dann eine so tiefe Zuneigung zu seinem Pferd, daß es nicht beim gelegentlichen Zustecken von Brot und Zucker blieb. Er begann, mit ihm zu sprechen, obwohl er nie eine Antwort erwartete. Aber im Bewegungsspiel der Ohren, im Zuwenden des Kopfs, im spielerischen Schnappen nach einem Zipfel des Drillichrocks konnte man dem Pferd anmerken, daß es mit seinem Pfleger zufrieden war. Das war der Moment, wo sich beide verstehen lernten, und der war sehr wichtig für die spätere Reitausbildung. * Die Geschichte eines Batteriepferdes der 1. (reitenden) Batterie mag unterstreichen, daß den Kanonieren manches Pferd mehr geworden war, als eine dienstbare Kreatur, die Geschichte von »Satan«. Als ich ihn kennenlernte, war er bereits ein »Alter Knochen«, wie wir die im Pulverdampfergrauten Krieger zu nennen pflegten, zwanzig Pferdejahre alt. Auf der hölzernen Namenstafel über seinem Stand im Rekrutenstall der Ausbildungsbatterie in Hannover war verzeichnet Satan, geboren 1911. Keine Abstammung, keine Pferdeahnen, kein Herkunftsland — nur Satan. Der Inhaber dieses ungewöhnlichen Namens erwies sich als Rappe, besser, als Superlativ eines Rappen. Er war so schwarz wie ein Neger in der Neumondnacht. »Nomen est omen«, sagt man, aber das traf auf Satan nicht zu. Überhaupt nicht! Er war das beste Lebewesen in unserem Rekrutenstall, Futtermeister und Berittführer eingeschlossen. Er biß und schlug auch nicht, wie viele seiner Artgenossen.
Ein Pferd, das weder biß noch keilte, hatte für uns schon beachtliche Merkmale. Satan jedoch hatte deren noch mehr. Obwohl er pechschwarz war, putzte sein Pf leger nur schneeweiße Striche von ihm herunter, und es schien, als sei Satan eine unerschöpfliche Quelle für diesen bei uns Rekruten so begehrten Stoff. Trotzdem fiel er nie bei der Pferdedurchsicht auf. War das nicht ein Wunderpferd? Von der Satanschen Kreide stahlen wir uns häufig, wenn die Gelegenheit dazu günstig war, einige Striegel voll, um damit unsere eigene schwache Buchführung auf der Stallgasse etwas glaubhafter zu machen. Auch in der Reitbahn hatte Satan seine Qualitäten. Er war lammfromm, nicht aus Mangel an Temperament oder wegen der Last seiner Jahre, nein, einfach aus Anstand. Er wußte, daß wir allesamt Anfänger waren und nahm es keinem übel, der auf seinem Rücken herumrutschte, wie ein Butterkloß auf der heißen Bratpfanne. Das war ja immer so, wenn ein neuer Rekrutenjahrgang zur ersten Reitstunde antrat und legte sich von selber. Wodurch Satan aber vollends unser aller Zuneigung gewann, war die Tatsache, daß er Veteran des Krieges 1914 - 1918 war. So rückte er an die Spitze unserer ungeschriebenen Pferderangliste, und jeder von uns begegnete ihm mit Ehrfurcht. Wie man den Futterbock bestiehlt, hatten wir sehr schnell begriffen. Nicht selten hatte einer von uns eine Ballonmütze auf dem Kopf, eine Extraration Hafer für sein Pferd enthaltend. Bestimmt bekam Satan davon eine Handvoll ab. Stets steckten wir ihm ein Stück Brot oder Zucker zu, was er dankbar mit Hufescharren und leisem Wiehern quittierte. Mancher von uns Rekruten ist in stillnächtlicher Stallwachstunde zu ihm in den Stand getreten, hat ihm die Mähne gekrault und mit ihm flüsternde Zwiesprache gehalten. Nach zwei Jahren sahen wir uns wieder. Wir stellten in Verden (Aller) eine neue Batterie auf und brauchten dazu vor allem Pferde. Unter den vielen, die zu uns kamen, erkannten wir sofort Satan. Es gab eine lautstarke Begrüßung, die auch von Satan richtig gewertet wurde, denn er fing sofort an, sich seinen Zucker zu schnorren. Was konnte man für den Alten tun? Mit 23 Jahren hatte er wohl schon eine leichtere Gangart verdient. So wurde er zum Einspänner ernannt und zog täglich mit dem Brotwagen zum Bäcker, um das frische Brot für uns abzuholen. In dieser Funktion wurde er in Verden bald stadtbekannt. Bereits nach wenigen Tagen sah man ein pechschwarzes Pferd mit einem grauen Karren durch die Straßen der Stadt ziehen. Ein Fahrer war weder beim Pferd, noch auf dem Kutscherbock zu sehen. Er kam in einigem Abstand hinter dem Gefährt her, denn er konnte sich auf Satan verlassen, der den Weg zum Bäcker allein fand. Vor dessen Haus fuhr er rechts heran, hielt und blickte nach der Haustür, aus der dann auch bald der Meister mit einem Stück Brot herauskam, das er unserem Schwarzen zusteckte. Im Stall hatten wir unter Satans Namensschild eine Tafel angebracht, auf der zu lesen stand: »Wer treu gedient hat seine Zeit, dem sei eine gute Pflege geweiht.« Weltkriegsteilnehmer 1914 -1918
Das gewann Satan eine Reihe weiterer Freunde, denn wir hatten im Sommer 1934 anläßlich des großen Reit- und Fahrturniers viele Gäste. In jenem Jahr gab sich unser Batteriechef, Hauptmann v. Nostitz-Wallwitz, die Ehre, die Turnierteilnehmer zu einem stilechten Reiterfrühstück in unseren Stall einzuladen. Der war dazu auf Hochglanz gebracht worden. Die »Kandarenallee« blinkte und blitzte, und es war frisch eingestreut worden. Alle Pferde standen ausgebunden mit dem Kopf zur Stallgasse. Die Rot- und Schwarzröcke saßen an einer langen Tafel. Über diesem farbenfrohen Bild stand Satan mit einem mächtigen Eichenlaubkranz um den Hals. Wohl von allen Gästen bekam er einen freundlichen Klaps auf sein schwarzes Fell und von sehr vielen ein Stück Zucker. Man konnte es ihm anmerken, daß dieser Tag seit langem sein schönster war. Er wieherte mit dunkler Stimme seine Freude heraus und streckte freundschaftlich jedem, der seiner gedachte, eines seiner Vorderbeine entgegen. Im Herbst 1934, als wir Niedersachsen verließen, um im fernen Ostpreußen eine neue Abteilung aufzustellen, ging natürlich auch Satan mit auf die lange Reise. Mit dem Einspänner war es jetzt jedoch aus, denn nun belieferte uns eine Heeresbäckerei mit Brot, und die war vor unserer Haustür. Da wurde Satan wieder Rekrutenpferd, wie er es in vielen Jahren gewesen war. Alljährlich richteten wir unseren Reservisten in der großen Insterburger Stadthalle ein Abschiedsfest aus. Dabei führten wir auch stets etwas auf der Bühne vor. In einem Jahr hatte einer unserer Männer ein Gedicht in ostpreußischer Mundart über den »Peerdsappäll« verfaßt und trug dies vor. Als Corpus delicti hatten wir ihm Satan mit auf die Bühne gegeben. Der ging auf die Bretter, die die Welt bedeuteten, wie einer der ganz großen Mimen, stand dort wie eine Bildsäule und spielte seine Rolle. Dann nahm er gelassen den orkanartigen Beifall des vollbesetzten Hauses entgegen und schritt wieder von der Bühne, jeder Zoll ein Star. An einem herrlichen Frühlingstag des Jahres 1937 machten wir nach dem Abschluß der Winterausbildung eine längere Marschübung mit anhaltenden Trabeinlagen. Dabei durchfurteten wir auch die Pissa, einen Nebenfluß der Angerrapp, die zu dieser Zeit noch eiskaltes Wasser führte. Satan war bei diesem langen Trab in Schweiß gekommen. Das kalte Wasser erschlug ihn fast. Stocksteif stand er da und war nicht mehr von der Stelle zu bewegen. Diagnose des Veterinärs: Kreuz-und Hufverschlag! Armer Alter, was nun ? Er tat uns sehr leid, wie er dort stand und mit keiner Miene seinen Schmerz verriet. Sein Reiter mußte ihn absatteln und vorsichtig in die Kaserne führen. Das dauerte fast den ganzen übrigen Tag. In der Kaserne nahm ihm der Beschlagmeister die Eisen ab. Dann bereiteten wir Satan ein Krankenlager. Eine Box wurde freigemacht. An der Stalldecke über der Box befestigten wir einen Hängegurt, den wir Satan unter dem Bauch durchzogen. Als er fest eingeschnallt war, hievten wir unseren Alten so weit nach oben, daß seine kranken Beine entlastet wurden und nur jeweils die Vorderbeine oder die Hinterbeine in der Streu standen. Nach einigen Wochen war er gesund. Vom Dienst hatte man ihn nun für immer befreit. Die Box, die sein Krankenlager gewesen war, wurde sein Dauerquartier. Dort stand er von Jetzt an barfuß, denn er bekam keine Eisen mehr angeschlagen.
Unser Batteriechef, Hauptmann Viebig, hatte in unserer Kaserne einen Roßgarten für Satan anlegen lassen, der mit allerlei Gräsern besät worden war. In diesem Paradies stand Satan eines Tages als Rekonvaleszent. Wie in seiner Fohlenzeit rupfte er sich von Halm zu Halm, beäugte die Sonne oder streckte sich behaglich nieder. Im Herbst kauften wir unseren alten Kameraden dem Fiskus ab. Er sollte nicht dem gnadenlosen Hammer des Roßschlächters verfallen sein. Wenn wir am Morgen in den Stall kamen, schauten wir erst über die Boxentür nach Satan und ermunterten ihn, aufzustehen. Er war nun 26 Jahre alt und wurde schon ein wenig behäbig. Satan blinzelte uns aus seinen großen Augen an, stöhnte die lange Nacht von sich und versuchte, sich zu erheben. Umständlich holte er seine Vorderbeine unter sich hervor und stützte sie auf. Bei der Hinterhand halfen wir schon etwas nach, bis er zu seiner vollen Größe auferstanden war. Nachdem er sich das piekende Stroh aus dem Fell geschüttelt hatte, ließ er sich von seinem Pfleger schön machen. Später öffnete ihm der Futtermeister die Stalltür, und mit kurzen Schritten strebte Satan seinem Paradies zu. In unserer Freizeit waren wir dort oft seine Gäste. Wir stellten uns einen Tisch und ein paar Stühle in die Sonne und pflegten der Muße. Den Eintrittspreis hatten wir in Form von Zucker und Brot an Satan zu entrichten. Er holte ihn sich schon von selbst aus unseren Taschen. Abends öffnete ihm der Futtermeister wieder das Gatter. Im Stall wurde nicht eher gefüttert, bis Satan am Futterwagen stand, wo er sich seine Ration selbst bemessen konnte. Er fraß sich durch unsere beiden Ställe hinter dem Wagen her und fand dann noch eine Metze Hafer in seiner Futterkrippe vor. Das Ende seines Daseins haben wir nicht erlebt. 1939 mußten wir von unserem Kameraden scheiden. Während uns die Trompete rief, blieb er zurück. 1940, als die Beschwernisse seines Alters zu groß wurden, gab man ihm in Königsberg den Tod. Seine sterblichen Überreste nahm in der Kaserne am Kanonen weg die Erde auf. Diese Nachricht erreichte uns im Feld, und wir waren voll stiller Trauer. Nicht zuletzt durch ihn hatten wir das Pferd lieben gelernt, das uns durch Regen und Wind, durch Sonnenglut und schneidende Kälte, durch Nacht und Tag, durch eine ganze Welt getragen hatte, unser stilles, bescheidenes Truppenpferd. Neben dem Stalldienst erfolgte für alle die Reitausbildung. Auch davon war kein Kanonier ausgenommen, denn die reitenden Artilleristen saßen nicht auf dem Geschütz oder der Protze. Sie mußten daher in der edlen Reitkunst unterwiesen werden. Der Weg vom Reitschüler bis zum empfindsamen Reiter war lang und beschwerlich, und auch hier hatten die Götter vor den Erfolg den Schweiß gesetzt. In zwei Dienstjahren konnte man aus einem Rekruten auch noch keinen turnierreifen Könner im Sattel machen. Das war auch nicht beabsichtigt. Seine Reitkunst sollte soweit entwickelt und gefördert werden, daß er sein Pferd in jedem Gelände und in allen Situationen anständig gebrauchsmäßig reiten konnte. Da stand nun der Rekrut etwas beklommen vor seiner ersten Reitstunde. Einige wenige Kenntnisse hatte er sich schon erworben. Er wußte, was eine Trense ist, welchen Zweck sie erfüllt, und wie man sie dem Pferd in das Maul praktiziert,
ohne es dabei wild zu machen. Auch den Woilach konnte er bereits fachgerecht legen und unter den Sattel bringen. Falls er nicht gerade den Flankierbaum mit eingesattelt hatte, gelang es ihm sogar ohne nennenswerte Schwierigkeiten, sein Pferd auf die Stallgasse zu führen, um gemeinsam mit seinen Kameraden, mit denen zusammen er eine Reitabteilung bildete, in die Reitbahn einzurücken. Dort steigerte sich die anfängliche Beklemmung meistens noch, wenn die Abteilung »zu Einem — rechts brecht ab — marsch!« auf den Hufschlag ging. Da saß man nun auf einem mit Heu gefüllten Tier, das sich unter einem bewegte, schlingerte und stuckerte. Bald rutschte man nach links herunter, bald nach rechts. Nirgends war ein Halt, erst recht nicht in den Reitbahnecken, wenn es in die Kurve ging. Nach wenigen Reitstunden gelangen die Anklammerungsversuche auf dem Pferd schon besser. Die Ängstlichkeit vor dem beweglichen Tier wich mehr und mehr einer Beherztheit. Es wurden nun Hufschlagfiguren geritten, und wo das nicht gelingen wollte, zu Fuß in allen Gangarten geübt. Der »Sitz« wurde besser und besser. Die Fußspitzen begannen, sich einwärts zu drehen, die Absätze wurden tief gestellt, die Knie lagen am Sattel, und die Hände standen endlich ruhig über dem Vorderzwiesel. Bei dem einen kam der zündende Funke schnell, bei dem anderen dauerte es etwas länger. Bei der Trensenbesichtigung um Weihnachten herum war das Schlimmste überwunden. Überwunden waren auch jene Prozeduren, bei denen die Menschenwürde der jungen Reitschüler etwas angeknaxt worden war. Gemeint sind die Kaltwassersitzungen in der Waschschüssel auf dem Schemel, die kurz vor dem Zapfenstreich unter der Aufsicht des Unteroffiziers vom Dienst stattfanden. Von dieser Kaltwassertherapie ist kein Reiter, der sich durchgeritten hatte, verschont geblieben. Sie war zwar wenig ästhetisch, half aber radikal und hat stets viel Anlaß zu lästernder Freude gegeben. Fleißig war man auch in den übrigen Reitabteilungen, die nicht aus Rekruten gebildet wurden. Da gab es die Abteilung Junge und Alte Remonten und die A-Abtei-lung. Die beiden ersteren dienten der Ausbildung der Pferde und wurden von erfahrenen Reitern gesattelt. Die letztere dagegen sollte die Reitfähigkeit der Unteroffiziere und älteren Mannschaften verbessern helfen. Für einen Unteroffizier der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 war es Ehrensache, möglichst frühzeitig Remontereiter zu werden. Derjenige, dem diese Ehre zuteil geworden war, durfte sich aus den jungen Remonten, die alljährlich zur Ergänzung des Pferdebestandes zugeteilt wurden, sein Reittier heraussuchen. Die Remonten kamen vierjährig zu den Batterien und hatten noch keinen Sattel und kaum eine Trense gesehen. Das wurde meist eine lustige erste Remontereit-stunde für Reiter und Pferd. Für die jungen Tiere war alles neu, der Sattel, der schwere Reiter, die Enge der Reitbahn und die frechen Reitbahnspatzen. Es kam oft vor, daß eines der jungen Tiere erschrak und einen Satz machte, den sein Reiter nicht aussitzen konnte. Dann lag der auch schon im Sägemehl der Reitbahn, und neben ihm lagen vielleicht auch noch der Vorder- und Hintermann, denen dasselbe widerfahren war. Die Remonten aber stoben durch die Bahn, und der Batterie
chef, der die Abteilung gehen ließ, hatte seine liebe Not, wieder Ordnung in diese »wilde Sau« zu bekommen. Diejenigen aber, die ohne Befehl abgesessen waren, konnten diese Disziplinlosigkeit nur wieder gut machen, indem sie für die übrigen Kameraden der Reitabteilung je eine Flasche Bier spendierten. Die Remonten kamen vom Remonteamt Brakupönen bei Gumbinnen. Sie waren ohne Ausnahme liebenswerte Geschöpfe von ruhigem Temperament. Nicht selten aber verbarg sich hinter dieser Ruhe eine Lebendigkeit, an der man als verstehender Reiter seine helle Freude haben konnte. Sie begriffen sehr schnell, was man von ihnen wollte und nahmen Lehren willig an. Bald schon konnte der Reiter merken, daß sein junges Pferd im Kreuz durchlässig wurde und in den Fesseln federte. Allerdings mußte er es sich dabei sauer werden lassen, und wer zwei Stunden hintereinander Remonten geritten hatte, der wußte wo sein Kreuz saß. * Eine Episode, die mir als jungem Unteroffizier beinahe zum Verhängnis geworden wäre, darf ich hier einflechten. Es war eben die Rede von unseren ruhigen, zuweilen jedoch recht temperamentvollen Remonten, die wir aus Brakupönen bekamen. Dort wurden sie gesammelt und später auf die berittenen und bespannten Einheiten der Wehrmacht verteilt. Nach Brakupönen kamen die jungen Pferde sehr oft im sogenannten »Remonteschlepp«, einem Landtransport an der Hand vom Verkäufer weg. Ein solches Kommando war mir jüngst zugefallen. Mit noch einem Unteroffizier und einigen Mannschaften hatte ich mich auf dem Gut Perkallen, etwa 10 km südlich Gumbinnen, bei dem Leiter der Remontierungskommission zu melden. Quartiere waren für uns vorbereitet, und der Gutsbesitzer, der die Pferde zum Verkauf stellte, hatte auch bestens für unsere Bewirtung gesorgt. 72 Vierjährige wurden der Kommission vorgestellt und 70 davon von der Wehrmacht gekauft. Diese wurden mir und meinen Kameraden zum Transport nach Brakupönen übergeben. Vom Gut gab man uns noch einige zivile Helfer mit, so daß jeder vier Pferde zu führen hatte. Bis zum Ziel waren 25 km zurückzulegen, natürlich zu Fuß. Keiner saß auf, denn das schien mir bei den jungen Pferden zu gefährlich. Bis Gumbinnen ging auch alles gut. Langsam wand sich unser vielbeiniger Wurm durch die Gegend. Am nörlichen Stadtrand von Gumbinnen jedoch, vor der Kaserne, fingen meine Männer an, über Blasen an den Füßen zu klagen, ob man nicht doch aufsitzen könne, es werde auch ganz bestimmt nichts passieren. Mit List schaffte ich noch ein paar Kilometer, dann aber mußte ich nachgeben. Hätte ich es doch nie getan! Ich hatte den Mund von dem Kommando »Aufsitzen!« noch nicht wieder ganz zu, als die »wilde Sau« auch schon im Gang war. Als die jungen Pferde merkten, daß ihnen wer auf den Rücken wollte, gingen sie vom und hinten hoch, zerrissen die dünnen Schlepptrensen und stoben in das weite Feld. Ach, du armer Vater! Mehr als die Hälfte meiner kostbaren Karawane sauste wie von Hornissen verfolgt über die Felder und schien am Horizont zu verschwinden. Ich sah vor meinen geistigen Augen nur noch dicke, eiserne Gitterstäbe und war im Moment gar nicht in der
Lage, mir die vielen Tage »Bau« auszurechnen, die mich erwarteten, wenn mir auch nur ein einziger Pferdeschweif fehlen würde. Ich war verzweifelt, denn mit einem solchen Ausgang der Expedition hatte ich nicht gerechnet. Da trat aber doch die große Wende ein. Sie kam ohne mein Zutun. Pferde sind Herdentiere, Gott sei Dank. Erst der Mensch macht sie zu Einzelwesen. Das aber waren meine Lieblinge bis jetzt glücklicherweise noch nicht, und so trieb es sie in immer enger werdenden Volten wieder zum großen Haufen zurück. Erfreut nahmen wir einen Ausreißer nach dem anderen wieder an die Leine, und nach einer halben Stunde, so lange hatte der Spuk gedauert, fiel mir ein wahrer Felsbrocken von der Seele. Ruhig, als sei nichts gewesen, konnten wir unseren Weg fortsetzen, natürlich wieder zu Fuß . . . * Am Abschluß der Reitausbildung stand die Reitbesichtigung gegen Ende März eines jeden Jahres. Die jungen Remonten waren jetzt so weit, daß sie gelöst in allen Gangarten vorgestellt werden konnten. Die alten Remonten, also die Remonten im zweiten Ausbildungswinter, wurden auf Kandare gezäumt vorgestellt. Ihre Ausbildung war nun beendet. Ein Hochgefühl für den Reiter, der sein Pferd sozusagen von der Koppel weg zwei Jahre lang zugeritten hatte, wenn ihm sein Batteriechef nach der Besichtigung am Reitbahnausgang zuzwinkerte. Das hieß: Gut gemacht! Und welche Freude war es für denselben Reiter, wenn seine gewesene Remonte später ein in allen Funktionen brauchbares Batteriepferd wurde oder gar zu Höherem ausersehen war. Die Einzelausbildung von Mann und Pferden war mit der Reitbesichtigung abgeschlossen. Jetzt begann die Ausbildung im Gelände. Lediglich die jungen Remonten blieben als Reitabteilung noch zusammen. Sie sollten der Weite draußen wiedergegeben werden, allerdings nur in beigezäumter Freiheit, dafür aber am langen,' langen Zügel. Diese Stunden mit einem jungen Pferd allein unter freiem Himmel gehörten mit zu dem Schönsten, was einem Reiter widerfahren konnte. Der Insterburger Exerzierplatz war für solche Zwecke geradezu ideal. Man ritt bis zur Angerappbrücke. Dort entließ der Batteriechef die Kavalkade mit einem Blick auf die Uhr und der Aufforderung, die Pferde nicht naß zu reiten. Dann konnte sich jeder mit seiner Remonte tummeln. Es gab dort Kletterberge, Rutschhänge, Sprunghindernisse, Gräben und freie Flächen. Sich dort auszutollen, machte den freiheitsgewohnten Tieren selbst Freude, und so wieherten sie oft genug laut heraus. Nach Ablauf der vom Chef gesetzten Frist trafen sich alle Reiter an der Furt nach Kams-wyken. Pferde mögen Wasser gern, und wo wurde die Furt an keinem Tag ausgelassen. Parallel zur Reitausbildung liefen der »Fußdienst«, der artilleristische Dienst und die Ausbildung der Nachrichtenleute. Unter Fußdienst wurde der Exerzierdienst auf dem Kasernenhof verstanden. Er war bei allen Einheiten der Wehrmacht gleich und wurde nur bei der Infanterie etwas mehr forciert. Da der Fußdienst manchmal ziemlich eintönig war, artete er nicht selten in übertriebenen Drill aus, weswegen er bei allen Soldaten gleichermaßen verhaßt war.
Der wichtigste Ausbildungsdienst in der Abteilung war die Ausbildung am Geschütz und der damit verbundene Unterricht in der Ballistik, der artilleristischen Wissenschaft. Er begann mit dem Geschützexerzieren, wie das Einlernen der Verrichtungen der einzelnen Kanoniere genannt wurde. Fünf Kanoniere gehörten zu einer Geschützbedienung. Jeder mußte auch die Funktionen des anderen beherrschen, und deswegen gab es beim artilleristischen Dienst in der Reitenden Abteilung kein Nachgeben gegenüber einer laschen Dienstauffassung. Hier wurde gedrillt, was die Stoppuhr hergab. Die Kanoniere flogen nur so um ihr Geschütz, und was am Anfang hart für den Neuling war, wendete er später mit schlafwandlerischer Sicherheit an. Die höchste und ehrenvollste Funktion, zu der ein Kanonier aufsteigen konnte, war der Richtkanonier, der Mann, der wesentlich zum sicheren Schießen der Batterie beitragen konnte. Deswegen wurden zu dieser Funktion auch nur die besten Kanoniere herangezogen, und ihrer Ausbildung widmete sich die Abteilung besonders intensiv. Die 1. (reitende) Batterie der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 darf sich rühmen, dem damaligen Befehlshaber im Wehrkreis I, General v. Brau-chitsch, der selbst Artillerist war, und dem man daher bei solchen Anlässen keinen »Türken« vorsetzen konnte, bei einer Winterabschlußbesichtigung den »besten Richtkanonier aller Zeiten« vorgestellt zu haben. Es war der Gefreite und Offiziersanwärter Wätjen, der eine indirekte Richtung mit Festlegen in einer unwahrscheinlich kurzen Zeit »hingelegt« hatte. Der Kommandierende General überprüfte persönlich die Einstellung am Geschütz und war so beeindruckt, daß er sein Portemonnaie zückte, dem Gefreiten 50 Pfennig gab und dazu sagte, daß dies die beste indirekte Richtung gewesen sei, die er bisher gesehen habe. Der Gefreite dürfe später, wenn er selbst einmal Richtkanoniere ausbilde, seinen Männern erzählen, daß er für eine Meisterleistung auf diesem Gebiet einmal von seinem General 50 Pfennig bekommen habe. Die Besichtigung war gelaufen. Der Abteilungskommandeur hatte den Worten des Generals nichts mehr hinzuzufügen. Der Batteriechef wuchs um 10 cm, und der Spieß bekam eine noch dickere Brust und grinste. Diese Episode soll nicht zu beweisen versuchen, daß die Reitende Artillerie-Abteilung 1 die besten Richtkanoniere der Wehrmacht hatte. Sicher hat es unter den Kameraden anderer Regimenter ebensolche Könner gegeben. Aber wenn ein so prominenter Zeuge zitiert werden kann, so ist das ein Beweis dafür, daß die Ausbildung der Richtkanoniere auf dem richtigen Wege war. Schon während des Geschützexerzierens auf dem Kasernenhof wurden alle sich bietenden Gelegenheiten zu Übungszwecken genutzt. Da wurde der plötzlich auftauchende Batteriechef als angreifende Infanterie beschossen; ein Radfahrer stellte einen feindlichen Panzer dar; der aus dem Schreibstubenfenster blickende Hauptwachtmeister wurde als feindliche Beobachtungsstelle mit einigen wohlgezielten Schüssen vernichtet. . ., man war unerschöpflich in der Erfindung neuer Gefechtslagen. Der Fortschritt der artilleristischen Ausbildung wurde vom Leutnant mit der Stoppuhr gemessen, und es gab Gelegenheit, hier und da noch eine Zehntelsekunde herauszuschinden.
Nicht nur die exerziermäßige Beherrschung des Geschützes wurde den Kanonieren beigebracht, auch in der Ballistik wurden sie unterrichtet. Da war es die imaginäre Flugbahn des Geschosses durch die Luft, die anfänglich allen Jüngern der Barbara Kopfzerbrechen bereitete. Nicht alle hatten ein so großes Vorstellungsvermögen, daß sie sich eine Flugbahn ohne Anschauungsmaterial vor Augen führen konnten. Beim ersten Scharfschießen jedoch, wenn er genau hinter dem Lafettenschwanz des Geschützes stand, begriff auch der harmloseste Kanonier, was die Flugbahn war. Er sah dann tatsächlich das Geschoß, das beim Schuß aus dem Rohr sauste, denselben Weg durch die Luft beschreiben, den ihm der Unteroffizier so oft an der Wandtafel vorgemalt hatte. Die Unteroffiziere drangen etwas tiefer in die artilleristische Wissenschaft ein. Die Schußtafel wurde zum Brevier für sie. Keine Seite dieses handlichen Buches im Kleinformat barg letzlich noch ein Geheimnis für einen Unteroffizier der Reitenden Abteilung. In den Unterrichtsräumen standen Sandkästen, an denen die Batteriechefs ihre »Lagen« erfanden. Jeder Unteroffizier wurde als Schießender eingeteilt. Übung macht den Meister, und wenn anfänglich statt der gewünschten Gabel nur ein Löffel geschossen wurde, ging das noch mit einer Zigarre zu reparieren. Später jedoch wurde der Chef grantig, wenn nicht bereits der fünfte Schuß im Ziel saß. Von unschätzbarem Wert waren für die reitende Artillerie die Nachrichtenleute. Da sie wie der Teufel am Gegner war, brauchte sie stets sofort funktionierende Nachrichtenverbindungen. Die Fernsprecher und Funker wurden meistens in der Stille ausgebildet. Nur zuverlässige Leute mit eiserner Ruhe waren für den Nachrichtendienst zu verwenden. Ihr ganz besonderes Augenmerk richtete die Reitende Abteilung auf die Heranbildung eines guten Unteroffiziernachwuchses. Die Kapitulanten wurden alljährlich in einer Unteroffizier-Lehrabteilung, kurz »ULA« genannt, zusammengefaßt und ein Vierteljahr speziell ausgebildet. Vor allem wurden sie zu guten Artilleristen erzogen, die ihre Waffe gründlich kannten, und dabei wurde ihnen nichts geschenkt. Allein acht Unteroffiziere sind später Offiziere im Regiment geworden. Die Unteroffizierausbildung wurde sogar im Krieg fortgesetzt, wo und wann immer sich dazu Gelegenheit bot. Auch ein gutes Reserveoffizierkorps bildete sich die Abteilung heran. Nicht wenige Offiziere des späteren Regiments hatten vorher bei einer der Batterien ihre aktive Dienstzeit oder mehrere Reserveübungen abgeleistet. Während des Winterhalbjahrs gab es keine geschlossene Mittagspause. Es lag an der Reitausbildung. Die Reitbahnen mußten durchgehend benutzt werden, sonst kamen die Batterien nicht mit dem Reitunterricht durch. Die zerrissene Mittagspause störte jedoch nicht sonderlich. Hauptsache, das Essen war gut und reichlich. Auch Abwechslung sollte im Speiseplan sein. Würde man die Kanoniere gefragt haben, ob ihnen das Essen immer gefalle, hätte sich nicht in allen Fällen immer Zustimmung ergeben. Einer mag keinen Fisch, der andere keine Milchsuppen. Dieser ist ein Vielfraß, jener braucht nur wenig. Aber in der Gemeinschaft hat auch mancher etwas essen gelernt, was er sonst nicht mochte. Die Verpflegung war
kräftig. Anfängliche Gewichtsverluste bei den Rekruten waren ausbildungsbedingt und wurden bald wieder aufgeholt. Ja, mancher nahm sogar zu und bekam einen sogenannten »Schwulstkopf«. * Hier muß ich eine Episode erzählen, die mit der Verpflegung der Reitenden Abteilung zusammenhing und die der Tragikomik nicht ganz entbehrt. Es war an einem Sonntagabend. In der Insterburger Stadthalle war Tanz, zu dem sich auch viele unserer Kameraden einfanden. Im Lauf des Abends bemächtigte sich der reitenden Artilleristen eine seltsame Unruhe. Mitten im Tanz ließen sie ihre Mädchen stehen und rannten aus dem Saal, ja sie flitzten sogar, alle in Richtung »Für Herren«. Höchst seltsam! Bei einem solchen Massenandrang fanden dort natürlich nicht alle einen Sitzplatz. Auch energisches Türenhämmern und fürchterliche Drohungen nützten gar nichts, denn wo ist der Egoismus krasser, als an einem solchen Ort. Den Bedrängten blieb nur der schnelle Weg in den Garten oder in die Anlagen des Gawehnschen Teiches. Hier erwies es sich, daß sich das Geschützexerzieren nach der Stoppuhr gelohnt hatte. In unwahrscheinlich kurzer Zeit waren zahlreiche Batterien abgeprotzt und feuerbereit. Das ging so den ganzen Abend über und war für den stillen Betrachter sehr belustigend. Nicht aber für die Beteiligten. Blaß und hohlwangig kamen sie aus ihren »Feuerstellungen« hervor, zahlten und ließen Mädchen Mädchen sein. Traurig lenkten sie ihre Schritte der Kaserne zu. Dort war es ebenso rege wie in der Stadthalle. Dürftig bekleidete Kameraden sausten über Korridore und Treppen. Manche ereichten den »Olymp« nicht mehr, auf halbem Wege fuhr der Teufel in sie oder aus ihnen, und noch dürftiger bekleidet schleppten sie sich wieder die Treppen hinauf. Viele blieben auch gleich unter der Waschanlage stehen, von furchtbaren Leibschmerzen geplagt. Was war los? Der Pudding vom Mittag war es! Er war bereits am Sonnabend gekocht worden und hatte eine Nacht lang in Zinkschüsseln in der Küche gestanden. Dabei hatte sich Bleizucker gebildet, der bei den Soldaten zu den Vergiftungserscheinungen geführt hatte. Glücklicherweise nahm niemand größeren Schaden, aber der Küchenunteroffizier paßte für eine Weile in keinen Anzug, so hatte ihn der Kommandeur zusammengefaltet. * Am Schluß der Winterausbildung stand die große Besichtigung, bei der Lob und Tadel verteilt wurden. Danach änderte sich der Dienstplan der Abteilung entscheidend. Der Einzelausbildung folgte die Ausbildung im Verband. Sie begann mit den Gespannübungen. Eine neue Generation von Gespannreitern fing als »Bracko« an. So wurde der mittlere der drei Gespannreiter vor dem Geschütz oder den anderen Fahrzeugen der Batterie genannt. Er ritt vor der Vorderbracke her, die den Vorspann der Mittel- und Vorderpferde ermöglicht. Seine Stellung innerhalb des Gespanns war nicht leicht. Am Bracko war immer etwas auszusetzen, sei es, daß seine Pferde über die Zugtaue geraten waren, oder daß er dem Stangenreiter die
Deichsel wegzog, wenn dieser eine Wendung auszufahren hatte. Erst wenn Bracko alle Höhen und Tiefen seines Daseins ausgekostet hatte, konnte er Vorder- oder gar Stangenreiter werden. Zu den Gespannübungen zählten auch die gelegentlichen Paraden, die auf dem Exerzierplatz geritten wurden. Alljährlich im April fand eine solche statt. Entlang der Karalener Chaussee defilierten zuerst die Infanteristen vom Infanterie-Regiment 43, ab 1936 gefolgt von der Luftwaffe. Dann zogen die 37er mit ihren herrlichen Ermländer Kaltblütern sowie die Nachrichten-Abteilung 1 über das Paradefeld. Danach kam eine Weile gar nichts, damit das Feld für die Reiterei frei wurde. Im Galopp kamen jetzt das Reiter-Regiment 1 und die Reitende Artillerie-Abteilung 1 angebraust. Dabei mußten die Gespannreiter und die Kanoniere gut aufpassen, daß sie auch in einer Paradelinie blieben. 1937 durfte nur noch Trab geritten werden, 1938 sogar — o Schande! — nur noch Schritt. Für 1939 hatte man sarkastisch vorausgesagt, daß man absitzen und den General um die Erlaubnis bitten würde, mit den Pferden an der Hand an ihm vorbeiziehen zu dürfen. Die letzte Parade im Galopp wurde 1937 in Arys vor dem Kommandeur der Brigade, Generalmajor v. Mackensen, geritten. Man wollte ihm zeigen, daß man es noch konnte. Nach einigen Wochen Gespann- und Fahrübungen ging man zu den Gefechtsübungen über. Es wurde in Feuerstellungen geritten; der Batterietrupp trat in Funktion, Protzen- und Handpferdeabmärsche wurden exerziert, und die Nachrichtenleute legten Drahtverbindungen und funkten mit di-da-di-ditt. Zuerst blieb man noch auf dem Exerzierplatz, später aber zog es die Batterien in die nähere und weitere Umgebung der Stadt. Der Höhepunkt der Ausbildung war im Sommer erreicht, wenn die Abteilung auf den Schießplatz ging. In Ostpreußen gab es zwei von ihnen, Arys im Südosten des Landes im Kreis Johannisburg, und Stablack bei Preußisch Eylau. Schießplatz bedeutet Lagerleben. Truppenübungsplätze waren im allgemeinen bei den Soldaten nicht beliebt. Dort mußte mancher Schweißtropfen fließen. Es gab keinen geregelten Dienst mehr wie in der Garnison. Die Nacht wurde zum Tag und der Tag zur Nacht. Das war auch in Stablack und Arys nicht anders, als auf den anderen Übungsplätzen des Reiches. Was aber gerade Arys so reizvoll machte, war seine herrliche Landschaft, Masuren. Am Rand der Johannisburger Heide, inmitten blauer Seen und dunkler Wälder, lag diese kleine Stadt, in die wohl jeder ostpreußische Soldat einmal in seinem Leben gekommen ist. Wie gern schwammen die Soldaten nach heißen Tagen durch den schimmernden, kristallklaren Arys-See, den auch die Pferde sehr schätzten. Auch draußen in Schlagakrug, dem südlichen Lager des Platzes Arys, war es wunderbar. Zum Baden ging es an den Kempnio-See, wobei man durch herrliche Wälder wanderte, in denen Blaubeeren und Walderdbeeren ohne Zahl reiften. Schlagakrug wurde 1936 von der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 eingeweiht. Sic war die erste Belegung dieses neuen Lagers und wurde von der ansässigen Bevölkerung herzlich begrüßt. Die Einweihung des Lagers Schlagakrug wurde an einem Sonntagvormittag feierlich mit einem Feldgottesdienst begangen. Mit der Reiten
den Abteilung standen in einem großen Viereck am Waldrand unmittelbar an der Straße nach Johannisburg das Reiter-Regiment 1 aus Insterburg, das Reiter-Regiment 2 aus Angerburg, das Kavallerie-Regiment 4 aus Allenstein und die Radfahr-Abteilung 1 aus Tilsit. Eine Ordonnanz war mit dem Fahrrad an die Straße geschickt worden, um die Ankunft des Generals und des Pfarrers zu melden. Das geschah auf ziemlich eindrucksvolle Weise. Der Meldefahrer kam mit seinem Fahrrad angeflitzt, um sein »Maldung« anzubringen. Quer durch die Heide und das Viereck steuerte er auf den rangältesten Offizier zu. Nun hatte heimtückisch unter dem Heidekraut versteckt ein Karnickel sein Loch gegraben. In diesem verschwand das Vorderrad des Melders, der infolge des Beharrungsvermögens in der Bewegung eine beinahe klassische Kurve über den Lenker seines Rades hinweg beschrieb und bäuchlings vor dem Obristen landete. Der ganze Verein brach in lautes Lachen aus, und dann konnte der Feldgottesdienst beginnen. Es gab in Arys aber auch Tage, an denen man nichts zu lachen hatte, dann nämlich, wenn es zum Schießen hinausging. Vorher wurde stets eine Gefechtslage durchgeübt, zu der weite Anmarschwege zurückgelegt wurden. Deswegen ritt man auch bereits in der Nacht los. Nach mehreren Stellungswechseln war man beim Morgengrauen in der richtigen Schießbahn angelangt. Pünktlich auf die Sekunde verließen die ersten Schüsse die Rohre. Alles, was in einem langen Jahr geübt und gelernt worden war, sollte jetzt in der Praxis angewendet werden. Von jedem wurde ganzer Einsatz verlangt. Mindestens dreimal mußten die Batterien scharf schießen, davon einmal mit Brisanzmunition, also unter kriegsmäßigen Verhältnissen. Nach dem Besichtigungsschießen gab es den langersehnten Urlaub. Nicht alle Soldaten zugleich konnten ihn antreten, denn die Pferde wollten versorgt sein. In der Zeit zwischen Schießplatz und den Manövern jedoch kam jeder zu seinem Recht. Froh packte er seine Koffer und sagte der Kaserne und den Kameraden für einige Zeit Lebewohl. Die Niedersachsen hatten einen weiten Weg zurück ins Heimatland, 1000 km oder 13 Stunden mit der Eisenbahn! Diese Fahrt war jedesmal interessant, weil es durch den Polnischen Korridor ging. Viele Kameraden wählten auch den Weg durch die Ostsee mit dem »Seedienst Ostpreußen«. Wegen der unruhigen Danziger Bucht aber war dieser Heimweg nicht ganz so beliebt wie die Bahnfahrt. Im August fingen die Manöver an. Da wurde es im Land lebendig. Überall marschierten, ritten oder fuhren Regimenter, Divisionen und sonstige Kampfverbände, hie rote Partei, da blaue. Wohl keine Truppe ist dabei so weit im Land herumgekommen wie die 1. Kavallerie-Brigade. Es gab kaum eine Stadt und selten ein Dorf, durch die ihre Verbände nicht irgendwann einmal geritten wären, kaum einen See oder einen Fluß, in denen sie nicht ihre Pferde getränkt hätten. Welche landschaftliche Schönheit blieb dabei letztlich noch verborgen? Bei vielen Bewohnern des Landes war man einquartiert. Es gab reiche und arme unter ihnen, und gerade bei den wenig begüterten Bewohnern Masurens hat es den Kanonieren immer gut gefallen. Was sie gaben, gaben sie von Herzen gern. Nie ist ein Soldat bei ihnen hungrig geblieben. Die Herzlichkeit den einquartierten Soldaten gegenüber war in Ostpreußen allgemein. Sie war historisch bedingt.
Viele Quartierwirte hatten für die zu erwartenden Soldaten extra geschlachtet. Manchmal ergaben sich auch plötzliche Einquartierungen, und die Frau des Hauses war in schrecklicher Verlegenheit, wenn sie nicht wußte, was sie den hungrigen Vaterlandsverteidigern vorsetzen könne. Bratklopse mit Schmandsoße haben die Soldaten immer zufrieden gestimmt. Für die freundliche Bewirtung sang man, wo sich dazu die Gelegenheit bot, stets dankbar den Gastgebern einige Lieder vor. Nun wurde während der Manöver nicht nur gegessen und getrunken. Gelegentlich schlug man sich auch mit dem Manöverfeind herum. Es gab Tage, an denen man gar nicht zum Essen kam. Es wurde geritten und geritten, ob es Tag war oder Nacht, ob die Sonne brannte oder Regen die Männer aufweichte. Die Reiterei mußte überall sein. Was waren schon 60 Kilometer oder 70? Eine Übung fing in der Gegend um Ragnit an, führte in drei Tagen bis Angerburg und endete auf dem Gut Tarputschen. Eine andere Begann bei Prostken und brachte die Brigade bis Heilsberg und wieder zurück. Nach den Brigademanövern war noch bei den Korpsmanövern eine Aufgabe zu erfüllen. So war man froh, wenn von den Hügeln des Landes der Ruf der Signaltrompete »Das Ganze — Halt!« erschallte. Es ging heim! Wer war darüber froher als die Kanoniere, die nach erfüllter Wehrpflicht als Reservisten entlassen werden sollten? Die Reservisten wurden in jedem Jahr mit einem Batteriefest in der Stadthalle verabschiedet. Es gab stets ein volles Haus, denn den Gästen wurde immer ein buntes ünterhaltungsprogramm geboten. Einmal war es eine Turnriege am Barren und auf der Bodenmatte, dann ein Zauberkünstler; ein garantiert echter Pregelkosa-kenchor sang in Originalkostümen; ein Boxkampf Schwarz gegen Weiß wurde ausgetragen, an dessen Ende der Bühnenmeister einen Tobsuchtsanfall bekam, weil die Bühne und die Umkleideräume auch etwas abgekriegt hatten; dann stand »Satan« als Komparse für ein in ostpreußischer Mundart verfaßtes Gedicht auf der Bühne, oder es trabten die »blauen Dragoner« auf Steckenpferden mit scheppernden Ordensschnallen aus Schuhcremeschachteln in den Saal. Alle Rollen waren selbst geschrieben, alle Requisiten selbst gefertigt. Der herzliche Beifall der Gäste gab den Initiatoren stets Mut für kommende Jahre. Der anschließende Ball dauerte bis in die frühen Morgenstunden, und der Batteriechef hatte großzügig bis zum Mittag dienstfrei befohlen. In den folgenden Tagen wurden die Reservisten ausgekleidet. Mit dem Reservestock und der Reserveflasche verließen sie, dem zivilen Leben wiedergegeben, die Kaserne, froh, daß sie dem militärischen Zwang entronnen waren. Jedoch waren sie auch reicher an Erfahrung geworden, und alle nahmen das Erlebnis der Kameradschaft mit sich. Mancher Groll, heimlich aufgestaut, verflog, wenn die Kaserne verlassen war. Mit den Jahren wich er einer guten Erinnerung an die Zeit in Uniform. Bis zum Eintreffen der neuen Rekuten Anfang November kehrte die »Saure-Gurken-Zeit« in der Kaserne ein. Man stellte sich wieder auf die Winterausbildung um. Am meisten hatten in dieser Zeit die Kammerunteroffiziere zu tun. In der Bekleidungskammer lagen Berge von Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken der eben entlassenen Reservisten. In den Regalen lagerte bereits die neue Bekleidung für die
Rekruten. Es gab jetzt keine Langeweile. Auch in der Geschirr- und Gerätekammer war nicht über Arbeitsmangel zu klagen. Sämtliche Zuggeschirre des Sommers und alle Handsättel wurden gesäubert, eingefettet und bis zum nächsten Frühjahreingelagert. Feuerwerker und Waffenmeister befaßten sich mit der Rohraufnahme, der Generaldurchsicht aller Geschütze und Fahrzeuge. Die der Batterie noch verbliebenen Mannschaften stellten die Pferde im Stall wieder um. Der Winter konnte kommen. In diese Zeit fiel auch der Beginn der Reitjagden hinter der Meute, die den Reitersmann für viele Mühsal des Jahres entschädigten. Eine Jagd mitreiten zu dürfen war eine Ehre, die jeder reitende Artillerist zu erlangen suchte. Wer je hinter der Meute ritt, den überkam es einfach. Im Überfliegen der Gräben, Hecken und Zäune, im Gleichklang zwischen reiterlichem Mut und der Freude seines Pferdes an der Bewegung und der Weite wurde es ihm so leicht, daß er glaubte, höher könne ein Glücksgefühl niemanden tragen. Wie hieß es doch? »Wer nie im hellen Morgenlicht Auf schnellem, leicht gehuften Pferde Die Welt durchmaß, der kennt sie nicht, Die Wonne dieser Erde!« Die Umgebung Insterburgs bot ein ideales Jagdgelände an. Da waren die Althöfer Wiesen entlang dem Pregel; da gab es die schöne Exerzierplatzjagd, und nicht zuletzt sei die 6 km lange Jagd, die von Pagelienen aus durch die Georgenburger Feldmark führte, genannt. Sie wurde meist als Hubertusjagd geritten und endete auf dem Standortexerzierplatz, wo Halali geblasen wurde. Schon das äußere Bild einer Reitjagd war selbst für den unbeteiligten Betrachter höchst anziehend. Vorneweg streifte die gefleckte Meute der Parforcehunde, von zwei Pikören mit langen Hetzpeitschen zusammengehalten. Es folgten die Hifthornbläser und das Trompeterkorps. Danach kam die Jagdgesellschaft im bunten Durcheinander der roten und schwarzen Reitröcke und der Uniformen. Sie wurde vom Jagdherrn, meist der Kommandeur des veranstaltenden Truppenteils, angeführt. Die Kavalkade ritt mit Trompetengeschmetter und Hörnerschall zum Stelldichein. Dort traf der Jagdherr seine Anordnungen, ließ »Aufbruch zur Jagd« blasen, und mit »Gute Jagd« ging es über die Felder. Die Jagden verliefen im allgemeinen ohne Komplikationen, wenn auch nicht immer ohne Stürze. Wohl jeder Reiter ist einmal bei einer Jagd aus dem Sattel gekommen und hat mit Mutter Erde Bekanntschaft gemacht. Es gab dabei auch Knochenbrüche bei Mensch und Tier. Die wohl schwerste Jagd im ganzen Deutschen Reich war die »v.d. Goltz-Querfeldein« in Trakehnen. Dort kamen gelegentlich schwere Reitjagdunfälle vor, aber gerade diese Jagd war weit und breit beliebt. Da die Reitjagden erwähnt wurden, muß auch von den Insterburger Turnieren gesprochen werden, die auf dem großen Turnier- und Rennplatz an der Angerapp stattfanden. Die Offiziere der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 waren achtbare Könner im Sattel, die manchen schönen Sieg errangen. Von Hauptmann v. Nostitz-Wallwitz und Hauptmann Viebig, den beiden Chefs der 1. (reitenden) Batterie, war schon die Rede.
Einer der bekanntesten ostpreußischen Turnierreiter wurde Hauptmann Nelke, der Chef der 2. (reitenden) Batterie. Die Siege, die Nelke allein auf seinem Pferd Monnhott nach Hause geritten hat, sind unvergessen. Und die beiden, Hauptmann Nelke und Monnhott, haben sich eine Treue gehalten, die man wohl einmalig nennen kann. Monnhott brach sich beim Turnier in Zoppott den linken Fuß im Vorderfußwurzelgelenk. So etwas ist für ein Pferd das Todesurteil, weil nicht damit zu rechnen ist, daß solch ein Bruch, weil ein Pferd ständig auf seinen Füßen stehen muß, wieder anheilt. Hauptmann Nelke ließ Monnhott von Danzig nach Insterburg zurückbringen. Dort behandelte ihn der Veterinäroffizier der Abteilung, Stabsveterinär Dr. Lossen. Monnhott kam, ähnlich wie damals Satan, in einen Hängegurt. Sein linkes Bein wurde in eine Pockholzröhre gestellt, nachdem es eingegipst worden war. Zwei Strohballen bekam Monnhott achtern als Stütze an die Wand gestellt, und was kein Mensch zu hoffen gewagt hatte, gelang: Monnhotts Bein heilte an. Lange, lange hat es gedauert, und er lahmte auch in der ersten Zeit stark. Nach allervorsichtigsten Versuchen ging es nachher immer besser, und auch das Lahmen verlor sich bald. Allerdings war es mit den Turnieren nun vorbei, aber das Leben dieses Pferdes, das seinem Reiter so viele, schöne Turniersiege geschenkt hatte, blieb erhalten. Treue gegen Treue. Auch die anderen beiden Pferde Hauptmann Nelkes, Neudeck und Libelle, sind auf den Turnierplätzen bekannt geworden. Seinen schönsten Sieg errang der nunmehrige Major Nelke 1939 auf dem letzten aller Turniere vor dem Krieg in Insterburg. Es war im Preis der Nationen, für den ein Wanderpreis, eine wunderschöne Bernsteinschale, gestiftet worden war. Im Jahr davor hatten ihn die hervorragend reitenden Polen nach Warschau entführt. 1939 war die polnische Mannschaft nicht zur Verteidigung des Preises angetreten. Die italienische führte mit wenig Fehlerpunkten, einem Ergebnis, das ohne Wunder von der zuletzt startenden deutschen Mannschaft nicht mehr zu unterbieten war. Letzter Reiter war Major Nelke, der dennoch das Wunder vollbrachte. Mit nur vier Fehlerpunkten bei beiden Pferden war er der beste Einzelreiter geblieben und gewann auch den Preis der Nationen für die deutsche Mannschaft. Man sah einen strahlenden Mann vom Platz reiten. Er hatte den größten Sieg seines Reiterlebens errungen. Daß es auch sein letzter sein sollte, ahnte von den vielen Zuschauern auf dem Turnierplatz niemand. Bei diesem Turnier wurde den Besuchern eine einmalige Augenweide geboten. Die weltberühmte Spanische Hofreitschule aus Wien, unter ihrem Leiter Oberst Pod-hajse führte ihre Lippizaner vor. Das herrliche Bild der schneeweißen Pferde und die vollendete Reitkunst der Akteure im Sattel wurden von den vielen, vielen Zuschauern mit Ovationen überschüttet und gehört mit zu den schönsten Erinnerungen an Insterburg und seinen Turnierplatz.
Stallung der 11. (reitenden) Batterie, 6. Preußisches Feldartillerie-Regiment in Verden (Aller). Die Batterie war Ursprungszelle der späteren Reitenden Artillerie-Abteilung 1 Insterburg Kasernengebäude der 1. (reitenden) Batterie, Reitende Artillerie-Abteilung 1, an der Artilleriestraße 214
Reiterkaserne (hinten links) in der Kasernenstraße, Stabsgebäude der 1. Kavallerie-Brigade (hinten rechts, dunkles Dach) an der Eisenbahnbrücke Insterburg-Tilsit, Ställe und Reitbahn der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 (vorn) Reitbahn (links) und Stall (rechts) des Abteilungs-Stabes: Gespann-Übung auf dem westlichen Exerzierplatz der Kaserne
Fahrübungen auf dem Standortexerzierplatz. Ein Geschütz hat sich festgefahren Reitabteilung »Alte Remonten« der 1. (reitenden) Batterie (am rechten Flügel Wachtmeister Heinz Meyer auf Rebell). 216
Leutnant Bartels, ein in Ostpreußen bekannter Rennreiter, Inhaber des Deutschen Reitabzeichens in Gold (das nur für Reitsiege verliehen wurde), übte mehrfach als Reserve-Offizier in der ULA-Ausbildung 1939: Besprechung der Ausbilder (von links: Leutnant Otto, die Wachtmeister Plate, Aulich, Meyer, Behrens »Reitenden« ULA-Ausbildung 1939: Infanteristischer Dienst (im Hintergrund der Stabs-Stall)
Hauptmann Ludwig Stubbendorf, der 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin auf Nurmi die Goldmedaille in der Military gewann, übernahm 1939 die 3. (reitende) Batterie. Er wurde im Januar 1940 als Major Kommandeur des 1./Reitenden Artillerie-Regiments 1 und fiel im Juli 1941 bei Stary Bychow am Dnjepr Offiziere der 2. (reitenden) Batterie 1939. Von links: Leutnant Otto, Leutnant Gleemann, Hauptmann Nelke 218
<?#JI Km •?WW Offiziere der Reitenden Artillerie-Abteilung 1: Kommandeur Major Holste (ganz links); Hauptmann Nelke, Chef der 2. (reitenden) Batterie (3. von rechts); Major Viebig, Chef der 1. Batterie (5. von rechts); Oberleutnant Bormann, Adjutant (6. von rechts); Hauptmann Zehe, Chef der 3. Batterie (8. von rechts) Die Standarten der berittenen Insterburger Truppenteile
Standortparade an der Karalener Chaussee: Eine Staffel der Aufklärungs-Gruppe 111 und der Kommandeur der 1. Infanterie-Division Standartengruppe der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 bei einer Standortparade 220
Kesselpauker des Trompeterkorps der Reitenden Artillerie-Abteilung 1, Paul Kober. Mil Ausnahme des Kesselpaukers war das Korps auf Schimmeln beritten
Die Reitende Artillerie-Abteilung 1 im Manöver: Rast auf dem Marktplatz von Angerapp (früher Darkehmen) Am Wadangsee südlich Alienstein im August 1939: Zur Schonung der Pferde wurde abgesessen marschiert
Pferdeschwemme in der Kamswyker Furt (1937/38) Ausrücken zu einer Gespannübung 1939: Die Feldküche der Stabseinheit vor der Wache der Kaserne
Auf dem Standortexerzierplatz Angerlinde (früher Pieragienen): Halali nach einer Reft-jagd der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 (links Obermusikmeister Glied) In »Satans« Roßgarten: Abwechslung in der kargen Freizeit 224
VI. TEIL Die Nachrichten-Abteilung 1 1936 - 1939 Von Oskar F. W. Schmidt

Die Nachrichten-Abteilung 1 (von außen betrachtet) In den gut drei Jahren, in denen die Nachrichten-Abteilung 1 in Insterburg als Divisions-Nachrichten-Abteilung in Garnison stand, hat sie mich immer gedanklich beschäftigt. Das lag daran, daß von den Neubauten, die an der Karalener Chaussee für diese Abteilung errichtet wurden, ein Kompaniegebäude von der Firma, bei der ich kaufmännisch tätig war, vollkommen mit der elektrischen Installation ausgestattet wurde. Die Insterburger Handwerksbetriebe konnten sich ab Mitte der dreißiger Jahre wirklich nicht über Auftragsmangel beklagen, denn Kasernen wurden dringend benötigt — und gebaut. Durch dieses Miteingespanntsein in der Auftragsausführung lernte ich alle Räume der Kaserne, vom Keller- bis zum Dachgeschoß, kennen. Ich erlebte somit ein Stück Vorgeschichte dieser Kompanie, ja, der ganzen Abteilung. Mein starkes, persönliches Interesse an der Nachrichten-Abteilung wurde dadurch schnell geweckt, und ich entschloß mich bald darauf, Freiwilliger dieser Truppe zu werden. Dann war es soweit: Die letzten Handwerker verließen die Kasernenblocks, die Zeitungen der Stadt kündigten den Einzug der neuen Truppe an. Während die Reitende Artillerie-Abteilung noch bei Nacht und Nebel, von Verden an der Aller kommend, 1934 ihre Unterkunft belegte (darüber berichtet Heinz Meyer in seiner direkten und humorvollen Art im Kapitel zuvor), wurde der Einzug der Nachrichten-Abteilung direkt ein »Stadtfest«. Der Alte Markt war zur Begrüßung festlich hergerichtet worden, und schon weit vor der angekündigten Zeit füllte die Bevölkerung Insterburgs die Bürgersteige um diesen Platz. Weil die Nachrichten-Abteilungen keine Trompeterkorps besaßen, wurde für diesen Tag die Musik von einer anderen Insterburger Einheit gestellt. Die Garnison hatte ja viel Militärmusik, da war es gar kein Problem, die richtige für eine besondere Gelegenheit bereitzustellen. Die Stunde des Einzugs war also gekommen. Von der Wilhelmstraße her ertönte Musik. Die Kolonnen rückten näher, schon hatten sie die Forche-Straße überquert. Das Trompeterkorps, mit dem Paukenpferd an der Spitze, wurde sichtbar. Als die Musik den Alten Markt erreichte, schwenkte sie in Richtung Königsberger Straße aus, um den Platz am rechten Flügel der Abteilung einzunehmen. Hinter der Musik ritten Kommandeur Major Stenzel (ab 1938 Oberstleutnant) und sein Adjutant. Dann folgten die Kompanien. Die Nachrichten-Abteilung 1 war eine teils bespannte, teils motorisierte Truppe. Wer nicht auf dem Gerätewagen saß, ritt ein Pferd oder fuhr mit dem Kraftfahrzeug. Das Fahren der pferdebespannten Gerätewagen wollte gelernt sein, besonders, wenn es hieß, an eine ganz bestimmte Stelle aufzufahren, und das wurde bei jenem festlichen Einzug gefordert. Wagen für Wagen, bespannte und Kraftfahr
zeuge, schwenkten vor der Tribüne ein und hielten. Es folgte die Meldung von Major Stenzel an den Divisions-Kommandeur Generalleutnant Schroth. Danach begrüßten der Kommandeur und die Stadtvertreter die Nachrichten-Abteilung 1. Für die allseits freundlichen Worte und die herzliche Anteilnahme der Bevölkerung dankte anschließend Major Stenzel. Nach der Nationalhymne fuhr die Abteilung über Mühlendamm, Theaterstraße und Pregeltor zur Karalener Chaussee, zu den neuen Kasernen. Dieser Einzug vollzog sich an einem sonnigen Frühlingstag: Es war der 12. Mai 1936. Die Bevölkerung freute sich offensichtlich über diesen nicht unbeträchtlichen Zuwachs an Soldaten in ihrer Stadt. Auch in Insterburg, wie überhaupt in Ostpreußen, sah man die Feldgrauen besonders gern. Mag sein, daß die Abtrennung der Provinz vom Reich, die die Siegermächte 1919 erzwangen, dazu beigetragen hat. Aber Grenzland zu sein, war das Schicksal Ostpreußens schon immer gewesen. Viele Soldaten stammten aus Königsberg, aus der Stadt, in der diese Truppe aufgestellt worden war, viele auch aus dem Rheinland. Die Rekruten, die im Herbst der Jahre 1936, 1937 und 1938 ihre Reise, laut Gestellungsbefehl, nach Insterburg antraten, hatten sich dort bald eingelebt, obwohl gerade die aus dem Rheinland stammenden mit Bangen in die sogenannte »kalte Heimat« aufgebrochen waren. Es ist nicht übertrieben: Manche Angehörigen dieser jungen Soldaten befürchteten damals das Schlimmste. Spätestens nach dem ersten Heimaturlaub waren diese Sorgen jedoch wie eine Seifenblase zerplatzt. In jenen Jahren wurde die neue Paradeuniform für alle Truppenteile eingeführt (auch Ausgehanzug oder Ausgehuniform genannt, siehe Seite 31). Die Waffenfarbe und die auf den beiden Schulterklappen eingestickten Nummern, gaben erst einmal überhaupt Aufschluß darüber, welcher Truppe der Soldat angehörte. Die Nachrichtentruppe führte zuerst die Farbe braun, dann mit Ausgabe der neuen Uniformen »zitronengeld«. An der Schirmmütze, am Waffenrock und an der Hose waren diese Farben sichtbar gemacht worden, und zwar durch Biesen (das waren etwa 2 mm breite farbige Tuchstreifen), die die Schirmmütze, den Waffenrock und die Hose zierten. Die Mütze war gleich dreimal damit versehen: Am unteren, mittleren und oberen Rand waren sie in die Nähte eingearbeitet worden. Beim Waffenrock erblickte man die Biesen als Abschluß der senkrechten Knopfleiste, als Umrandung der beiden Schulterklappen, zur Verzierung des Rockschlitzes und an der unteren Ärmelhälfte, oberhalb der dunkelgrünen Manschetten. Auch der Kragen des Waffenrocks war aus dunkelgrünem Tuch gearbeitet worden. Bei den Hosen waren die Biesen in die Außennähte der Hosenbeine mit eingearbeitet worden. Beim Kragen waren Spiegel in der Waffenfarbe, etwa in der Größe 5 x 2,5 cm, aufgesetzt worden. Diese Spiegel waren waagerecht in der Mitte noch von einer mit Silberfäden durchwirkten Litze geteilt worden. Die dunkelgrünen Manschetten trugen einen ähnlichen Schmuck. Die zwei gelben, nicht so breiten Tuchstreifen wie die Kragenspiegel waren zwar nicht geteilt, aber auch mit Silberfäden durch
wirkt. Am Beginn dieser Streifen war jeweils ein Metallknopf befestigt, der wie in Silberbronze getaucht aussah. Diese Knöpfe, an den Ärmeln, am Rockschlitz und an der Knopfleiste, brauchten, welch ein Glück, nicht geputzt zu werden. Bei der Beschreibung der Schirmmütze sei noch nachgeholt, daß die Farbe des Tuchs zwischen dem unteren und mittleren Rand auch dunkelgrün war. Durch diese Dekorationen hatten die »Architekten« der neuen Uniform eine attraktive militärische Bekleidung geschaffen. Nicht weniger dekorativ wurden die anderen Truppenteile ausgestattet. So war die Waffenfarbe der Infanterie weiß, die der Artillerie rot und die der Kavallerie goldgelb. Gleichmäßig jedoch waren die Grundtöne und der Schnitt der Uniformteile aller Waffengattungen. Der Waffenrock imponierte, eng anliegend, durch seine Farbe in hellgrün/grau, matt glänzend, die Hose, in etwas gröberem Tuch, paßte in der Farbe, die man allgemein mit feldgrau bezeichnete, hervorragend zur Farbe des Waffenrocks. Die Stoffqualität der Mütze und ihre Farbe glichen sich dem Rock an. Gewiß hatten die Schöpfer dieser militärischen Bekleidung bei den Hosen an Stoff gespart. Die Hosenbeine, unterhalb des Knies, waren gar zu eng geschnitten und wurden oft humorvoll sarkastisch als »Dr. Schlauchs Gesundheitshosen« von den Kameraden bezeichnet. Wer aber gute Beziehungen zum Kammer-Unteroffizier pflegte, erhielt auch eine Hose mit »mehr Schlag«. Der wirtschaftliche Gedanke wie auch der Schmuckeffekt hatten wohl damals bei der Konzipierung der neuen Uniform eine gleichermaßen große Rolle gespielt. Wenn der Soldat in Paradeuniform sich nämlich des Stahlhelms, der Patronentaschen, des Gewehrs und der Knobelbecher (so nannte man in Soldatenkreisen die kurzen Schaftstiefel) entledigte und dafür die blank gewienerten Schuhe anzog sowie die Schirmmütze aufsetzte, stand er, nach diesen wenigen Handgriffen, schon zum Ausgang bereit. Auch die bequem sitzende Feldbluse wurde seinerzeit eingeführt; sie löste den tailliert geschnittenen Waffenrock alten Stils ab, der besonders im Geländedienst dem Soldaten hinderlich war. Die Fliegertruppe trug nicht feldgrau, wie das Heer, sondern erhielt eine blaugraue Uniform. Aber auch dort unterschied man noch zusätzlich in Waffenfarben. War die Farbe der allgemeinen Fliegertruppe gelb, sah man in Insterburg noch die Angehörigen der Luftnachrichten-Kompanie mit der braunen Waffenfarbe. Die Farbe der Pioniere war schwarz. Oft hatte ich den Eindruck, daß die Nachrichten-Abteilung eine Elitetruppe sein wollte und es dann auch wurde. Besondere Anstrengungen führten sie auf diesen Stand, denn erst zu Beginn des Jahres 1936 wurde diese Abteilung aus der Nachrichten-Abteilung Königsberg gebildet. Gewiß, der Stamm der einzelnen Kompanien bestand aus erfahrenen Soldaten, aber das Gros setzte sich aus jungen Rekruten zusammen. Diese nun mit den »alten Hasen« zusammenzuschweißen und eine achtbare Truppe daraus zu machen, war der besondere Auftrag der Führung. Das Ziel konnte dank der Vorbildung, besonders der Unteroffiziere, erreicht werden.
Was ist schon ein guter Kompanie-Chef, ohne tüchtige Unterführer? Die Würdigung dieser Charge ist, so meine ich, bisher in allen Veröffentlichungen zu kurz gekommen. Mein Traum, Soldat der Nachrichten-Abteilung 1 zu werden, war ausgeträumt, als die Abteilung am 21. August 1939 Insterburg verließ und Richtung Süden zog, um an der »Tannenbergfeier«, wie es hieß, teilzunehmen. Diese Feier fiel bekanntlich aus: Am 1. September begann der Zweite Weltkrieg. Die Ausbildung fand — für mich aus unerklärlichen Gründen — nicht mehr in der neuen Kaserne in Insterburg, sondern bei der Nachrichten-Ersatzabteilung 1 in Königsberg statt.
. Kompanie Nachrichten-Abteilung 1 der 1. (ostpreußischen) Infanterie-Division in Insterburg 1938
Insterburg 1939: Die Garnisonsstadt an der Angerapp
VII. TEIL Der Fliegerhorst

Erinnerungen eines Flugzeugführers an Insterburg Von Paul Blös Insterburg! Wenn ich als Junge diesen Namen hörte, verknüpfte sich damit sofort der Gedanke an Ostpreußens weite Felder, die großen Wälder und die verträumten Seen. Irgendwie war für uns im »Reich« eine geheime Sehnsucht vorhanden, dieses für uns so ferne Ostpreußen kennenzulernen. Dreimal hatte ich dazu dann in späteren Jahren Gelegenheit, und viele Erinnerungen sind an diese Zeiten geknüpft. Die schönste habe ich mir nun schon über 40 Jahre erhalten: Meine Frau Hildegard, geb. Klee, aus der Wilhelmstraße, die schräg gegenüber Dünckel wohnte. Aber sie kam erst bei meinem dritten Aufenthalt in Insterburg »ins Bild«. Das erste Mal lernte ich die Stadt 1935 bei einer Radtour durch Ostpreußen kennen. Von Pillau kommend, wohin ich mit der »Tannenberg« des Seebäderdienstes Ostpreußen von Travemünde gefahren war, machte ich in Insterburg kurzen Aufenthalt. Nur der Markt mit der Lutherkirche ist mir von damals noch in Erinnerung. Auf der zum Pregel führenden Straße, ich glaube, es ist die Theaterstraße, habe ich Milch, Butter und Brötchen für zusammen kaum eine Reichsmark erstanden. Was waren das für Zeiten, wo man noch so billig leben konnte und so genügsam war. Vom Fliegerhorst habe ich damals noch nichts gesehen. Ich muß gestehen, es zog mich an die Seen und in die Johannisburger Heide. Das zweite Mal kam ich im Mai 1937 als Fähnrich und frischgebackener Flugzeugführer für einen Monat zur Aufklärungsgruppe 111 nach Insterburg. Nach dem fliegerischen Lehrgang sollten wir bei einem Verband erste fliegerische Erfahrungen sammeln. Die Gruppe war mit Heinkel 45 und 46 ausgerüstet. An Kommandeure und Staffelkapitäne kann ich mich nicht mehr erinnern, mein Fähnrichoffizier war der damalige Leutnant Schierk. Mit den genannten Flugzeugen haben wir in jenem Monat einen großen Teil Ostpreußens aus der Vogelperspektive kennengelernt. Für uns junge Flugzeugführer war es von Bedeutung, daß die Landschaft wenig künstliche und natürliche Hindernisse aufwies, und wir damit verhältnismäßig gefahrlos Tiefflug üben konnten. Der Horst war zu der Zeit noch nicht völlig ausgebaut, das Kasino z.B. war noch im Bau, das Freizeitleben spielte sich zum großen Teil in der Kantine Petereit ab. Von Petereits hübschen Töchtern schwärmte der halbe Fliegerhorst, was nicht heißt, daß wir den vielen anderen schönen Töchtern der Stadt keine Aufmerksamkeit widmeten. Aber in dieser kurzen Zeit, die mit Ausbildung fast völlig ausgefüllt war, hatten wir wenig Gelegenheit, die Stadt, ihre Umgebung und ihre Mädchen kennenzulernen. Das wurde bei meinem dritten und langjährigen Aufenthalt in Insterburg nachgeholt. Nach Aufstellung als Schlachtfliegergruppe in Tutow in Pommern verlegten wir mit Beginn des sogenannten »Sudetenfeldzugs« nach Brieg in Schlesien. Unsere Gruppe war mit der Henschel 123 ausgerüstet, einem Anderthalbdecker, der mit
seinem Bullenmotor einen fürchterlichen Krach machte, aber ganz hervorragende Flugeigenschaften besaß. Mit diesen Flugzeugen verlegten wir nach dem unblutigen Ausgang des »Sudetenfeldzugs« im Herbst 1938 von Brieg nach Insterburg. Das war damals nicht einfach. Ein Überfliegen des Polnischen Korridors war nur mit besonderer Genehmigung der polnischen Regierung möglich. Und über See konnten wir mit unseren dafür nicht ausgerüsteten Maschinen nicht fliegen. So mußten wir lange in Stolp in Pommern auf die Überfluggenehmigung warten. Am 18. November 1938 war es soweit. Mit dreißig Henschel 123 fielen wir in Insterburg ein, natürlich nicht ohne die Stadt durch einen Sturzflug mit heulenden Motoren zu begrüßen. Die Empfindungen der Insterburger waren bei dem Lärm, den wir vollbrachten, sicher zwiespältig, und in der unmittelbar am Platzrand des Fliegerhorst gelegenen Landesfrauenklinik soll es schon an diesem Tage durch unseren Sturzflug einige Frühgeburten gegeben haben, ein Geschehnis, für das wir während unserer Stationierung in Insterburg immer wieder verantwortlich gemacht wurden, ganz abgesehen davon, daß einige von uns an den Geburten an sich auch nicht ganz unschuldig waren. Unsere Bodenorganisation war bereits im Eisenbahntransport eingetroffen, so daß wir auf dem nun voll ausgebauten Horst sofort auf die für uns vorgesehenen Liegeplätze verteilt werden konnten. Die Hallen waren am Südrand des Platzes im Halbrund aufgebaut, nach Westen schloß sich die Werft an, während die Unterkünfte in lockerer Bauweise in den Wald hineingebaut waren. Der Stab zog in das rechte hinter der Wache gelegene Stabsgebäude ein. Dahinter befanden sich die Offiziersunterkünfte und das Kasino. Mit der Verlegung nach Insterburg wurde unsere Gruppe, bis dahin Schlachtfliegergruppe, in I./Sturzkampfgeschwader 1 umbenannt und dem Luftwaffenkommando Ostpreußen in Königsberg unterstellt. Kommandeur unserer Gruppe war Major Rentsch, Staffelkapitäne und Kompaniechefs waren Hauptmann Hozzel sowie die Oberleutnante Dilley, Biermann, Kuhlmey (gebürtiger Insterburger) und Pabst. Nach kurzer Zeit fing der Ausbildungsbetrieb an, waren wir doch seit unserer Aufstellung in Tutow noch nicht richtig zur Ruhe gekommen und hatten viel nachzuholen. Der tägliche Dienstbetrieb umfaßte für uns Flugzeugführer Verbandsflug in der Rotte, der Kette oder der Staffel, oder, als Krönung, in der ganzen Gruppe. Außerdem standen Schießübungen vor der samländischen Küste auf Luftziele und Bombenwerfen auf dem Programm. Unser Bombenabwurfplatz war eine Lichtung im Forst Kranichbruch. Der Boden dort muß noch heute mit Zementbomben ausgefüllt sein. Am schönsten waren Tiefflugübungen, die uns über die großen und kleinen ostpreußischen Seen führten und bei denen uns die ganze Schönheit der Landschaft bewußt wurde. Wir flogen ja nicht mit Überschallgeschwindigkeit, sondern mit für heutige Verhältnisse ganz müden Vögeln, die den Vorteil hatten, daß sie robust waren und bei vorkommenden Notlandungen, wofür die ostpreußische Weite genug Platz bot, wenig Schaden nahmen. Die umliegenden Heerestruppenteile forderten uns gelegentlich zu simulierten Tieffliegerangriffen auf marschierende
Truppenteile an. Nachdem aber bei einem solchen Angriff, der mit aufheulendem Motor überraschend hinter einem Waldstück durchgeführt wurde, fast sämtliche Pferde einer bespannten Einheit scheuten oder durchgingen, wurden diese Anforderungen merklich geringer. Die Ausbildung bezog sich nicht nur auf’s Fliegen. Das technische Personal, zum großen Teil neu zur Gruppe versetzt, wurde laufend weitergebildet. Insbesondere die im Frühjahr 1939 anlaufende Umrüstung auf Ju 87 erforderte viel Arbeit und Einfühlungsvermögen in das neue Waffensystem. Daneben wurde, wie damals für alle Soldaten, auch für uns sogenannte Schlipssoldaten der militärische Drill, besser gesagt, die infanteristische Ausbildung, weitergeführt, wobei besonders das Schießen mit den leichten Infanteriewaffen zu den beliebtesten Ausbildungsbereichen gehörte. Für uns Flugzeugführer war außerdem das wegen der Stärkung der Reaktionsfähigkeit durchzuführende Tontaubenschießen eine willkommene Abwechslung. Das gesellschaftliche Leben kam auch nicht zu kurz. Allerdings beschränkte es sich, abgesehen von einigen Besuchen in Cafe’s oder Speiselokalen, zum Beispiel Cafe Wien, Cafe Dünckel oder Ratskeller, anfänglich nur auf den Kasinobetrieb. Dabei hatten wir ausreichend Gelegenheit, die verschiedenen ostpreußischen Spezialitäten wie Bärenfang, Pillkaller, Nikolaschka, Machandel mit Pflaume, Blutgericht und ähnliches kennenzulernen. Bald aber wurde aktiv am Gesellschaftsleben der Stadt teilgenommen, wurden wir doch zu allen großen Bällen eingeladen. Zu den übrigen Truppenteilen der Garnison hatten wir wenig Verbindung mit Ausnahme zu der Reitenden Abteilung, deren Angehörige gerngesehene Gäste bei uns auf dem Fliegerhorst waren, während wir umgekehrt häufig in ihrem Kasino zu Besuch weilten. An zwei Namen kann ich mich noch aus dieser Zeit erinnern, es sind die Herren Aldinger und Baukus. Nachdem wir kurz nach Neujahr unseren ersten großen Ball gegeben hatten, verödete das Kasino an den Abenden mehr und mehr, denn nun waren die Beziehungen zu den Insterburgern geknüpft, von uns jungen Leuten natürlich insbesondere zur Insterburger Damenwelt. Wir brauchten nun nicht mehr solo zu den Veranstaltungen zu gehen, und manche dieser damals geknüpften Bande haben, wie bei mir, Krieg und Nachkrieg überstanden. Es sind wohl auch unsere damaligen Freundinnen gewesen, die uns veranlaßt haben, die schöne Umgebung Insterburgs zu erforschen, zuerst nur die nähere Umgebung, den Eichwalder Forst, Luxemburg, Piera-gienen und andere schöne Stätten, später auch die weitere Umgebung, insbesondere die schönen Seen. Wir besuchten Angerapp, Lyck, Lötzen, die Johannisburger Heide, Rominten, und an schönen Tagen zog es uns zu den weltbekannten Ostseebädern Cranz und Rauschen, um von dort auch einmal einen Abstecher auf die Nehrung nach Rossitten zu unternehmen. Übungsflüge führten uns nach Allen-stein, Elbing, Tilsit und am Tag der Rückkehr des Memellands nach Memel. Wir haben das Land und seine gastfreundliche Bevölkerung in der kurzen Zeit bis zum Kriegsausbruch kennen und lieben gelernt. Geblieben ist die Erinnerung an diese schöne unbeschwerte Zeit, die wir, soweit wir noch am Leben sind, nicht vergessen werden.
Das Sturzkampf-Flugzeug Ju 87 Von Kurt Kuhlmey Die I. Gruppe des Sturzkampfgeschwaders 1 wurde im Frühjahr 1939 mit der Ju 87 ausgerüstet. Das Flugzeug war ein Zweisitzer, besetzt mit Flugzeugführer und Bordfunker. Letzterer war gleichzeitig Heckschütze. Die Maschine erhielt als Triebwerk den Jumo 221 mit etwa 1200 PS Leistung. Die Reisegeschwindigkeit betrug, je nach Zuladung, rund 250 km/h. Unter dem Rumpf konnte eine Bombe bis 1000 Kilo angebracht werden, dazu noch unter den Tragflächen links und rechts je 2 Bomben ä 50 Kilo oder beim Baumuster Ju 87 R je ein Zusatztank. Die Flugdauer betrug mit Zusatztanks fast 4 Stunden. Die Bewaffnung bestand bei der Ju 87 R aus zwei starren MG in den Flächen nach vorn und aus einem MG für den Heckschützen.
Luftwaffenmusiker mit Hindernissen Von Wilhelm Lindorf Nachdem ich die Musikschule in Wehlau im Juni 1935 mit Erfolg absolviert hatte, zog es meine Mitschüler und mich zur Luftwaffe hin. Und so meldeten wir uns, sechs an der Zahl, als längerdienende Freiwillige zu dieser neuen Waffengattung. Wir staunten nicht schlecht, als der Einberufungsbefehl im August 1936 uns darauf hinwies, daß wir uns bei der 4. Kompanie des Infanterie-Regiments 43 zu melden hätten, was damit begründet wurde, daß die Kaserenen für die Luftwaffe an der Nordenburger Straße noch nicht fertig seien. Mehr oder weniger bedripst standen wir also mit unseren Persilkartons in der Infanterie-Kaserne und fielen aus allen Wolken, als wir uns plötzlich in einer ganz anderen Gangart, als gewohnt, bewegen mußten. Das »Marsch — Marsch« war das am meisten gehörte Kommando. Nach erfolgter Einkleidung hieß es »raustreten«, in feldmarschmäßiger Ausrüstung, und »antreten in Linie zu drei Gliedern!« (In dieser Formation haben wir uns dann fast immer bewegt.) Nach dem Kommando: »Richt Euch«, ertönte das »Augen gerade aus« und anschließend das Kommando: »Zur Meldung an Herrn Hauptmann — Augen rechts!« Klappen tat’s wohl nicht, aber Hauptmann Linde — übrigens ein Pfundskerl — sprach nach seinem »Rührt Euch« zu uns Rekruten (nicht Soldaten). Dann ging der für uns noch unbekannte Tanz los, vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Unsere Ausbilder waren alles Männer vom 100000-Mann-Heer. Was da mit uns »gemacht« wurde? Na, der Leser kann sich’s denken! Der »Herr Gefreite« war ein »lieber Gott!«. Jedenfalls hatten wir in diesen acht Tagen den »Infanteriegriff« gefressen (gelernt). Ich selbst wurde dann zum großen Herbstmanöver, das am 24. August 1936 begann, als Hornist eingesetzt. Unsere Kompanie wurde Radfahrkompanie. Auf dem Fahrrad, mit einem Maschinengewehr ausgerüstet, ging es durch ganz Ostpreußen. Die Tour, drei Wochen lang, war sehr anstrengend. Treten, treten und nochmals treten, war unsere Devise. Und das mit einem Fahrrad, das voll bepackt war. Die Fahrt, die wir von Angerburg bis Gerdauen an einem Tag zurückzulegen hatten, kostete am meisten Kraft. Dann gab’s vier Tage Ruhe, die die Kompanie in Gerdauen einlegte. Die taten uns gut. Im Hotel Reich wurde am letzten Tag noch ein Manöverball veranstaltet, der die schweren Belastungen vergessen ließ. Am nächsten Tag brachen wir in Richtung Insterburg auf. Es wurde unter kriegsmäßigen Bedingungen nachts gefahren, also ohne Licht, geräuschlos und in kleineren Gruppen. Gegen Mitte September zogen wir kaputt in Insterburg ein. Wieder wurde ein Ruhetag eingelegt. Aber der nannte sich nur so, denn er war ausgefüllt mit Pflegearbeiten und Appellen. Dann wurden die Kandidaten für die Luftwaffe noch einmal »rangenommen«. Es folgte weitere Infanterieausbildung auf dem Truppenübungsplatz, einschließlich MG-Schießen.
Endlich, am 1. Oktober 1936, war es soweit. Es hieß: »Luftwaffenbewerber rechts raus!« Wir durften noch einen kurzen Sonderurlaub antreten und mußten uns am 5. Oktober 1936, 6 Uhr früh, auf dem Fliegerhorst melden. Frohgemut fuhr ich nach Insterburg, aber welch ein Schreck. Am Anfang der Nordenburger Chaussee fanden wir ein Barackenlager vor. Der Fliegerhorst stand also noch gar nicht. Die Horstkommandantur war auf einem Gutshof untergebracht. Das Musikkorps, dem ich angehören sollte, bestand bisher aus ganzen elf Mann. Am Tag der Ankunft immer die alte Leier; einkleiden, Waffen empfangen usw. Wieder begann auch der schon bekannte Infanteriedienst bis zum Umfallen und das bis zum Januar 1937 (Ausbilder waren alte Polizeibeamte). Im Januar waren dann die Kasernen, herrlich im Kiefernwald gelegen, fertig. Wir fühlten uns wie im Himmel. Die Stuben hatten Parkettfußböden, die sonnabends immer auf Hochglanz gebracht wurden. Mittlerweile war das Musikkorps auf zwanzig Mann angewachsen. Wir durften aber noch nicht öffentlich auftreten. Als Ersatz beschäftigte uns der Infanteriedienst bis zum Auswachsen weiter. Endlich, Ende April, stand das Musikkorps mit dreißig Mann vollzählig und wurde der Horstkompanie zugeteilt, auch der Spielmannszug war vorhanden. 170 Mann zählte nun die Kompanie. Inzwischen hatte die Rollbahn die Länge von 1000 m erreicht, und die ersten Flieger trafen ein. Die Truppe trug die Bezeichnung »Fliegerhorst-Kommandantur Insterburg — Fliegerschule I«. Unser Spieß, also der Hauptfeldwebel, hieß Schi-manski, Chef der Horstkompanie war Schulze-Thesing. Nun wurden drei Staffeln aufgestellt zu je drei Maschinen und einem Begleitflugzeug, insgesamt also zwölf Maschinen. Neben den Flugzeugführern gab es Bordwarte, Flugzeugmonteure und Waffenwarte. Nach Beendigung der Ausbildung hieß die Truppe »Aufklärungsgruppe 111 des Luftwaffenkommandos I«. Anfang 1938 wurden die Staffeln verlegt und es kamen die JU 52. Diese Einheit erhielt die Bezeichnung Blindflugschule I, Insterburg. Im Spätherbst 1938 erfolgte bereits wieder die Verlegung der Blindflugschule. Dann kamen die »Stukas«. Zwischendurch hatten Baupioniere (erkenntlich an den schwarzen Spiegeln ihrer Uniform) die Rollbahn bis auf 1500 m verlängert. Wir hießen nun »Stuka-Schule I« Insterburg. Zurück zum Januar 1937, dem Einzugstermin in die ideal gelegenen, aber auch ebenso ausgestatteten Kasernen. Um 5.30 Uhr war Wecken, es folgten Frühsport und Frühstück. Um 6.30 Uhr hieß es: »Antreten zur Befehlsausgabe!« Da wurde die Diensteinteilung für den ganzen Tag vorgenommen (Flugwache, Küchendienst, Schreibdienst bei der Kommandantur u.a.) und natürlich auch der Dienst für das Musikkorps bekanntgegeben. Dem Musikkorps stand Musikleiter Maraun vor. Korpsführer, also zweiter Mann des Musikkorps, war Oberfeldwebel Karl Werner. Von 8 Uhr bis 8.30 Uhr fand das Choralblasen statt. Durch dieses Blasen im langsamen Tempo sollten die Lungen für das kräftige Blasen gestärkt werden. Von 9 bis 11 Uhr war die große Probe. Sie wurde notwendig vor Konzerten, Platzkonzerten usw. Von 11 bis 14 Uhr dauerte die Mittagspause. Das Essen, täglich hervorragend zubereitet, war mit »sehr gut« zu bezeichnen. Am Nachmittag stand Einzelüben auf dem Plan, für Werke, die bei der großen Probe nicht ganz geklappt hatten.
Ich selbst gehörte zum »Großen Tanz- und Unterhaltungsorchester« innerhalb des Musikkorps. Wir probten im Satz (ich war hauptamtlich Saxophonist und Geiger). Satzprobe heißt, daß alle so spielen müssen, wie der 1. Saxophonist. Also es muß klingen, als wenn ein Mann vierstimmig bläst. Das Gleiche galt natürlich auch für die Geiger, wie für die anderen Streicher. Ab Ende 1937 begann die schöne Zeit in Insterburgs Cafehäusern. Musiker waren knapp, sehr knapp. Die Insterburger Cafehausinhaber nahmen daher mit unserem Kommandeur Verbindung auf und baten darum, die Mitglieder des Musikkorps in ihren Cafes spielen zu lassen. Damit war Oberstleutnant Rentsch einverstanden. Das war nun für uns eine sehr angenehme, abwechslungsreiche Seite des Musiklebens. Es mußten aber Musiker sein, die schon in ähnlicher Weise gearbeitet hatten. Jetzt sah unser Dienstplan wie folgt aus: Morgens wie üblich um 6.30 Uhr Antreten und Dienst in der Kaserne bis 14.30 Uhr. Dann aber stürzte man sich in den Smoking und ab ging es mit dem Bus um 15 Uhr in die Stadt zum Cafe Vidal, um mit der Unterhaltungsmusik die Gäste zu erfreuen. Das brachte uns zu unserem Sold 300 RM monatlich ein, davon gingen an die Stuka-Gruppe 3 Prozent und an den Musikleiter 10 Prozent. Wir waren in vier Kapellen aufgeteilt. Diese wurden wechselweise eingesetzt. Ich begann meine Unterhaltungsmusik beim Cafe Alt-Wien, Hindenburgstraße/Ecke Belowstraße. Nach weiteren sechs Monaten wurde ich in’s Tivoli (Cabarett), Neuer Markt, abkommandiert. Es war eine herrliche Zeit. Nach der »Tivoli-Zeit« kam ich zum Strandbad Zieger, idyllisch an der Angerapp gelegen. Mein schönstes Engagement hatte ich im Casino, Hindenburgstraße. Da verkehrten nur Offiziere, musikalisch hochgebildete Herren. Da hat es mir Spaß gemacht, Musik zu machen. Keine billigen Schlager wurden gespielt, sondern ausgesprochene Konzertmusik. Dieser Ausflug ins Zivilleben, so jeden Tag, erfuhr plötzlich eine Unterbrechung. Ich wurde Anfang 1939 zur FLAK nach Brüsterort abkommandiert, um nach vier Wochen als ausgebildeter Flakschütze wieder zurückzukehren. Noch einmal konnte ich die angenehme Nachmittagsbeschäftigung aufnehmen, dieses Mal im Cafe Corso (Cabarett und Konzert, Inhaber Zieger). Das war meine Blütezeit als Musiker; gutes Publikum, dankbare Gäste. Dann kam die große Enttäuschung und das »Aus« für die Musik. Ende Mai 1939 wurde ich wieder, dies Mal zu einem Funk- und Fernmeldekursus, abkommandiert. Im Juni 1939 kam ich zurück und hörte dann von dem, was sich scheinbar anbahnte. Bald begann der Zweite Weltkrieg. Ich kann nur sagen, daß ich in Insterburg wurdervolle Jahre als Soldat verlebt habe. Jeder Landser, der dort gedient hat, kann die Stadt einfach nicht vergessen, schon wegen der hübschen Mädchen nicht. Außerdem: Die Gegend um Insterburg herum sollte in der Bundesrepublik gesucht werden, es gibt keine solche in dieser lieblichen Art. Noch ein tolles Erlebnis hatten wir 1938 bei der großen Parade zum — na, der Leser weiß schon — 20. April. Der große Aufmarsch aller Truppeneinheiten wurde von Generalmajor v. Kortzfleisch abgenommen, der Vorbeimarsch begann.
Vorneweg die 43. Infanterie, es folgten die beiden Artillerieeinheiten und die Nachrichten-Abteilung, im Anschluß die Einheiten des Fliegerhorsts, zum Schluß kam das Reiter-Regiment 1. Kaum waren die Fliegerhorsteinheiten vorbeimarschiert, kamen die Staffeln im Tiefflug herangebraust, gerade, als das Reiter-Regiment anritt. Infolge eines Zeitfehlers waren die Staffeln zu früh erschienen. Die Reiter konnten die Pferde nicht halten, sie brachen aus der Bahn, es gäbe ein tolles Durcheinander. Der Vorbeimarsch des Reiter-Regiments war im Eimer. Ich selbst habe danach mit Obermuskmeister Bräuning von den Reitern gesprochen, und der sagte zu mir: »Eure Fliegeruhren gehen vor!« Die ganze Parade war geplatzt. Zum Schluß muß ich noch von unserem akrobatischen Spielmannszugführer berichten. Er warf bei den Wendungen an den Straßenabzweigungen den Tambourstock etwa zehn Meter hoch zwischen den Drähten der Oberleitungsomnibusse hindurch und fing ihn wieder geschickt auf. Sein Name war Golombeck. Er kam vom IR 43,1. Kompanie und war nur Obergefreiter. Damals gab es die mittleren Planstellen für Unteroffiziere nicht so reichlich, wie heute bei der Bundeswehr. Wer in 4J/2 Jahren Dienstzeit nicht Unteroffizier wurde (das war die Verpflichtungszeit), konnte abgehen oder wurde Stabsgefreiter bis zum 12. Dienstjahr. Dies sind die wesentlichsten Erinnerungen aus meiner Soldatenzeit im Frieden in Insterburg, die über 40 Jahre zurückliegen.
Auf dem Foto vom Alten Markt ist das Oberleitungsnetz für die Stadtbusse genau zu erkennen (im Hintergrund, in der Nähe der Lutherkirche, sieht man auch den O-Bus). Der Obergel reite Golombeck war, soweit bekannt, der einzige unter den drei Spielmannszug-iührern der Garnison, der das gefährliche Kunststück mit dem Tambourstab wagte Sondermaschine JU 52
Das komfortable Kasino des Fliegerhorstes Insterburg Großes Tanz- und Unterhaltungsorchester der Luftwaffe 244
Kleines Unterhaltungsorchester der Luftwaffe Cafehausmusiker: Von der Luftwaffe entliehen (links, mit Brille, Feldwebel Lindorf)

VIII. TEIL Militärsportverein »Yorck von Boyen« (MSV) (Fußballabteilung) Von Wilhelm Turkowski

Militärsportverein »Yorck von Boyen« Im sportlichen Leben der Garnison Insterburg spielte der Standortsportverein »Yorck v. Boyen« die erste Geige. Es war den Soldaten zwar gestattet, auch anderen Turn-, Box- oder Schwimmvereinen beizutreten, doch jeder Heeresange-hörige wurde automatisch Mitglied des M.S.V. Yorck — wie ursprünglich der Name war — und der monatliche Beitrag von RM 0,10 wurde von den Rechnungsführern der Einheiten einbehalten und an den Verein abgeführt. Zum Zeitpunkt meines Eintritts, am 1. April 1932, gehörte der M.S.V. Yorck zu den drei etwa gleichstark spielenden Fußballklubs in Insterburg. Die beiden anderen waren der Sportverein Insterburg (SVI) und der Sportclub Preußen. Der Initiative des damaligen Hauptmanns beim Bataillonsstab II./IR 1, Hühner, war es zu verdanken, daß die Fußballmannschaft durch den Eintritt von Gustav Klemens, Kurt Akthun und Kurt Tittnak in die Reichswehr (sie kamen vom SVI) erheblich verstärkt wurde. Weitere Kräfte traten am 1. April 1932 mit Albert Mateit (von Prussia Samland Königsberg), Franz Reinhardt (vom SVI), Heinz Nicklaus und mir (vom VfB Angerburg) hinzu, so daß ab 1932 der M.S.V. Yorck unter den Fußballvereinen der Stadt die Nummer Eins war. Durch die Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht im Jahre 1935 erweiterte sich das Spielermaterial vor allem durch Wehrpflichtige aus West- und Südwestdeutschland. Die Eingliederung der Männer, die nur zwei Jahre dienten, hatte jedoch den Nachteil, daß die Mannschaft jedes Jahr neu aufgestellt und wieder eingespielt werden mußte. Die Leitung des Vereins lag immer in den Händen eines Offiziers. Zuerst war es der bereits erwähnte Hauptmann Hühner, dann Major (später Oberstleutnant) von Rost von der Reitenden Artillerie-Abteilung 1 und danach Major Melzer vom II./IR 1. Die Betreuung der Fußballmannschaft erfolgte durch ältere Unteroffiziere, die selbst einmal dazu gehört hatten, so zum Beispiel »Ohmi« Schmidt von der 8. IR 1, Wachtmeister Fritz Katzki vom RR 1 oder zuletzt Gustav Klemens. Anfänglich besaßen wir keinen Trainer; erst im Jahre 1937 übernahm dann Bernhard Klein — ein ehemaliger Duisburger, der in der Kfz-Werkstatt als Schlosser arbeitete — nebenberuflich dieses Amt. Bei Reisen in das Reich, die wir fast jährlich zwischen Himmelfahrt und Pfingsten machten, wurden wir von einem dazu ab kommandierten Offizier begleitet. Im Anfang war es Leutnant Bormann von der Reitenden Artillerie-Abteilung 1, dann Hauptmann Linde von der 6./IR 1 und zum Schluß Oberleutnant Neumann-Colinna von der l./IR 43. Die Unterstützung durch die Truppe war im allgemeinen gut. Natürlich hing die Beurlaubung zu den Spielen und zum Training vom »Spieß« der betreffenden Einheit ab, jedoch kann ich mich nicht erinnern, daß wir jemals mit Ersatz antreten mußten, weil der Urlaub nicht gewährt wurde. Nur einmal, und zwar im Jahre 1934 während der Röhm-Affaire, mußten höhere Dienststellen wegen einer Fahrt nach Danzig eingeschaltet werden. 1934 wurde der Verein in »Yorck von Boyen« umbenannt. Das Reiter-Regiment 1 war ganz von Tilsit nach Insterburg verlegt worden und sein Verein »Von Boyen«
wurde nun dem M.S.V. Yorck eingegliedert. »Von Boyen« hatte neben der Fußball- auch eine rege Handball- und Leichtathletikabteilung mitgebracht. Es gab aber auch Anhänger anderer Sportarten. So waren Erich Skriboleit und Kurt Böhnke wichtige Stützen des Boxvereins Germania, und so mancher Soldat startete für den Schwimmklub oder andere Turnvereine der Stadt. Der Fußball stand jedoch, was die Leistungen betraf, eindeutig an der Spitze. Bereits 1934 erreichten wir das Endspiel um den Vereinspokal des Gaues Ostpreußen-Danzig. Wir verloren das Spiel gegen den Ballspiel- und Eislaufverein Danzig, in Danzig, knapp. Die Niederlage kam wenig überraschend, denn wir kamen von der Gefechtsausbildung auf dem Truppenübungsplatz Arys, und die dort an uns gestellten körperlichen Anforderungen machten sich beim Spiel bemerkbar. 1935 gelang es uns, in unserer Gruppe der Gauliga gegen unseren schärfsten Gegner, Hindenburg Allenstein, den ersten Platz zu halten und damit das Endspiel um die Gaumeisterschaft zu erreichen. Wir spielten gegen Prussia Samland Königsberg, und es gelang uns, mit einem 5:1-Sieg in Insterburg und einer 2:3-Niederlage in Königsberg den Titel des Gaumeisters zu erringen. Die Mannschaftsaufstellung: Turkowski, Acthun, Mateit, Furche, Klemens, Münch, Tittnak, Blume, Reinhardt, Gnoß I und Gnoß II. Danach erfolgte die Vorrunde um die Deutsche Meisterschaft. Wir hatten mit Hertha BSC Berlin, Polizei Chemnitz und Vorwärts-Rasensport Gleiwitz drei sehr starke Gegner. In Chemnitz und Berlin erreichten wir gute Ergebnisse, kamen um Niederlagen aber nicht herum, denn in diesen beiden Mannschaften starteten Nationalspieler. Für Chemnitz Heimchen und Munkelt, für Hertha BSC Sobek, Gelhaar, Kirsey und Ruch. So fielen die Niederlagen in den Rückspielen in Königsberg und Insterburg deutlich aus. Anders j edoch war es, als wir gegen Vorwärts-Rasensport Gleiwitz spielten. Dieser Verein hatte in Koppa und Kubus ebenfalls Nationalspieler in der Mannschaft, doch wir verloren in Gleiwitz und Insterburg nur sehr knapp undunglücklich. Wenn auch der sportliche Erfolg nicht erreicht wurde, waren die Vorrundenspiele um die Deutsche Meisterschaft für die Spieler selbst ein großer Erfolg: Der Empfang in Chemnitz durch den Polizei-Sportverein war ein Erlebnis, ebenso die uns am nächsten Tag gebotene Fahrt ins Erzgebirge nach Annaberg. Nach dem Spiel war ein gemütliches Beisammensein arrangiert worden, an das wir alle noch gerne zurückdenken. Anschließend ging es nach Dresden, wo wir die herrlichen Bauwerke und Parks besichtigten. Ein Tag war für eine Busfahrt nach Bad Schandau, im Elbsandstein-gebirge, eingeplant. Unvergeßliche Eindrücke hatten wir in dieser knappen Woche gesammelt. Die beiden letzten Tage waren wir Gäste der Heeres-Sportschule Wünsdorf und bereiteten uns dort auf das Spiel in Berlin vor. Die Besuche von Chemnitz und Gleiwitz waren gerade für uns Ostpreußen tief beeindruckend, sahen wir doch zum ersten Mal Industriegebiete mit allen ihren Vor- und Nachteilen. Durch die im Jahre 1935 erfolgte Heeresvergrößerung verloren wir einige Spieler, weil sie versetzt wurden. Eine neue Mannschaft mußte aufgebaut werden. In den
folgenden Jahren, 1936 und 1937, verfehlten wir, an zweiter Stelle hinter Hindenburg Alienstein stehend, knapp die Meisterschaft. Aber 1938 war es wieder so weit: Die Gauliga spielte nur noch in einer Gruppe und am Ende der Saison waren wir wieder Meister von Ostpreußen und Danzig. Unsere Mannschaftsaufstellung: Tur-kowski, Acthun, Mateit, Sander, Furche, Wilczek, Tittnak, Kuschel, Schulz, Täger und Domnick. Die anschließende Vorrunde um die Deutsche Meisterschaft führte uns mit dem Hamburger Sportverein, Eintracht Frankfurt/Main und dem Stettiner Sportklub zusammen. Doch leider war für uns kein »Blumentopf« zu gewinnen, denn außer einem Unentschieden gegen Stettin verloren wir alle Spiele. Aber auch während dieser Runde haben wir sehr viel Schönes gesehen und erlebt. In Hamburg spielten wir am 30. April 1938. Nach der Begegnung besuchten wir die Reeperbahn und erwarteten dort den Monat Mai — ein einmaliges Vergnügen. Um die Zeit bis zum 8. Mai, an dem das Spiel gegen Eintracht Frankfurt angesetzt war, zu überbrücken, trugen wir Freundschaftsspiele gegen den VfB Lübeck und die Borussia Harburg aus. Von Frankfurt aus unternahmen wir schöne Fahrten nach Heidelberg, zum Feldberg und zum Luftschiffhafen. Dann kam das Spiel in Frankfurt, das wir mit 3:5 verloren. In den folgenden Tagen spielten wir noch gegen den SV Wiesbaden und bestritten ein Freundschaftsspiel gegen den Stammverein unseres Halbrechten Kuschel in Düsseldorf. Dieser Verein nahm uns sehr herzlich auf und ließ uns in seinem Lokal einen rheinischen Nach-Karnevalabend erleben. Erwähnen möchte ich aber auch eine eindrucksvolle Schiffsfahrt auf dem Rhein von Rüdesheim nach Koblenz. Auf der Rückfahrt wurde die Reise in Berlin unterbrochen. Wir hatten Gelegenheit, uns das Länderspiel Deutschland gegen England und am folgenden Tag das Spiel Aston Villa London gegen die Ostmark anzusehen. So war diese Reise ein Ereignis, dessen schöne Eindrücke mir noch heute lebhaft in Erinnerung sind. Nach Beendigung der Sommerpause 1938 begannen die Spiele um den Tscham-mer-Pokal. Der Stettiner Sportklub, unser ausgeloster Gegner, verzichtete auf das Treffen, und wir waren nun unter den letzten 16 Mannschaften. Am 4. September kämpften wir gegen den SC Brandenburg in Insterburg und verloren mit 1:4 Toren. Darüber berichtete die Ostdeutsche Volkszeitung am Montag, dem 5. September sehr ausführlich. »SC Brandenburg 05 schaltet Yorck 4:1 aus«, lautete die Schlagzeile. Und in der Unterzeile hieß es: »Ein Spiel der verpaßten Gelegenheiten/An Kampfkraft gleichwertig«. Hier der Originaltext. »Durch die Absage des SC Stettin kamen die Soldaten des Standortsportvereins um eine Runde weiter und trafen Sonntag auf den SC Brandenburg 05 im fälligen Tschammer-Pokalspiel. Diese Brandenburger Mannschaft konnte unsere Elf mit einem 4:1-Sieg aus dem Wettbewerb werfen. Der Sieg in dieser Höhe entsprach zwar nicht ganz dem Kräfteverhältnis. Man muß das Spiel auf Insterburger Seite das Spiel der verpaßten Gelegenheiten nennen. Soviel ungenützte Chancen, wie sie gestern von den Insterburgern ausgelassen wurden, hat es wohl selten in einem derart wichtigen Treffen gegeben. In beiden
Spielhälften hatten die Soldaten je eine halbe Stunde lang das Heft in der Hand und verschafften sich Torchancen, wie sie selten in dieser Vielzahl auf treten. Trotzdem blieben die zählbaren Erfolge aus. Dieses Versagen der Yorcker ist wohl auch zum größten Teil auf die lange und anstrengende Truppenübungsplatz- und Manöverzeit zurückzuführen, die unsere Soldaten hinter sich haben. Die gesamte Mannschaft befand sich noch bis zum Freitagnachmittag im Manövergelände und daß die großen Anstrengungen dieser Zeit sich innerhalb eines Tages nicht beheben lassen, dürfte wohl jedem gewesenen Soldaten und Sportler einleuchten. Während die Yorcker in Kampfkraft und Ausdauer mit ihrem Gegner jederzeit konkurrieren konnten, waren sie diesen in Schnelligkeit und Ballarbeit unterlegen. In der Elf der Soldaten erfüllten nur Furche, Acthun und Turkowski ihre Aufgaben, während die restlichen Spieler hinter ihren sonstigen Leistungen zurückstanden. In taktischer Hinsicht litt der Sturm unter zu engmaschigem Spiel. Durch diese Spielweise wurden auch noch die Außenstürmer nach innen gezogen und damit dem Angriff seine Durchschlagskraft genommen. In der Abwehr arbeiteten die beiden Außenläufer zu sehr im Spielaufbau und vernachlässigten dadurch die Deckung. Insbesondere versagte dabei Sander. In der Mannschaft des SC Brandenburg 05 fehlten noch die beiden Stürmer Bertz und Koch. Der Angriff zeigte auch trotz der vier Tore keine besondere Leistung, sondern provitierte von den Fehlern der Deckung Yorcks. Sehr gut gefiel der stark offensiv spielende Mittelläufer Hage und im Sturm noch Woischke, der dreifache Torschütze. In bester Manier zeigte sich das Schlußdreieck der Gäste. Torwart Müncher holte sich durch seine energische und entschlossene Abwehrarbeit oftmals Sonderbeifall. Seinem Torwart hat der SC wohl zum größten Teil auch dieses gute Resultat zu verdanken. Insgesamt gesehen spielen die Brandenburger einen sehr schnellen und zweckmäßigen Fußball. Das Start- und Lauf vermögen dieser Elf war ganz ausgezeichnet. Die Ballarbeit sehr sauber, aber ohne jede unnütze Tändelei und gerade dadurch weniger bestechend, dafür aber erfolgreich. Im Stadion herrschte gestern Großkampfstimmung. Ein wunderbarer Herbstsonntag und das saftige Grün des Insterburger Stadions waren so recht geeignet, unter den etwa 2000 bis2500 anwesenden Zuschauern eine Hochstimmung zu erzeugen. Unter der Leitung von Bouillon, Königsberg, stellten sich die Mannschaften in folgender Besetzung: SC Brandenburg 05: Müncher, Wiese, Kaufmann I, Maurer, Hage, Küßel, Papenbrock, Schuder, Kußwig, Woischke, Kaußmann II. Yorck-Boyen: Gnoß II, Albrink, Schulz, Kuschel, Tittnak, Buschhüter, Furche, Sander, Mateit, Acthun, Turkowski. Die ersten 10 Spielminuten werden von beiden Mannschaften ohne besonderen Elan begonnen. Beide Mannschaften tasten sich noch vorerst ab und die Angriffe beider Mannschaften blieben, ohne eine Note besonderer Gefährlichkeit zu haben, meistens schon in des Gegners Spielhälfte stecken. Die erste brenzliche Situation wird von den Insterburgern heraufbeschworen. Einen halbhohen Flan
kenball nimmt Brandenburgs rechter Verteidiger Wiese nur leicht mit dem Kopf an und Gnoß kann sich in diese Kombination werfen und den Ball über Albrink zu Schulz weiterleiten, der in diesem Moment gerade in bester Schußposition stand. Schulz hebt aber diesen Ball etwas zu stark, und haarscharf über die Latte geht der Bombenschuß. Yorcks Verteidiger machen den Fehler des Auf rückens und geben dadurch den Brandenburgern Gelegenheit, durch zügiges Flügelspiel oft gefährlich zu werden. Ein Angriff der Brandenburger kann von Furche nur noch durch Hand abgewehrt werden, und auf der 16-Meter-Linie gibt es einen Strafstoß, der aber in der Mauer der Insterburger hängen bleibt. Yorcks Außenläufer decken ihre Halbstürmer fast gar nicht und geben damit dem Gegner zu viel Raum zur Entwicklung seiner Angriffe. Insbesondere wird dieser Fehler von Sander gemacht, der in fast jeder heiklen Situation vor dem Tor der Insterburger nicht zur Stelle ist. Der Rechtsaußen der Brandenburger hat sich bis in seine äußerste Ecke durchgespielt und seine wuchtige Flanke findet auf der anderen Seite Woischke bereit. Mit einem sehr präzisen und harten Kopfstoß erzielte er damit das Führungstor für seine Mannschaft. Nach diesem Tor erzwingen die Yorcker allmählich eine Feldüberlegenheit und berennen das Tor der Gäste des öfteren sehr stark und der A us-gleich scheint in der Luft zu hängen. Der Torwart der Brandenburger zeigt sich bei diesen Angriffen der Insterburger von seiner besten Seite und kann durch sein entschlossenes Eingreifen fast sicher erscheinende Tore der Soldaten verhindern. Bis zur Pause hält der Druck der Insterburger unvermindert an und Brandenburg muß sich sehr auf Abwehrarbeit einstellen. Beim Stande von 1:0 für den SC Brandenburg wird zur Pause gepfiffen. Bei den Zuschauern herrschte die Allgemeinstimmung vor, daß nach dem Wechsel die Zeit für die Einheimischen kommen wird. In der ersten Spielhälfte mußten die Soldaten gegen die sehr scharfe und tiefstehende Sonne kämpfen, und dieser Nachteil fiel ja in der zweiten Spielhälfte fort. Die Wirklichkeit sollte aber alle Optimisten bald eines anderen belehren. Nach Wiederbeginn unternahmen die Soldaten sofort einen Husarenangriff und konnten dabei den linken Flügel mit Gnoß freispielen. Doch auch diesmal wurde eine sichere Torchance ungenützt gelassen und Gnoß verschießt, allein vor dem Tor stehend. Besser verstand es die Gegenseite, gebotene Gelegenheiten auszunützen. In Ballarbeit von Mann zu Mann spielen sich die Brandenburger bis in den Strafraum der Insterburger. Auf der 16-Meter-Linie landet der Ball bei Woischke, der von Sander wieder nicht gedeckt wurde, und mit einem unhaltbaren halbhohen Ball in die äußerste Ecke muß sich Turkowski geschlagen bekennen. Noch hat man bei den Insterburgern die Situation nicht recht erfaßt, da kommen die SCer zu einem weiteren billigen Erfolg. Auch diesmal ist es Woischke, der seinem Bewacher Sander wieder entlaufen ist. Fast auf der Auslinie, etwa 7 m frei vor dem Tor stehend, erzielte dieser gewandte Spieler das dritte Tor für seine Elf, und damit war den Insterburgern wohl jede Aussicht auf Sieg genommen. Noch keine 15 Minuten der zweiten Halbzeit waren gespielt und durch diese leichtfertige Uber-
rumpelung waren die Yorcker restlos ins Hintertreffen geraten. Wohl übernahmen die Insterburger wieder vollkommen die Führung, blieben feldüberlegen, doch was nützt die beste Feldüberlegenheit, wenn der Gegner dabei die Tore schießt. So konnte in der 15. Minute Tittnak in Schußstellung kommen, spielte aber dem Torwart in die Arme. Ebenso erging es einem weiteren Angriff, als Tittnak nur 6 m vor dem Tor völlig allein auf weiter Flur stand und dem Torwart den Ball direkt zuschob. So wurden denn in dieser Zeit Chancen versiebt, in einer Vielzahl, wie man sie alle gar nicht mehr registrieren konnte, und bei allem Unglück konnten die Gäste auch noch zu einem vierten Tor kommen. Während die Yorcker in einem beispiellosen Ansturm das Tor des Gegners berennen, das dieser auch vielbeinig verteidigt, geht der Mittelläufer des SC auf und davon und bezwingt Turkowski mit einer unhaltbaren Bombe. Das vollauf verdiente Ehrentor gelingt den Insterburgern Minuten vor dem Abpfiff durch Schulz. Mit diesem 4:1 erzwangen die Gäste einen Sieg, der allerdings in dieser Höhe nicht gerechtfertigt war.« In der folgenden Spielzeit (1938/39) standen von unserer Stammannschaft nur noch zwei Spieler, nämlich Furche und der Verfasser dieser Zeilen, zur Verfügung. So kam es, daß wir am Ende dieser Saison nur auf dem drittletzten Platz landeten und einem Abstieg nur knapp entgingen. Nachbetrachtend möchte ich sagen, daß die Spiele um die Deutsche Meisterschaft, auch wenn wir keine großen Erfolge erzielen konnten, für uns überwältigende Erlebnisse waren. Spielten wir in Ostpreußen vor 1000 bis 1500 Zuschauern, so waren es in den großen Stadien von Berlin, Chemnitz, Hamburg oder Frankfurt 20000 bis 30000 begeisterte Fußballfreunde. Hinzu kamen dann natürlich noch die Reisen als willkommene Abwechslung im Einerlei des täglichen Dienstes. Daß es außerdem noch Spesen gab und uns für die Eisenbahnfahrten die Kosten für die 2. Klasse und Schlafwagen erstattet wurden, obwohl wir mit Militärfahrkarten die 3. Klasse benutzten, war eine angenehme Zugabe. Zur Handball-Abteilung unseres Vereins wäre zu sagen, daß die Erfolge sehr unterschiedlich waren. Mehrfach stieg die Mannschaft in die Gauliga auf und auch wieder ab. In den Jahren 1932/34 war Willy Naujoks der Leiter der Abteilung. Während dieser Zeit gab es die großen Kämpfe zwischen dem Polizei-Sportverein und dem M.S.V. Yorck. Besonders interessant waren die Duelle Balkow vom Polizei-Sportverein gegen unseren Skriboleit. Im Jahre 1932 beteiligte sich die Mannschaft an dem beliebten Messeturnier in Königsberg und kämpfte sich sogar bis zum Endspiel durch. Sieger blieb jedoch die damals in Ostpreußen überragende Mannschaft von Hindenburg Alienstein. Das von Willy Naujoks trainierte und getrimmte Team: Turkowski, Otto Kutschelis, Erich Skriboleit, Kurt Tittnak, Herbert Wetzker, Gustav Klemens und Willy Naujoks. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde unser Vereinsleben beendet.
Nachwort Von Superintendent i.R. Ernst Füg

»Ich gedenke der alten Zeiten, der vergangenen Jahre« <ps. 77,6> Wer sich an den Zeitraum 1919-1939 erinnert, bedenkt den Anfang nach dem Ende 1918 und den Beginn des Endes nach 1939. Eine solche Bewertung muß unpersönlich bleiben und sachlich historisch, soweit dies der Menschenkraft möglich ist. Deshalb rufen wir das Erinnern an den Menschen auf, an den Menschen in seiner Person, der 1919 eine Tradition übernahm wie eine Fackel, um das Feuer in die Zukunft zu tragen — ohne die Asche! Wir erinnern an die Soldaten, die Insterburgs Garnison bezogen und 1939 mit klingendem Spiel verließen. In ihnen lebte etwas von dem heute verfallenen Stolz: »Im Felde, da ist der Mann noch 'was wert’«. Wir werden davon aus der Sicht von heute nicht gering denken. Es mag vereinzelte Gedenkstätten für Insterburger Truppenteile geben, aber insgesamt blieb unsere Heimatstadt ohne Ehrentafel für alle, die nicht zurückkehrten. Sie wird durch dies Buch nur unvollkommen ersetzt. Der weite Abstand läßt uns ernsthaft prüfen, ob wir es noch als Privileg ansehen, unter dem Heimatverlust zu leiden und der toten Soldaten trauernd gedenken zu können. Es wäre eine Gabe, wenn wir trotz aller Gegenwartsfragen und -forderun-gen die alten Kameraden nicht vergessen haben und die Bilder von damals noch Farbe zeigten. »Ich gedenke der alten Zeiten . . .«, das heißt: Wir überlassen uns nicht gedankenlos den Zeitströmungen, die das Wirtschaftswachstum als unentbehrliches Lebenselement preisen. Wir gedenken mit Danken. Ohne Dank sind alle Erinnerungen Zeitvergeudung; durch Dank werden sie zur Zeitveredelung. Lebt in uns noch ein Funke vom Danken? Wofür? Wohin? In die Richtung, wo wir Gottes »Namen« denken? Es könnte geschehen, daß wir die Rätsel nicht aufzuarbeiten vermögen. Oder dürfen wir uns mit der Fähigkeit ausgestattet wissen, ein »Dennoch« zu wagen und Gott auch in der tiefsten Trauer zu loben? Im Amtszimmer des letzten Insterburger Militärpfarrers verging fast kein Tag ohne Tränen. Da saß die schlichte Frau aus Pfungstadt: »Herr Pfarrer, das ist schon mein Vierter«. Und in die betroffene Ratlosigkeit des Pfarrers hinein sprach sie, wie um den des Wortes beraubten Erschrockenen zu trösten: »Aber ich weiß, Gott macht keinen Fehler.« Wir danken auch heute noch denen, die ihr Leid trugen, nicht »in stolzer Trauer«, sondern bedrückt und gebeugt; wir danken denen, die ihr Leben ließen für das Vaterland, in edler Meinung und in Erfüllung ihrer Pflicht. Ein Jahr überholte das andere. 1919 - 1939. Es waren Jahre der Änderungen: Abschied vom Kaiserreich und zögernde Wendung zur Demokratie. Vielen schien das Morgenrot zu leuchten, andere schauderten vor dem Ausbruch dämonischer Mächte. Es gab Kurzsichtige und Weitblickende, die 1919 - 1939 in den Kasernen, Kantinen und Kasinos dachten, redeten und durcheinanderredeten. Der Generalfeldmarschall stand da, verehrt als der Hort. Auf seinem Totenbett hielt er das Neue Testament in den Händen. Paul von Hindenburg hinterließ ein Vermächtnis,
das den Stillen im Lande besser gedieh als denen, die an Lautstärke zunahmen. Schwankt uns, »von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, sein Charakterbild in der Geschichte«? Mit Danken sei derer gedacht, die in den Lazaretten Insterburgs unter ihren Wunden litten und trotz aufreibender, bewundernswerter Arbeit der Ärzte ihr Leben aushauchten. Ein Feldwebel darunter — wer weiß woher —, betete: »Soll’s uns hart ergehen, laß uns feste stehen . . .«. Immer mehr Reihen der Gräber auf dem »Heldenfriedhof« nahmen die stillen guten Kameraden auf, wie sie gedrängt neben- und übereinander in der Friedhofskapelle gelegen hatten, als wäre jeder ein Stück vom anderen. Neben dem evangelischen Standortpfarrer versah der katholische Bruder, Dekan Schabram, seinen Dienst. Oft überblickten wir zusammen die vierzig oder fünfzig Gräber. Ein Einzelbegräbnis kam selten vor. Wir wurden in die Kasernen gebeten. Was mag aus jenen drei Elsäßern geworden sein, die nach einer Stunde der Eidesvorbereitung dem Pfarrer offenbarten, daß sie schon auf die Trikole geschworen hatten. Auf das Hakenkreuz wollten sie keinen Eid leisten. Der Pfarrer konnte zum Schwur nicht raten, durfte es aber nicht sagen. War das Feigheit? Er mußte die Fragenden alleine lassen. Solche Nöte brachen in den Jahren 1919 - 1939 nie oder selten auf. Auch Kerkernöte waren zu teilen — Nöte im Angesicht des Todes! Und dann schlug die Stunde der letzten Feier über dreißig Gräbern. Kein stiller Schläfer wurde dem Feind, der andern Tags einzog, überlassen. Zum letzten Mal rollten die Salven. Es war am 20. Januar 1945 um etwa 16 Uhr. Mit tapferer Entschlossenheit haben unsere Insterburger Kameraden unter härtesten Bedingungen bis zum bitteren Ende ihren Mann gestanden. Ihre Empfindungen blieben verschlossen; mit ihrem Opfer retteten sie einen Rest von Deutschland und die Atlantikküsten vor fremden Fahnen. Ob diese Geschichtsdeutung richtig ist oder falsch wird auch in späteren Jahren nicht zu klären sein. Wir haben immer noch zu kämpfen, auch mit uns selbst. Ich kann die Frau aus Pfungstadt nicht vergessen. Sie trat zuletzt an das Grab des Sohnes und sprach mit zitternder Stimme: »Herr, du hast ihn mir gegeben, du hast ihn mir genommen, dein Name sei gelobt«. Auch einem der Soldaten unter Gewehr wurde das Auge feucht.
Die Autoren Behrend, Hermann Heinrich: Geboren am 25. August 1898 in Perleberg, Mark Brandenburg. Am 1. Juni 1915 Eintritt ins Infanterie-Regiment 43. Stationen: Infanterie-Regiment Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz (6. ostpreußisches) Nr. 43, Königsberg. Anschließend 100 000-Mann-Heer. Ab 1933 Infanterie-Regiment 18, Paderborn. 1938 Infanterie-Regiment 16 Oldenburg (in Oldbg.). Von dort als Bataillons-Kommandeur I./489 in den Zweiten Weltkrieg. Oberstleutnant, Oberst und Kommandeur des Grenadier-Regiments 154. Zuletzt Generalmajor und Kommandeur der 490. Infanterie-Division. Nach dem Krieg Leiter der Jugendgilden in Hamburg, Mitarbeiter von Professor D. Dr. Helmut Thielike. Seit 1968 im Ruhestand in Bad Tölz. Blös, Paul: Geboren 1914 in Lübeck. Am 5. März 1934 Eintritt in den Polizeidienst, am 1. Dezember 1934 Übertritt zur Luftwaffe. Stationen: Flieger-Ersatzabteilung, Kriegsschule, Schlachtflieger, 1./Stuka 1, Fliegerführer Afrika, OB Süd, diverse Fliegerschulen, zuletzt Hauptmann in einem Ergänzungsgeschwader. Nach dem Zweiten Weltkrieg Schuhmacherlehre, Notstandsarbeiter, Berichterstatter. Dann Dienst in der Bundeswehr, zuletzt als Oberstleutnant. Lebt in Hasloh/Holstein. Füg, Ernst: Geboren 1901 im Kreis Labiau. Abitur 1920 am Fridericianum zu Königs-berg/Preußen. Studium der Theologie. 1929 Berufung durch Dr. Graf Brünneck (früher Landeshauptmann Ostpreußen) in die Pfarrstelle Beischwitz (Klein Tromnau), Kreis Rosenberg/Westpreußen. 1937 zwei militärische Übungen. Teilnahme am Polenfeldzug. Wurde Anfang 1940 zum Superintendenten von Insterburg ernannt (Pfarrstelle 1 an der Lutherkirche). 1943 wurde ihm das Militärpfarramt i.N. (im Nebenamt) übertragen. Nach der Vertreibung: Greifswald, kommissarischer Superintendent in Eisleben, Berufung zum Stiftsprediger in Eisenach (1946 bis 1955). Zuletzt Domprediger und Superintendent in Merseburg (Saale). Seit 1968 lebt Füg als emeritus in Königswinter am Rhein.
Hartmann, Reinhard: 1917 in Insterburg geboren. Dort zur Schule gegangen. 1936 nach dem Abitur am staatlichen Gymnasium zu Insterburg als Fahnenjunker eingetreten in das Artillerie-Regiment 1 Königsberg und bis 1939 bei der I./AR 37 in der Garnison Insterburg. Im Zweiten Weltkrieg von 1942 bis 1944 Adjutant der 61. (ostpreußischen) Infanterie-Division. Nach amerikanischer Kriegsgefangenschaft zunächst Verwendung in der Arbeitsverwaltung. Vom 1. Dezember 1955 bis 31. März 1972 Dienst in der Bundeswehr. Oberstleutnant a.D. Lebt in Aachen und ist dort als Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der Vereinigung der Unternehmerverbände im Aachener Industriegebiet tätig. Kiehl, Gerhard: Geboren 1914 in Lindenhöhe, Kreis Insterburg. 1934 Eintritt in den Heeresdienst. Stationen: I./Artillerie-Regiment 1, L/Artillerie-Regiment 37, Stab der 1. Infanterie-Division. Letzter Dienstgrad: Oberschirrmeister. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Zollbeamter an der niederländischen Grenze und in Hamburg tätig. Dort lebt er im Ruhestand. Kühn, Dietrich: Geboren 1917 in Königsberg/Preußen. Im Dezember 1936 Eintritt in den Heeresdienst. Stationen: September 1938 Zugführer, August 1941 Schwadronsführer, Frühjahr 1942 Kompanie-Chef, 1943 Kompanie-Chef, Offiziers-Anwärter-Schule, 1944 Bataillonsführer. Letzter Dienstgrad: Rittmeister. Schwerkriegsbeschädigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Journalist tätig. Lebt in Meppen. Kuhlmey, Kurt: Geboren am 19. November 1913 in Insterburg. Am 1. April 1934 Eintritt in den Luftwaffendienst. Stationen: Infanterie-Regiment 6 (26) Flensburg, Flugzeugführer-Ausbildung in Kitzingen, Prenzlau, Schleißheim; Einsatz als Flugzeugführer in Schwerin, Lübeck, Graz, Insterburg. Staffelkapitän, Gruppenkommandeur, Geschwader-Kommodore SG 3. Letzter Dienstgrad: Oberst. Nach dem Zweiten Weltkrieg vom 1. Juni 1952 an im Amt Blank tätig. Vom 1. November 1955 bis 31. März 1971 Dienst in der Bundeswehr: Kommandeur der 5. Luftwaffen-Division, Kommandeur des Lufttransportkommandos, Generalmajor a.D. Lebt in Bonn. 260
Lindorf, Wilhelm: Geboren 1909 in Königsberg/Preußen. Im August 1936 Eintritt in den Heeresdienst, II./IR 43, 4. Kompanie. Ab Oktober 1936 im Luftwaffen-Musikkorps Insterburg. Stationen: September 1939 bis Januar 1940 Flak-Batterie Insterburg. Ab 1942 X. Luftwaffen-Felddivi-sion (Leningrad), 5. Jägerkompanie. Letzter Dienstgrad: Feldwebel. Nach dem Zweiten Weltkrieg von 1946 bis 1956 Musiker-Store-Keeper bei der US-Army. 1957/58 Disponent im Großhandel. Ab 1959 im Justizministerium Stuttgart, Abteilung UI, Außenstelle Karlsruhe, ab 1970 im Wirtschaftsministerium Stuttgart, Außenstelle Karlsruhe-Dur-lach-Augustenberg. Mertens, Otto: Geboren am 9. Dezember 1905 in Köthen/Anhalt. Eintritt in den Heeresdienst am 1. November 1925. Stationen: 1925/26 Ausbildung 14. (A) 1. (preußisches) Infanterie-Regiment Königsberg. 1926 bis 1933 bei der 5. Kompanie 1. (preußisches) Infanterie-Regiment Tilsit und Insterburg; Feldwebel. 1933—1936 beim 9. IR Königsberg, Insterburg. 1936/37 1. Kompanie/IR 43, Insterburg; Oberfähnrich. 1937—1939 9. Kompanie/IR 11, Leipzig; Leutnant. 1939/40 9. Kompanie/GR 234, Polen, Holland, Frankreich. 1940—43 10./GR 573, Frankreich, Rußland; Oberleutnant, Hauptmann. 1943/44 III./GR 578 Rußland, Italien. 1945 1L/GR 997, Kampfgruppe Kleist; letzter Dienstgrad Major. Nach dem Zweiten Weltkrieg Transport-und Lagerarbeiter, Angestellter und Beamter der Steuerverwaltung. Lebt in Mainz. Meyer, Heinz: Geboren 1913 in Verden (Aller). Eintritt in den Heeresdienst am 1. Oktober 1931 in Hannover, Artillerie-Regiment 6. Stationen: 1934 Versetzung von Verden (Aller) nach Insterburg, dort Aufstellung der Reitenden Artillerie-Abteilung 1; Unteroffizier. 1937 Wachtmeister, 1940 Oberwachtmeister, 1942 als vorgeschobener Artillerie-Beobachter in Stalingrad verwundet, Beinamputation. 1943 Stabswachtmeister. 1944 letzter Dienstgrad: Zahlmeister im TSD (Truppen-Sonderdienst). Nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Stadtverwaltung Verden (Aller), Leiter der Stadt-• • kasse. 1956 Übertritt in die Bundeswehrverwaltung, Regierungsoberamtmann. Seit 1975 in Verden an der Aller im Ruhestand.
Schmidt, Oskar F. W.: Geboren 1920 in Groß Laschnicken, Kreis Insterburg. Am 5. Dezember 1939 Eintritt in den Heeresdienst, Nachrichten-Ersatz-Abteilung 1. Stationen: 1939 bis 1942 Nachrichtentruppe, 1942 bis Anfang 1943 Infanterie-Regiment 3, 1943—1944 Lazarett, 1944—1945 Annahmestelle für Offiziers- und Unteroffiziers-Bewerber. Letzter Dienstgrad Leutnant. Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufmännische Tätigkeit, 1946—1947 im Kunstgewerbe. Von 1948 bis 1975 im Verwaltungsdienst tätig. Lebt in Hamburg. Thulke, Joachim: Geboren 1918 in Hanswalde, Kreis Wehlau. Ab 1930 in Insterburg wohnhaft. Am 2. November 1937 Eintritt in den Heeresdienst beim Stab I./AR 37 Insterburg. Stationen: Als AVKo-Funktruppführer im Polen- und Westfeldzug I./AR 37; Unteroffizier. Ab Dezember 1940 Ausbil-z der in der Schweren Artillerie-Ersatz-Abteilung 47. 1941 Wachtmeister. Nachrichten Stff. Führer, VB, B-Offizier 3./AR 338 und ll./AR 328. 1943 Oberwachtmeister. Ab August 1944 Schule für Fahnenjunker der Artillerie; Leutnant. Letzter Einsatz als Führer der 2. Kompanie, Kampfgruppe Schwerk, in der Armee Wenk. Nach dem Zweiten Weltkrieg von 1946 bis 1950 in Flensburg im Tiefbau tätig. Ab 1. August 1950 Filialleiter und ab 1. Mai 1961 selbständiger Lebensmittel-Einzelhändler in Bad Mergentheim. Ab 2. Juli 1963 Reservist der Bundeswehr, 16 Wehrübungen, letzter Dienstgrad Oberstleutnant. Lebt in Bad Mergentheim. 262 Turkowski, Wilhelm: Geboren 1912 in Tawellningken, Kreis Niederung (Elchniederung). Am 1. April 1932 Eintritt in den Heeresdienst. Stationen: 7./Infanterie-Regiment 1, Heeres-Zeugamt Königsberg, Stab der 1. Infanterie-Division, Heeres-Zeugamt Posen, Panzer-Grenadier-Regiment 9. Letzter Dienstgrad Leutnant (W), Waffen-Offizier. Nach dem Zweiten Weltkrieg Arbeiter bei Bayer Leverkusen, Baukaufmann, Kaufmännischer Leiter einer Niederlassung. Lebt in Kaiserslautern.
Quellenverzeichnis und Literaturhinweise Absolon, Rudolf: Die Wehrmacht im Dritten Reich, Band I—III. Boppard 1969, 1971, 1975 Behrens, Wilhelm: Geschichte des Reiter-Regiments 1, Teil I, Friedensjahr 1919—1939. Düsseldorf o. J. Benary, Albert: Unsere Reichswehr. Berlin o. J. Bülowius, Alfred: Regimentsgeschichte des IR v. Boyen (5. ostpreußisches) Nr. 41 Buxa, Werner: Weg und Schicksal der II. Infanterie-Division. Bad Nauheim 1963 Cordier, Werner u. a.: Geschichte der 121. ostpreußischen Infanterie-Division 1940—1945. Münster/Frankfurt/Berlin 1970 Friedensstärkenachweisungen, Heer. Bundesarchiv Freiburg im Breisgau, Militärarchiv Gieraths, Günther: Die Kampfhandlungen der Brandenburgisch-Preußischen Armee. Berlin 1964 Hennig, Kurt: Das Infanterie-Regiment (8. ostpreußisches) Nr. 45 Insterburg-Darkehmen Insterburger Brief. Krefeld 1964, 1979 Koppelow, Generalmajor von: Geschichte des Königlich-Preußischen Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 9. Ludwigslust 1925 Kuehn, Dietrich: Geschichte des Reiter-Regiments I, Teil II, 1939—1941. Düsseldorf o. J. Kühn, Dietrich: Geschichte des Reiter-Regiments I, Teil III, 1942—1945 (Panzer-Grenadier-Regiment 21). Düsseldorf o. J. Lezius, Martin: Die Truppenteile der alten Armee und ihre Überlieferung im 100 000-Mann-Heer der Reichswehr 1923—1933. Berlin-Fürstenwalde 1936 Matuschka, Edgar Graf von: Organisation des Reichsheeres. Handbuch der deutschen Militärgeschichte, Teil 6, 1919—1933. Frankfurt/Main 1970 Meyer, Heinz u. a.: Erinnerungsblätter rAR 1 und Pz/AR 89 Müller-Hillebrand, Burkhart: Das Heer 1933—1945. Entwicklung des organisatorischen Aufbaus. 1. Das Heer bis zum Kriegsbeginn. Darmstadt 1954 Oertzen, von: Deutsches Reichsheerhandbuch. Berlin 1924 Ostdeutsche Volkszeitung. Insterburg 1938 Osterroth, Oberstleutnant: Geschichte des Dragoner-Regiments Prinz Albrecht von Preußen (Litthauisches) Nr. I, 1717—1919. Berlin 1930 Richter, Werner: Die I. (ostpreußische) Infanterie-Division. München 1975 Schneider, Heinrich: Bunte Bilder aus dem Friedens- und Kriegserleben der Nachrichten-Abteilung I. Darmstadt 1961
Scholtz, Gerhard: Hermann von Boyen. Ein Lebensbild. Berlin 1936 Stahl, Friedrich: Heereseinteilung. Stand 1939 Tessin, Georg: Deutsche Verbände und Truppen 1918—1939. Osnabrück 1974 Tessin, Georg: Formationsgeschichte der Wehrmacht 1933—1939. Stäbe und Truppenteile des Heeres und der Luftwaffe. Boppard 1959 Tycowicz, Rudolf von: Das Infanterie-Regiment 1. Ein Erinnerungsbuch. München 1966 Tyszka, Rittmeister von: Geschichte des königlich-preußischen 1. Dragoner-Regiments, seit dessen Stiftung im Jahre 1717 bis auf gegenwärtige Zeit. Rastenburg 1837 Ulrich, Gerhard: Insterburg im Bild. Band 1 und 11. Krefeld 1967 Weisbrodt: Das Litthauische Ulanen-Regiment Nr. 12 von der Formation bis zur Gegenwart. Berlin 1886 Wohlfeil/Dollinger: Die deutsche Reichswehr. Bilder und Dokumente 1918—1935. München 1972 Zipfel, Dr. Ernst: Geschichte des Litthauischen Ulanen-Regiments Nr. 12. Berlin 1931 Besonderer Dank gilt Karl-Ludwig Rose, der uns in letzter Minute fast 70 brillante Fotos zur Verfügung stellte, die weitgehend in dieses Buch aufgenommen werden konnten. Rose absolvierte im Mai 1939 bei den Insterburger Reitern (RR 1) als Reserveoffiziersanwärter seine Unteroffiziersübung in der 5. Schwadron und konnte bei der Gelegenheit mit seiner Rollei die genannten Bilder schießen und die Negative retten. Er lebt heute in Kiel.